Civen in Memory of Professor Joachim Wach /■ DIE ORIENTALISCHEN RELIGIONEN IM RÖMISCHEN HEIDENTUM VORLESUNGEN AM COLLEGE DE FRANCE GEHALTEN VON FRANZ CUMONT AUTORISIERTE DEUTSCHE AUSGABE VON GEORG GEHRICH ZWEITE, VERBESSERTE UND VERMEHRTE AUFLAGE VERLAG VON B. G.TEUBNER . LEIPZIG ■ BERLIN IQ 14 .\.^y q ^ COPYRIGHT 1914 BY B. G. TEÜBNER IN LEIPZIG / A^ My /> // {/ ALLE RECHTE, EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN. MEINEM LEHRER UND FREUNDE CHARLES MICHEL 1886- 1906 F. CUMONT VORREDE DES VERFASSERS ZUR ERSTEN FRANZÖSISCHEN AUSGABE Im November 1905 erhielt ich vom College de France den ehrenvollen Auftrag, als Nachfolger von Herrn Naville die von der Michonis-Stiftung ins Leben gerufene Serie von Vorträgen zu eröffnen. Einige Monate später lud mich derHibbert-Trust ein, in Oxford gewisse Fragen zu erörtern, die ich in Paris nur gestreift hatte. Den Inhalt dieser beiden Reihen von Vor- lesungen habe ich hier zusammengefaßt und mich darauf be- schränkt, ihnen eine kurze Bibliographie nebst Anmerkungen für solche Gelehrte hinzuzufügen, die meine Behauptungen nachzuprüfen wünschten.^) Die Form der Darstellung ist kaum geändert; trotzdem wage ich zu hoffen, daß die nachfolgen- den Seiten, welche für den mündlichen Vortrag niederge- schrieben wurden, auch eine erträgliche Lektüre abgeben, und daß der Titel dieser Studien im Vergleich zu dem, was sie bieten, nicht zu anspruchsvoll erscheinen wird. Die Ausbrei- tung der orientalischen Kulte ist neben der Entwicklung des Neuplatonismus die wichtigste Tatsache in der Kulturgeschichte des heidnischen Kaiserreiches. Mein Wunsch geht dahin, daß der vorliegende Band, der ja nur klein ist im Vergleich zu dem Umfange des in ihm behandelten Themas, diese Wahr- heit wenigstens einigermaßen deutlich machen, und daß der Leser meine Ausführungen mit demselben wohlwollenden Inter- esse aufnehmen möchte, welches meine Zuhörer in Paris und Oxford ihnen entgegengebracht haben. i) Mehr als einen nützlichen. Hinweis verdanke ich meinen Kol- legen Charles Michel und Joseph Bidez, welche die Güte hatten, die Korrekturbogen Rieses Buches durchzusehen. VI Vorrede des Verfassers zur ersten franz. Ausgabe Man wolle sich gütigst erinnern, daß die einzelnen Kapitel für den mündlichen Vortrag verfaßt und redigiert sind. Es war nicht meine Absicht, im einzelnen festzustellen, was das römische Heidentum dem Orient entlehnt oder ihm gegeben hat, und wie ein Kaufmann aus Soll und Haben dann die Bilanz zu ziehen. Wohlbekannte Tatsachen sind bisweilen geflissentlich zurückgestellt, um Raum für andere, vielleicht weniger bekannte zu gewinnen. So habe ich mir bei der Be- handlung meines Themas Freiheiten erlaubt, welche eine lehr- hafte Darstellung nicht gestatten würde, die mir aber unter den obwaltenden Umständen ohne Zweifel niemand verden- ken wird. Doch wird man vielleicht geneigt sein, eine scheinbar we- sentliche Lücke meiner Arbeit zu tadeln. Ich habe ausschließ- lich die innere Entwicklung des Heidentums in der lateini- schen Welt behandelt und nur gelegentlich und beiläufig seine Beziehungen zum Christentum berücksichtigt. Nun steht aber diese Frage doch auf der Tagesordnung; sie beschäftigt nicht mehr lediglich die Gelehrten, nein, sie hat den Gegenstand vielbesprochener Vorträge gebildet und nach den gelehrten Monographien haben sich die bekanntesten Handbücher mit ihr befaßt.^) Ich verkenne durchaus nicht, daß die erwähnte i) Eine Darlegung ihres gegenwärtigen Standes findet man in dem zweiten Bande von Gruppes Griechischet Mythologie (1906) S. 1606 ff., der den negativen Ergebnissen, die noch Hamack — allerdings mit gewissen Vorbehalten — formuliert hatte {Ausbrei- tung des Christentums, 2. Aufl., Bd. II, S. 274 ff.) rundweg wider- spricht. — Unter den jüngsten Studien, welche über diesen Gegen- stand erschienen und für den general reader bestimmt sind, nenne ich in Deutschland die vonGeffken {Aus derWerdezeit des Christen- tums, Leipzig 1904, S. 114 ff.) und in England die von Cheyne {Bible Problems, 1904), der seine Meinung folgendermaßen aus- drückt: „The Christian religion is a synthesis, and only those who have dim eyes can assert that the intellectual empires of Babylonia and Persia have fallen," Vgl. jetzt Giemen, Die religionsgeschicht- liche Erklärung des Neuen Testaments, Gießen 1909 {unten S. XIX, Nr. i) und die Anzeige der ersten Auflage des vorliegenden Buches von Bousset, Theologische Rundschau XV, 19 12, Vorrede des Verfassers zur ersten franz. Ausgabe VII Kontroverse ebenso wichtig als interessant ist, und habe sie keineswegs deshalb beiseite geschoben, weil ich ihre Bedeu- tung unterschätzte. Lange Zeit hindurch sind die Theologen, der Richtung ihres Denkens und ihrer Vorbildung gemäß, mehr dazu disponiert gewesen, die Kontinuität der jüdischen Tradition ins Auge zu fassen als die Ursachen, welche stö- rend auf diese einwirkten; aber in dieser Beziehung ist ein Umschwung eingetreten, und heute sucht man nachzuweisen, daß die Kirche beträchtliche Anleihen bei den Vorstellungen und Bräuchen der heidnischen Mysterien gemacht habe. Wenn man nun in diesem Zusammenhange von Mysterien redet, so muß man weit mehr an das hellenistische Asien den- ken als an das eigentliche Griechenland, trotz des Nimbus, der Eleusis umgab. Denn einmal haben sich die ersten Christengemeinden gesammelt, gestaltet und entwickelt im Schöße orientalischer Bevölkerungen, der Semiten, Phrygier, Ägypter. Femer waren die Religionen dieser Völker viel wei- ter fortgeschritten, viel reicher an Gedanken und Gefühlen, viel tiefsinniger und eindrucksvoller als der griechisch-römi- sche Anthropomorphismus. Ihre Liturgie beruhte auf allge- mein verbreiteten Reinheitsvorstellungen und gipfelte daher in gewissen Handlungen, denen man sühnende Kraft zu- schrieb, und deren Vollzug in den verschiedenen religiösen Gemeinschaften fast gleichförmig gestaltet war. Der neue Glaube hat die Offenbarung, welche er brachte, in die gehei- ligten Formen der vorhandenen Kulte gegossen — waren es doch die einzigen, welche die Welt, in der er heranwuchs, zu fassen vermochte. Das ist ungefähr der Standpunkt, den die neuesten Historiker einnehmen. Aber so anziehend dieses belangreiche Problem auch sein mag: ich konnte nicht daran denken, es in Vorlesungen über das römische Heidentum auch nur summarisch zu behandeln. In der lateinischen Welt reduziert sich jene Frage auf einen viel bescheideneren Umfang und wechselt dabei völlig ihr Aussehen. Das Christentum hat sich hier erst ausgebreitet, nachdem es sein Embryonalstadium überschritten hatte und VIII Vorrede des Verfassers zur ersten franz. Ausgabe zu kraftvoller Selbständigkeit erwachsen war. Überdies blie- ben die orientalischen Mysterien dort lange Zeit hindurch, wie das Christentum selbst, die Religion einer im wesentlichen dem Auslande entstammenden Minorität. Hat zwischen den rivalisierenden Sekten ein wechselseitiger Austausch stattge- funden? Das Schweigen der kirchlichen Schriftsteller ist kein ausreichender Grund, um diese Frage zu verneinen; man bekennt sich ungern zu den Anleihen, die man bei seinen Gegnern gemacht hat, denn damit würde man der von ihnen vertretenen Sache ja doch irgendwelchen Wert zugestehen. Aber ich glaube, daß man ihre Wichtigkeit nicht überschätzen darf. Ohne Zweifel ist es möglich, daß sich gewisse Zeremo- nien und Feste der Kirche nach heidnischen Vorbildern ge- staltet haben: das Weihnachtsfest wurde im vierten Jahrhun- dert auf den 25. Dezember gelegt, weil man an diesem Tage die Geburt des Sonnengottes {Natalis Invicti) feierte, der all- jährlich nach dem Solstitium zu neuem Leben wiederkehrt. ^) Einzelne Überlebsel des Isis- oder Cybelekultus können sich neben anderen polytheistischen Bräuchen in der Verehrung der Lokalheiligen erhalten haben. Anderseits beeinflußte das Christentum selbst seine Feinde, seit es zu einer sittlichen Macht in der Welt geworden war. Die phrygischen Priester der Großen Mutter stellten ihre Feier des Frühlingsäquinok- tiums dem christlichen Osterfeste gegenüber und legten dem im Taurobolium vergossenen Blute die erlösende Kraft bei, welche dem des Lammes Gottes eignete.^) Es handelt sich da um eine Reihe von sehr verwickelten Prioritäts- und Ab- hängigkeitsfragen, die sich nicht ohne große Kühnheit en bloc i) Mojt. Myst. Mithra I, S. 342, Anm. 4; vgl. die von Usener erklärten neuen Texte, Rheitt. Mus. LX (1905), S. 466 ff., 489 ff. = Weihnachtsfes i, 2. Aufl. 191 1, S. 348 ff.; Cumont, Natalis In- victi (Comptes-rendus Acad. Inscr, 191 1, S. 292 ff.); Vacandard, Etudes de critique et d'histoire religieuse III, 1912, S. i6ff. 2) Siehe S. 84. Vgl. auch Mon. Myst. Mithra I, S. 341. Die Nachahmung der Kirche ist offenkundig bei dem heidnischen Re- formversuch des Kaisers Julian. Vorrede des Verfassers zur ersten franz. Ausgabe IX erledigen lassen. Vielmehr sind sie in jedem einzelnen Falle verschieden zu beantworten, und einige werden, wie ich fürchte, stets unlösbar bleiben. Man kann zwar von „isischen Vespern" oder einer „Kommunion Mithras und seiner Genossen" reden, aber nur in demselben Sinne, in dem man von den „Vasallen- fürsten des Kaiserreiches" oder dem „Sozialismus Diocletians" spricht. Es ist dies ein stilistischer Kunstgriff, um eine vor- handene Ähnlichkeit hervortreten zu lassen und in lebendiger Darstellung eine annähernde Parallele zu ziehen. Ein Wort ist kein Beweis, und man darf nicht aus einer Analogie sofort auf eine Beeinflussung schließen. Vorurteile sind immer das schlimmste Hindernis, das einer genauen Kenntnis der Ver- gangenheit entgegensteht. Manche moderne Schriftsteller sind nicht abgeneigt, mit den alten Kirchenvätern in der Ähnlich- keit, welche zwischen den Mysterien und den Zeremonien der Kirche besteht, eine vom Geiste der Lüge eingegebene gotteslästerliche Parodie zu erblicken. Andere Historiker schei- nen dagegen den Behauptungen der orientalischen Priester beipflichten zu wollen, die einst in Rom für ihre Kulte die Priorität in Anspruch nahmen und die christlichen Zeremo- nien als ein Plagiat ihrer alten Riten hinzustellen suchten. Die einen wie die anderen täuschen sich sehr, wie mir scheint. Ähnlichkeit setzt nicht notwendig Nachahmung voraus, und Übereinstimmung der Ideen oder der Gebräuche ist oft, unter Ausschluß jeder Entlehnung, durch die Gemeinsamkeit des Ursprungs zu erklären. Ein Beispiel wird deutlicher machen, was ich meine. Die Anhänger Mithras haben die Ausübung ihrer Religion dem Militärdienst nachgebildet. Bei seinem Eintritt muß der Neu- ling einen Eid {sacramentuni) schwören, welcher demjenigen entspricht, den man in der Armee von den Rekruten forderte, und ohne Zweifel wurde seinem Körper ebenfalls mit einem glühenden Eisen ein unzerstörbares Erkennungszeichen auf- gedrückt. In der mystischen Hierarchie war der dritte Grad der des Soldaten {miles): der Eingeweihte gehört von nun an zum heiligen Heer des unbesiegbaren Gottes und kämpft unter X Vorrede des Verfassers zur ersten franz. Ausgabe seinem Befehl gegen die Mächte des Bösen. Alle diese Ideen und Institutionen stimmen so gut mit dem überein, was wir vom mazdäischen Dualismus wissen, in welchem das ganze Leben als ein Kampf gegen die bösen Geister aufgefaßt wird, sie sind so unzertrennlich mit der Geschichte des Mithria- zismus selbst verbunden, der stets vor allem eine Soldaten- religion gewesen ist, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, daß sie ihm schon vor seiner Ankunft im Abendlande eigen gewesen sind. Anderseits finden wir im Christentum ähnliche Vorstellungen. Die Gemeinschaft der Gläubigen ist — nach einem heute noch üblichen Terminus — die „Ecclesia militans". Im Al- tertum wird der Vergleich dieser Kirche mit einem Heere bis ins einzelne durchgeführt^); die Taufe des Neubekehrten ist der Treuschwur, welchen die Rekruten auf die Fahne lei- sten, Christus ist „der Imperator", der höchste Befehlshaber seiner Jünger, diese bilden Kohorten, die unter seiner An- führung die Dämonen besiegen, die Abtrünnigen sind Deser- teure, die Heiligtümer Feldlager, die frommen Bräuche Exer- zitien und Wachen und so weiter. Wenn man bedenkt, daß das Evangelium eine Friedens- botschaft war, daß die Christen lange keine Neigung ver- spürten, in den Militärdienst zu treten, weil er ihren Glauben gefährdete, so gerät man in die Versuchung, a priori eine Einwirkung des kriegerischen Mithraskultus auf das christ- liche Denken anzunehmen. Und dennoch hat eine solche nicht stattgefunden. Das Thema der militia Christi taucht schon bei den ältesten kirch- lichen Schriftstellern auf, in den Clementinischen Briefen und sogar in denen des Apostels Paulus. Es ist unmöglich, in die- ser Zeit eine Nachahmung der mithrischen Mysterien anzu- nehmen, die damals noch ohne Bedeutung waren. Aber wenn man seine Untersuchungen auf die Geschichte dieser Idee ausdehnt, dann wird man finden, daß wenigstens i) Vgl. die Abhandlung von Harnack, Militia Christi, 1905. Vorrede des Verfassers zur ersten franz. Ausgabe XI in der Kaiserzeit die Scharen der Isismysten ebenfalls als heilige Kohorten betrachtet wurden, die sich zum Dienst der Göttin verpflichtet hatten, daß vorher in der stoischen Philo- sophie das naenschliche Dasein oft mit einem Feldzuge ver- glichen wird, und daß selbst die Astrologen den Menschen, der sich dem Willen des Schicksals widerspruchslos unter- wirft, als Soldaten dieser rätselvollen Macht bezeichnen,^) Diese Vorstellung vom Leben und besonders vom religiösen Leben war mithin seit dem Beginn unserer Zeitrechnung weit verbreitet. Sie ist offenbar älter als das Christentum und als der Mithriazismus. Sie hat sich in den Militärmonarchien der asiatischen Diadochen entwickelt. Der Soldat ist hier nicht mehr ein Bürger, der sein Vaterland verteidigt, sondern meist ein Freiwilliger, den eine heilige Verpflichtung an die Person seines Königs fesselt. In den kriegerischen Staaten, die sich um die Erbschaft der Achämeniden streiten, beherrscht oder ersetzt diese persönliche Hingabe alles nationale Empfinden. i) Ich habe eine Anzahl von Texten über die religiösen militiae gesammelt, Mon. Myst. Mithra I, S. 317, Anm. i. Man könnte jedenfalls auch noch andere ausfindig machen: Apuleius Met. XI, 14: E cohorte religionis unus (bei Erwähnung eines Mysten der Isis). — Vettius Valens (V, 2, S. 220, 27 ed. Kroll): ZTpaxujüTai rrjc ei|aap|uevric; VII, 3 (S. 271, 28): ZucTpaxeüecöai toic KOipoic ygvvöiiuc. Cf. Minucius Felix 36, § 7 : Quod j)atimu7 no7i est foena, militia est. Man kann auch die Redensart von der militia Veneris an- führen, die bei den Dichtern des Augusteischen Zeitalters beliebt ist (Propert. IV, i, 137; cf. I, 6, 30; Horat. Od. III, 26 und na- mentlich die von Ovid gezogene Parallele Afs amat. II, 233 ff.). — Schon Sokrates vergleicht in Piatos Ajiologie (S. 28 E) seine von der Gottheit empfangene philosophische Mission gelegentlich mit den Feldzügen, die er unter dem Befehl der Archonten mitgemacht hat; aber vor allem haben die Stoiker Gott als einen ,, Strategen" vorgestellt, cf. Capelle, Schrift von der Welt (Neue Jahrb. für das klass. Altert. XV) 1905, S. 558, Anm. 6, und Seneca, Ej)ist. 107, 9: Optimum est Deum. sine murm.uratione comitari; malus miles est, qui imperatorem. gemens sequitur. — Vgl. jetzt über die ,, Soldaten" der Mysterien Reitzenstein, Hellenistische Mysterienreligionen, Leip- zig 1910, S, 66, und Perdrizet, Archiv für Religionswissensch. 191 1, S. IOC. XII Vorrede des Verfassers zur ersteh franz. Ausgabe Wir kennen die Huldigungseide, welche die Untertanen dort ihren vergötterten Herrschern zu leisten hatten.^) Sie ver- pflichteten sich, sie zu verteidigen und zu unterstützen selbst um den Preis ihres eigenen Lebens, stets dieselben Freunde und dieselben Feinde zu haben wie sie; sie weihten ihnen nicht nur ihre Taten und ihre Worte, sondern sogar ihre Gedanken. Ihre Pflicht forderte die völlige Hingabe ihrer Per- sönlichkeit zugunsten dieser den Göttern gleichen Monarchen. Die heilige viilitia der Mysterien ist nichts anderes als diese bürgerliche Moral, unter religiösem Gesichtspunkt betrachtet. Die 'Loyalität vermählte sich damals mit der Frömmigkeit. So führt die Untersuchung der dem Christentum wie den orientalischen Mysterien gemeinsamen Lehren und Bräuche fast immer über die Grenzen des römischen Reiches hinaus und zurück bis in den hellenistischen Orient. Dort wurden die religiösen Vorstellungen geprägt, die sich unter den Cä- saren im lateinischen Europa einbürgerten^); dort ist der Schlüssel noch nicht gelöster Rätsel zu suchen. Zwar ist gegenwärtig nichts dunkler als die Geschichte der Sekten, welche in Asien zu der Zeit entstanden, als die griechische Kultur sich mit der barbarischen Theologie berührte^). Es 1) Cf. Rev. des etudes grecques, Bd. XIV (1901), S. 43 fF. 2) Dies hat Wendland vortrefflich nachgewiesen für die Idee der cuuTripia; vgl. Zeitschrift für mutest. Wissensch. Bd. V, 1904, S. 355 ff., und Lietzmann, Det Weltheiland, Bonn 1909; Otto, Augustus Soter (Hermes XLV, 1910, S. 448 ff.). — Neuerdings hat W. den allgemeinen Einfluß der hellenistischen Kultur auf das Christentum beleuchtet {Die hellenistisch-röinische Kultur in ihren Beziehungen zum Judentum und Christentum, Tübingen 1907); 2. Aufl. ebd. 191 2. Auf ein bedeutsames Werk von W. Bousset, das während der Korrektur des Satzes der vorliegenden 2. Aufl. unseres Buches erschien, und in dem die betreffenden Fragen ein- gehender erörtert werden, können wir hier nur hinweisen {Kyrios Christas. Geschichte des Christus glaubens von den Anfängen des Chris te?itu7ns bis Irenäus. Göttingen 1913). 3) Ein erster Versuch, die Kennzeichen der hellenistischen My- sterien und ihre Beziehung zum Christentum festzustellen, ist von Reitzenstein unternommen {a. a. O. vgl. S. XI). Vorrede des Verfassers zur ersten franz. Ausgabe XIII ist selten möglich, vollkommen befriedigende Ergebnisse mit Sicherheit zu formulieren, und oft muß man sich damit be- gnügen, solange nicht neue Entdeckungen vorliegen, ent- gegengesetzte Vermutungen gegeneinander abzuwägen. Auf dem wogenden Meere des Möglichen muß man oft das Lot auswerfen, um einen sicheren Ankergrund zu finden. Aber wir sehen wenigstens klar genug die Richtung, in welcher die Nachforschungen fortzusetzen sind. Der Punkt, der vor allem aufzuhellen wäre, ist m. E. der Mischkult jener jüdischen oder jüdisch-heidnischen Gemeinden, welche den Hypsistos, Sab- batistes, Sabaziastes u. a. verehrten, und bei denen der neue Glaube seit dem apostolischen Zeitalter Eingang fand. Schon vor dem Beginn unserer Ära hatte sich dort das mosaische Gesetz mit den heiligen Bräuchen der Heiden abgefunden, und der Monotheismus der Idolatrie Konzessionen gemacht. Sehr viele Glaubensvorstellungen des alten Orients, wie z. B. die Ideen des persischen Dualismus über die Hölle, sind auf einem doppelten Wege nach Europa gelangt: zunächst durch das mehr oder weniger orthodoxe Judentum der Diaspora- gemeinden, in denen das Evangelium sofort offene Türen fand, sodann durch die aus Syrien oder Kleinasien stammen- den heidnischen Mysterien.^) Manche Ähnlichkeiten, über welche die Apologeten erstaunt und entrüstet waren, werden uns nicht mehr überraschend erscheinen, wenn wir die ferne Quelle ins Auge fassen, aus der die Kanäle abgeleitet sind, welche in Rom zusammenflössen. Doch diese schwierigen und verwickelten Fragen nach Herkunft und Abhängigkeit gehören vor allem zur Geschichte der alexandrinischen Periode. Betrachtet man das römische Reich, so ist die Hauptsache dies, daß die orientalischen Religionen vor und neben dem Christentum Lehren verbrei- tet haben, die bei dem Untergange der antiken Welt mit ihm zu allgemeiner Anerkennung gelangt sind. Die Predigt der asiatischen Priester bereitete mithin gegen ihren Willen den I) Vgl. S. 177. XIV Vorrede des Verfassers zur ersten franz. Ausgabe Triumph der Kirche vor, und dieser bezeichnet die Voll- endung des Werkes, dessen unbewußte Mitarbeiter jene ge- wesen sind. Sie hatten durch ihre volkstümliche Propaganda den alten nationalen Glauben der Römer völlig zersetzt, und zwar in derselben Zeit, als die Cäsaren nach und nach den politi- schen Partikularismus zerstörten. Mit ihnen hört die staat- liche Gebundenheit der Religion auf, denn diese wird uni- versell; sie wird nicht mehr als öffentliche Pflicht aufgefaßt, sondern als persönliche Verpflichtung; sie ordnet das Indi- viduum nicht mehr dem Staate unter, sondern will vor allen Dingen sein persönliches Heil sichern, hier in dieser Welt und namentlich in der anderen. Die orientalischen Myste- rien haben sämtlich ihren Anhängern lichte Ausblicke in eine ewige Seligkeit eröffnet. Die Achse der Sittlichkeit wurde demnach verlegt: sie suchte das höchste Gut nicht mehr auf dieser Erde zu realisieren, wie in der griechischen Philosophie, sondern nach dem Tode. Man handelt nicht mehr angesichts greifbarer Wirklichkeiten, sondern um ideale Ziele zu erreichen. Das irdische Dasein wurde aufgefaßt als die Vorbereitung auf ein seliges Leben, als eine Prüfung, deren Abschluß unendliches Glück oder unendliches Leiden bringen sollte. Alle ethischen Werte wurden auf diese Weise umgewertet. Das Heil der Seele, das nunmehr zur wichtigsten Ange- legenheit des Menschen geworden ist, wird in diesen Myste- rien vor allem durch den genauen Vollzug der heiligen Riten verbürgt. Diese Riten haben reinigende und erlösende Kraft; sie machen den Menschen besser und befreien ihn aus der Zwingherrschaft feindlicher Geister. Infolgedessen ist der Kultus eine überaus wichtige und zeitraubende Sache, und die Liturgie fordert einen Klerus, der sich ihr völlig widmet. Die asiatischen Götter verlangen ungeteilte Hingabe; ihre Priester sind nicht mehr obrigkeitliche Personen, kaum Bürger, sie widmen sich ohne Vorbehalt ihrem Amte und fordern von ihren Gläubigen Unterwerfung unter ihre geheiligte Autorität. Vorrede des Verfassers zur ersten franz. Ausgabe XV Alle diese Züge, die wir nur flüchtig skizzieren konnten, nähern die orienialischen Kulte dem Christentum, und wer die nachfolgenden Blätter aufmerksam liest, der wird noch sehr viele andere beiden gemeinsame Berührungspunkte fin- den. Uns erscheinen diese Analogien sogar noch weit frap- panter als den Zeitgenossen der Cäsaren, weil wir in Indien und China Religionen kennen gelernt haben, die sowohl vom römischen Heidentum als vom Christentum wesentlich ver- schieden sind, und die Verwandtschaft zwischen diesen durch den Kontrast noch stärker hervortritt. Der Beobachtung der Alten entgingen diese theologischen Parallelen, weil sie die Existenz anderer Möglichkeiten kaum kannten, und daher bemerkten sie in erster Linie die Differenzen. Ich verhehle mir keineswegs, wie groß die letzteren waren: der Haupt- unterschied ist, daß das Christentum, indem es Gott über die Schranken der Welt in eine ideale Sphäre erhob, sich von jeder Gemeinschaft mit einem oft verächtlichen Polytheismus lossagen wollte. Aber selbst dann, wenn wir der Tradition feindlich gegenübertreten, können wir nicht mit der Vergangen- heit brechen, die uns erzogen hat, uns nicht der Gegenwart entziehen, in der wir leben. Je eingehender man die Reli- gionsgeschichte der römischen Kaiserzeit erforschen wird, um so mehr wird der Sieg der Kirche meiner Ansicht nach als der Abschluß einer langen Entwicklung des religiösen Den- kens erscheinen. Man kann das Christentum des fünften Jahr- hunders, seine Größe wie seine Schattenseiten, seine geistige Erhabenheit wie seine kindischen Superstitionen nicht ver- stehen, ohne die moralische Vorgeschichte der Welt zu kennen, in der es sich entfaltet hat. Der Glaube der Freunde des Symmachus war in der Tat viel weiter von dem religiösen Ideal des Augustus entfernt als der ihrer Gegner im Senat. Ich hoffe, daß diese Studien ihren Lesern zeigen werden, wie die heidnischen Kulte des Orients das andauernde Streben der römischen Gesellschaft nach höheren und gehaltvolleren Formen der Frömmigkeit begünstigten, nachdem diese sich lange Zeit hindurch mit einer ziemlich abgeschmackten Ido- XVI Vorrede des Verfassers zur ersten franz. Ausgabe latrie begnügt hatte. Vielleicht verdient die Leichtgläubigkeit ihrer Mystizismen alle die Vorwürfe, denen auch die Theurgie des Neuplatonismus ausgesetzt ist, welcher aus denselben Quellen der Inspiration schöpft; aber indem sie gleich ihm das göttliche Wesen der menschlichen Seele behaupteten, ha- ben sie im Menschen das Gefühl seiner einzigartigen Würde gestärkt; und indem sie die innere Reinigung zum Hauptin- halt des Erdendaseins machten, haben sie das psychische Leben verfeinert und gesteigert und ihm eine fast übernatür- liche Intensität verliehen, welche die antike Welt vorher nicht gekannt hatte. Juli 1906. F. C. VORREDE DES VERFASSERS ZUR ZWEITEN FRANZÖSISCHEN AUSGABE Die acht Vorträge, welche den lesbaren Teil dieses Buches bilden, haben in dieser zweiten Ausgabe kaum eine Änderung erfahren, und die gemachten Zusätze sind, abgesehen von dem Kapitel über Syrien, unbedeutend. Es würde leicht ge- wesen sein, sie weiter auszuführen, aber ich wollte dieseVor- lesungen nicht zur gelehrten Dissertation werden und die Ideen, das Wesentliche in einer solchen Darstellung, nicht in der Fülle der Tatsachen ertrinken lassen. Ich habe mich daher in der Regel darauf beschränkt, aus dem Text einzelne Fehler auszumerzen, welche bei der „Korrektur" der Druck- bogen übersehen waren oder sich eingeschlichen hatten. Die Anmerkungen dagegen sind einer gründlichen Um- arbeitung unterzogen; ich habe mich bemüht, in ihnen den Anregungen oder Bemerkungen Rechnung zu tragen, welche gefällige Leser mir zukommen ließen, ferner die neueste Lite- ratur anzugeben und die Ergebnisse meiner eigenen Studien zu verwerten. Ein Register wird das Auffinden der berührten Themata erleichtern. Ich muß hier wiederum meinem Freunde Charles Michel danken, der sich mit dem langweiligen Geschäft befaßt hat, die Probebogen dieses Buches noch einmal durchzusehen, und dessen sorgfältige und eindringende Aufmerksamkeit mir manchen Fehler erspart hat. Februar 1909. Franz Cumont, Professor der alten Geschichte an der Universität Gent. Cumont, Die oriental. Religionen b VORREDE DES HERAUSGEBEES ZUR ERSTEN AUFLAGE DER DEUTSCHEN AUSGABE Warum ich mich entschlossen habe, eine deutsche Ausgabe des vorliegenden Buches zu besorgen, als der Herr Verleger eine solche plante, wird dem sachverständigen Leser nicht zweifelhaft sein. Eine die neuesten Ergebnisse wissenschaft- licher Forschung verwertende Schilderung der bedeutsamen Rolle, welche die orientalischen Religionen in der Geistes- geschichte der ausgehenden Antike gespielt haben, darf, zu- mal wenn sie aus der Feder eines so kenntnisreichen und angesehenen Gelehrten stammt, auf das Interesse weiterer Kreise rechnen und verdient demnach, wenn sie im Auslande erschienen ist, auch eine deutsche Übersetzung. Persönliche Verhältnisse, die zu ändern nicht in meiner Macht stand, ha- ben mehrfache Unterbrechungen meiner Arbeit veranlaßt und dadurch das Erscheinen der deutschen Ausgabe nicht un- wesentlich verzögert. Doch hat dieser Umstand insofern dem Buche zum Vorteil gereicht, als es mir auf diese Weise mög- lich wurde, die nicht unerheblichen Verbesserungen und Er- weiterungen zu berücksichtigen, welche die inzwischen er- schienene zweite französische Ausgabe erfahren hat. DemHerrn Verfasser, der meine Arbeit mehrfach in liebenswürdigerweise unterstützt hat, indem er mir u. a. neben einigen Notizen auch solche von Herrn Geh, Hofrat Prof. Dr. Gomperz in Wien zu- sandte, sage ich für sein Entgegenkommen auch an dieser Steile meinen verbindUchsten Dank. Das alphabetische Register habe ich unter entsprechender Benutzung des französischen neu ausgearbeitet und ergänzt; Vorrede des Herausgebers zur ersten Auflage usw, XIX möchte es seinen Zweck erfüllen, den Inhalt des Buches, namentlich auch den seiner zahlreichen Anmerkungen, für gelegentliches Nachschlagen bequemer zugänglich zu machen. Der Aufgabe des Übersetzers und Herausgebers sind einem lebenden Autor gegenüber nach meiner Auffassung enge Schranken gezogen. Ich begnüge mich demnach damit, hier ein paar Bemerkungen zusammenzustellen, die dem einen oder anderen Leser nicht überflüssig erscheinen mögen — für den Fachmann handelt es sich dabei um mehr oder weniger be- kannte Tatsachen. 1. Der S. VI, Anm. i angeführten Literatur über die Be- ziehungen des Christentums zum Heidentum ist noch hinzu- zufügen: Die Abhängigkeit des ältesten Christentums von nicht- jüdischen Religionen und philosophischen Systemen hat neuer- dings zusammenfassend untersucht und mit besonnener Kri- tik dargestellt C. Clemen, Religionsgeschichtliche Erklärung des Neuen Testaments, Gießen igog. 2. Zu S. 77. 145 (apxujv). 239. 309, Anm. 38 (Engel) vgl. den lehrreichen Abschnitt über die Mittelwesen bei Clemen, a. a. O. S. 63 f. 3. Zu S. 154 (Emission und Absorption der Seelen durch die in der Sonne verkörperte höchste Gottheit): Eine ähnliche Vorstellung von dem Verhältnis des Schöpfers zu seinen Ge- schöpfen liegt Ps. 104, 28 — 30 zugrunde. 4. Die S. 204 erwähnten „großen Jahre" der babylonischen Astrologie scheinen mit den Äonen der neutestamentlichen Literatur in absteigender Linie verwandt zu sein. 5. Zu S. 204. 242. 335, Anm. 27 (Weltbrand, 'EKirupuucic) vgl. 2. Pe. 3, 10. 12 und Clemen, a. a. O. S. 125 f. 6. Zu S. 244, Anm. 2 : Die Ausführungen Krumbachers über die kulturelle Überflügelung des Okzidents durch den Orient stehen in der 2. Auflage (1907) von Bd. I, 8 der „Kultur der Gegenwart" S. 246 — 253. 7. Zu S. 251, Anm. 13: Kürzlich hat De Jong eine zusam- menfassende Monographie über die Mysterien veröffentlicht {Das antike Mysterienwesen in religions geschichtlicher, ethnologi~ scher und psychologischer Beleuchtung, Leiden 1909). XX Vorrede des Herausgebers 8. Zu S. 272, Anm. 68: Reiches Material für die KenntBis des antiken Namenglaubens findet man bei W. HeitmüUer, Im Namen Jesu, Göttingen 1903 (Forschungen zur Religion und Literatur des A, und N.T., herausgegeben vonW. Bousset und H. Gunkel, II). 9. Zu S. 275, Anm. 93 (Lebensquelle im Jenseits) vgl. Apk. 7, 17: lsüx\(: TrriTctc ijbdTUJV und 21, 6: TrriYfic toO ubaTOC xfic lujfic. 10. Die S. 300, Anm. 90 zitierte Studie des Verfassers über La theologie solaire du paganisme romain ist inzwischen auch als S.A. erschienen {^^-^ S., 4°) Paris 1909, C. Klincksieck. 11. Das S. 303, Anm. 7 u. ö. genannte Werk von Bousset, Die Religion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter \&X 1906 in 2. Auflage erschienen. 12. Zu S. 311, Anm. 41 (Die Luft als Bereich der bösen Geister) vgl. Ephes. 2, 2 : töv äpxovxa xfic eEouciac toO depoc und 6, 12: xd irveujuaxiKd xfic rrovripiac ev xoTc eTTOupavioic (der letztgenannte Ausdruck ist hier, wie v. Soden in Holtz- manns Handkommentar zum N.T., Bd. III, i, S. 146 mit Recht bemerkt, sachlich gleichbedeutend mit dr|p 2, 2). 13. Für den S. 326, Anm. 80 zitierten Keilschriftbericht über die Sintflut habe ich für solche Leser, denen Masperos große Histoire ancienne nicht zugänglich ist, auf das bekannte Buch von A. Jeremias, Das alte Testament im Lichte des altert Orients verwiesen. 14. Zu S. 32g, Anm. 14 (Kultus der elementa = cxoixeict) vgl. Gal. 4, 3, 9; Kol. 2, 8. 20 und dazu die Bemerkungen von Giemen, a. a. O. S. 82 f. 15. Zu S. 330, Anm. 16 (Sprachgebrauch von cxoixeiov) vgl. LXX Sap. Sal. 7, 18. 19, 17. Außerdem habe ich bei den Werken von E. Male {L'art du XIII^ sihle en France), J. R6ville {La religion ä Rome sous les Severes) und Robertson Smith {The religion of the Semites) auf die bezüglichen deutschen Bearbeitungen von L. Zucker- mandel, G. Krüger und R. Stube aufmerksam gemacht und ebenso S. 301. 302 meine deutsche Ausgabe von Cumont, Mysteres de Mithra für solche Leser genannt, denen die fran- zösische nicht zur Hand ist. Die 7. Auflage des klassischen Buches von L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte zur ersten Auflage der deutschen Ausgabe XXI JRoms, habe ich nicht angeführt, weil sie die wertvollen An- merkungen der 6. nicht mehr enthält, also für den wissen- schaftlichen Gebrauch weniger geeignet ist, so dankenswert auch die Veranstaltung der neuen billigeren Ausgabe in an- derer Hinsicht genannt werden muß. Wenn der Herr Verf. S. VIII die Ansicht ausspricht, daß man die vermeintlichen Anleihen des Christentums bei seinen Gegnern nicht überschätzen dürfe, so teile ich diesen Stand- punkt durchaus. Daß es falsch ist, aus der Ähnlichkeit be- stimm.ter Vorstellungen und Gebräuche ohne weiteres ihren ursächlichen Zusammenhang zu folgern, hat die Völkerpsycho- logie längst zur Genüge nachgewiesen, wird aber nicht selten "wieder vergessen. Auch die oben von mir angeführten Paral- lelen sind mit diesem stillschweigenden Vorbehalt gezogen. Aber ich sage auch mit dem Herrn Verf. (S. XV) : „Je ein- gehender man die Religionsgeschichte der römischen Kaiser- zeit erforschen wird, una so mehr wird der Sieg der Kirche meiner Ansicht nach als der Abschluß einer langen Entwick- lung des religiösen Denkens erscheinen." Und wer von dem ■welthistorischen Recht seines christlichen Glaubens überzeugt ist, der wird die nachfolgenden Seiten nicht lesen können, ohne mehr als einmal an das gedankenschwere Wort des großen Heidenapostels erinnert zu werden: "Ore be fjXBev tö TrXripuu|Lia toO xpövou, eHairecTeiX-ev 6 0eöc xöv uiöv auxoO 2 So haben all die Wandlungen, welche das Denken über die Welt und den Menschen in der Gesellschaft der Kaiserzeit erfuhr, sich in der Lehre der Mysterien abgespiegelt. Selbst die Vorstellung, die man sich von den alten Pessinuntischen Gottheiten macht, verändert sich beständig. Als, namentlich unter dem Einfluß der Astrologie und der semitischen Kulte, ein solarer Heno- theismus in Rom die herrschende Religion geworden war, da wurde Attis als der Sonnengott betrachtet, der am Himmel „der Hirt der funkelnden Sterne" ist. Man identifizierte ihn mit Adonis, Bacchus, Pan, Osiris, Mi- thra; man machte aus ihm ein „polymorphes" ^^ Wesen, in dem alle himmlischen Kräfte sich abwechselnd ma- nifestierten, einen „Pantheos", der gleichzeitig die Strahlenkrone und den wachsenden Mond trug, und dessen verschiedene Attribute seine unendlich mannig- faltigen Funktionen bezeichneten. Als der Neuplatonismus zur Herrschaft gelangte, wurde die phrygische Legende die traditionelle Form, in welche subtile Exegeten kühn ihre philosophischen Spekulationen über die schöpferischen und befruchten- den Kräfte, die Prinzipien aller materiellen Erscheinun- gen, und über die Befreiung der in das Verderben die- ser irdischen Welt versunkenen göttlichen Seele gössen. In den nebelhaften Diskursen Julians über die Götter- mutter läßt die Überspannung der Allegorie diesen enthusiastischen Geist schließlich jede Fühlung mit der Wirklichkeit einbüßen, und von einem zügellosen Sym- bolismus fortgerissen, verliert er den Boden unter den Füßen.** 84 Kleinasien Eine Religion, die äußeren Einwirkungen so zu- gänglich war wie diese, mußte notwendigerweise auch den Einfluß des Christentums erfahren. Wir wissen aus den bestimmten Angaben der kirchlichen Schriftsteller, daß man die phrygischen Mysterien den kirchlichen entgegenstellen wollte. Man behauptete, daß die blu- tige Reinigung des Tauroboliums wirksamer sei als die Taufe; die Nahrungsmittel, welche man bei den mysti- schen Mahlzeiten aß und trank, wurden mit dem Brot und dem Wein der Kommunion verglichen; die Mutter der Götter wurde über die Mutter Gottes erhoben, deren Sohn in ähnlicher Weise auferweckt worden war. Ein christlicher Autor, der gegen 375 n. Chr. in Rom schrieb, macht hierzu eine sehr beachtenswerte Bemerkung. Am 24. März, dem dies sanguinis, beging man, wie wir ge- sehen haben, eine Trauerfeier, bei welcher die Galli ihr Blut verspritzten und bisweilen sich verstümmelten zum Gedächtnis an die Verwundung, welche den Tod des Attis verursacht hatte, und man schrieb dem auf solche Weise vergossenen Blute eine versöhnende und erlösende Kraft zu. Die Heiden behaupteten infolge- dessen, daß die Kirche ihre heiligsten Riten nach- geahmt hätte, indem sie, wie jene, aber nach ihnen, um die Zeit des Frühlings äquinoktiums ihre Karwoche feierte, zur Erinnerung an das Opfer am Kreuz, bei wel- chem das Blut des Lammes Gottes ihrer Angabe nach die Menschheit erlöst habe. St. Augustinus, der sich über diese gotteslästerliche Anmaßung entrüstet, er- zählt, daß er einen Cybelepriester gekannt habe, der dabei blieb : Et ipse Pileatits chrisUanus est. „Der Gott in der phrygischen Mütze," d.h. Attis, „ist ebenfalls ein Christ." *5 Aber alle Anstrengungen, einen barbarischen, von Die Philosophie — Das Christentum 85 sittlichem Verfall heimgesuchten Kultus zu erhalten, waren vergeblich. An derselben Stätte, wo man um die Neige des vierten Jahrhunderts in dem Phrygianum die letzten Taurobolien vollzog, erhebt sich heute die Basilika des Vatikans. Es gibt keine orientalische Religion, deren fort- schreitende Entwicklung wir in Rom so genau ver- folgen können wie die des Cybele- und Attiskultes, und keine, bei der so deutlich eine der Ursachen her- vortritt, welche ihren gemeinsamen Verfall und ihr Ver- schwinden herbeigeführt haben. Alle wurzeln in einer uralten Zeit der Barbarei und haben aus ihrer wilden Vergangenheit eine Menge von Mythen überkommen, deren abstoßender Inhalt durch philosophischen Sym- bolismus wohl zu vertuschen, aber nicht zu beseitigen war, und Bräuche, deren rohen Charakter, das Über- lebsei eines primitiven Naturalismus, alle mystischen Erklärungen nur schlecht bemäntelten. Nirgends ist der Zwiespalt zwischen den moralisierenden Tendenzen der Theologen und der grausamen Schamlosigkeit der Tradition so deutlich zu bemerken. Ein Gott, den man zum erhabenen Herrn des Weltalls machen wollte, war der bemitleidenswerte und verächtliche Held eines ob- szönen Liebesabenteuers; das Taurobolium, welches die höchste Sehnsucht des Menschen, die nach Reinheit und Unsterblichkeit der Seele befriedigen wollte, erwies' sich als ein Blutbad, das an irgendeine kannibalische Orgie denken ließ. Die Gebildeten und die Senatoren, welche an diesen Mysterien teilnahmen, sahen dabei ge- schminkte Eunuchen ihres Amtes walten, denen man ihren schändlichen Lebenswandel zum Vorwurf machte, 86 Kleinasien und die sich schwindelerregenden Tänzen überließen, welche an das Gebaren sich im Wirbel drehender Der- wische und Aissauas gemahnten. Man versteht die Ab- neigung, welche diese Zeremonien allen einflößten, deren Urteil nicht durch fanatische Devotion getrübt war. Es gibt keine heidnische Superstition, von der die christlichen Polemiker mit rückhaltloserer Verachtung sprechen, und zweifellos mit Recht. Aber sie selbst waren auch nicht gezwungen, ihren neuen Wein in die alten Schläuche zu gießen, und alle Schändlichkeiten, welche dieser alten phry gischen Religion anhaften moch- ten, dürfen uns nicht ungerecht gegen sie machen und uns die langjährigen Anstrengungen übersehen lassen, welche den Zweck verfolgten, sie nach und nach zu läutern und ihr eine Form zu geben, die es ihr ermög- lichte, den neuen sittlichen Anforderungen zu genügen und der römischen Gesellschaft auf dembeschwerlichen Wege des religiösen Fortschritts zu folgen. IV. ÄGYPTEN Von allen Religionen des Altertums ist uns keine so gut bekannt wie die der Ägypter. Man kann ihre Ent- wicklung durch drei oder vier Jahrtausende verfolgen, die heiligen Texte, mythische Erzählungen, Hymnen, Rituale, das Totenbuch, in ihrer ursprünglichen Ge- stalt lesen und die verschiedenen Vorstellungen unter- scheiden, welche sie sich von dem Wesen der höheren Mächte und dem zukünftigen Leben machte; unzählige Denkmäler haben uns die Bildnisse der einzelnen Gott- heiten und Darstellungen von liturgischen Akten über- liefert; eine Menge von Inschriften und Papyri unter- richten uns über die priesterliche Organisation der wich- tigsten Tempel. Es könnte scheinen, als ob diese un- ermeßliche Fülle der Quellen aller Art, an deren Ent- zifferung seit fast einem Jahrhundert ununterbrochen gearbeitet wird, jede Ungewißheit über den Glauben der alten Ägypter beseitigt und uns in den Stand gesetzt habe, die Entstehung und die ursprünglichen Eigen- tümlichkeiten des Kultus, den die Griechen und die Römer von den Untertanen der Ptolemäer entlehnt haben, klar zu erkennen. Und dennoch ist dem nicht so. Zwar ist unter den vier großen orientalischen Religionen, welche in den Okzident verpflanzt wurden, die der Isis und des Serapis zweifellos diejenige, bei der sich die vorhandenen Be- 88 Ägypten Ziehungen zu den alten Kulten ihres ersten Vaterlandes am besten feststellen lassen, aber wir wissen erst sehr unvollkommen, wie sie ursprünglich entstand und wie sie vor der Kaiserzeit beschaffen war, in der sie eine so bedeutende Rolle spielen sollte. Eine Tatsache indessen erscheint gesichert : der ägyp- tische Kultus, der sich in der griechisch-römischen Welt verbreitete, ging von dem Serapeum in Alexandrien aus, welches Ptolemäus Soter gegründet hatte, ähnlich wie das Judentum von dem Tempel zu Jerusalem. Aber die früheste Geschichte dieses berühmten Heiligtums ist von einer solchen Fülle frommer Legenden über- wuchert, daß die scharfsinnigsten Forscher sich nicht in dieser Wildnis zurechtfinden konnten. War Serapis ein einheimischer Gott oder stammte er aus Sinope, aus Seleucia oder sogar aus Babel ? Jede dieser Meinungen hat bis in die neueste Zeit ihre Vertreter gefunden. Ist sein Name von dem des ägyptischen Gottes Osiris-Apis oder dem des chaldäischen Sar-Apsi abgeleitet ? öram- maüci certant?- Doch welche Losung man auch annehmen mag, dar- über herrscht Einstimmigkeit: Serapis und Osiris waren entweder von Anfang an identisch oder sie wurden so- fort miteinander identifiziert. Die Gottheit, deren Kul- tus der erste Ptolemäer in Alexandrien einführte, ist die, welche über die Toten herrscht und diese an ihrer eigenen Unsterblichkeit teilnehmen läßt. Es ist ein durchaus ägyptischer Gott, der populärste von allen Göttern des Niltales. Schon Herodot berichtet uns, daß Isis und Osiris von allen Einwohnern des Landes geehrt wurden, und ihre traditionellen Feste enthielten ge- heimnisvolle Zeremonien, deren heilige Bedeutung der griechische Schriftsteller nicht zu enthüllen wagt.^ Isis und Serapis 8 g Ebenso nahmen die Ägypter ohne Schwierigkeit den neuen Kult des Serapis an, in dem sie ihren Osiris wiedererkannten. Es war bei ihnen von jeher üblich ge- wesen, daß eine neue Dynastie auch einen neuen Gott einführte oder dem Gott des Gaus, aus dem sie stammte, eine gewisse bevorzugte Stellung einräumte. Die Po- litik hatte istets mit dem irdischen Regiment gleich- zeitig auch das himmlische wechseinlassen. Der alexan- drinische Serapis wurde natürlich unter den Ptolemäern eine der Hauptgottheiten des Landes, ebenso wie unter den Pharaonen von Theben der Ammon dieser Stadt das Haupt der himmlischen Hierarchie gewesen, oder unter den Dynasten von Sais die lokale Neit zu souve- räner Bedeutung gelangt war. In der Zeit der Antonine zählte man in Ägypten 42 Serapeen.^ Aber der Zweck der Ptolemäer war nicht, der un- zähligen Menge von ägyptischen Göttern, die bereits von ihren Untertanen verehrt wurden, noch einen wei- teren hinzuzufügen. Sie wollten, daß dieser Gott die beiden Rassen, die ihr Land beiwohnten, zu gemein- samer Anbetung vereinen und dadurch ihre Vermischung fördern sollte. Die Griechen sollten ihm dienen wie di« Eingeborenen. Es war eine fruchtbare politische Idee, in Älexandrien einen ägyptisch-hellenistischen Gottes- dienst einzurichten. Eine von Plutarch^ aufbewahrte Überlieferung behauptet, daß ein den neuen Ideen zu- gänglicher Priester von Heliopolis, Manetho, und ein Eumolpide aus Eleusis, Timotheos, zusammen über den Charakter nachgedacht hätten, den man dem neuen Ankömmling geben müßte. Und in der Tat ist es wohl eine Kombination des alten Glaubens der Pharaonen mit den Mysterien Griechenlands, welche die von den Lagiden begründete Mischreligion kennzeichnet. go Ägypten Zunächst — und das bedeutete eine tiefgreifende Wandlung — war die liturgische Sprache nicht mehr das Idiom des Landes, sondern das Griechische. Der Philosoph Demetrius von Phaleron, der durch Serapis von seiner Blindheit geheilt war, verfaßte zu seiner Ehre Päane, die noch Jahrhunderte später unter den Cäsaren gesungen wurden.^ Die von den Ptolemäem besoldeten Dichter wetteiferten, wie man sich denken kann, in der Verherrlichung des Gottes ihrer Wohl- täter, und die alten, aus dem Ägyptischen übersetzten Rituale wurden noch mit erbaulichen Zusätzen von originalem Gehalt bereichert. Obwohl von jüngerem Datum, vermag ein Hymnus zu Ehren der Isis, der sich auf der Insel Andros in Marmor eingegraben fand 6, uns doch eine annähernde Vorstellung von diesen heiligen Kompositionen zu geben. Zweitens ersetzten die Künstler die alten hieratischen Idole durch ansprechendere Bilder und liehen ihnen die Schönheit der Unsterblichen. Es ist nicht bekannt, wer den Typus der Isis geschaffen hat, die, mit einem linnenen Kleide angetan und in einen mit Fransen be- setzten, auf der Brust zusammengeknüpften Mantel ge- hüllt, mit ihren holden und sinnenden, anmutigen und erhabenen Zügen die Idealgestalten Heras und Aphro- dites in sich vereinigt. Aber wir kennen den Schöpfer der ersten Serapisstatue, die bis zum Untergange des Heidentums in dem großen Heiligtum zu Alexandrien s'tand. Diese Statue, der Prototyp aller auf uns ge- langten Repliken, ein in kostbarem Material ausgeführtes Kolossalbild, rührte von einem berühmten athenischen Bildhauer, Bryaxis, einem Zeitgenossen des Skopas, her. Es war eine der letzten göttlichen Schöpfungen des hellenischen Genius. Das majestätische Haupt mit seinem Beziehungen zu Griechenland gi zugleich schwermütigen und wohlwollenden Ausdruck, von üppigem Gelock überschattet und eine tschacko- artige Kopfbedeckung tragend, erinnerte an den Doppel- charakter des Gottes, der gleichzeitig über die frucht- bare Erde und das trauervolle Reich der Toten herrschte."^ So hatten die Ptolemäer ihrer neuen Religion eine literarische und künstlerische Form gegeben, die sie befähigte, die feinsten und gebildetsten Geister für sich zu gewinnen. Aber die Anpassung an die hellenistische Art des Fühlens und des Denkens war keine rein äußer- liche. Der Gott, dessen Kultus auf diese Weise erneuert wurde, Osiris, eignete sich besser als jeder andere dazu, mit seiner Autorität die Entstehung eines synkretisti- schen Glaubens zu decken. Seit langer Zeit — schon ehe Herodot schrieb — hatte man Osiris mit Dionysos und Isis mit Demeter identifiziert. In einer geistreichen Abhandlung hat Foucart sich um den Nachweis be- müht, daß diese Assimilation keine willkürliche ge- wesen sei, und daß Osiris und Isis, nachdem sie in prähistorischer Zeit nach Kreta und Attika gelangt waren, dort mit Dionysos und Demeter verschmolzen wurden.^ Ohne bis in so entlegene Zeiten zurückzu- gehen, wollen wir uns damit begnügen, mit ihm festzu- stellen, daß die Dionysosmysterien mit denen des Osiris nicht durch oberflächliche und zufällige Übereinstim- mung, sondern durch innere Verwandtschaft verbunden sind. In beiden Fällen gedachte man der Geschichte eines Gottes, der dem Wachstum der Pflanzen vorstand und zugleich die Unterwelt regierte, eines Gottes, der von einem Feinde getötet und in Stücke zerrissen war, eines Gottes, dessen zerstreute Glieder eine Göttin sam- melte, um sie auf wunderbare Weise wieder zu beleben. Die Griechen mußten daher geneigt sein, einen Kultus 92 Ägypten anzunehmen, in dem sie ihre eigenen Gottheiten und ihre eigenen Mythen in etwas eindrucksvollerer und prächtigerer Form wiederfanden. Es ist eine sehr merk- würdige Tatsache, daß unter der Mejige der in den Nomen des Ptolemäefreiches verehrten Gottheiten die aus der Umgebung oder, wenn man will, dem Zyklus des Osiris, seine Gemahlin Isis, ihr Sohn Harpokrates und ihr treuer Diener Anubis, die einzigen sind, welche von den hellenischen Stämmen adoptiert wurden. Alle anderen himmlischen oder höllischen Geister, denen Ägypten diente, sind in Griechenland Fremde ge- blieben.^ Zwei entgegengesetzte Stimmungen gegenüber der ägyptischen Religion machen sich in der griechisch- lateinischen Literatur bemerklich. Sie wird bald als die erhabenste, bald als die niedrigste angesehen, die es gibt, und in der Tat klaffte ein Abgrund zwischen den immer lebendigen populären Vorstellungen und dem aufgeklärten Glauben der beamteten Priester. Auf der einen Seite betrachteten die Griechen und die Römer mit Bewunderung die Pracht der Tempel und des Zere- moniells, das fabelhafte Alter der heiligen Überliefe- rungen, das Wissen des Klerus, der eine von der Gott- heit offenbarte Weisheit hütete, und indem sie bei diesem in die Schule gingen, meinten sie aus der reinen Quelle zu schöpfen, aus der ihre eigenen Mythen ge- flossen waren. Sie ließen sich durch die Ansprüche einer Priesterschaft imponieren, die mit Stolz auf die Ver- gangenheit blickte, in der sie sich konsolidiert hatte, und empfanden lebhaft die Anziehungskraft des wunderbaren Landes, in dem alles voll von Geheimnissen war, vom Nil, der es schuf, bis zu den Hieroglyphen, die an den Wän- den seiner gigantischen Bauten eingemeißelt standen.^o Beziehungen zu Griechenland 02 Gleichzeitig aber nehmen sie Anstoß an seinem plumpen Fetischismus und seinen absurden Supersti- tionen. Sie empfanden namentlich eine unbezwingliche Abneigung gegen den Tier- und Pflanzenkultus^ der zu allen Zeiten die auffälligste Seite der ägyptischen Volks- religion bildete und anscheinend seit der saitischen Dy- nastie^ wie alle altertümlichen frommen Bräuche, mit neuem Eifer gepflegt worden ist. Die Komiker und Satiriker sind unerschöpflich in ihren Witzen über die Verehrer von Katze, Krokodil, Lauch und Zwiebel. „O heiliges Volk", ruft Juvenal ironisch aus, „dessen Göt- ter selbst in seinen Gärten geboren werden !"ii Kurz, die Abendländer haben dieses seltsame Volk, welches von der übrigen Welt himmelweit verschieden war, fast mit denselben Augen betrachtet, wie der Europäer lange Zeit den Chinesen. Ein rein ägyptischer Kultus würde in der griechisch- römischen Welt unmöglich gewesen sein. Das Verdienst der Mischreligion, welche das politische Genie der Pto- lemäer schuf, bestand in der Ausscheidung oder Ab- schwächung dessen, was — wie die Phallophorien von Abydos — abstoßend oder ungeheuerlich erschien, wäh- rend einzig und allein das festgehalten wurde, was er- greifend oder anziehend zu wirken vermochte. Sie war die kultivierteste aller barbarischen Religionen; sie ent- hielt Exotisches genug, um die Neugier der Griechen zu reizen, aber nicht genug, um ihren empfindlichen Sinn für das Maßvolle zu beleidigen, und ihr Erfolg war ein glänzender. Sie wurde überall adoptiert, wo die Autorität oder das Ansehen der Lagiden sich fühlbar machte, und überall, wo Beziehungen zu der großen Handelsmetro- pole Alexandrien bestanden. Die erstgenannten bewirk- 94 Ägypten ten ihre Annahme durch die Fürsten und Völker, mit denen sie Bündnisse schlössen. Der König Nikokreon führte sie in Zypern ein, nachdem er das Orakel des Serapeums befragt hatte ^^^ Agathokles in Sizilien, als er die Stieftochter Ptolemäus'I. heiratete (298).i3 In Antiochien erbaute Seleukus Kallinikus ein Heiligtum, um dort eine Isisstatue aufzustellen, welche Ptolemäus Euergetes ihm aus Memphis gesandt hatte.i* Ptolemäus Soter führte, gleichsam als Unterpfand seiner Freund- schaft, Serapis in Athen ein, der seitdem einen Tempel am Fuße der Akropolis besaß i^, und Arsinoe, seine Mutter oder seine Gattin, gründete ein anderes in Hali- karnassus um das Jahr 307.1^ So förderte der politische Einfluß der ägyptischen Dynastie überall die Anerken- nung der Götter, deren Ruhm irgendwie mit dem ihres Hauses verknüpft war. Wir wissen durch Apuleius, daß in der Kaiserzeit die Priester der Isis in ihren Gebeten an erster Stelle des regierenden Herrschers gedach- ten 1^; sie bewiesen damit gewiß nur die gleiche dank- bare Ergebenheit, welche ihre Vorgänger den Ptole- mäern gewidmet hatten. Unter dem Schutze der ägyptischen Geschwader i^ verbreiteten die Seeleute und die Händler gleichzeitig den Kultus der Isis, der Schirmherrin der Schiffer, an allen Küsten Syriens, Kleinasiens und Griechenlands, auf den Inseln des Archipels und bis zum Hellespont und nach Thrakien hinein.i^ In Delos, wo die Inschrif- ten uns gestatten, ihn etwas eingehender zu studieren, wird er nicht nur von Fremden ausgeübt, sondern selbst die priesterlichen Funktionen werden von Mitgliedern der athenischen Aristokratie wahrgenommen. 20 Die Po- pularität der in diesen Mysterien verkündigten Vorstel- lungen über das zukünftige Leben wird durch eine An- Isis und Serapis in Italien 05 zahl von Grabreliefs bezeugt, auf denen der heroisierte Verstorbene, welchem seine Verwandten Nahrungsmittel darbringen, als Kopfbedeckung den Kaläthos des Se- rapis trägt. Er ist, dem ägyptischen Glauben gemäß, dem Gotte der Toten assimiliert.21 Selbst als der Glanz des alexandrinischen Hofes ver- blaßte und dahinschwand, als die Kriege gegen Mithri- dates und die Entwicklung der Seeräuberei den Handel im Ägäischen Meere ruiniert hatten, da konnte der alexandrinische Gottesdienst wohl in einzelnen Häfen, wie Delos, Gefahr laufen, aber er war viel zu fest in den Boden Griechenlands eingepflanzt, um hier unterzu- gehen. Von der ganzen Götterwelt des Orients behielten allein Isis und Serapis bis zum Ende des Heidentums ihren Platz in der Reihe der großen Gottheiten, welche die hellenische Welt verehrte.22 Diese synkretistische, im ganzen östlichen Mittelmeer- becken bereits populär gewordene Religion kam nun zu den Römern. Sizilien und Süditalien waren mehr als zur Hälfte hellenische Länder, und die Ptolemäer unterhielten dort diplomatische Beziehungen, wie die Handelsherren Alexandriens solche geschäftlicher Art. Auch dort verbreitete sich der Isiskult fast ebenso schnell wie an der jonischen Küste oder auf den Zykladen. ^^ Syrakus und Catania nahmen ihn, wie bereits gesagt, seit dem Anfang des dritten Jahrhunderts, unter Aga- thokles an. Das Serapeum von Puteoli, dem lebhaftesten Hafen des damaligen Campaniens, wird in einem Muni- zipalbeschluß vom Jahre 105 v.Chr. erwähnt.^^ Um dieselbe Zeit wurde ein Iseum in Pompeji gestiftet, dessen dekorative Fresken noch heute vor aller Augen gö Ägypten die Expansionskraft bekunden, welche der alexandri- nischen Kultur eigen war. Als diese Religion sich so im Süden der italienischen Halbinsel eingebürgert hatte, mußte sie natürlich bald auch nach Rom gelangen. Seit dem zweiten Jahrhun- dert vor unserer Zeitrechnung fand sie Anhänger in der bunten Menge der Sklaven und der Freigelassenen. Das Kollegium der Pasiophorßn gedachte unter den An- toninen seiner Stiftung in der Zeit SuUas.^s Vergeblich suchten die Behörden das Eindringen der alexandrini- schen Gottheiten zu hindern. Fünfmal, in den Jahren 59, 58, 53, 50 und 48 V. Chr., ließ der Senat durch die Magistrate ihre Kapellen zerstören und ihre Bildsäulen zerschlagen.26 Aber diese Gewaltmaßregeln waren nicht imstande, die Verbreitung des neuen Glaubens zu hem- men. Die ägyptischen Mysterien liefern uns in Rom das erste Beispiel einer in der Hauptsache populären religiösen Bewegung, welche über den Widerstand der Obrigkeit und der offiziellen Priesterschaft triumphiert. Warum ist von allen orientalischen Kulten gerade dieser allein wiederholten Verfolgungen ausgesetzt ge- wesen? Die letzteren hatten ein doppeltes Motiv, ein religiöses imd ein politisches. Zunächst tadelte man an der neuen Religion, daß sie die Sitten verderbe und die Pietät untergrabe. Ihre Moral war lax, und das Geheimnis, mit dem sie sich um- gab, nährte schlimmen Verdacht. Ferner appellierte sie mit Nachdruck an das Gefühl und an die Sinne. Alle ihre Gebräuche verletzten den würdevollen Anstand, den ein Römer in Gegenwart der Götter zu wahren hatte. Alle Verteidiger des mos maiorutn traten den Neuerern feindlich gegenüber. Sodann war dieser Kult gestiftet, begünstigt und aus- Verfolgungen in Rom gy gebreitet worden durch die Ptolemäer, er kam aus einem Lande, das am Ende der Republik Italien fast immer feindlich gegenüber gestanden hatte.^^ Er stammte aus Alexandrien, einer Stadt, deren Überlegenheit Rom fühlte und fürchtete. Seine geheimen Assoziationen, die sich hauptsächlich aus dem niederen Volk rekrutier- ten, konnten imter dem Deckmantel der Religion leicht zu Klubs von Agitatoren und Schlupfwinkeln von Spio- nen werden. Alle diese Motive des Verdachts und des Hasses trugen ohne Zweifel viel mehr dazu bei, die Verfolgung anzustacheln, als die rein theologischen Be- weggründe. Man sieht, wie jene erlischt und wieder aufflammt je nach dem wechselnden Stande der all- gemeinen Politik. Im Jahre 48 zerstörte man noch, wie wir gesehen haben, die der Isis geweihten Kapellen. Nach Cäsars Tode, im Jahre 43, beschließen die Triumvirn, ohne Zweifel um die Massen für sich zu gewinnen, ihr auf Staatskosten einen Tempel zu erbauen, was die offi- zielle Anerkennung in sich schloß; aber dieses Pro'jekt wurde anscheinend nicht verwirklicht. Wenn Antonius der Sieger- von Aktium gewesen wäre, so würden Isis und Serapis mit ihm im Triumph in Rom eingezogen sein, aber sie wurden mit Kleopatra besiegt, und Augustus, zum Herrn des Reiches geworden, zeigte eine tiefgewurzelte Abneigung gegen die Schutzgott- heiten seiner alten Feinde. Konnte er übrigens^ das Eindringen des ägyptischen Klerus in die römische Priesterschaft dulden, als deren Beschützer, Wieder- hersteller und Oberhaupt er auf getreten war? Im Jahre 28 wurde ein Verbot erlassen, den alexandrinischen Gottheiten Altäre innerhalb der geheiligten Schranke des pomoeriwm zu errichten, und sieben Jahre später Cumont, Die oriental. Religioaen 7 g8 Ägypten dehnte Agrippa dieses Verbot bis auf einen Umkreis von tausend Schritt Entfernung von der Stadt aus. Ti- berius befolgte dieselben Grundsätze, und im Jahre 49 n. Chr. entfesselte eine Skandalgeschichte, in welche eine Matrone und ein Ritter mit Isispriestem verwickelt waren, die blutigsten Verfolgungen gegen die letzteren, welche sie jemals zu erdulden hatten. Doch alle diese Polizeimaßregeln erwiesen sich als völlig unwirksam. Der ägyptische Kult war prinzipiell, wenn nicht tatsächlich, aus Rom und seiner unmittel- baren Umgebung verbannt, aber die ganze übrige Welt stand seiner Propaganda off en.^s Seit dem Beginn der Kaiserzeit dringt er allmählich nach Mittel- und Norditalien vor und breitet sich in den Provinzen aus. Die Händler, die Seeleute, die Sklaven, die Handwerker, die ägyptischen Gebildeten, selbst die entlassenen Soldaten der drei im Niltale gamisonieren- den Legionen tragen zu seiner Verbreitung bei. Er wandert über Karthago in Afrika und über das große Emporium Aquileia in die Donauländer ein. Die neue Provinz Gallien wurde vom Rhönetal aus erobert. Zahl- reiche orientalische Auswanderer versuchten damals in diesem noch wenig bekannten Lande ihr Glück zu machen; der Verkehr zwischen Arles und Alexandrien war lebhaft, und wir wissen, daß eine durch Augustus in Nimes angesiedelte Kolonie von ägyptischen Grie- chen die Götter ihres Vaterlandes dorthin brachte. 2» Mit den ersten Jahren unserer Ära beginnt jene ge- waltige Bekehrungsbewegung, welche in kurzer Zeit die Anbetung der Isis und des Serapis vom Rande der Sahara bis zum britannischen Grenzwall und von den asturischen Bergen bis zu den Donaumündungen ver- breitete. Adoption unter Caligula nn Der Widerstand, den die Zentralgewalt noch leistete, mußte aufgegeben werden. Es war verlorene Mühe, diesen uferlosen Strom eindämmen zu wollen, dessen daherrauschende Wogen auf allen Seiten die wanken- den Mauern des Pomoeriums umspülten. War der Vor- rang Alexandriens nicht unbestreitbar? Es ist damals schöner, weiser und gesitteter als Rom; es stellt das Vorbild einer vollkommenen Hauptstadt dar, dem die Lateiner nachzueifern suchen. Sie übersetzen seine Ge- lehrten, ahmen seine Schriftsteller nach, berufen seine Künstler, kopieren seine Einrichtungen. Wie hätte seine Religion nicht ihren Einfluß geltend machen sollen? In der Tat behauptete der Eifer ihrer Gläubigen trotz der erlassenen Gesetze ihre Heiligtümer bis auf das Ka- pitoL Die Astronomen Alexandriens hatten unter Cäsar den Kalender der Pontifices reformiert; seine Priester trugen bald darauf in ihn das Datum der Isisfeste ein. Der entscheidende Schritt wurde fast unmittelbar nach dem Tode des Tiberius getan. Caligula errichtete, zweifellos im Jahre 38, auf dem Marsfelde den großen Tempel der Isis Campensis.^^ Um die Empfindlichkeit der Priester zu schonen, hatte er dazu einen Platz außer- halb des heiligen Bezirks der Stadt des Servius ge- wählt. Domitian machte diesen Tempel später zu einem der glänzendsten Baudenkmäler Roms. Seitdem ge- nossen Isis und Serapis die Gunst aller kaiserlichen Dynastien, der Flavier wie der Antonine und der Se- verer. Um das Jahr 215 erbaute ihnen Caracalla im Herzen der Stadt auf dem Quirinal einen noch prunk- volleren Tempel als der des Domitian und vielleicht noch einen anderen auf dem Coelius. Die Götter Ägyp- tens waren, wie der Apologet Minucius Felix konsta- tiert, nun tatsächlich zu römischen geworden.^i 7* loo Ägypten Im. Anfange des dritten Jahrhunderts scheinen sie den Höhepunkt ihrer Macht erreicht zu haben- später gingen die Vorliebe des Volkes und die Unterstützung des Staates mehr auf andere Gottheiten über, die syri- schen Baale und den persischen Mithra. Dann wurden die Fortschritte des Christentums für ihren Einfluß verhängnisvoll. Gleichwohl blieb dieser im Heidentum noch immer beträchtlich bis zum Ende der antiken Welt. Die isischen Prozessionen durchzogen die Straßen Roms noch um die Neige des vierten Jahrhunderts — ein Äugenzeuge beschreibt sie noch im Jahre 394.^^ Aber schon im Jahre 391 hatte der Patriarch Theophilos das Serapeum in Alexandrien den Flammen überliefert und selbst den ersten Beilhieb gegen die abergläubisch ver- ehrte Kolossalstatue des Gottes geführt, indem er so, wie Rufin sagt^^, „das Haupt der Idolatrie selbst" ab- schlug. Diese hatte in der Tat eine tödliche Wunde emp- fangen. Die fromme Verehrung der Götter der Ptole- mäer erlosch schließlich zwischen der Regierung des Theodosius und der des Justinian ^^, und nach der trost- losen Weissagung des Hermes Trismegistos ^s wurde nun selbst Ägypten von seinen Göttern verlassen und ein Land der Toten; von seinen Religionen blieb nichts übrig als Fabeln, denen kein Mensch mehr Glauben schenkte, und nur Worte, die auf Stein geschrieben standen, erzählten den einwandernden Barbaren von der Frömmigkeit vergangener Zeiten. Wie aus dieser flüchtigen Skizze ihrer Geschichte ersichtlich ist, wurden Isis und Serapis in der lateini- schen Welt während eines Zeitraumes von mehr als Anziehungskraft der ägyptischen Gottheiten loi fünfhundert Jahren angebetet. Welche Wandlungen ihr Kultus in dieser langen Periode erfuhr, und welche lokalen Differenzen sich möglicherweise in den ver- schiedenen Provinzen herausgebildet haben, muß die Forschung der Zukunft entscheiden. Sie wird jedenfalls feststellen, daß der alexandrinische Kultus, statt sich unter den Kaisern zu romanisieren, im Gegenteil immer orientalischer geworden ist. Domitian, welcher das Iseum. auf dem Campus Martius und das zu Benevent restauriert, läßt aus dem Niltal Sphingen, Apisstiere, Paviane und Obelisken aus schwarzem oder rosenfarbe- nem Granit dorthin schaffen, welche die Kartuschen des Amasis, Nektanebos oder sogar Ramses' IL tragen, während auf anderen, in den Propyläen aufgestellten Obelisken die Weihinschriften des Kaisers selbst in Hieroglyphen eingemeißelt sind.^ß Ein halbes Jahr- hundert später preist Hadrian, der in seiner riesen- haften Villa zuTibur, allerdings in dilettantischer Weise, neben dem Tal Tempe die Freuden von Canopus nach- bilden ließ, um dort unter dem wohlwollenden Blick des Serapis üppige Feste zu feiern, in Inschriften, welche die alte Sprache der Pharaonen reden, die Ver- dienste des vergötterten Antinous und bringt die ägyp- tisierenden Statuen aus schwarzem Basalt in die .Mode.^^ Die Liebhaber gefielen sich damals in erkünstelter Be- geisterung für die hieratische Strenge barbarischer Idole gegenüber der eleganten Freiheit alexandrinischer Kunst. Diese ästhetischen Erscheinungen sind wahr- scheinlich auf religiöse Vorurteile zurückzuführen, und der lateinische Kultus war von jeher mehr als der grie- chische geneigt, den Gottesdienst nachzuahmen, der in den Tempeln des Niltals gefeiert wurde. Die vorliegende Entwicklung entsprach allen Tendenzen der Kaiserzeit. I02 Ägypten Welche geheime Kraft hat die ägyptische ReHgion in den Stand gesetzt, eine so unwiderstehliche Anzie- hung auf die römische Welt auszuüben ? Was brachten diese Priester Neues, die in allen Provinzen Proselyten gewannen? Bezeichnet der Erfolg ihrer Predigt einen Fortschritt oder einen Rückschritt gegenüber dem alt- römischen Glauben ? Das sind komplizierte und delikate Fragen, die sehr genau analysiert und vorsichtig be- handelt sein wollen, überdies ein feines Empfinden für Nuancen voraussetzen. Ich muß mich hier auf einen flüchtigen Überblick beschränken, der, wie ich fürchte, gleich jeder derartigen Verallgemeinerung zu trocken und zu schematisch erscheinen wird. Es sind nicht oder doch nur in beschränktem Maße die besonderen Lehren der Isis- und Serapismysterien über die Natur und die Macht der Götter gewesen, die ihren Sieg herbeigeführt haben. Man hat bemerkt, daß die ägyptische Theologie immer in „flüssigem" ^^ oder, wenn man lieber will, chaotischem Zustande geblieben sei. Sie besteht aus einem Gemisch von disparaten Legenden, einem Aggregat von einzelnen Kulten, wie Ägypten selbst aus einer Anzahl von Nomen. Niemals hat diese Religion ein zusammenhängendes System von allgemein anerkannten Dogmen gebildet. Entgegenge- setzte Vorstellungen und Überlieferungen finden sich in ihr vereint, und all der Scharfsinn des Klerus hat es nicht fertig gebracht oder, besser gesagt, niemals unter- nommen, die widerstreitenden Elemente in harmoni- scher Synthese zu versöhnen.^^ Das Prinzip des Wider- spruchs existiert nicht für dieses Volk. Alle heterogenen religiösen Vorstellungen, die in den verschiedenen Gauen und in den verschiedenen Epochen einer überaus langen Geschichte geherrscht haben, erhalten sich wetteifernd Unbestimmtheit der ägyptischen Theologie lo^ nebeneinander und bilden in den heiligen Büchern ein unentwirrbares Knäuel. Im abendländischen Kultus deralexandrinischen Gott- heiten war es kaum anders. In seinem Klerus standen an erster Stelle, ganz wie in Ägypten, „Propheten", die gelehrt über die Religion diskutierten, aber niemals ein ausschließlich angenommenes theologisches System vertraten. Der heilige Schreiber Chaeremon, welcher der Lehrer Neros wurde, fand in den priesterlichen Überlieferungen seines Vaterlandes die Lehren der Stoiker wieder.**' Wenn der Eklektiker Plutarch von dem Charakter der ägyptischen Götter spricht, so stimmt dieser wunderbar mit der Philosophie des Plutarch *i überein, und wenn der Neuplatoniker Jamblichus das- selbe tut, dann wieder mit der des Jamblichus. Die nebelhaften Ideen der orientalischen Priester erlauben jedem, in ihnen die Phantome zu erblicken, denen er nachjagt; die individu^elle Phantasie hat freie Bahn, und der Dilettantismus der Gebildeten liebt es, diese^ geschmeidigen Lehren nach seinem Geschmack zu modeln. Diese hatten niemals so bestimmte Umrisse und waren niemals so klar formuliert, daß sie auf die Menge hätten Eindruck machen können. Die Götter sind alles und nichts; sie verlieren sich in einem sfumäto. Anarchie und Konfusion beherrschen ihr Reich in beängstigendem Maße. Der „Hermetismus" *2^ welcher durch eine weise Mischung griechischer, ägyptischer und semitischer Elemente eine für alle Geister annehmbare Theologie herzustellen suchte, scheint die alexandrinisthen Mysterien, die älter sind als er, niemals grundsätzlich beeinflußt zu haben und konnte sich überdies den Widers'prüchen des ägyptischen Denkens nicht entziehen. Nicht durch I04 Ägypten ihre Dogmatik hat die isische Religion die Seelen ge- wonnen. Indessen — man muß ihr diesen Vorzug einräumen — kraft der ihr eigenen Elastizität paßte sich diese Re- ligion mit Leichtigkeit den verschiedenen Verhältnissen an, in die sie verpflanzt wurde, und sie genoß das kost- bare Privilegium, stets mit det herrschenden Philo- sophie in vollkommenem Einklang zu stehen. Ferner entsprachen die synkretistischen Gepflogenheiten Ägyp- tens in bewunderungswürdiger Weise denen, welche sich mehr und mehr in Rom einbürgerten. Seit alter Zeit waren henotheistische Theorien in priesterlichen Kreisen beliebt gewesen, und wenn die Priester auch dem Gotte ihres Tempels den Vorrang wahrten, so gaben sie doch zu, daß er eine Menge verschiedener Persönlichkeiten besitzen könne, in denen man ihn gleichzeitig verehrte. Auf diese Weise wurde die Ein- heit des höchsten Wesens für die Denkenden behauptet, und der Polytheismus mit seinen unantastbaren Über- lieferungen für die Masse festgehalten. So hatten Isis' und Osiris schon unter den Pharaonen mehrere Lokal- gottheiten absorbiert und einen komplizierten Charak- ter angenommen, der unendlicher Erweiterung fähig war. Derselbe Prozeß setzt sich unter den Ptolemäern fort, als man Fühlung mit Griechenland gewonnen hatte. Isis wird gleichzeitig mit Demeter, Aphrodite, Hera, Semele, lo, Tyche und wer weiß womit noch identifi- ziert. Sie wird als Königlin des Himmels und der Unter-, weit, der Erde und der Meere gefeiert. Sie ist „die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft "*3^.^^i(iie Natur als Mutter der Dinge, die Herrin der Elemente, geboren am Anfang der Jahrhunderte".^^ Sie ist die Göttin mit den Myriaden von Namen, mit den zahllosen Unbestimmtheit der ägyptischen Theologie 105 Gestalten, mit den unerschöpflichen Fähigkeiten. Mit einem Worte: sie ist eine pantheistische iMacht ge- worden, die für sich allein alles ist, „una quae est Serapis hat ein nicht minder hohes Ansehen und eine nicht minder umfassende Bedeutung. Er wird in ähn- licher Weise als ein Universalgott aufgefaßt, von dem man mit Vorliebe versichert, daß er „Einer" sei: Eic ZeOc ZdpaTTic. Er vereinigt in sich alle Tätigkeiten, ob- gleich man ihm vorzugsweise die Funktionen des Zeus, des Pluto oder des Helios beilegt. Seit langer Zeit wurde Osiris in Abydos zugleich als Urheber der Fruchtbarkeit und als Herr der Unterwelt angebetetes, und dieser Doppelcharakter ließ ihn früh mit dem Sonnengott verschmelzen, der während seines Tages- laufes die Erde befruchtet und nachts die unterirdischen Gefilde durcheilt.*'' So stimmte die Vorstellung, welche man sich schon an den Ufern des Nils von diesetn Naturgott machte, ohne weiteres mit dem solaren Pan- theismus überein, der die letzte Form des römischen Heidentums darstellt. Aber nicht Ägypten führte dieses theologische System im Okzident ein, wo es erst im zweiten Jahrhundert unserer Ära zur Herrschaft ge- langte. Es hatte in diesem Lande nicht das ausschließ- liche Übergewicht, das es in der Kaiserzeit gewann, und noch zur Zeit des Plutarch war es nur eine Ansicht unter vielen anderen.*^ In dieser Beziehung gaben die syrischen Baale und die chäldäische Astrologie den entscheidenden Ausschlag. Die Theologie der ägyptischen Mysterien folgte also vielmehr der allgemeinen Entwicklung der Ideen, als daß sie diese angeregt hätte. Ebenso verhielt es sich mit ihrer Moral. Sie empfahlen sich der Welt nicht io6 Ägypten durch den Adel ihrer sittlichen Forderungen und durch ein höheres Ideal der Heiligkeit. Man hat oft d^n im Totenbuch enthaltenen erbaulichen Katalog der Pflich- ten bewundert, welche der Tote, sei es mit Recht oder Unrecht, erfüllt zu haben behauptete, um von Osiris ein günstiges Urteil zu erlangen. Diese Deontologie ist zweifellos sehr erhaben, wenn man die Zeit berück- sichtigt, in der sie verfaßt wurde, aber sie muß elemen- tar und fast kindlich erscheinen, wenn man sie, ich will nicht einmal sagen, mit den feinen psychologischen Analysen der stoischen Kasuisten, sondern mit den Grundsätzen vergleicht, welche die römischen Rechts- gelehrten formuliert haben. Übrigens wird auch' in die- sem Ideenkreise das ägyptische Denken durch das Fest- halten der auffälligsten Kontraste charakterisiert. Es stieß sich niemals an all den grausamen und obszönen Dingen, welche die Mythologie und das Ritual befleck- ten. Gewisse heilige Texte mahnen sogar dazu, ganz wie Epikur in Athen, das Leben zu genießen, ehe der traurige Tod herannaht.^9 Als Isis in Italien einzog, war sie keine sehr strenge Göttin mehr. Mit Venus identifiziert, wie ihr Sohn Hajpokrates mit Eros, wurde sie besonders von den. Frauen verehrt, welche aus der Liebe ein Geschäft machen. In einer so vergnügungssüchtigen Stadt, wie es Alexandrien damals war, hatte sie alles Unnach- sichtige verloren; und in Rom blieb diese gütige Göt- tin sehr geduldig gegenüber menschlichen Schwächen. Juvenal bezeichnet sie grob als Kupplerin 5°, und ihre Tempel standen in noch schlechterem Rufe; sie wur- den von jungen Leuten aufgesucht, die sich auf der Jagd nach galanten Abenteuern befanden. Selbst Apuieius wählt eine schlüpfrige Erzählung, um die Ägyptische Moral und rituelle Reinheit 107 Begeisterung kundzutun, die als er als Eingeweihter empfindet. Aber Ägypten ist, wie bereits gesagt wurde, das Land der Widersprüche, und als eine anspruchsvollere Sittlichkeit von den Göttern forderte, daß sie den Men- schen tugendhaft machen sollten, da erboten sich die alexandrinischen Mysterien, sie zu befriedigen. Von jeher legte das ägyptische Ritual großes Ge- wicht auf Reinheit oder, um einen besser entsprechen- den Ausdruck zu gebrauchen, auf Sauberkeit. Vor jeder Zeremonie mußte der Offiziant sich Waschungen, bis- weilen Räucherungen oder Salbungen unterziehen, sich bestimmter Speisen enthalten und den Geschlechtsver- kehr während eines gewissen Zeitraums meiden. An- fangs verband man mit dieser Kathartik keine sittliche Idee. In der Vorstellung des Zelebranten war sie eine Prozedur zur Vertreibung der bösen Geister oder sie hatte den Zweck, ihn in eine solche Verfassung zu ver- setzen, daß das Opfer die gewünschte Wirkung hervor- bringen könnte. Sie war damals der Diät, den Duschen und den Einreibungen vergleichbar, welche der Arzt verordnet, um die physische Gesundheit wiederherzu- stellen. Die innere Verfassung des Offizianten war den himmlischen Geistern ebenso gleichgültig wie das Ver- dienst oder die Verdienstlosigkeit des Verstorbenen dem Richter der Unterwelt Osiris; damit er der Seele den Eingang in die Aalugef ilde öffnete, genügte es, daß sie die liturgischen Formeln aussprach, und wenn sie nach dem vorgeschriebenen Texte versicherte, daß sie nicht schuldig sei, so glaubte er ihr aufs Wort. Aber wie in allen Religionen des Altertums ^i, so wandelte sich auch in der ägyptischen nach und nach die primitive Vorstellung um, und allmählich ent- io8 Ägypten wickelte sich aus ihr ein neuer Begriff. Man erwartete von sakramentalen Handlungen die Tilgung sittlicher Makel, man überredete sich, daß sie den Menschen besser machten. Die Anbeterinnen der Isis, welche Ju- venal52 uns vorführt, wie sie das Eis des Tibers zer- brechen, um sich im Flusse zu baden, und auf ihren blutenden Knien die Runde um den Tempel machen, hofften durch diese Leiden ihre Sünden zu sühnen und ihre Verfehlungen wieder gut zu machen. Als im zweiten Jahrhundert ein neues Ideal im Volks- bewußtsein erwuchs, als die Magier selbst fromme und ernste Leute wurden, frei von Leidenschaften und Be- gierden, mehr geehrt wegen der Würde ihres Wandels als wegen ihres weißen Linnengewandes ^^, da verinner- lichten sich auch die Eigenschaften, welche die ägyp- tischen Priester von ihren Anhängern forderten. Man sah mehr auf die Reinheit des Herzens als auf die des Körpers. Der Verzicht auf sinnliche Genüsse war die unumgängliche Voraussetzung für die Erkenntnis der Gottheit, die als das höchste Gut galt.^* Isis begünstigte nicht mehr verbotene Liebschaften : in dem Roman des Xenophon von Ephesus (um 280 n.Chr.) behütet sie die Keuschheit der Heldin vor allen Fallstricken und verleiht ihr den Sieg. Das ganze Dasein war dem alten Glauben gemäß eine Vorbereitung auf das furchtbare Urteil, welches Serapis sprach: Dort in der tiefen Nacht, dahin alles wieder zurückkehrt, aber wenn es für den Mysten günstig lauten sollte, so durfte sich dieser nicht damit begnügen, die Riten seiner Sekte zu kennen, sondern sein Leben mußte auch rein sein von Verbrechen, denn der Herr der Unterwelt wies dort jedem den Platz an, der seinem Verhalten Magische Kraft des Rituals lOg entsprach.55 Man sieht die Lehre von einer zukünf- tigen Vergeltung sich entwickeln. Nur sind auch hier, wie in ihrer Auf fassung der Gott- heit, die ägyptischen Mysterien dem allgemeinen Ideen- fortschritt gefolgt, ohne ihn ihrerseits zu leiten; sie sind mehr durch die Philosophie umgewandelt, als sie äiese inspiriert haben. Wie hat ein Kultus, der weder in seiner Theologie noch in seiner Moral wirklich Neues brachte, bei den Römern gleichzeitig soviel Feindseligkeit und soviel Begeisterung erregen können? Theologie und Ethik bilden heutzutage für viele beinahe die ganze Religion; aber im Altertum war dem nicht so, und die Priester der Isis und des Serapis haben die Seelen vorzugs- weise durch andere Mittel gewonnen. Sie haben sie zu- erst angelockt durch den bestrickenden Zauber ihres Rituals und haben sie dann festgehalten durch die wun- derbaren Verheißungen ihrer eschatologischen Lehren. Der Ritus hat bei den Ägyptern einen sehr viel höheren Wert, als wir ihm heute zugestehen. Er wirkt ex opere opßrato, ganz abgesehen von den Intentionen des Zelebranten. Die Wirksamkeit des Gebets hängt nicht von der inneren Disposition des Gläubigen ab, sondern von der Richtigkeit der Worte, der Geberden und der Intonation. Der Kultus unterscheidet sich nicht klar von der Magie. Wenn eine Gottheit in den rich- tigen Formen angerufen wird, vor allem, wenn man ihren wirklichen Namen zu nennen weiß, so wird sie gezwungen, nach dem Willen ihres Dieners zu handeln. Die heiligen Worte stellen eine Beschwörung dar, welche die höheren Mächte zum Gehorsam gegenüber HO Ägypten dem Offizianten verpflichtet, gleichviel welchen Zweck dieser verfolgen mag. Der Mensch erlangt durch die Kenntnis der Liturgie eine ungeheure Macht über die Welt der Geister. Porphyrius ist darüber erstaunt und entrüstet, daß die Ägypter in ihren Gebeten bisweilen ihren Göttern zu drohen wagen. ^^ Bei den Weihehand- lungen zwang die Anrufung des Priesters sie dazu, ihre Statuen zu beseelen, und seine Stimme schuf demnach Gottheiten ^'^, wie im Anbeginn die allmächtige Stimme Töts die Welt geschaffen hatte.^^ Auch das Ritual, welches übermenschliche Macht ver- leiht ^9, entwickelt sich in Ägypten zu einer im Abend- lande unbekannten Vollkommenheit, Fülle und Pracht. Es verrät eine Einheitlichkeit, eine Bestimmtheit und eine Festigkeit, die seltsam absticht gegen die Mannig- faltigkeit der Mythen, die Unbestimmtheit der Dogmen und die Willkür der Erklärungen. Trotz der enormen Zahl der Jahre, die inzwischen verflossen sind, repro- duzieren die heiligen Bücher der griechisch-römischen Epoche getreulich die Texte, die ehemals an die Wände der Pyramiden geschrieben wurden. Noch unter den Cäsaren vollzieht man mit peinlicher Sorgfalt die alten Zeremonien, die aus den Anfängen der ägyptischen Geschichte stammen, und deren kleinstes Wort, deren unscheinbarste Geste ihre besondere Bedeutung haben. Dieses Ritual und die Vorstellung, die man sich von ihm gebildet hatte, sind großenteils in die lateinischen Tempel der Isis und des Serapis übergegangen. Das ist eine lange verkannte, aber nicht zu bezweifelnde Tatsache. Sie wird zunächst dadurch erhärtet, daß der Klerus dieser Tempel wie der ägyptische in der Pto- lemäerzeit organisiert ist.^^ Er bildet eine Hierarchie, die von einem Hohenpriester geleitet wird und, wie Der Gottesdienst 1 1 1 im Niltal, Propheten, die der göttlichen Wissenschaft kundig sind, Stolisten oder Ornatrices^'^, welche die Götterbilder zu, bekleiden haben, Pastophoren, welche die heiligen Kapellen in den Prozessionen tragen, und noch andere umfaßt. Wie in ihrer ursprünglichen Hei- mat unterscheiden sich diese Priester von den gewöhn- lichen Sterblichen durch eine Tonsur, durch eine leinene Alba, durch ihre Sitten wie durch ihre Kleidung. Sie weihen sich ganz ihrem Amte und haben keinen an- deren Beruf. Diese Priesterschaft ist immer ihrem Cha- rakter, wenn nicht ihrer Nationalität nach ägyptisch geblieben, weil die Liturgie es war, die sie zu vollziehen hatte; ebenso sind die Priester der Baale Syrer ^^^ weil sie allein wissen, wie man die Götter Syriens ehren muß. Vor allem muß, wie im Nillande, täglich Gottes- dienst gehalten werden. Die ägyptischen Götter er- freuten sich nur einer bedingten Ewigkeit; sie waren der Vergänglichkeit unterworfen und der Pflege be- dürftig. Nach einer uralten und immer festgehaltenen Vorstellung mußten sie jeden Tag, sollten sie nicht zugrunde gehen, ernährt, gekleidet und lebendig ge- macht werden. So ergab sich die Notwendigkeit einer Liturgie, die in allen Nomen offenbar dieselbe war, während mehrerer Jahrtausende im Gebrauch blieb und mit ihrer Beständigkeit der Mannigfaltigkeit der lokalen Legenden und Kulte gegenübertrat.ßs Diese tägliche Liturgie, die ins Griechische, dann vielleicht ins Lateinische übersetzt und von den Stif- tern des Serapeums neuen Bedürfnissen angepaßt war, wird in den römischen Tempeln der alexandrinischen Gottheiten getreulich befolgt. Die wichtigste Zere- monie ist die „Öffnung" {apertio^'^) des Heiligtums ge- blieben, d. h. bei Tagesanbruch enthüllte man den Gläu- 112 Ägypten bigen die Statue der Gottheit^ die in dem während der Nacht verschlossenen und versiegelten Naos stand. ^^ Dann zündete der Priester — immer wie in Ägypten — das heilige Feuer an und brachte Libationen von Wasser dar^ welches angeblich aus dem vergötterten Nil stammte 06^ indem er die üblichen Hymnen anstimmte, die mit Flötenspiel begleitet wurden. EnHlich, „aMi der Schwelle stehend" — ich übersetze wörtlich eine Stelle des Porphyrius67 — „erweckt er den Gott, indem er ihn in ägyptischer Sprache anruft". Der Gott wird also, wie unter den Pharaonen, durch das Opfer wieder be- lebt, und sobald er bei seinem Namen gerufen wird, er- wacht er aus seinem Schlummer. Der Name ist in der Tat mit seiner Persönlichkeit unlöslich verknüpft; wer den wahren Namen eines Individuums oder einer Gott- heit auszusprechen weiß, macht sie sich dienstbar, wie ein Herr seinen Sklaven.^si Daher die Notwendigkeit, die ursprüngliche Form dieses mysteriösen Wortes bei- zubehalten. Die Einführung einer Menge von barba- rischen Benennungen in die magischen Inkantationen hat keinen anderen Grund. Wahrscheinlich beschäftigte man sich auch jeden Tag, wie im ägyptischen Ritual, mit der Toilette der Statue, man kleidete sie an und frisierte ^ie.^^ Wir haben gesehen, daß „Ornatrices" oder „Stolisten" mit diesen Verrichtungen besonders betraut waren. Das Idol war mit kostbaren Gewändern bekleidet, mit Ju- welen und Gemmen beladen. Eine Inschrift hat uns das Inventar der Kleinodien aufbewahrt, welche eine Isis in der Umgebung von Granada trug '^O; ihr Schmuck ist glänzender als der einer spanischen Madonna. Den ganzen Vormittag, von dem Augenblick an, in dem lärmender Zuruf den Aufgang der Sonne begrüßt Die Feste 1 1 2 hatte, waren die Bilder der Götter der stillen Anbe- tung der Eingeweihten zugänglich.^i Ägypten ist das Land, aus dem die kontemplative Frömmigkeit nach Europa gelangt ist. Am Nachmittag wurde dann ein zweiter Gottesdienst abgehalten, welcher der Schlie- ßung des Heiligtums galt.'^^ Diese tägliche Liturgie mußte tiefen Eindruck ma- chen. Sie führte in das römische Heidentum eine fol- genschwere Neuerung ein. Man huldigt der Gottheit nicht mehr nur bei dieser oder jener Gelegenheit, son- dern zweimal an jedem Tage längere Zeit. Wie bei den Ägyptern, die Herodot bereits für das religiöseste aller Völker erklärte '^^^ beginnt die Frömmigkeit das ganze Dasein zu durchdringen und die privaten wie die öffent- lichen Interessen zu beherrschen. Die beständige Wie- derholung derselben Gebete nährte und stärkte den Glauben, und man lebte sozusagen immer vor dem Angesicht der Götter. Den täglichen Riten stehen in dem Ritual von Aby- dos die Feste zum Beginn der Jahreszeiten gegenüber, die alljährlich an bestimmten Daten wiederkehrten.'^* Ebenso war es in Italien. Die Kalender haben uns die Namen von mehreren dieser Feste aufbewahrt, und der Rhetor Apuleius^^ hat uns von einem derselben, dem Navigiam Isldis, eine glänzende Beschreibung hinter- lassen und, um mit den Alten zu reden, alle seine Farbentuben zu diesem Zwecke geleert. Am 5. März, dem Tage, an welchem die durch die Wintermonate unterbrochene Schiffahrt wieder eröffnet wurde, be- wegte sich eine prunkvolle Prozession nach dem Strande, und man ließ ein der Isis, der Schutzpatronin der Seeleute, geweihtes Schiff in die Wellen gleiten (TtXoiacpecia).'^^ Eine burleske Gruppe von verkleideten Cumont: Die oriental. Religionen 8 114 Ägypten- Personen eröffnete den Zug'^, dann kamen blumenstreu- ende Frauen in weißen Gewändern; die Stolisten, wel- che die Toilettenutensilien der Göttin mit sich führten ; die Dadophoren mit brennenden Fackeln in der Hand; die Hymnoden, deren Wechselgesänge sich in den schrillen Ton der Querpfeifen und in das Rasseln der metallenen Sistren mischten, dann die dichtgedrängte Schar der Eingeweihten und der Priester, die, mit ge- schorenem Kopf und in schneeweiße Kleider gehüllt, die Bilder der tiergestaltigen Götter mit ihren seltsamen Symbolen wie eine goldene Urne mit dem göttlichen Nilwasser trugen. Vor Ruhealtären '^ machte man halt, wo diese heiligen Dinge den Gläubigen zur Verehrung dargeboten wurden. Die verschwenderische und bizarre Pracht, welche bei diesen Festen entfaltet wurde, hin- terließ bei der schaulustigen Menge einen unvergeß- lichen Eindruck. Aber die ergreifendste und wirksamste von allen isischen Feiern war das Gedächtnis der „Auffindung des Osiris" {Inventio, Eupecic). Ihre Vorgeschichte reicht bis in das graue Altertum zurück. Seit der Zeit der XII. Dynastie und ohne Zweifel schon lange vorher führte man in Abydos und an anderen Orten ein heiliges Schauspiel "auf, welches den Mysterien des Mittelalters ähnlich war und die Peripetien der Passion und der Auferstehung des Osiris darstellte. Das ent- sprechende Ritual ist uns erhalten '^^ : der seinen Tem- pel verlassende Gott fiel unter den Streichen des Set; man stimmte an seiner Leiche die Totenklage an und bestattete sie in der üblichen Weise; dann wurde Set von Horus besiegt, und der dem Leben wiedergegebene Osiris kehrte in seinen Tempel zurück, nachdem er über den Tod triumphiert hatte. Die Feste 115 Dieser Mythus wurde alljährlich vom 28. Oktober bis zum I . November in Rom fast in derselben Weise auf- geführt.^o Isis, von Schmerz überwältigt, suchte unter den trostlosen Klagen der Priester imd der Gläu- bigen den göttlichen Leib des Osiris, dessen Glie-i der von Typhon zerstreut waren. Wenn dann aber der Leichnam wiedergefunden, wiederhergestellt und wiederbelebt war, so folgte ein langer Freudenrausch, ein unaufhörliches Jubilieren, von dem die Tempel und die Straßen widerhallten — bis zum Überdruß der Passanten. Die Teilnahme an dieser Verzweiflung und diesem Enthusiasmus wirkte stark auf das Gemüt der Gläu- bigen, gerade wie das Frühlingsfest der phrygischen Religion und durch dieselben Mittel. Aber obendrein verband sich damit ein esoterischer Sinn, den nur eine Schar von auserlesenen Frommen kannte. Neben den öffentlichen Zeremonien gab es einen Geheimkult, zu dem man nur nach einer stufenweisen Initiation zuge- lassen wurde. Dreimal muß der Held des Apuleius sich dieser Prüfung unterziehen, um die volle Offen- barimg zu empfangen. Schon in Ägypten wurden ge- wisse Riten und Interpretationen vom Klerus nur gegen das Versprechen mitgeteilt, nichts davon zu verraten; es war dies gerade bei dem Kultus der Isis zu Abydos und anderswo der Fall.^^ Als die Ptolemäer das grie- chische Ritual ihrer neuen Religion bestimmten, erhielt diese die Gestalt der in der hellenischen Welt verbrei- teten Mysterien, wobei besonders die Eleusinischen als Vorbild dienten. Hier macht sich die Vermittlung des Eumolpiden Timotheos bemerklich.s^ Aber wenn so das Zeremoniell der Weihen und die Aufführung des liturgischen Dramas selbst den reli- 1 1 6 Ägypten giösen Gepflogenheiten der Griechen angepaßt wur- den: der lehrhafte Inhält der alexandrinischen Myste- rien blieb rein ägyptisch. Den alten Glaubensvorstel- lungen gemäß meinte man stets, die Unsterblichkeit durch eine Identifikation des Toten mit Osiris oder Serapis zu erlangen. Vielleicht bewahrheitet sich bei keinem Volke so vollkommen wie bei den Ägyptern das Wort von Fustel de Coulanges : „Z,ff mort fut te premier mystere, il mit Vhomme sur la vole des autres mystere s/^^^ Nir- gends war das Leben so sehr der Vorbereitung auf das Jenseits gewidmet; nirgends wendete man eine so mi- nutiöse und komplizierte Fürsorge auf, um den Verstor- benen ein neues Dasein zu sichern und zu erhalten. Die funeräre Literatur, deren Denkmäler in unermeßlicher Zahl auf uns gekommen sind, hatte eine alles Ähnliche übertreffende Entwicklung erfahren, und die Architek- tur keines anderen Volkes hat solche Gräber aufzuwei- sen wie die Pyramiden oder die Felsengrüfte von The- ben. Dieses beständige Bestreben, den Seinigen wie sich selbst ein Leben nach dem Tode zu sichern, offen- barte sich in verschiedenen Formen, aber es ver- körperte sich endgültig im Kult des Osiris. Das Schicksal des Osiris, des gestorbenen und wieder- erwachten Gottes, wurde schließlich typisch für das eines jeden Menschen, welcher die Totenbräuche beob- achtete. „So wahr Osiris lebt,," sagt ein ägyptischer Text, „wird er auch leben; so wahr Osiris nicht tot ist, wird er auch nicht sterben; so wahr Osiris nicht vernichtet ist, wird er auch nicht vernichtet werden." ^^ Der Verstorbene wird also, wenn er Osiris - Serapis fromm gedient hat, diesem assimiliert und nimmt an Die Unsterblichkeitslehre j 1 7 seiner Ewigkeit in dem unterirdischen Reiche teil, wo der unvermeidliche Richter thront. Er lebt nicht als schwacher Schatten oder als zarter Hauch fort, son- dern im Vollbesitze seines Leibes wie seiner Seele. So lautete die ägyptische Lehre und so jedenfalls auch die der Mysterien, welche in der griechisch - lateinischen Welt gefeiert wurden. ^s Durch die Initiation wurde der Myste zu einem über- menschlichen Leben wiedergeboren und den Unsterb- lichen gleich.86 In seiner Ekstase glaubte er die Schwelle des Todes zu überschreiten und die Götter der Unterwelt und des Himmels von Angesicht zu An- gesicht zu schauen. 87 Nach seinem Tode werden Isis und Serapis, wenn er die Vorschriften genau erfüllte, welche sie ihm durch den Mund ihrer Priester gaben, sein Leben über die ihm vom Schicksal bestimmte Dauer verlängern, und er wird in ihrem unterirdischen Reiche ewig an ihrer Seligkeit teilnehmen und ihnen seine Huldigungen darbringen können.^^ Die „unaus- sprechliche Wonne", die er bei der Betrachtung der heiligen Bilder im Tempel empfindet ^^^ wird sich in unvergängliche Freude wandeln, wenn er an Stelle des Bildes die Gottheit selbst schauen, und seine dürstende Seele, eng mit ihr verbunden, sich an dieser unaus- sprechlichen Schönheit laben darf.^o Als die alexandrinischen Mysterien sich während der Republik in Italien verbreiteten, hatte noch keine Re- ligion den Menschen eine gleich bestimmte Verheißung seliger Unsterblichkeit gebracht, und dieser Umstand namentlich gab ihr eine unwiderstehliche Anziehungs- kraft. An Stelle der schwankenden und widerspruchs- vollen Meinungen der Philosophen über das Schicksal der Seele bot Serapis eine Gewißheit, die auf gött- 1 1 8 Ägypten lieber Offenbarung berubte und durcb den Glauben un- zähliger Generationen, die sich zu ihr bekannt hatten, gestärkt war. Was die Orphiker hinter dem Schleier der Legenden dunkel geahnt und Großgriechenland verkündigt hatten ^i, nämlich, daß dieses Erdenleben eine Prüfung sei, die auf ein anderes, höheres und rei- neres Dasein vorbereiten solle, daß die Seligkeit irn Jen- seits durch Riten und Bräuche verbürgt werden könne, die von den Göttern selbst offenbart seien, das alles wurde jetzt mit einer bis dahin unerhörten Bestimmtheit und Klarheit gepredigt. Vor allem durch diese escha- tologischen Lehren hat Ägypten die lateinische Welt und besonders die elenden Massen gewonnen, welche den Druck all der Ungerechtigkeiten der römischen Gesellschaft schmerzlich empfanden. Der Einfluß, die Popularität dieser Vorstellungen über das zukünftige Leben ist noch im Sprachgebrauch der Gegenwart zu spüren, und zum Abschluß dieser Studie, in der ich auf alles malerische Detail geflissent- lich verzichten mußte, möchte ich zeigen, wie in einem französischen Wort die Erinnerung an die alten ägyp- tischen Ideen noch leise nachklingt. In der kalten Nacht ihrer langen Winter haben die alten Skandinavier von einer Walhalla geträumt, wo in wohl verwahrten und hellerleuchteten Sälen die dahin- geschiedenen Recken sich an demberauschenden Tranke erwärmten, den ihnen die Walküren reichten; unter dem heißen Himmel Ägyptens, am Rande der dürren Sandwüste, wo der Wanderer von glühendem Durste gequält wird, wünscht man dem Toten für seine Reisen im Jenseits, daß er eine klare ■ Quelle fände, um die Das refrigerium 1 1 o Glut zu löschen, die ihn peinigt, und daß er durch den Hauch des Nordwindes erfrischt werden möchte.^^ Selbst in Rom schreiben die Anhänger der alexan- drinischen Götter auf ihre Gräber oft den Wunsch: „Osiris gebe dir kühles Wasser!" ^^ Dieses Wasser wurde bald figürlich zum Quell des Lebens, der den dürstenden Seelen die Unsterblichkeit spendete. Die Metapher kam so sehr in Aufnahme, daß das latei- nische refrigerium schließlich dasselbe bedeutete wie Erquickung und Seligkeit. In diesem Sinne ging der Ausdruck dann in die Liturgie der Kirche über ^*, und das ist der Grund, warum man noch heute, obwohl das christliche Paradies den Aalugefilden kaum ähnlich ist, fortfährt für das geistliche „rafraichissement" der Dahingeschiedenen zu beten. V. SYRIEN Die syrischen Kulte sind im Abendlande niemals in derselben Geschlossenheit aufgetreten wie die ägyp- tischen oder die kleinasiatischen. Von der phönikischen Küste und aus den Tälern des Libanon, von der Euphratgrenze und den Oasen der Wüste kamen sie zu verschiedenen Zeiten dorthin, wie die nacheinander heranrollenden Wogen einer steigenden Flut, und leb- ten in der römischen Welt fort, ohne sich, trotz ihrer Ähnlichkeit, miteinander zu vermischen. Die Isolierung, in der sie verharren, das hartnäckige Festhalten ihrer Anhänger an ihren besonderen Riten ist eine Folge und gleichsam ein Abbild der Zerstückelung Syriens selbst, wo die einzelnen Stämme und Gaue schärfer als irgendwo sonst geschieden blieben, auch dann, als" sie unter römischer Herrschaft vereinigt waren. Mit zäher Kraft bewahrten sie ihre Lokalgottheiten wie ihre semitischen Dialekte. Es würde nicht möglich sein, jeden einzelnen dieser Kulte hier in seiner Besonderheit und seinem indi- viduellen Gepräge zu charakterisieren und seine Ge- schichte zu rekonstruieren — die Unvollständigkeit der Berichte würde es nicht zulassen — aber wir können wenigstens in großen Zügen die Wege angeben, auf denen sie nach und nach' in die Länder des Okzidents eingewandert sind, und den Versuch machen, ihre ge- Die syrische Göttin 1 2 i meinsamen Eigenschaften zu bestimmen, indem wir uns zu zeigen bemühen, was das syrische Heidentum den Römern Neues gebracht hat. Die erste semitische Gottheit, die in Italien auf- tauchte, war Atargatis — oft mit der phönikischen Astarte verwechselt — , die einen berühmten Tempel in Bambyke oder Hierapolis unweit des Euphrat besaß und, abgesehen von der heiligen Stadt, mit ihrem Ge- mahl Hadad in einem großen Teile von Syrien verehrt wurde. Auch die Griechen betrachteten sie als die sy- rische Göttin (Zupia öed) schlechthin, und in den la- teinischen Ländern war sie gewöhnlich unter dem Na- men dea Syria bekannt, der im Volksmunde schließlich zu lasara verdorben wurde. Man wird sich der wenig erbaulichen Schilderungen erinnern, welche Lucian und Apuleius^ uns von ihren wandernden Priestern hinterlassen haben. Unter der Leitung eines alten Eunuchen von zweifelhaftem Cha- rakter zieht ein Trupp geschminkter junger Leute auf der Landstraße einher, der auf einem Esel das aufge- putzte Bild der Göttin mit sich führt. Kommen sie durch ein Dorf oder an einem reichen Landhause vorüber, so geben sie sich alsbald ihren frommen Übungen hin. Zum gellenden Klang ihrer syrischen Flöten drehen und wenden sie sich krampfhaft mit zurückgebogenem Kopf, indem sie rauhe Schreie ausstoßen. Dann, wenn sie in Ekstase geraten und dadurch unempfindlich ge- worden sind, geißeln sie sich heftig; sie verwunden sich mit ihren Schwertern und verspritzen ihr Blut vor den Augen der ländlichen Menge, die sie im Kreise umsteht, und endlich veranstalten sie bei den staunen- den Zuschauern eine ergiebige Kollekte. In die Falten ihrer weiten Gewandung bergen sie Krüge mit Milch 122 Syrien und Wein, Käse und Mehl samt kupferner Scheide- münze und sogar einige Silberstücke. Gelegentlich- wis- sen sie auch ihren Profit durch geschickte Diebstähle zu mehren oder dadurch, daß sie zu mäßigem Preise Orakel für den Hausgebrauch verzapfen. Dieses pittoreske Bild, das aus einem Roman des Lucius von Patras stammt, ist ohne Zweifel sehr dun- kel gehalten. Es Ist kaum glaublich, daß die Priester- schaft der Göttin von Hierapolis nur ein Haufe von Charlatanen und Vagabunden gewesen sei. Aber wie sollen wir uns die Existenz dieses bettelnden und wan- dernden Clerus minor im Abendlande erklären? Es steht fest, daß die ersten Anbeter der syrischen Göttin in der lateinischen Welt Sklaven waren. Die Kriege gegen Antiochus den Großen hatten eine Masse von Gefangenen nach Italien geführt, die dem Her- kommen gemäß versteigert wurden; und mit dieser Tatsache hat man das erste Auftreten der Chaldael^ in Italien — d. h. der orientalischen Wahrsager, die sich auf die chaldäische Astrologie beriefen — in Ver- bindung gebracht. Diese Wahrsager fanden gläubige Anhänger unter dem ländlichen Gesinde, und der strenge Cato macht es dem guten Hausvater zur Pflicht, sie hinauszuweisen.3 Seit dem zweiten Jahrhundert v. Chr. vollzog sich der Import syrischer Sklaven gleichmäßig durch den Han- del. Delos war damals der große Stapelplatz dieser Menschenware, und gerade auf dieser Insel wurde Atar- gatis mit ihrem Gemahl Hadad von athenischen und römischen Bürgern verehrt.* Der Sklavenhandel ver- breitete ihren Kultus im Okzident.^ Wir wissen, daß der große Sklavenaufstand, der im Jahre 134 v. Chr. Sizilien verheerte, von einem Sklaven aus Apameia, Die syrischen Sklaven ' i - i einem Diener der syrischen Göttin,, entfacht wurde. Heilige Raserei heuchelnd rief er seine Genossen zu den Waffen, als habe er den Befehl dazu vom Himmel erhalten. 6 Diese Einzelheit, die uns zufällig bekannt geworden ist, beweist, wie stark damals das semitische Element in der Masse der landwirtschaftlichen Arbeiter vertreten war, und welches Ansehen Atargatis in sol- cher Umgebung genoß. Zu arm, um ihrer nationalen Göttin Tempel errichten zu können, warteten diese Leute mit der Darbietung ihrer Huldigungen, bis eine Schar umherziehender Galli die entlegene Siedelung passierte, nach der der Zufall des Meistgebotes sie ver- schlagen hatte. Die Existenz dieser wandernden Prie- ster hing also von der großen Zahl ihrer Volksgenossen ab, die sie überall auf dem Lande antrafen, und welche sie am Leben erhielten, indem sie ihnen einen Teil ihres kargen Lohnes opferten. Gegen das Ende der Republik scheint die Beach- tung, welche man den Dienern der syrischen Göttin in Rom schenkte, bereits ernsthaft genug gewesen zu sein. Eine syrische Wahrsagerin bezeichnete Marius die Op- fer, welche er darbringen sollte.''' Unter den Kaisern wurde die Einfuhr von syrischen Sklaven noch beträchtlicher. Das entvölkerte Italien bedurfte mehr und mehr fremder Arbeitskräfte, und Syrien stellte ein beträchtliches Kontingent zu der ver- stärkten Einwanderung von landwirtschaftlichen Arbei- tern. Aber diese Syrer, die ebenso lebhaft und intelli- gent als kräftig und arbeitsam sind, übernehmen auch sehr viele andere Verrichtungen. Sie besorgen die un- zähligen häuslichen Geschäfte in den Villen der Ari- stokratie und wurden von dieser ganz besonders als Sänftenträger geschätzt.^ Die kaiserliche Verwaltung 124 Syrien wie die der Munizipalstädte, die großen Unternehmer, welche die Erträge der Zölle und der Bergwerke ge- pachtet haben, mieten oder kaufen sie in Menge, und bis in die entlegensten Grenzprovinzen hinein findet man den Syrus im Dienst des Fürsten, der Städte oder der Privatleute. Der Kult der syrischen Göttin zog er- heblichen Gewinn aus diesem wirtschaftlichen Vorgang, der ihm unaufhörlich neue Gläubige zuführte. Sie wird im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung in einer römischen Inschrift erwähnt, die sich speziell auf den Sklavenmarkt bezieht, und wir wissen, daß Nero eine besondere Vorliebe für diese Ausländerin zeigte, die er jedoch bald wieder auf gab. ^ In dem vorwiegend von kleinen Leuten bewohnten Stadtviertel Trastevere be- saß sie seit derselben Zeit einen Tempel, der, zweimal erneuert, bis zum Untergange des Heidentums be- stand.io Doch sind in der Kaiserzeit die Sklaven nicht mehr die einzigen Missionare, die aus Syrien kommen, und Atargatis ist nicht mehr die einzige Gottheit dieses Landes, die im Okzident angebetet wird. Die Ausbrei- tung der semitischen Kulte erfolgte in der Hauptsache auf andere Weise. Im Beginn unserer Ära sah man, wie die syrischen Kaufleute, die Syrl negotiatores, eine förmliche Koloni- sierung der lateinischenProvinzen unternahmen. ^1 Schon im zweiten Jahrhundert v. Chr. hatten syrische Händler an der kleinasiatischen Küste, im Piräus und im Archi- pel Kontore angelegt. Auf der Insel Delos, die sich trotz ihrer Kleinheit zu einem großen Handelsplatze entwickelt hatte, gab es Genossenschaften von Kauf- leuten, die ihre nationalen Götter anbeteten, besonders Fladad und Atargatis. Aber die Kriege, welche am Die syrischen Kaufleute 125 Ausgange der Republik den Osten heimsuchten, und vor allem die Überhandnähme des Piratenunwesens rui- nierten den Seehandel und hemmten die Auswande- rungsbewegung. Diese nahm jedoch einen neuen Auf- schwung, als die Gründung des Kaiserreichs die Sicher- heit auf dem Meere wiederhergestellt hatte, und der Handelsverkehr mit der Levante sich zu ungeahnter Blüte entwickelte. Man kann die Geschichte der sy- rischen Niederlassungen in den lateinischen Provinzen vom ersten bis zum achten Jahrhundert verfolgen und beginnt seit einiger Zeit ihre wirtschaftliche, soziale und religiöse Bedeutung ihrem wirklichen Umfange entsprechend einzuschätzen. Das Handelstalent der Syrer war s'prichwörtlich. Rüh- rig, geschmeidig, geschickt, oft wenig bedenklich, ver- standen sie überall erst kleine, dann größere Geschäfte zu machen. Die besonderen Anlagen ihrer Rasse vor- teilhaft verwertend, brachten sie es fertig, sich' an allen Küsten des Mittelmeers bis nach' Spanien einzunisten ^^ : eine Inschrift aus Malaga gedenkt einer von ihnen be- gründeten Körperschaft. Die Häfen Italiens, in denen der Handel besonders lebhaft war, Puteoli, Ostia, später Neapel, lockten sie in Massen herbei. Aber sie be- schränkten sich nicht auf das Küstengebiet, sondern drangen auch weiter in das Innere der Länder ein, so- fern sie dort auf vorteilhafte Geschäfte rechnen konn- ten. Sie folgten den Handelsstraßen und wanderten an den großen Flüssen hinauf. Sie drangen der Donau entlang bis nach Pannonien und im Rhonetal bis nach Lyon vor. In Gallien war diese Bevölkerung besonders dicht: in diesem aufblühenden Lande, das soeben erst dem Handel erschlossen war, konnte man sich schnell be- reichern. Eine im Libanon entdeckte Verordnung wendet 126 Syrien sich an die Seeleute von Arles, die mit dem Transport des Getreides beauftragt waren, und im Ain-Departe- ment hat man das zweisprachige Epitaph eines Kauf- manns aus dem dritten Jahrhundert gefunden, der Thaim oder Julian, der Sohn Saads hieß, Decurio der Stadt Kanatha in Syrien war und zwei Faktoreien im Rhonebecken besaß, wohin er die Waren aus Aqui- tanien kommen ließ.i^ Die Syrer verbreiteten sich so durch die ganze Provinz bis nach Trier, wo ihre Nation einflußreich war. Selbst die Invasionen der Barbaren im fünften Jahrhundert hielten ihre Einwanderung nicht auf. St. Hieronymus zeigt sie uns, wie sie mitten in den Stürmen der Völkerwanderung die römische Welt durcheilen, dem erhofften Gewinn zuliebe allen Ge- fahren trotzend. In der barbarischen Gesellschaft, die nun an die Stelle der römischen trat, wuchs der Einfluß dieses gebildeten und städtischen Elements noch mehr. Unter den Merowingern, um 591, waren sie in Paris mächtig genug, um die Wahl eines der Ihrigen zum Bischof durchzusetzen und sich aller kirchlichen Ämter zu bemächtigen. Gregor von Tours erzählt, daß man bei dem Einzüge des Königs Gontrand in Orleans im Jahre 585 die Menge sein Lob „in der Sprache der Lateiner, der Juden und der Syrer" singen hörte.i^ Und diese Kolonien von Kaufleuten verschwanden erst, als die sarazenischen Korsaren den Mittelmeerhandel zer- stört hatten. Diese Niederlassungen übten eine tiefgreifende Wir- kung auf das wirtschaftliche und materielle Leben der lateinischen Provinzen und besonders Galliens aus : als Bankiers konzentrierten die Syrer in ihren Händen einen großen Teil des Geldverkehrs und monopolisierten die Einfuhr der kostbaren Waren der Levante wie die der Die syrischen Kaufleute 127 Luxusartikel; sie verkauften Weine, Spezereien, Glas- waren, Seidenstoffe und Purpurgewänder, und eben- so Gegenstände der Goldschmiedekunst, welche den ein- heimischen Handwerkern als Vorlagen dienten. Ihr sitt- licher und religiöser Einfluß war nicht minder erheb- lich: so hat man nachgewiesen, wie sie in christlicher Zeit die Entwicklung des Mönchtums begünstigten, und wie die Verehrung des Kruzifixes, die im Gegensatz zu den Monophysiten erwuchs, von ihnen im Abend- lande eingeführt wurde; während der fünf ersten Jahr- hunderte empfanden die Christen eine unüberwindliche Abneigung dagegen, sich den Heiland der Welt an ein Marterwerkzeug genagelt vorzustellen, das schimpf- licher war als unsere Guillotine. Einen verschwomme- nen Symbolismus ersetzten die Syrer zuerst durch die Wirklichkeit in ihrer ganzen ergreifenden Gewalt.i^ Zu heidnischer Zeit war die Rolle, welche diese ein- gewanderte Bevölkerung in religiöser Hinsicht spielte, nicht weniger bemerkenswert. Diese Kaufleute befaß- ten sich immer mit den Geschäften des Himmels wie mit denen der Erde. Zu allen Zeiten war Syrien die Heimat einer glühenden Frömmigkeit, und seine Kin- der wandten im ersten Jahrhundert ebensoviel Eifer daran, im Abendlande den Kultus ihrer barbarischen Götter einzubürgern, als nach ihrer Bekehrung das Christentum bis nach Turkestan und China hinein zu verbreiten. Auf den Inseln des Archipels während der alexandrinischen Periode wie in den lateinischen Pro- vinzen unter den Cäsaren beeilten sich die Kaufleute gleichzeitig mit ihren Kontoren Kapellen zu gründen, in denen sie ihre exotischen Riten ausübten. Die Gottheiten der phönikischen Küste gelangten leicht über die Meere: man sah Adonis landen, den 12 8 Syrien die Frauen von Byblos beweinten; Balmarcodes, „den Herrn der Reigen", der aus Berytus gekommen war; Marnas, den Gebieter der Regengüsse, der in Gaza angebetet wurde, und man feierte im Frühling am Strande von Ostia, wie im Orient, das Schifferfest Maiumas.16 Neben diesen halbgräzis^ierten Kulten kamen andere reiner semitische aus dem Inneren des Landes, denn die Kaufleute stammten oft aus den Städten des Hinter- landes, wie aus Apameia oder Epiphania in Coelesyrien, oder selbst aus Dörfern des platten Landes. Der Strom der Auswanderung schwoll noch stärker an, als Rom seiner Herrschaft die kleinen Königreiche unterwarf, welche jenseits des Libanons und des Orontes eine frag- würdige Unabhängigkeit sich bewahrten. Im Jahre 7 1 wurde Kommagene, das sich zwischen dem Taurus und dem Euphrat ausdehnt, von Vespasian annektiert; ein wenig später wurden die Dynastien von Chalcis und Emesa in gleicher Weise ihrer Herrschaft .beraubt. Nero hatte anscheinend bereits Besitz von Damaskus ergriffen; ein halbes Jahrhundert später gründete Tra- jan im Süden die neue Provinz Arabien (106 n.Chr.), und die Oase von Palmyra, ein bedeutender Handels- platz, verlor gleichfalls ihre Autonomie. Rom dehnte so seine unmittelbare Herrschaft bis zur Wüste über Länder aus, die nur oberflächlich hellenisiert waren, und in denen die einheimischen Kulte ihre ganze wilde Glut bewahrt hatten. Ein reger Verkehr entspann sich seitdem zwischen diesen bis dahin wenig zugänglichen Gegenden und Italien. Der Verkehr entwickelte sich dort mit der Anlage von Straßen, und neben den Handelsinteressen erzeugten die Bedürfnisse der Ver- waltung einen unaufhörlichen Austausch von Menschen, Die syrischen Kauf leute I 2 Q Waren und Glaubensgedanken zwischen diesen fernen Ländern und den lateinischen Provinzen. Unter diesen Umständen hatten die erwähnten An- nexionen auch ein neues Zuströmen von syrischen Gott- heiten in Italien zur Folge. So hatte in Puteoli, wo die Hauptlinien der Levanteschiffahrt endeten^ der Baal von Damaskus {Jupiter Damascenas) im zweiten Jahrhun- dert einen Tempel;, der von angesehenen Bürgern ver- sorgt wurde, und dem aus Innerarabien stammenden Dusares wurden Altäre errichtet und zwei goldene Ka- mele geopfert.i^ Sie konnten dort einer schon viel früher verehrten Gottheit Gesellschaft leisten, dem Hadad von Baalbek-Heliopolis ilapiter Hello poUtanus), dessen rie- siger, von Antoninus Pius restaurierter Tempel für eins der Weltwunder galt^^ und sich noch heute angesichts des Libanons in seiner majestätischen Eleganz erhebt. Heliopolis war neben Berytus die älteste in Syrien unter Augustus begründete Kolonie gewesen; ihr Gott nahm an der privilegierten Stellung teil, welche man den Ein- wohnern dieser beiden Städte eingeräumt hatte, in denen er die gleiche Verehrung genoß ^9, und wurde leichter als die anderen auf römischem Boden heimisch. '. E)ie Eroberung ganz Syriens bis zum Euphrat und die Unterwerfung selbst eines Teils von Mesopotamien förderte noch auf andere Weise die Verbreitung der syrischen Kulte. Die Cäsaren holten aus diesen von kriegerischen Völkerschaften bewohnten Gegenden die Rekruten für die kaiserliche Armee. Sie hoben dort eine große Anzahl von Legionssoldaten und vor allem von Hilfstruppen aus, die nach allen Grenzgebieten trans- portiert wurden. Kavalleristen und Inf anteristen, die aus diesen Provinzen stammten, bildeten namhafte Kon- tingente in den Garnisonen Europas und Afrikas. So Cumont, Die orientaL Religioneu Q 130 Syrien wird eine berittene Kohorte von tausend Bogenschützen aus Emesa in Pannonien stationiert, eine andere von damaszenischen Bogenschützen in Obergermanien; Mau- retanien erhält Irreguläre aus Palmyra, und Korps, die in Ituräa, am Rande der ägyptischen Wüste, ausge- hoben sind, liegen gleichzeitig in Dazien, Germanien, Ägypten und Kappadozien. Kommagene allein stellt nicht weniger als sechs Kohorten zu fünftausend Mann, die an die Donau und nach Numidien gesandt werden.^" Die Zahl der von Soldaten herrührenden Weih- inschriften bezeugt sowohl die Lebendigkeit ihres Glau- bens als die Verschiedenheit ihrer bezüglichen Vor- stellungen, Gleich den heutigen Seeleuten in fremde Breiten verschlagen und beständigen Gefahren ausge- setzt, neigten sie dazu, unaufhörlich den Schutz des Himmels anzurufen und blieben den Göttern treu, die sie in ihrem Exil an die ferne Heimat erinnerten. So ist es nicht zu verwundern, daß die in die Armee ein- gereihten Syrer in der Nähe ihrer Lager den Kultus ihrer Baale pflegten. Eine Inschrift in Versen zu Ehren der Göttin von Hierapolis ist im Norden Englands bei dem Valium Hadrianl aufgefunden; sie hat einen Prä- fekten zum Verfasser, der vermutlich eine Kohorte Hamii kommandierte, welche auf diesem vorgeschobe- nen Posten stationiert war. 21 Nicht alle Soldaten verstärkten, wie dieser Offizier, die Reihen der Gläubigen, welche solche Gottheiten verehrten, die seit langer Zeit von der lateinischen Welt adoptiert waren. Sie haben auch neue mitgebracht, die aus noch weiterer Ferne stammten als ihre Vorgänge- rinnen, selbst von den Grenzen der Barbarenwelt, denn hier vor allem waren kriegstüchtige Rekruten zu fin- den. Zu diesen wird z.B. Baltis gehören, eine „Notre Die syrischen Soldaten i 2 i Dame" aus Osrhoene jenseits des Euphrat^s^ ferner Äziz, der „starke Gott" von Edessa^ der mit dem Stern Lüzifer identifiziert wurde 23^ Malakbel, der „Bote des Herrtl", der Patron der Palmyrener, welcher mit ver- schiedenen Begleitern in Rom, in Numidien und Dazien erscheint.2^ Der berühmteste jener Götter ist in dieser Epoche der Jupiter von Doliche, einer kleinen Stadt Kommagenes, die ihm ihren Ruhm schuldete. Dank den aus dieser Gegend stammenden Truppen fand der un- bekannte Baal, dessen Namen kein einziger Schrift- steller erwähnt, Anbeter in allen römischen Provinzen bis nach Afrika, Germanien und Britannien hinein. Die Anzahl der aufgefundenen Weihinschriften, die sich auf ihn beziehen, beträgt über hundert und wächst von Tag zu Tag. Ursprünglich ein Blitzgott, der mit einer geschwungenen Axt dargestellt wurde, avancierte die- ser lokale Gewitterdämon zum Schutzpatron der kaiser- lichen Heere.2ö Die Ausbreitung der semitischen Kulte in Italien, die unmerklich im Zeitalter der Republik begann, vollzog sich namentlich vom ersten Jahrhundert n. Chr. an. Rasch wuchs ihr Anhang und ihre Zahl, und im dritten Jahrhundert erreichten sie den Gipfel ihrer Macht. Ihr Einfluß wurde fast vorherrschend, als die Severer den Thron bestiegen, und der kaiserliche Hof ein halb syri- sches Gepräge erhielt. Die Beamten aller Rangstufen, die Senatoren und die Offiziere wetteiferten in der Ver- ehrung der Götter, welche die Protektoren ihrer Sou- veräne waren und von diesen selbst protegiert wurden. Intelligente und ehrgeizige Fürstinnen, Julia Domna, Maesa, Mammaea, Sohaemias, verwandten ihren bedeu- tenden Einfluß zur Förderung ihrer nationalen Religion. Bekannt ist das kühne Pronunziamento, das im Jahre 218 9* 132 Syrien einen vierzehnjährigen Knaben, einen Diener des Baal von Emesa, den Kaiser Heliogabal, auf den Thron er- hob. Er suchte seinem bis dahin fast unbekannten bar- barischen Gott die Oberhoheit über alle anderen zii ver- schaffen. Die alten Schriftsteller erzählen mit Ent- rüstung, wie dieser gekrönte Priester seinen schwarzen Stein, ein plumpes, aus Emesa herbeigeholtes Idol, zur herrschenden Gottheit des Reiches erheben wollte, in- dem er ihm das ganze alte Pantheon unterordnete; sie wissen nicht genug empörende Einzelheiten über die Zügellosigkeit der Ausschweifungen zu berichten, denen die Feste des neuen Sol invlctus Elagabal zum Vor- wande dienten.26 Allerdings kann man fragen, ob die römischen Historiker, dem Fremdling überaus feindlich gesinnt, der durchaus die Bräuche seines Vaterlandes zur Herrschaft bringen wollte, nicht die wirklichen Tat- sachen teilweise entstellt oder verkannt haben. Der Ver- such Heliogabals, die Anerkennung seines Gottes als des höchsten Gottes durchzusetzen und im Himmel eine Art Monotheismus zu etablieren, wie auf Erden die Monarchie herrschte, war ohne Zweifel zu gewaltsam, ungeschickt und verfrüht, aber er entsprach dem Geiste der Zeit, und man muß sich daran erinnern, daß nicht nur in Rom, sondern im ganzen Reiche einflußreiche syrische Kolonien der kaiserlichen Politik zur Stütze dienen konnten. Ein halbes Jahrhundert später verfolgte Aurelian den- selben Gedanken, indem er einen neuen Kultus der „unbesiegbaren Sonne" schuf. In einem glänzenden Tempel von Pontifices angebetet, die den alten römi- schen Pontifices gleichstanden, alle vier Jahre mit prächtigen Spielen gefeiert, war Sol invlctus ebenfalls zur höchsten Stufe der göttlichen Hierarchie empor- Heliogabal und Aurelian ' i?^ gestiegen und wurde der besondere Schirmherr der Kaiser und des Reiches. Das Land, in welchem Aurelian das Vorbild fand, das er nachzuahmen versuchte, war wiederum Syrien: in das neue Heiligtum ließ er die Bilder des Bei und des Helios stellen, die er aus Palmyra geraubt hatte, nachdem dieses seinen Waffen erlegen war.27 So beabsichtigten die Herrscher zweimal den lupiter Capitolinus durch einen semitischen Gott zu ersetzen und einen semitischen Kult zum Haupt- und Staatskult der Römer zu erheben. Sie proklamierten die Abschaf- fung der alten lateinischen Religion zugunsten einer anderen, die aus Syrien entlehnt war. Inwiefern er- schien der Glaube dieses Landes dem eigenen über- legen? Warum erblickte selbst ein illyrischer Feldherr wie Aurelian in ihm den vollkommensten Typus der heidnischen Religion ? Diese Frage drängt sich uns auf, und wir können sie nur lösen, wenn wir uns genauere Rechenschaft darüber geben, welche Entwicklimg die Glaubensvorstellungen der Syrer unter den Cäsaren durchlaufen hatten. Es handelt sich hier allerdings um ein noch ziemlich undurchsichtiges Problem. Abgesehen von dem recht oberflächlichen Werkchen Lucians über die dea Syria finden wir kaum glaubwürdige Berichte bei den grie- chischen oder lateinischen Autoren. Die Schrift Philos von Byblos, die euhemeristische Erklärung einer an- geblich phönikischen Kosmogonie, ist eine Kompilation von sehr geringem Werte. Wir besitzen nicht mehr die ursprünglichen Sammlungen der semitischen Liturgien, wie dies auf dem Gebiete der ägyptischen Religion der 134 Syrien Fall ist. Was wir in Erfahrung gebracht haben, ver- danken wir in erster Linie den Inschriften; und wenn diese wertvolle Angaben über die zeitliche und räum- liche Ausdehnung der in Rede stehenden Kulte liefern, so schweigen sie anderseits fast vollkommen über ihre Lehren. Das nötige Licht ist hier von Ausgrabungen in den großen Heiligtümern Syriens zu erhoffen, und auch von einer genaueren Deutung der figürlichen Mo- numente, die wir jetzt schon in hinreichender Anzahl besitzen, namentlich der des Jupiter Dolichenus. Indessen sind bereits gewisse Grundzüge des semi- tischen Heidentums zu erkennen; und wenn man sich bei seinem Urteil an die Merkmale hält, die dem for- schenden Blick zuerst entgegentreten, . so kann dieses allerdings nur ungünstig lauten. Die semitische Religion trägt einen Rest von sehr primitiven Ideen, von urwüchsigem Naturalismus in ihrem Schöße, der sich lange Jahrhunderte hindurch erhalten hat und teilweise noch unter der Herrschaft des Christentums und des Islams bis auf unsere Tage fortleben sollte ^s — den Kult der Höhen, auf denen bisweilen eine kunstlose Einfriedigung die Grenze des heiligen Gebietes bezeichnet — den Kult der Wasser, der dem Meere gilt wie den Bächen, die von den Bergen herabrauschen, den Quellen, die aus der Erde hervor- sprudeln, den Teichen, den Seen und den Brunnen, in die man ebenfalls Opfergaben wirft; sei es nun, daß man in ihnen den Trank verehrt, der den Dürstenden erquickt und belebt, oder mehr noch das Naß, das die Erde befruchtet — den Kult der Bäume, welche die Altäre beschatten, und die niemand abhauen oder ver- stümmeln darf — den Kult der Steine und namentlich der rohen Blöcke, die als ,,Bätyle" bezeichnet und, wie Naturalistische Überlebsel 135 der Name [beth-El] besagt, als Wohnung des Gottes betrachtet werden oder, besser ausgedrückt, als die Ma terie, in der das Göttliche sich verkörpert. 29 So wurde Aphrodite Astarte in Gestalt eines kegelförmigen Steines in Paphos angebetet; ein schwarzer Meteorit, mit Vor- sprüngen und Vertiefungen bedeckt, denen man sym- bolische Bedeutung beilegte, stellte Elagabal dar und wurde, wie bereits erwähnt, von Emesa nach Rom ge- schafft. Neben diesen materiellen Objekten empfingen die Tiere ihren Tribut an Huldigungen. Bis zum Ende des Heidentums und noch darüber hinaus erhielten sich Überlebsel der altsemitischen Zoolatrie. Tii'^ Götter werden häufig auf Tieren dargestellt: so der Baal von Doliche auf einem Stier und seine Genossin auf einem Löwen. Manche Tempel waren von einem Park um- geben, in dem eine Anzahl wilder Tiere frei umher- lief ^o — eine Reminiszenz an die Zeit, in der sie als göttliche Wesen angebetet wurden. Zwei Tiere nament- lich genossen allgemeine Verehrung : Taube und Fisch. Zahllose Schwärme von Tauben begrüßten den Reisen- den, wenn er^in Askalon ans Land stieg ^i, und in den Vorhöfen aller Heiligtümer der Astarte sah man sie ihre weißen Schwingen regen ^2^ denn die Taube war gewissermaßen das besondere Eigentum der Göttin der Liebe, deren Symbol sie geblieben ist, und des Volkes, welches diese vorzugsweise verehrte. Quid referam ut volitet crebras intacta per urbes Alba Palaestino sancta columba Syro?^^ Der Fisch, der Atargatis heilig, die ohne Zweifei vor Zeiten selbst in dieser Gestalt dargestellt wurde, wie es mit Dagon noch immer geschah ^^^^ wurde in Teichen 136 Syrien nahe bei den Tempeln gehalten ss^ und abergläubische Furcht verwehrte es, ihn anzufassen, denn die Göttin bestrafte dieses Sakrileg mit Beulen und Geschwüren, die den Körper des Missetäters bedeckten.^^ Aber bei gewissen mystischen Mahlzeiten verzehrten die Priester und die Eingeweihten diese verbotene Nahrung:, in dem Glauben, daß sie so das Fleisch der Gottheit selbst genössen. Dieser Kult und diese Bräuche^ die in Syrien zu Hause waren^ haben wahrscheinlich in christlicher Zeit die Ichthys-Symbolik erzeugt.^'^ Aber über.dieser primitiven und urwüchsigen Schicht, die stellenweise noch zutage trat^ hatten sich minder rohe Vorstellungen gebildet. Neben materiellen Gegen- ständen und Tieren verehrte das syrische Heidentum auch imdvor allem persönliche Gottheiten. Mit nicht ge- ringem Scharfsinn hat man den Charakter der von den semitischen Stämmen ursprünglich verehrten Götter rekonstruiert.38 Jeder hat seinen Baal und seine Baalath, die ihn beschützen, und denen seine Glieder allein einen Kult widmen können. Der Name Baal „Herr" ist be- zeichnend für die Vorstellung, die man sich von einem solchen Gott macht. Er wird in erster Linie als der Gebieter seiner Gläubigen betrachtet, und sein Verhält- nis zu ihnen gleicht dem eines orientalischen Poten- taten zu seinen Untertanen ; sie sind seine Diener, oder, besser gesagt, seine Sklaven.^^ Der Baal ist gleichzeitig der „Herr" oder Eigentümer des Landes, in dem er wohnt und das er befruchtet, indem er die Quellen hervorspru- deln läßt. Oder sein Herrschaftsgebiet ist auch wohl das Firmament; er ist der dominas caeli, der die obereti Wasser im Toben des Gewittersturms herabrauschen läßt. Stets vereint man ihn mit einer himmlischen oder irdischen „Königin", und er ist daher drittens der Die Baale — Heilige Prostitution 137 „Herr" oder der Gemahl der „Herrin", die ihm zu- gesellt wird. Der eine repräsentiert das männliche,, die andere das weibliche Prinzip; sie sind die Urheber jeg- licher Fruchtbarkeit, und der Kultus dieses göttlichen Paares nimmt daher oft einen sinnlichen und wollüsti- gen Charakter an. In der Tat stellte sich die Schamlosigkeit nirgends so rückhaltlos zur Schau wie in den Tempeln der Astarte, deren Dienerinnen die Göttin mit unermüd- licher Inbrunst verehrten. Die heilige Prostitution ist in keinem Lande so entwickelt gewesen wie in Syrien, und man findet sie im Okzident eigentlich nur dort, wo die Phönikier sie eingeführt haben, wie auf dem Berge Eryx. Diese Ausschweifungen, die man bis zum Ende des Heidentums fortsetzte *o, sind wahrscheinlich aus der ursprünglichen Verfassung der semitischen Stämme zu erklären, und der religiöse Brauch wird anfänglich eine Art der Exogamie gewesen sein, welche das Weib dazu verpflichtete, sich zuerst einem Fremden hinzu- geben.^i Ferner, und das ist ein zweiter Mangel, hat keine Religion so lange die Menschenopfer beibehalten, in- dem man blutdürstigen Göttern zu Gefallen Kinder und Erwachsene tötete. Hadrian mochte diese mörderischen Opfer noch so sehr verbieten ^2. sie erhielten sich in gewissen Geheimriten und den Niederungen der Magie bis zum Sturz der Götzen und sogar noch länger. Sie entsprachen den Anschauungen einer Epoche, in der das Leben eines Gefangenen oder eines Sklaven nicht höher eingeschätzt wurde als das des Viehes. Diese heiligen Bräuche und viele andere, bei denen Lucian in seinem Büchlein über die Göttin von Hiera- polis mit Vorliebe verweilt, riefen demnach in den 138 Syrien Tempeln Syriens täglich die Sitten einer barbarischen Vergangenheit wieder ins Leben. Von all den früheren Vorstellungen, die nacheinander im Lande geherrscht hatten, war keine vollständig verschwunden. Wie in Ägypten bestanden hier Glaubensgedanken ganz ver- schiedenen Alters und ganz verschiedener Herkunft nebeneinander fort, ohne daß man es versucht oder fertig gebracht hätte, sie miteinander auszugleichen. Zoolatrie, Litholatrie, alle naturalistischen Kultarten überlebten hier das kulturlose Zeitalter, das sie ge- schaffen hatte. Die Götter waren mehr als anderswo Clanhäuptlinge geblieben ^^, weil die Stammverfassung sich hier lebendiger und schärfer ausgeprägt erhielt als in jeder anderen Gegend: noch in der Kaiserzeit stehen viele Gaue unter solcher Herrschaft und werden von „Ethnarchen" oder „Phylarchen" regiert.** Die Religion, welche der Gottheit das Leben der Männer und die Scham der Frauen opferte, war in vieler Hin- sicht auf dem Niveau ungeselliger und blutdürstiger Völkerschaften stehen geblieben. Ihre obszönen und grausamen Riten forderten den erbitterten Widerspruch des römischen Bewußtseins heraus, als Heliogabal sie mit seinem Baal von Emesa in Italien einzubürgern suchte. 1 Wie ist es denn zu verstehen, daß die syrischen Göt- ter trotzdem in das Abendland eingedrungen und sogar von den Cäsaren selbst angenommen sind ? Des Rätsels Lösung ist, daß das semitische Heidentum ebensowenig wie das ägyptische einzig und allein nach gewissen Bräuchen beurteilt werden darf, die uns empörend vor- kommen, weil sie in zivilisierter Umgebung die Bar- Menschenopfer — Religiöse Fortschritte i^g barei und die kindischen Einfälle einer unzivilisierten Horde fortpflanzen. Wie in Ägypten muß man hier unterscheiden zwischen der unendlich mannigfaltigen, in lokalen Gepflogenheiten verkörperten Volksfrömmig- keit und der Religion der Priester. Syrien besaß eine . Anzahl großier Heiligtümer, in denen ein gebildeter Klerus über die Natur der göttlichen Wesen und über delT Sinn der aus ferner Vorzeit überkommenen Tradi- tion meditierte und disputierte. Er bemühte sich un- ablässig — sein eigenes Interesse machte ihm das zur Pflicht — die heiligen Überlieferungen zu verbessern, ihren Geist zu modifizieren, wenn der Buchstabe sich nicht ändern ließ, damit sie den neuen Aspirationen einer weiter fortgeschrittenen Zeit entsprachen, und er hatte seine Mysterien und seine Eingeweihten, denen er eine Weisheit enthüllte, die den populären Vorstel- lungen der Masse überlegen war.^0 Man kann oft aus demselben Prinzip diametral ent- gegengesetzte Konsequenzen ableiten. So wurde die ur- alte Idee des tabu, welche die Häuser der Astarte in Freudenhäuser zu verwandeln schien, auch die Quelle eines strengen Sittengesetzes. Die semitischen Stämme wurden von der Furcht vor dem Tabu geplagt. Eine Menge von Dingen war unrein oder heilig, denn in der ursprünglichen Vorstellung waren diese beiden Begriffe noch nicht klar geschieden. Das Vermögen des Men- schen, die umgebende Natur seinen Bedürfnissen dienst- bar zu machen, war so begrenzt durch eine Fülle von Verboten, Einschränkungen und Bedingungen. Wer einen verbotenen Gegenstand berührte, war befleckt und verdorben; seine Gefährten hielten sich fern von ihm, und er durfte nicht mehr am Opfer teilnehmen. Um diesen Flecken zu tilgen, mußte er sich Waschun- 1 40 Syrien gen oder anderen Zeremonien unterziehen, die den Priestern bekannt waren. Die anfänglich rein materiell aufgefaßte Reinheit wird bald zu einer rituellen und endlich zu einer spirituellen. Das Leben wird in ein Netz von umständlichen Vorschriften gehüllt, und jede Verletzung desselben hat einen Nachteil zur Folge und fordert eine Sühne. Das Bestreben, sich stets im Zu- stande der Heiligkeit zu erhalten oder sie wiederzu- gewinnen, wenn man sie verloren hat, erstreckt sich über das ganze Dasein. Es ist den Semiten nicht aus- schließlich eigen, aber sie haben ihm einen einzig- artigen Wert beigelegt.*^ Und die Götter, welche jene Eigenschaft notwendigerweise in hervorragendem Maße besitzen, sind „heilige" (ajiGi) Wesen schlechthin.*'' So ist es in vielen Fällen gelungen, aus alten trieb- haften und absurden religiösen Vorstellungen ethische Prinzipien und dogmatische Formeln abzuleiten. Alle theologischen Lehren, die sich in Syrien ausbreiteten, modifizierten die antike Vorstellung, die man sich von den Baalen machte. Aber es ist bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse ungemein schwierig, das Konto der verschiedenen Einflüsse aufzustellen, die von den Eroberungszügen Alexanders bis zur römischen Herrschaft dazu beigetragen haben, das syrische Heiden- tum zu dem zu machen, was es unter den Cäsaren ge- worden war. Die Kultur des Seleucidenreiches ist we- nig bekannt, und wir können nicht ermitteln, welcher Umstand hier die Verschmelzung des griechischen Den- kens mit den Überlieferungen der Semiten herbeigeführt hat.^8 Die Religionen der Nachbarvölker haben eben- falls eine unleugbare Einwirkung ausgeübt. Phönikien und der Libanon blieben in kultureller Beziehung noch lange von Ägypten abhängig, nachdem sie das Joch Die Reinheit — Fremde Einflüsse 141 der Pharaonen abgeschüttelt hatten. Die Theogonie Philos von Byblos entlehnt diesem Lande Götter und Mythen, und Hadad wurde in Heliopolis „mehr nach ägyptischem als nach assyrischem Ritus" geehrt. *9 Der strenge Monotheismus der über das ganze Land zer- streuten Juden mußte sich gleichfalls als wirksames Ferment bei der Umwandlung bemerklich machen.^° Die geistige Führung aber behielt Babylon, selbst nach seinem politischen Zusammenbruch. Die mäch- tige Priesterkaste, die dort herrschte, ging nicht mit der Unabhängigkeit ihres Vaterlandes zugrunde imd überlebte die Feldzüge Alexanders wie vorher die per- sische Herrschaft. Die Forschungen der Assyriologen haben die Fortdauer ihres alten Kultus unter den Seleu- ciden erwiesen, und zur Zeit Strabos disputierten die „Chaldäer" noch in den beiden rivalisierenden Schulen von Borsippa und Orchoe über die Urprinzipien und die Kosmologie.51 Der Einfluß dieses gelehrten Klerus erstreckte sich auf alle umliegenden Länder : im Osten auf Persien, im Norden auf Kappadozien, aber mehr als irgendwo sonst wurde er von den Syrern anerkannt, die mit den orientalischen Semiten durch die Gemeinschaft der Sprache und des Blutes verbunden waren. Selbst als die Parther den Seleuciden das Euphrattal entrissen hatten, bestanden die Beziehungen zu den großen Tempeln dieser Landschaft ohne Unterbrechung fort. Die mit stammverwandten Völkerschaften besiedelten Ebenen Mesopotamiens hatten nach zwei Seiten hin keine natürliche Grenze; große Handelsstraßen folgten dem Lauf der beiden Ströme, die dem persischen Meer- busen entgegeneilen, oder führten quer durch die Wüste, und von Babel kamen die Pilger, wie uns Lucian er- zählt, um der Herrin von Bambyke zu huldigen.^^ 142 Syrien Die geistigen Beziehungen zwischen dem Judentum und jener großen religiösen Metropole wurden seit der Zeit des Exils noch enger. Als das Christentum entstand, wurden sie sichtbar in dem Aufblühen der gnostischen Sekten, in denen die semitische Mythologie mit jüdi- schen und griechischen Ideen seltsame Verbindungen einging und phantastischen Spekulationen zur Grund- lage diente.53 Und als das Imperium sich dem Unter- gange zuneigte, da ging wiederum von Babel die letzte Form des Heidentums aus, die in der lateinischen Welt rezipiert wurde : der Manichäismus. Man kann sich vor- stellen, wie stark der religiöse Einfluß dieses Landes auf den syrischen Paganismus gewesen sein muß. Dieser Einfluß machte sich in mehrfacher Hinsicht bemerklich. Zunächst in der Einführung neuer Götter : so ging B61 aus dem babylonischen Pantheon in das palmyrenische über und wurde in ganz Nordsyrien ver- ehrt.04 Er veranlaßte ferner neue Gruppierungen alter Gottheiten : der ursprünglichen Dyas Baal und Baalath fügte man ein drittes Glied ein, um zu einer Trias zu gelangen, wie sie die chaldäische Theologie liebte. Dies war in Hierapolis wie in Heliopolis der Fall, wo die drei Gottheiten Hadad, Atargatis und Simios in den lateinischen Inschriften zu Jupiter, Venus und Merkur werden.sä Endlich und vor allem wandelte der Gestim- dienst den Charakter der himmlischen Mächte und da- mit in weiterer Folge auch den des gesamten römischen Heidentums von Grund aus um. Er gab ihnen zuerst neben ihrem eigenen Wesen eine zweite Persönlich- keit; die siderischen Mythen begannen sich über die agrarischen zu legen, wie die jüngere Schrift eines Palimpsestes über den älteren Text, und verwischten sie schließlich ganz. Die an den Ufern des Euphrat Fremde Einflüsse 143 geborene Astrologie bürgerte sich sogar in Ägypten bei dem stolzen und unzugänglichen Klerus des kon- servativsten aller Völker ein.^^ Syrien nahm sie rück- haltlos an und gab sich ihr gänzlich hin^'^; das bezeugt ebensowohl die Literatur als die Numismatik und die Archäologie: so hatte sich der König Antiochus von Kommagene, der im Jahre 34 v. Chr. starb, auf einem Vorsprunge des Taurus ein monumentales Grabmal er- baut, wo er sein Horoskop auf einem großen Basrelief neben die Bilder der väterlichen Götter stellte.^^ Die Bedeutung, welche der Einführung der syrischen Kulte im Abendlande beizumessen ist, besteht also darin, daß sie dort indirekt gewisse theologische Lehren der Chaldäer importierten, wie Isis und Serapis altägyp- tische Glaubensvorstellungen von Alexandrien dorthin übertrugen. Das Römische Reich empfing nach und nach den religiösen Tribut der beiden großen Völker, welche ehemals die orientalische Welt beherrscht hatten. Es ist bezeichnend, daß der Gott, den Aurelian aus Asien mitbrachte, um ihn zum Schirmherrn seiner Staa- ten zu machen (S. 132 f. ), Bei, in W^irklichkeit ein Baby- lonier ist, der sich in Palmyra niedergelassen hattest, dem Welthandelsplatze, der durch seine geographische Lage dazu prädestiniert erschien, die Vermittlung zwi- schen der Kultur des Euphrattals und der des Mittel- meerbeckens zu übernehmen. Der Einfluß, welchen die Spekulationen der Chaldäer auf das griechisch-römische Denken ausgeübt haben, kann zwar mit Sicherheit behauptet, aber noch nicht strikt definiert werden. Er war gleichzeitig philosophi- scher und religiöser, literarischer und populärer Art. Die ganze neuplatonische Schule beruft sich auf diese ehrwürdigen Meister, ohne daß es möglich wäre, ge- 1 44 Syrien nauer festzustellen, was sie ihnen in Wahrheit verdankt. Eine seit dem dritten Jahrhundert unter dem Titel „Chaldäische Orakel" (AÖTia XaXöaiKd) häufig zitierte Sammlung von Versen kombiniert die hellenischen Theorien mit einem phantastischen Mystizismus, der jedenfalls aus dem Orient stammt. Sie bedeutet für Babylonien dasselbe wie die hermetische Literatur für Ägypten, und es ist in beiden Fällen gleich schwierig, die Natur der einzelnen Ingredienzien zu bestimmen, welche der Redaktor des Gedichtes bei seiner Arbeit verwandt hat. Aber schon vorher hatten die syrischen Kulte durch ihre den Massen zugewandte Propaganda weithin im Abendlande Ideen verbreitet, die an deii fernen Ufern des Euphrat geboren waren, und ich möchte hier in Kürze zu zeigen versuchen, welchen Bei- trag sie zu dem heidnischen Synkretismus geleistet haben. Wir sahen, daß die alexandrinischen Gottheiten sich die Herzen vor allem durch die Verheißung einer seligen Unsterblichkeit gewonnen hatten. Jedenfalls mußten auch die syrischen eine befriedigende Antwort auf die Fragen zu geben wissen, welche damals alle Gemüter quälten. Nun waren allerdings die altsemitischen Ideen über das Schicksal der Verstorbenen wenig tröstlich. Die Vorstellung von dem Leben im Jenseits, die sich aus ihnen ergab, war traurig, dunkel und hoffnungslos genug. Die Toten steigen in ein unterirdisches Reich hinab, wo sie ein elendes Dasein führen, das einen blassen Reflex des verlorenen darstellt; der Pflege be- dürftig und dem Leiden unterworfen, müssen sie durch die Totenopfer unterhalten werden, welche ihre Nach- Fremde Einflüsse — Die Eschatologie 14^ kommen auf ihren Gräbern darbringen. Es handelt sich hier um primitive Vorstellungen und Gebräuche, denen wir auch in der Urzeit Griechenlands und Italiens be- gegnen. Aber an die Stelle dieser rudimentären Eschatologie trat im Laufe der Zeit eine ganz andere Vorstellung, die in enger Beziehung zu der chaldäischen Astrologie stand und sich mit ihr im Okzident am Ende der Re- publik verbreitete. Nach dieser Lehre steigt die Seele des Menschen nach seinem Tode zum Himmel empor, um dort unter den göttlichen Gestirnen weiterzuleben. Solange sie hienieden weilt, ist sie all den harten Be- dingungen eines durch den Lauf der Gestirne bestimm- ten Schicksals unterworfen; aber wenn sie sich in die oberen Regionen erhebt, dann wird sie dieser Notwen- digkeit und sogar den Schranken der Zeit entrückt; sie nimmt an der Ewigkeit der siderischen Götter teil, die sie umgeben, und denen sie gleich geworden ist.^o Nach der einen Anschauung wird sie von den Sonnenstrahlen angezogen, und nachdem sie den Mond passiert hat, wo sie sich läutert, geht sie in dem leuchtenden Tages- gestim auf.61 Eine noch stärker astrologisch gefärbte Theorie, die sich ohne Zweifel aus der ersten entwickelt hat, lehrte, daß die Seelen von der Höhe des Himmels auf die Erde hinabstiegen, hierbei die Sphären der sieben Planeten durcheilten und. dadurch die jedem die- ser Gestirne zukommenden Anlagen und Eigenschaften erhielten. Nach dem Tode kehrten sie auf demselben Wege in ihre frühere Behausung zurück. Um nun aus einer Sphäre in die folgende zu gelangen, müssen die Seelen, so sagte man, ein Tor passieren, das von einem Gebieter (apxwv) bewacht wird.^^ Nur die Seelen der Eingeweihtenkennen die Parole, welche jene unbestech- Cumont, Die oriental. Religionen 10 1 46 Syrien liehen Hüter gefügig macht, und unter der Führung eines die Seelen geleitenden Gottes ßs steigen sie sicher von einer Region in die andere hinauf. Je höher sie sich erheben, desto mehr legen sie „wie Kleider" die Leidenschaften und Fähigkeiten ab, die sie bei ihrem Abstiege zur Erde angenommen haben, und von jedem Fehl und aller Sinnlichkeit erlöst gehen sie in den achten Himmel ein, um dort als verklärte Wesen eine endlose Seligkeit zu genießen. Vielleicht hat diese zuletzt dargelegte Lehre, die un- zweifelhaft babylonischen Ursprungs ist, nicht in allen syrischen Kulten allgemeine Anerkennung gefunden, wie dies in den Mysterien des Mithra der Fall war, aber jedenfalls haben alle diese mit astrologischen Gedanken imprägnierten Kulte den Glauben verbreitet, daß die Seelen der Gläubigen, die ein frommes Leben geführt haben, sich bis zum obersten Himmel erhöben, wo eine Apotheose sie den Lichtgottheiten ähnlich machte.'^^ Diese Lehre entthronte in der Kaiserzeit aUe anderen; die elysischen Gefilde, welche die Anhänger der Isis und des Serapis noch in den Tiefen der Erde suchten, werden in die ätherische Region der Fixsterne ver- legt 65^ und die Unterwelt wurde seither den Bösen vor- behalten, welchen das Durchschreiten der Himmelstore verwehrt worden war. Die erhabenen Räume, in denen die geläuterten Seelen weilen, sind auch der Aufenthalt des höchsten Gottes.66 In derselben Zeit, als die Astrologie die Vor- stellungen vom Jenseits umwandelte, änderte sich unter ihrem Einfluß auch das Bild, welches man sich vom Wesen der Gottheit zu machen pflegte. Namentlich auf diesem Gebiete haben die syrischen Kulte bahnbrechend gewirkt; denn wenn auch die alexandrinischen Myste- Die Eschatologie — Die Theologie ' 147 rien den Menschen ebenso trostreiche Aussichten in eine unsterbliche Zukunft zu eröffnen vermochten als die Eschatologie ihrer Nebenbuhler, so schwangen sie sich doch nur langsam zu einer gleichwertigen Theo- logie auf. Den Semiten kommt das Verdienst zu, den antiken Fetischismus am gründlichsten reformiert zu haben. Ihre anfänglich so engen und niedrigen Begriffe erweitern und erheben sich bis zu einer Art Mono- theismus. Die syrischen Stämme verehrten, wie wir gesehen haben (S. 136), gleich allen primitiven Völkerschaften einen Gewittergott. ^'^ Er öffnete die Schleusen des Fir- maments, um den Regen herabströmen zu lassen, und spaltete die Baumriesen der Wälder mit Hilfe der Doppelaxt, die immer sein Attribut blieb. ^^ Als die Fortschritte der Astronomie die Sternbilder in uner- meßliche Weiten hinausrücken ließen, mußte der „Ba'al der Himmel" {Ba" al-samtri) notwendigerweise an Maje- stät wachsen. Ohne Zweifel hat in der Zeit der Achä- meniden eine Berührung mit dem persischen Ahura- Mazda, dem alten Gotte des Himmelsgewölbes, der zur höchsten physischen und ethischen Macht geworden war, die Umwandlung des ursprünglichen Donner- dämons gefördert. 69 Man fuhr fort, in ihm den sicht- baren Himmel anzubeten, er wird noch unter den Römern ebensowohl einfach Caetus genannt, wie der himmlische Jupiter {lupiter Caelestis, Zevc Ovpäyxoc'^^); aber es handelt sich nun um den Himmel, dessen har- monischen Mechanismus eine geheiligte Wissenschaft studiert und verehrt. Die Seleukiden stellen ihn auf ihren Münzen dar, wie er, an der Stirn mit einem Halb- monde geschmückt, eine Sonne mit sieben Strahlen trägt, um daran zu erinnern, daß er den Lauf der Ge- 10* 1 48 Syrien stirne beherrscht 'i; anderswo wird er von den beiden Dioskuren begleitet, weil diese Heroen nach dem grie- chischen Mythus abwechselnd im Reich des Lebens und des Todes weilten und daher zu Personifikationen der beiden himmlischen Hemisphären geworden waren. Diese religiöse Uranographie verlegte die Residenz der höchsten Gottheit in die erhabenste Region der Welt; sie gab ihm seinen Sitz in der Zone, die am weitesten von der Erde entfernt war, hoch über dem Bereich der Planeten und der Fixsterne. Dies suchte man durch den Namen ,,der Höchste" ("Yhjictoc) auszudrücken, wel- chen man den syrischen Ba'alim ebensowohl wie Jahve beilegte.''^ Nach der Theologie dieser kosmischen Re- ligion wohnt der Höchste in dem ungeheuren Räume, der die Sphären aller Gestirne in sich schließt und das gesamte Weltall umgibt, das seiner Herrschaft unter- steht. Die Lateiner übersetzten den Namen dieses „Hy- psistos" mit lupiter summus exsaperantissimus'^^, »um seine Erhabenheit über alle göttlichen Wesen anzu- deuten. Seine Macht war in der Tat unbeschränkt. Das grund- legende Postulat der chaldäischen Astrologie besagt, daß alle Erscheinungen und Ereignisse dieser Welt durch Wirkungen der Gestirne mit Notwendigkeit be- stimmt werden. Die Wandlungen der Natur wie die An- lagen der Menschen sind unbedingt abhängig von den göttlicl^en Kräften, die im Himmel wohnen. Mit an- deren Worten: die Götter sind „allmächtig"; sie sind die Herren des Schicksals, welches das Weltall souverän regiert.^* Diese Vorstellung von ihrer Omnipotenz er- scheint als die Fortentwicklung der alten Autokratie, die man den Ba'alim zuschrieb. Wie bereits erwähnt, wurden diese nach dem Vorbilde eines asiatischen Mon- Der Himmelsgott ist allmäclitig ' iaq archen gedacht, und die religiöse Terminologie pflegte mit Vorliebe die Niedrigkeit ihrer Anbeter im Vergleich mit jenen zu betonen. In Syrien findet man keinerlei Analogie zu dem, was wir in Ägypten beobachtet haben, daß nämlich der Priester seine Götter zum Handeln zwingen zu können glaubte und sie sogar zu bedrohen wagte (S. logf.).''^ ]])er Abstand, der Menschliches und Göttliches trennt, war bei den Semiten immer viel größer, und die Astrologie konnte nur dazu beitragen, ihn noch stärker zu betonen, indem sie ihm eine lehr- hafte Grundlage und ein wissenschaftliches Gewand lieh. Die asiatischen Kulte verbreiteten in der lateini- schen Welt die Vorstellung von der absoluten, unbe- schränkten Souveränität der Gottheit auf Erden. Apu- leius nennt die syrische Göttin omnipotetis et omni- paretis, „Herrin und Mutter aller Dinge''.'^^ Außerdem hatte die Beobachtung des gestirnten Himmels die Chaldäer zum Begriff der göttlichen Ewig- keit geführt. Die Regelmäßigkeit, mit der die Him- melskörper ihre Bahnen ziehen, ließ auf ihre bestän- dige Dauer schließen. Die Gestirne setzen ohne Unter- brechung ihren stets unvollendeten Lauf fort; am Ziel ihrer Bewegung angekommen, beginnen sie, ohne still- zustehen, die eben zurückgelegte Bahn von neuem zu durcheilen, und die Jahreszyklen, in denen sich ihre Bewegungen vollziehen, bilden eine unendliche Reihe rückwärts bis in die fernste Vergangenheit und vor- wärts bis in die fernste Zukunft.'''^ Ein astronomisch gebildeter Klerus mußte daher den Baal, welcher der „Beherrscher des Himmels" ist, als den „Herrn der Ewigkeit" oder den, „dessen Name gelobt wird in Ewig- keit", auffassen, und es kann uns nicht überraschen, daß diese Titel in den semitischen Inschriften beständig 150 Syrien wiederkehren. '^8 j)ie göttlichen Gestirne sterben nicht mehr;, wie Osiris oder Attis; jedesmal, wenn sie abzu- nehmen scheinen, werden sie wiedergeboren zu neuem Leben, stets unbesiegbar {invicti). Dieser theologische Begriff drang mit den Mysterien der syrischen Ba'alim in das abendländische Heiden- tum ein.'^^ Wenn man in den lateinischen Provinzen eine Weihinschrift für einen deus aeternus findet, so handelt es sich immer um einen syrischen Astralgott, und es ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß jenes Epitheton erst im zweiten Jahrhundert unserer Ära in den rituellen Gebrauch übergeht, also zu derselben Zeit, in der sich der Kultus des Himmelsgottes {Caelus) aus- breitet.80 Mochten die Philosophen auch schon seit lan- gem die erste Ursache über die Grenzen der Zeit hin- ausgerückt haben: ihre Theorien waren weder in das Volksbewußtsein eingedrungen, noch imstande gewesen, die überlieferten liturgischen Formeln umzuwandeln. Für das Volk waren die Götter immer noch zwar schö- nere, kraftvollere, mächtigere Wesen als die Menschen, aber doch geboren wie diese und nur dem Alter und dem Tode entrückt, die Unsterblichen des alten Homer. Die syrischen Priester dagegen verbreiteten in der römischen Welt die Idee, daß Gott ohne Anfang und ohne Ende sei, und trugen so, ähnlich wie der jüdische Proselytismus, dazu bei, einer Vorstellung, die bisher nur eine metaphysische Theorie gewesen war, die Auto- rität eines religiösen Dogmas zu geben. Die Ba^alim sind universell, wie sie ewig sind, und ihre Gewalt wird unbeschränkt im Raum wie in der Zeit. Die beiden Ideen sind Korrelate; der Titel „mar 'olam", den sie bisweilen führen, kann ebensowohl „Herr des Universums" als „Herr der Ewigkeit" be- Ewigkeit und Universalität ' i c I deuten, und man pflegte ohne Zweifel diese doppelte Würde für sie in Anspruch zu nehmeiji.^i Die Himmöl, mit göttlichen Sternbildern bevölkert und von den Pla- neten durcheilt, die man mit den Bewohnern des Olymps identifizierte, bestimmen durch ihre Bewegungen die Geschicke des ganzen Menschengeschlechts, und die ge- samte Erde ist den Veränderungen unterworfen, welche ihre Revolutionen hervorrufen. ^2 Infolgedessen verwan- delt sich der alte Ba'al samin mit Notwendigkeit in eine weltumfassende Macht. Ohne Zweifel gab es noch unter den Kaisern in Syrien Spuren einer vergangenen Zeit, in welcher der Lokalgott als Fetisch eines Clans nur von den Gliedern des letzteren verehrt werden konnte, und Fremden der Zutritt zu seinen Altären nur nach einer Einweihungszeremonie gestattet wurde, durch welche sie den Brudernamen oder wenigstens die Rechte von Gästen und Klienten empfingen.^s Aber von dem Zeitpunkte an, wo wir die Geschichte der großen Gott- heiten von Heliopolis oder Hierapolis verfolgen können, werden diese als allen Syrern gemeinsam betrachtet, und eine Menge von Pilgern wallfahrtet aus fernen Ländern nach diesen heiligen Städten. Als Schirm- herren der gesamten Menschheit haben die Baale Pro- selyten im Okzident gemacht und dort in ihren Tem- peln Gläubige jeder Rasse und jeder Nation um sich versammelt. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich deutlich von Jahwe. Es gehört zum Wesen des Heidentums, daß die Vor- stellung von einer Gottheit gleichzeitig mit der Zahl ihrer Verehrer wächst. Jeder legt ihr irgendeine neue Eigenschaft bei, und ihr Charakter wird um so kom- plizierter, je mehr sich die Schar ihrer Anbeter ver- größert. Indem sie aber mächtiger wird, strebt sie auch 1^2 Syrien darnach, sich die Götter zu unterwerfen, die sie um- geben, und ihre Funktionen in sich selbst zu konzen- trieren. Um dem Absorptionsprozeß, der sie bedroht, mit Erfolg zu widerstehen, müssen diese eine scharf umrissene Persönlichkeit, einen durchaus originellen Charakter besitzen. Nun fehlte aber den verschwom- menen Vorstellungen, welche sich die Semiten von ihren Göttern machten, gerade diese ausgeprägte Indi- vidualität. Man findet bei ihnen nicht, wie im helleni- schen Olymp, eine wohl organisierte Gesellschaft von Unsterblichen, in der jeder seine eigene Physiognomie, sein selbständiges, an Abenteuern und Erlebnissen reiches Leben hat und unter Ausschluß der anderen einen besonderen Beruf erfüllt: dieser ist Arzt, jener Dichter, ein dritter Hirt oder Jäger oder Schmied. Die griechischen Weihinschriften, die man in Syrien findet, sind in dieser Beziehung von vielsagender, Kürze 8*: sie tragen gewöhnlich den Namen des Zeus in Begleitung eines einfachen Epithetons : KÜpioc „Herr", dviKriroc „un- besiegbar", jUeYiCTOC „überaus groß". Alle diese Ba'alim scheinen Brüder zu sein. Es sind Persönlichkeiten mit unbestimmten Konturen, vertauschbaren Eigenschaften, und sie wurden demnach leicht miteinander verwechselt. In dem Moment, als die Römer in Beziehungen zu Syrien traten, hatte dieses schon eiae synkretistische Periode durchlaufen, die jener . anderen analog- ist, welche wir mit größerer Genauigkeit in der lateini- schen Welt beobachten können. Die alte Exklusivität, der nationale Partikularismus waren überwunden. Die Ba'alim der großen Heiligtümer hatten sich mit den Kräften {virtutes)^° ihrer Nachbarn bereichert; dann hatten sie im weiteren Verlaufe desselben Prozesses den fremden Gottheiten, welche die griechischen Eroberer Syrischer Synkretismus ' icx mitgebracht hatten, gewisse Züge entlehnt. Ihr Cha- rakter war auf diese Weise undefinierbar geworden: sie verwalteten entgengesetzte Funktionen und besaß.en widersprechende Attribute. Eine in Britannien ss auf- gefundene Inschrift identifiziert die syrische Göttin mit Pax, Virtus, Ceres, der Göttermutter und sogar mit dem Zeichen der Jungfrau. Gemäß dem Gesetze, welches die Entwicklung des Heidentums beherrscht, strebten somit die semitischen Gottheiten danach, „Allgötter" (irdveeoi) zu werden, die ihrem Begriff nach alles umfaßten und mit der ganzen Natur identifiziert wurden. Die einzelnen Gottheiten sind nur noch verschiedene Erscheinungsweisen, in denen sich das höchste, unendliche Wesen offenbart. Syrien, obwohl praktisch durchaus und sogar in grober Weise dem Götzendienst huldigend, näherte sich doch theoretisch dem Monotheismus oder, wenn man lieber will, dem Henotheismus. Mit Hilfe einer absurden, aber merkwürdigen Etymologie wurde dem Namen Hadad die Bedeutung „Einer, Einer" {^ad^ad) untergescho- ben.87 Überall begegnet man in dem an sich beschränk- ten und unzusammenhängenden Polytheismus einer verworrenen Tendenz, die ihn antreibt, sich zu einer höheren Synthese aufzuschwingen, aber in Syrien gab die Astrologie solchen sonst unklaren Anwandlungen die Festigkeit einer vernünftigen Überzeugung. Die chaldäische Kosmologie, welche alle Elemente ver- göttert, aber den Gestirnen den überwiegenden Ein- fluß zuschreibt, beherrscht den ganzen syrischen Syn- kretismus. Sie betrachtet die Welt als einen großen Organismus, dessen sämtliche Teile, innig verbunden, in dem Verhältnis von Wirkung und Gegenwirkung 154 Syrien zueinander stehen. Die Gottheit kann daher, wie es dem Glauben der alten Semiten entspricht, im Wasser, im Blitzstrahl, in Steinen oder Pflanzen verkörpert ge- dacht werden. Aber die mächtigsten Götter sind die Sternbilder und die Planeten, welche den Lauf der Zei- ten und der Dinge regieren, und vor allem die Sonne, die, um mit den Astrologen zu reden, den Reigen der Sterne führt, der König und der Führer aller anderen Himmelslichter und der ganzen Welt ist.^^ Die astrono- mischen Lehren der „Chaldäer" verkündigten, daß dieser glühende Ball die anderen Himmelskörper ab- wechselnd anzöge und abstieße, und die orientalischen Theologen hatten daraus geschlossen, daß er, die Be- wegungen des Himmels regelnd, das ganze Leben des Universums bestimmte. Sie betrachteten ihn als den Quell der göttlichen Energie, welche die ganze Welt bis zu ihren äußersten Enden durchflutete. Als „in- telligentes Licht" war er speziell der Schöpfer der menschlichen Vernunft, und ebenso wie er die Planeten abwechselnd von sich forttrieb und zu sich zurückführte, so sandte er — glaubte man — im fegelmäßigen Rhythmus von Emission und Absorption die Seelen bei der Geburt in die Leiber, die sie bewohnen sollten, und ließ sie nach dem Tode wieder in seinen Schoß zurückkehren.^^ Als man später den Thron des Höchsten über die Grenzen des Universums hinaushob, da wurde das strah- lende Gestirn, das uns leuchtet, als das sichtbare Bild der obersten Gewalt, als die Quelle alles Lebens und aller Einsicht und der Mittler zwischen einem unnah- baren Gott und den Menschen, für die Massen der be- vorzugte Gegenstand ihrer Huldigungen. ^o Der solare Pantheismus, der auf diese Weise wäh- Solarer Henotheismus 155 rend der- hellenistischen Periode in Syrien unter dem. Einfluß des chaldäischen Gestirndienstes erwuchs, er- oberte während der Kaiserzeit die gesamte römische Welt. Indem wir hier ganz flüchtig den Charakter dieses theologischen Systems z;u skizzieren unternahmen, haberi wir gleichzeitig die letzte Form geschildert, welche die Idee der Gottheit im Heidentum annahm. Rom folgte auf diesem Gebiete der Lehre und dem Vorgange Syriens. Eine einzige, allmächtige, ewige, allumfassende, unnennbare Gottheit, die sich in der ganzen Natur kund- gibt, deren glänzendste und kraftvollste Offenbarung jedoch die Sonne darstellt — das ist die letzte Formel, in welche die Religion der heidnischen Semiten und in ihrer Nachfolge die der Römer ausmündete. Man brauchte nur noch eine Fessel zu zerschneiden, indem man diesen Gott, der in einem fernen Himmelsraum, residierte, über die Welt zu einsamer Größe erhob, um zum christlichen Monotheismus zu gelangen.^i So stellen wir hier noch fest, daß die Verbreitung der orientalischen Kulte dem Christentum den Weg ge- ebnet und seinen Sieg angekündigt hat. Die Astrologie, welche von der Kirche beständig bekämpft wurde, hatte doch die Geister für die Aufnahme der Dogmen vor- bereitet, welche diese nun proklamierte. VI. PERSIEN Die Haupttatsache, welche die ganze Geschichte Vorderasiens im Altertum beherrscht, ist der Gegen- satz zwischen der griechisch-römischen und der ira- nischen Zivilisation, der nur eine Episode des großen Kampfes darstellt, welcher in jenen Gegenden zwischen Orient und Okzident beständig ausgefochten wurde. Im ersten Ansturm ihrer Eroberungszüge dehnen die Perser ihre Herrschaft bis zu den Städten loniens und den Inseln des Ägäischen Meeres aus; aber ihre Ex- pansionskraft bricht sich am Fuße der Akropolis. Hun- dertundfünfzig Jahre darnach zerstört Alexander das Reich der Achämeniden und trägt die hellenische Kul- tur bis zu den Ufern des Indus. Die pp,rthischen Arsa- kiden rücken zweiundeinhalbes Jahrhundert später von neuem an die Grenzen Syriens, und Mithridates Eupator, ein angeblicher Nachkomme des Darius, dringt an der Spitze des persischen Adels vom Pontus bis in das Herz Griechenlands vor. Auf die Flut folgt die Ebbe; das von Augustus reorganisierte römische Reich nötigt Armenien, Kappadozien und selbst dem Partherreich bald eine Art Vasallenverhältnis auf. Aber seit der Mitte des dritten Jahrhunderts stellen die Sassaniden die Macht Irans wieder her und machen seine alten Ansprüche geltend. Von dieser Zeit an wird bis zum Triumphe des Islams zwischen zwei rivalisierenden Staa- Hellenismus und Iranismus 157 ten ein langwieriges Duell ausgetragen, in dem jeder von beiden bald Sieger, bald Besiegter ist, ohne jemals ganz zu unterliegen, zwei Staaten, die nach dem Wort eines Gesandten des Königs Narses an Galerius, „die beiden Augen des Menschengeschlechts" waren.i Das „unbesiegbare" Gestirn der Perser kann er- bleichen und sich verfinstern, aber nur um immer wie- der in hellerem Glänze zu erstrahlen. Die politische und militärische Kraft, tvelche dieses Volk im Laufe der Jahr- hunderte entwickelt, ist das Ergebnis und die Offen- barung seiner hohen intellektuellen und moralischen Eigenschaften. Seine eigenartige Kultur widerstrebte stets der Assimilation, welche die phrygischen Arier wie die syrischen Semiten und die ägyptischen Cha- miten in verschiedenem Maße erfuhren. Der Hellenis- mus und der „Iranismus" — wenn ich diesen x\usdruck gebrauchen darf — sind zwei Gegner von demselben Adel, aber verschiedener Bildung, die ebensosehr durch instinktiven Rassenhaß wie durch erbliche Interessen- gegensätze stets geschieden blieben. Jedoch war es nicht zu vermeiden, daß zwischen zwei Kulturen, die mehr als tausend Jahre lang in gegen- seitiger Berührung gestanden hatten, sich mancherlei Tauschgeschäfte vollzogen. Der Einfluß, welchen der Hellenismus bis zur zentralasiatischen Hochebene aus- übte, ist oft beleuchtet worden 2^ aber man hat viel- leicht nicht ebenso genau gezeigt, wie groß die ganze Zeit hindurch das Ansehen Irans, und wie weitreichend die ^Ausstrahlung seiner Energie gewesen ist. Denn wenn auch der Mazdaismus die höchste Offenbarung seines Genius, und seine Einwirkung infolgedessen vor- wiegend religiöser Art war, so war sie dies doch nicht ausschließlich. 158 Persien Die Erinnerung an das Reich der Achämeniden spukte noch lange nach ihrem Sturze in den Gedanken der Nachfolger Alexanders weiter. Nicht nur die an- geblich von Darius abstammenden Dynastien, welche den Pontus, Kappadozien und Kommagene beherrsch- ten, pflegten die politischen Überlieferungen, welche sie mit ihren vermeintlichen Ahnen verbanden, sondern selbst die Seleukiden und die Ptolemäer übernahmen sie teilweise als legitime Erben der alten Herren Asiens. Man rief sich gern ein Ideal vergangener Größe ins Ge- dächtnis zurück und suchte es in der Gegenwart wieder zu verwirklichen. Verschiedene Institutionen wurden auf diese Weise den römischen Kaisern durch die Ver- mittlung der asiatischen Monarchien zugetragen. So erhielt die der amici Aagusti, der offiziellen Freunde und intimen Berater der Herrscher, in Italien die For- men, welche sie am Hofe der Diadochen angenommen hatte, die ihrerseits wiederum die alte Organisation des Palastes der Großkönige nachgeahmt hatten.^ Ebenso geht die Sitte, vor den Cäsaren das heilige Feuer als Sinnbild der Dauer ihrer Herrschaft einherzutragen, bis auf Darius zurück und gelangte mit anderen iranischen Traditionen zu den Dynastien, welche sich in das Reich Alexanders teilten. Die Ähnlichkeit nicht nur der Ob- servanz der Cäsaren mit der Praxis der orientalischen Monarchen, sondern auch der Vorstellungen, die sie zum Ausdruck bringen, ist frappant, und die Kontinui- tät dieser politischen und religiösen Tradition kaum zu bezweifeln.* Je besser das höfische Zeremoniell und die innere Geschichte der hellenistischen Königreiche bekannt werden, um so eingehender wird man nach- weisen können, wie die zerstückelte und verringerte Erbschaft der Achämeniden durch Generationen von Einfluß des Achämenidenreichs ' i ^ g Souveränen schließlich den abendländischen Fürsten übermittelt wurde, die sich, wie die Artaxerxes, als die sakrosankten Herren der Welt bezeichneten. & Wer weiß noch, daß die Gewohnheit, Freunden einen Kuß zum Willkommen zu geben, einen Bestandteil der orientali- schen Hofetikette bildete, bevor sie in Europa zum familiären Brauch wurde ?6 Schwieriger ist es, die verborgenen Wege zu ver- folgen, auf denen die reinen Ideen von Volk zu Volk wandern. Aber es ist sicher, daß gewisse mazdäische Vorstellungen sich bereits im Anfange unserer Ära weit über Asien hinaus verbreitet hatten. Unter den Achä- meniden hatte der Parsismus auf die religiösen Vor- stellungen Israels einen Einfluß ausgeübt, über dessen Tragweite man streiten kann, der an sich aber unleug- bar ist.'^ Einige seiner Lehren, wie die von den Engeln und den Dämonen, vom Ende der Welt und der Auf- erstehung der Toten, waren durch die weithin verstreu- ten jüdischen Kolonien über das ganze Mittelmeer- becken verbreitet. Anderseits richtete sich die stets rege Aufmerksam- keit der Griechen seit den Eroberungszügen des Cyrus und des Darius auf die religiösen Lehren und Bräuche der neuen Beherrscher des Orients.^ Eine Menge von Legenden, die Pythagoras, Demokrit und andere Philo- sophen zu Schülern der Magier machen, zeugen für das Ansehen, welches dieses mächtige Priestergeschlecht damals genoß. Die makedonische Eroberung, welche dieGriechen in unmittelbare Beziehungen zu zahlreichen Anhängern des Mazdaismus brachte, regte zu Arbeiten, die sich mit dieser Religion beschäftigten, von neuem an, und die große wissenschaftliche Bewegung, die Ari- stoteles ins Leben gerufen hatte, veranlaßte eine An- 1 6o Persien zahl von Gelehrten dazu, die von den iranischen Unter- tanen der Seleukiden bekannten Lehren zu studieren. Ein glaubwürdiger Bericht sagt uns, daß die unter dem Namen Zoroasters katalogisierten Werke der Biblio- thek in Alexandrien zwei Millionen Zeilen umfaßten. Diese ungeheure heilige Literatur mußte die Aufmerk- samkeit der Gelehrten anziehen und die Reflexion der Philosophen herausfordern. Die verworrene und zwei- deutige Wissenschaft, die sich unter dem Namen der „Magie" bis in die niederen Volksklassen verbreitete, war — wie schon ihr Name besagt — zum großen Teil persischen Ursprungs und verkündete gleichzeitig mit den Rezepten der Naturforscher und den Prozeduren der Thaumaturgen in unklarer Weise theologische Lehren.^ Lange bevor die Römer in Asien Fuß faßten, hatten demnach einzelne Institutionen der Perser Nachahmer, und einzelne ihrer Glaubensvorstellungen Anhänger in der griechisch-römischen Welt gefunden. Ihre Annahme vollzieht sich indirekt, verstohlen, oft unkontrollierbar, ist aber nicht zu bezweifeln. Die wirksamsten Träger dieser Ausbreitung scheinen für den Mazdaismus, wie für das Judentum, Kolonien von Gläubigen gewesen zu sein, die sich fern von ihrem Mutterlande angesiedelt hatten. Es gab eine iranische Diaspora, die der jü- dischen entsprach. Magiergemeinschaften hatten sich nicht nur im Osten Kleinasiens, sondern auch in Gala- tien, in Phrygien, in Lydien und sogar in Ägypten nie- dergelassen und blieben überall mit zäher Beharrlich- keit ihren Sitten und ihrem Glauben treu.^° Der Einfluß Irans wirkte noch viel unmittelbarer, als Rom seine Eroberungen in Kleinasien und Mesopota- mien erweiterte. Vorübergehende Berührungen mit mazdäischen Völkerschaften fanden seit den Kriegen Roms Eroberungen - i6i gegen Mithridates statt, aber erst im ersten Jahrhun- dert n. Chr. wurden sie häufiger und andauernder. Da- mals dehnte das Kaiserreich seine Annexionen bis zum oberen Euphrat aus und gliederte sich so die ganze ana- tolische Hochebene und, im Süden des Taurus, Kom- magene an. Die einheimischen Dynastien, die trotz des Vasallenverhältnisses, in welches sie nun eingetreten waren, die jahrhundertelange Isolierung dieser fernen Gegenden aufrechtzuerhalten suchten, verschwanden eine nach der anderen. Die Flavier erbauten ein unge- heures Straßennetz, welches diese bisher fast unzugäng- lichen Regionen dem Verkehr erschloß, und schufen so Wege zur Durchdringung jener Länder, die für Rom dieselbe Bedeutung hatten wie die Eisenbahnen in Tur- kestan und Sibirien für das heutige Rußland. Gleich- zeitig schlugen die Legionen an den Ufern desEuphrats und in den Bergen Armeniens ihre Lager auf. So ka- men einerseits' all die über Kappadozien imd den Pontus verstreuten mazdäischen Inselchen notwendigerweise in dauernde Berührung mit der lateinischen Welt, und anderseits machte das Verschwinden der Pufferstaaten an der Grenze in der Zeit Trajans (98 — 117 n. Chr.) das römische Reich und das der Parther zu unmittel- baren Nachbarn. Von diesen Eroberungen und diesen Annexionen in Kleinasien und Syrien an datiert die plötzliche Verbrei- tung der persischen Mithrasmysterien im Abendlande. Denn wenn auch eine Kultgenossenschaft von Mithras- anbetern in Rom schon seit der Zeit des Pompejus (seit dj V. Chr.) bestanden zu haben scheint, so hat doch ihre tatsächliche Ausbreitung erst seit den Flaviern g&^&ii das Ende des ersten Jahrhunderts begonnen. Unter den Antoninen und den Severem drangen sie Cumont, Die oriental. Religionen II 102 Persien immer weiter vor, um sich bis zum Ende des vierten Jahrhunderts als wichtigster Kult des Heidentums zu behaupten. Durch ihre Vermittlung verbreiteten sich die ursprünglichen Lehren des Mazdaismus weithin über alle lateinischen Provinzen, und mit ihnen liaben wir uns in erster Linie zu beschäftigen, um die Ein- wirkung Irans auf die römischen Glaubensvorstellun- gen zu ermessen. Aber, beachten wir es wohl, der wachsende Einfluß Persiens offenbart sich nicht nur in der religiösen Sphäre. Namentlich seit dieses Land mit dem Auf- kommen der sassanidischen Dynastie (228 n. Chr.) das Bewußtsein seiner Eigenart zurückgewonnen, die Pflege seiner nationalen Überlieferungen wieder aufgenom- men, die Hierarchie seines staatlichen Klerus reor- ganisiert und jene politische Geschlossenheit wieder- erlangt hatte, die ihm unter den Parthern fehlte, da fühlte es seine Überlegenheit über das Nachbarreich und ließ dieses sie fühlen, das damals von Parteikämp- fen zerrissen, dem Zufall der Pronunciamentos preis- gegeben, wirtschaftlich und moralisch ruiniert war. Fortgesetzte Studien über die Geschichte dieser nur wenig bekannten Periode zeigen mehr und mehr, daß das geschwächte Rom damals Persien nachahmte. Der Hof Diokletians mit seinen Proskynesen vor dem gottgleichen Herrscher, seiner komplizierten Beamten- hierarchie und der Masse von Eunuchen, die ihn schän- det, ist nach der Aussage von Zeitgenossen eine Imi- tation des sassanidischen. Galerius erklärte ohne Um- schweife, daß in seinem Reiche der persische Absolu- tismus eingeführt werde sollte i^, und der alte, auf dem Voikswillen beruhende Cäsarismus schien im Begriff, sich in eine Art Kalifat zu verwandeln. Das persische Vorbild 163 Neuere Entdeckungen lassen auch undeutlich erken- nen, daß sich im parthischen und dann im sassani- dischen Reiche eine große Künstlerschule entwickelt hat, die unabhängig von den griechischen Produktions- zentren erwuchs. Wenn sie der hellenischen Skulptur oder Architektur gewisse Vorbilder entlehnt, so ver- schmilzt sie diese mit orientalischen Ä-Iotiven zu einer Dekoration von überquellendem Reichtum. Ihr Ein- flußgebiet erstreckt sich weit über Mesopotamien hin- aus bis nach dem südlichen Syrien, wo sie uns Denk- mäler von unvergleichlichem Glanz der Ornamen- tierung hinterlassen hat, und die Strahlen dieses hellen Lichtes leuchteten ohne Zweifel zu gleicher Zeit By- zanz, den nordischen Barbaren und China.12 So beeinflußte der iranische Orient siegreich die politischen Institutionen und den künstlerischen Ge- schmack wie die Ideen und Glaubensvorstellungen der Römer. Der Ausbreitung der mithrischen Reli- gion, die sich immer mit Stolz als persische bekannte, ging eine Fülle von parallelen Einwirkungen desselben Volkes zur Seite, dem jene entsprossen war. Niemals, selbst nicht in der Epoche der mohammedanischen Invasionen, schien Europa mehr der Gefahr ausgesetzt, asiatisch zu werden wie in dem Augenblick, als Diokle- tian in Mithra den Protektor des wiederhergestellten Reiches offiziell anerkannte.i^ Die Epoche, in welcher dieser Gott sich anschickte, seine Herrschaft über die ganze zivilisierte Welt auszudehnen, war eine der kriti- schen Phasen der antiken Kulturgeschichte. Ein unwi- derstehliches Heer von semitischen und mazdäischen Vorstellungen drohte den abendländischen Geist für immer zu überwältigen. Selbst als Mithra besiegt und aus dem christlich gewordenen Rom vertrieben war, II* 164 Persien rüstete Persien nocli nicht ab. Das Bekehrungswerk, bei dem er gescheitert war, wurde vom Manichäisrnus wieder aufgenommen, der seine Hauptlehren geerbt hatte, und der iranische Dualismus fuhr bis zum Mittel- alter fort, blutige Kämpfe in der alten römischen Welt anzuzetteln. Ebenso wie man den Charakter der Isis- und Sera- pismysterien nur verstehen kann, wenn man die Um- stände ins Auge faßt, unter denen sie von den Ptole- mäern geschaffen wurden, ebenso kann man sich von den Ursachen, welche den Mithrksmysterien einen so bedeutenden Einfluß verschafften, nur dann Rechen- schaft geben, wenn man diese bis zu ihrer Entstehung verfolgt. Allerdings ist ihre Vorgeschichte leider weniger be- kannt. Die alten Schriftsteller berichten uns fast nichts über die Herkunft des Mithra. Daßi er ein persischer Gott ist, darüber sind freilich alle einig, und wenn sie es uns nicht bezeugten, so würde das Avesta uns darüber aufgeklärt haben. Aber wie ist er von der Hochebene Irans nach Italien gelangt? Zwei magere Zeilen des' Plutarch sind alles, was wir an näheren Nachrichten darüber besitzen. Er erzählt gelegentlich, daß die von Pompejus besiegten kleinasiatischen Seeräuber selt- same Opfer auf dem Olymp, einem lykischen Vulkan, darbrächten und daß sie geheime Riten ausübten, un- ter anderen die des Mithra, welche — sagt er — „bis auf unsere Tage erhalten und von ihnen zuerst bekannt gemacht worden sind".i* Ein Scholiast des Statins, Lactantius Placidus, ein Schriftsteller von mittelmä- ßiger Autorität, berichtet uns noch, daß dieser Kultus Entstehung der Mithrasmysterien 165 von den Persern zu den Phrygiem und von den Phry- giern zu den Römern gelangte.^s Die beiden Schriftsteller verlegen also einstimmig den Ursprung der iranischen Religion, die sich im Abendlande ausbreitete, nach Kleinasien. Und in der Tat weisen uns verschiedene Anzeichen nach dieser Gegend. So spricht die Häufigkeit des Namens Mi- thridates in den Dynastien von Pontus, Kappadozien, Armenien und Kommagene, die ihre Abkunft durch fingierte Stammbäume von den Achämeniden herzu- leiten suchten, für die Verehrung, welche diese Könige dem Mithra entgegenbrachten. Der Mithriazismus, der den Römern zur Zeit des Pompejus bekannt wurde, hatte sich demnach in den anatolischen Monarchien während der vorhergehenden Periode gebildet, die eine Zeit lebhafter moralischer und religiöser Gärung war. Leider haben wir kein ein- ziges Denkmal aus diesem Abschnitt seiner Geschichte. Der Mangel an direkten Zeugnissen über die Entwick- lung der mazdäischen Sekten während der letzten drei Jahrhunderte vor unserer Ära steht einer sicheren Kenntnis des kleinasiatischen Parsismus hindernd im Wege. Man hat in dieser Gegend keinen einzigen dem Mithra geweihten Tempel ausgegraben.i^ Die In- schriften, welche seinen Namen erwähnen, sind dort bis jetzt selten und belanglos. Infolgedessen können wir diesem primitiven Kult, der sich' unseren Nach- forschungen entzieht, nur indirekt näher kommen. In- dem wir das Milieu studieren, in welchem er entstand, werden wir die Merkmale, die ihn im Okzident kenn- zeichnen, zu erklären suchen. Unter der Herrschaft der Achämeniden wurde der i66 Persien Osten Kleinasiens von den Persern kolonisiert. Die anatolische Hochebene ähnelte in kultureller und kli- matischer Hinsicht der iranischen und eignete sich na- mentlich zur Pferdezucht.!^ Der grundbesitzende Adel gehörte in Kappadozien und selbst im Pontus wie in Armenien zur Nation der Eroberer. Unter den verschie- denen Regierungen, die nach dem Tode Alexanders einander ablösten, blieben diese Grundherren die wah- ren Herren des Landes, Clanhäuptlinge, welche den Gau verwalteten, in dem sie ihre Güter hatten, und an den Grenzen Armeniens wenigstens behielten sie durch alle politischen Wandlungen hindurch bis zu Justinian den erblichen Titel „Satrapen", der an ihre persische Herkunft erinnerte.^s Diese militärische und feudale Aristokratie lieferte dem Mithridates Eupator eine gute Anzahl der Offiziere, welche es ihm ermöglichten, den Anstrengungen Roms so lange zu trotzen, und später verstand sie die stets bedrohte Unabhängigkeit Arme- niens gegen die Unternehmungen der Cäsaren zu ver- teidigen. Nun beteten diese Krieger aber Mithra als den Schirmherrn ihrer Waffen an, und aus diesem Grunde blieb Mithra, selbst in der lateinischen Welt, immer der unbesiegbare Gott, der Schutzgott der Heere, dem namentlich von den Soldaten gehuldigt wurde. Neben dem persischen Adel hatte ein persischer Klerus sich auf der Halbinsel angesiedelt. Er versah den Dienst an berühmten Tempeln, die den mazdä- ischen Göttern geweiht waren, zu Zela im Pontus, zu Hierocäsarea in Lydien. Magier, die man Magusäer oder Pyrethen (Feueranzünder) nannte, waren über die ganze Levante zerstreut. Wie die Juden bewahrten sie mit peinlicher Sorgfalt ihre nationalen Sitten und tra- Anatolischer Mazdaismus 167 ditionellen Gebräuche, und zwar in solchem Grade, daß Bardesanes von Edessa, wenn er die Lehren der Astro- logie widerlegen und nachweisen will, daß ein Volk unter verschiedenen Himmelsstrichen dieselben Sitten beibehalten kann, ihr Beispiel anführt.i^ wir kennen den von ihnen ausgeübten Kultus zur Genüge, um des- sen sicher zu sein, daß der syrische Autor ihnen nicht mit Unrecht eine so konservative Gesinnung zuge- schrieben hat. Die Opfer der Pyrethen, welche Strabo in Kappadozien beobachtete, erinnern in allen Einzel- heiten an die avestische Liturgie. Es waren dieselben psalmodierten Gebete vor dem Feueraltar, mit dem hei- ligen Bündel {haresman) in der Hand, dieselben Obla- tionen von Milch, Öl und Honig, dieselben Vorsichts- maßregeln, damit der Atem des Offizianten die heilige orthodoxen Mazdaismus oder dochbeinahe dieselben. Sie Flamme nicht verunreinige. Ihre Götter waren die des beteten Ahura-Mazda an, der in ihren Augen eine Him- melsgottheit geblieben war, wie Zeus und Jupiter es ur- sprünglich gewesen sind. Unter ihm standen deifizierte Abstraktionen wie Vohu-Mano, der gute Gedanke, Ame- retat, die Unsterblichkeit, aus denen der Zoroastrismus seine Amshaspands gemacht hat, die Erzengel, welche den Höchsten umgeben.20 Endlich opferten sie den Na- turgeistern, den Yazatas, wie Anahita oder Anaitis, der Göttin der befruchtenden Wasser, Atar, der Personifi- kation des Feuers, und vor allem Mithra, dem reinen Genius des Lichts. So bildete der Mazdaismus — ein Mazdaisrnus, der ein wenig von dem avestischen ver- schieden' und in gewisser Hinsicht dem primitiven Na- turalismus der Arier näher geblieben war, aber nichts- destoweniger ein scharf ausgeprägter und fest begrün- deter Mazdaismus — das Fundament der Religion der i68 Persien kleinasiatischen Magier und er sollte auch in den abendländischen Mithrasmysterien die solideste Basis ihrer Größe bleiben. Nur — es ist das eine Tatsache, welche die jüng- sten Funde zweisprachiger Inschriften endgültig be- wiesen habendi — die Sprache, welche die iranischen Kolonien Kleinasiens gebrauchten oder wenigstens schrieben, waren nicht ihr altes arisches Idiom, sondern ein semitischer Dialekt, das Aramäische. Dieser diente unter den Achämeniden dem diplomatischen und kom- merziellen Verkehr in allen westlich vom Tigris ge- legenen Ländern. Namentlich in Kappadozien und Ar- menien blieb er bis zu dem Zeitpunkte, wo er während der hellenistischen Periode allmählich durch das Grie- chische ersetzt wurde, die literarische und wahrschein- lich auch die liturgische Sprache. Selbst der Name, den man den Magusäern ( iuaYOucaioi ) gab, ist die ge- naue Transskription eines semitischen Plurals. 22 Diese auf den ersten Blick überraschende Erscheinung er- klärt sich durch die Geschichte der in Kleinasien ein- gewanderten „Magusäer". Sie sind nicht direkt von Persepolis oder Susa dorthin gelangt, sondern über Mesopotamien, und ihr Kultus war nachhaltig beein- flußt durch die Spekulationen des mächtigen Klerus, der an den babylonischen Tempeln seines Amtes wal- tete. Die gelehrte Theologie der Chäldäer drang in den ursprünglichen Mazdais'mus ein, der mehr ein Sam- melsurium von Traditionen und Riten als ein dogma- tisches System war. Die Gottheiten der beiden Reli- gionen wurden identifiziert, ihre Legenden miteinander ausgeglichen, und die semitische Astrologie,eine Frucht langer wissenschaftlicher Beobachtungen, begann die naturalistischen Mythen der Iranier Xu überlagern ; Ahu- Anatolischer Mazdaismus 169 ra-Mazda wurde dem B61 gleicKgesetzt, Anähita der Ishtar und Mithra dem Sonnengott Shamash. Infolge- dessen hieß Mithra in den römischen Mysterien durch- weg Sol Invictus, obwohl er eigentlich von der Sonne verschieden ist, und ein abstruser und komplizierter astronomischer Symbolismus bildete aus diesem Grunde immer einen Teil der den Eingeweihten offenbarten Lehre und bekundete sich in den künstlerischen Kom- positionen, welche die Tempel schmückten. An einem Kultus von Kommagene, dessen wir be- reits früher (S. 131) kurz gedachten, können wir deut- lich genug beobachten, wie sich die Verschmelzuhg des Parsismus mit semitischen und anatolischen Glaubens- vorstellungeri vollzog, denn in diesen Gegenden sind religiöse Wandlungen zu allen Zeiten in der Form des Synkretismus aufgetreten. In der Nähe des Markt- fleckens Doliche verehrte man auf dem Gipfel eines Berges eine Gottheit, die, nachdem sie zahlreiche Ver- körperungen durchlaufen hatte, schließlich ein schir- mender Jupiter der römischen Heere geworden war. Ursprünglich scheint dieser Gott, der den Gebrauch des Eisens erfunden haben sollte, durch einen Stamm von Schmieden, die vom Norden gekommenen Chaly- ber, nach Kommagene gebracht zu sein.^s Man stellt ihn dar auf einem Stiere stehend, in der Hand die Doppelaxt, ein altes Symbol, das auf Kreta in der my- kenischen Epoche verehrt wurde und sich zu Labranda in Karlen und in ganz Kleinasien wiederfindet.^* Diese Bipennis, welche der Gott von Doliche schwang, kenn- zeichnet ihn als den Herrn des Blitzes, der im Gewitter mit krachenden Schlägen die Bäume des Waldes fällt. Auf syrischem Boden ansässig geworden, verband sich dieser Genius des Donners mit irgendeinem lokalen 170 Persien Baal, und sein Kultus nahm alle Merkmale der semi- tischen an. Nach den Feldzügen des Cyrus und der Be- gründung der persischen Herrschaft wurde dieser „Herr des Himmels" leicht mit Ahura-Mazda verwechselt, der gleich ihm, um eine Definition Herodots zu gebrau- chen ^s^ ^,der ganze Kreis des Himmels" war, welchen die Perser ebenfalls auf den Gipfeln hoher Berge an- beteten. Dann, als nach Alexander eine halb iranische, halb hellenische Dynastie über Kommagene herrschte, wurde dieser Baal ein Zeus-Oromasdes ( Ahura-Mazda ), der in den höchsten Räumen des Äthers residierte. Eine griechische Inschrift redet von „himmlischenThronen", wo diese höchste Gottheit die Seelen ihrer Gläubigen empfängt.26 Endlich in den lateinischen Ländern ver- blieb der lapiter Caelus weiterhin an der Spitze des mazdäischen Pantheons ^^^ und in allen Provinzen stellte der lapiter Dvllchenus seine Tempel neben die des Mithra, zu welchem er die engsten Beziehungen unter- hielt.28 Dieselbe Kette von Wandlungen vollzog sich an einer Anzahl anderer Orte mit einer Reihe von ande- ren Göttern.29 Die mithrische Religion entstand somit im wesentlichen aus einer Kombination der iranischen Glaubens Vorstellungen mit der semitischen Theologie und in zweiter Linie mit gewissen Elementen, die den einheimischen Kulten Kleinasiens entlehnt waren. Die Griechen mochten dann später die Namen der per- sischen Gottheiten in ihre Sprache übersetzen und den mazdäischen Kultus in gewisse Formen ihrer Myste- rien kleiden 30; die hellenische Kunst mochte den Ya- zatas die ideale äußere Erscheinung leihen, in der sie die Unsterblichen darzustellen liebte ; die Philosophie, namentlich die stoische Philosophie, mochte sich be- Einzug Mithras in das Abendland ijx mühen, in den Traditionen der Magier ihre eigenen physischen und metaphysischen Theorien wiederzufin- den — trotz aller dieser Ausgleichungen, Anpassungen und Interpretationen blieb der Mithriazismus immer seinem Wesen nach ein chaldäisch imprägnierter Maz- daismus und folglich eine im Grunde genommen bar- barische Religion. Er war jedenfalls viel weniger helle- nisiert als der alexandrinische Kultus der Isis und des Serapis oder selbst der der Großen Mutter von Pessi- nus und erschien infolgedessen der griechischen Welt stets unannehmbar, von der er fast gänzlich ausge- schlossen blieb. Die Sprache selbst liefert dafür einen merkwürdigen Beweis : sie enthält eine Menge von theo- phoren Namen, die mit denen der ägyptischen oder phrygischen Gottheiten zusammengesetzt sind, wie Se- rapion, Metrodoros, Metrophilos — Isidor hat sich bis auf unsere Tage erhalten — aber alle bekannt gewor- denen Derivate von Mithra sind barbarischen Ur- sprungs. Die Griechen nahmen den Gott ihrer Erb- feinde niemals auf, und die großen Zentren der helle- nischen Kultur entzogen sich seinem Einfluß, wie er dem ihrigen fernblieb. 3i Mithra wanderte unmittelbar von Asien in die lateinische Weit ein. Hier vollzog sich die Übernahme ties fremden Gottes mit überraschender Schnelligkeit, sobald der Kontakt hergestellt war. Als der Vormarsch der Römer nach dem Euphrat ihnen gestattete, sich des heiligen Schat- zes zu bemächtigen, den Iran den kleinasiatischen Ma- giern anvertraut hatte, und als ihnen die mazdäischen Glaubensvorstellungen bekannt wurden, welche in der weltabgeschiedenen Einsamkeit der anatolischen Berge zur Reife gelangt waren, da nahmen sie diese mit En- thusiasmus an. Gegen das Ende des ersten Jahrhun- 172 Persien derts von den Soldaten an alle Grenzen des römischen Reiches verpflanzt, hat der persische Kultus zahlreiche Spuren seiner gleichzeitigen Anwesenheit in der Um- gebung der Lager an der Donau und am Rhein, bei den Stationen des britannischen Grenzwalls und in der Nähe der Posten hinterlassen, die staffeiförmig am Rande der Sahara aufgereiht oder in den asturischen Tälern verteilt waren. Um dieselbe Zeit führten ihn die asiatischen Kaufleute in die Mittelmeerhäfen und längs der großen Verkehrsstraßen zu Wasser und zu Lande in alle handeltreibenden Städte ein. Endlich fungierten als seine Missionare die orientalischen Sklaven, die überall waren und zu allen möglichen Dingen verwen- det wurden, im öffentlichen Dienst wie im Privathaus- halt, in den landwirtschaftlichen Betrieben wie in finan- ziellen und bergbaulichen Unternehmungen und vor allem in der kaiserlichen Verwaltung, deren Bureaux sie bevölkerten. Der ausländische Gott gewann bald die Gunst der hohen Beamten und des Herrschers selbst. Am Ende des zweiten Jahrhunderts ließ Com- modus sich in seine Mysterien einweihen, und diese Bekehrung machte ungeheueres Aufsehen. Hundert Jahre später war die Macht Mithras derart gewachsen, daß es einen Augenblick schien, als könnte er seine Rivalen aus dem Orient und dem Okzident verdunkeln und sollte er die ganze römische Welt beherrschen. Im Jahre 307 weihten Diokletian, Galerius und Lici- nius, welche eine feierliche Entrevue in Camuntum an der Donau zusammenführte, dort dem Mithra ein Hei- ligtum als dem „Beschützer ihres Reiches" [fautorl im- perii siii)?'^ Eigenschaften des Mithriazismus 17 j Welche Motive erzeugten die allgemeine Begeiste- rung, welche die obskuren Plebejer wie die Großen der Erde zu den Altären des barbarischen Gottes trieb ? Wir haben schon früher diese Frage durch eine Darstellung dessen zu beantworten versucht, was wir von den Myste- rien des Mithra zu wissen vermochten. Und wir würden Bedenken tragen, hier zu wiederholen, was jeder, der sich darüber unterrichten wollte, in einem großen und sogar in einem kleinen Buche hat lesen können. ^s Aber wir haben in diesem Zusammenhange das Problem un- ter einem anderen Gesichtswinkel zu betrachten. Der persische Kultus ist von allen orientalischen der letzte, der zu den Römern gelangt ist. Welches neue Prinzip hat er ihnen gebracht? Welchen besonderen Eigen- schaften verdankt er seine Überlegenheit? Wodurch zeichnete er sich aus in dem Wettstreit der Bekennt- nisse jeder Herkunft, die damals um die Weltherrschaft rangen ? Es waren nicht seine Lehren über das Wesen der himmlischen Götter, die seine Eigenart ausmachten und ihm seinen besonderen Wert verliehen. Ohne Zweifel ist der Parsismus unter allen heidnischen Religionen diejenige, welche sich am meisten dem Monotheismus nähert; Ahura- Mazda ist hoch über alle anderen himmlischen Geister erhaben. Aber die Lehren des Mithriaizismus sind nicht die zoroastrischen. Von Iran erhielt er vor allem seine Mythen und seine Riten; seine mit chaldäischer Gelehrsamkeit durch und durch getränkt^e Theologie unterschied sich jedenfalls nicht merklich von der der syrischen Priester. Sie stellt an die Spitze der göttlichen Hierarchie eine Abstraktion, welche sie als die erste Ursache betrachtet: die deifi- zierte Zeit, den Zrvan Akarana des Avesta, der die Re- 1^4 Persien volutionen der Gestirne regelt und der absolute Herr aller Dinge ist. Der in den Himmeln thronende Ahura- Mazda ist, wie wir gesehen haben, das Äquivalent des Baal samin geworden, und vor den Magiern führten die Semiten im Okzident die Anbetung der Sonne als des Prinzips alles Lebens und alles Lichtes ein. Der Astrolatrie und Astrologie Babels entstammen dieTheo- rien, die in den Mithräen vorgetragen wurden, wie die der semitischen Tempel, und so erklärt sich der intime Konnex der beiden Kulte. Nicht dieses halb religiöse, halb wissenschaftliche System ist in dem erstgenannten das spezifisch Iranische und Originelle. Auch nicht durch ihre Liturgie haben die persischen Mysterien die Massen gewonnen. Ihre geheimen Zere- monien, die in den Höhlen der Berge oder wenigstens im Dunkel der unterirdischen Krypten vollzogen wur- den, waren ohne Zweifel dazu geeignet, heiliges Grauen einzuflößen; Man fand dort in der Teilnahme an gottes- dienstlichen Mahlen auch sittliche Stärkung und Be- lebung; indem man sich einer Art Taufe unterzog, glaubte man Versöhnung für seine Sünden und Ruhe für sein Gewissen zu erlangen. Aber diese heiligen Mahle und diese reinigenden Waschungen begegnen uns, mit denselben geistlichen Hoffnungen verknüpft, auch in anderen orientalischen Kulten, und das suggestive und prunkvolle Ritual des ägyptischen IQerus war gewiß eindrucksvoller als das der Magier. Das in den Höhlen des persischen Gottes figürlich dargestellte mythische Drama, dessen Schluß katastrophe in der Opferung eines Stieres bestand, welcher als Schöpfer und Erneu- erer dieser irdischen Welt betrachtet wurde, war jeden- falls trivaler und minder pathetisch als der Schmerz und die Trauer der Isis, welche den zerstückelten Leich- Der Dualismus 175 nam ihres Gatten sucht und ihn ins Leben zurückruft, oder als die Klagen und der Jubel der Cybele, die ihren Geliebten Attis beweint und wiedererweckt. Aber Persien führte in die Religion ein wichtiges Prinzip ein: den Dualismus. Er war es, der den Mi- thriäzismus von den anderen Sekten unterschied und seine Dogmatik wie seine Moral beseelte, indem er ihnen eine Bestimmtheit und eine Geschlossenheit ver- lieh, welche bis dahin im römischen Heidentum unerhört war. Er betrachtete das Universum unter einem vorher unbekannten Gesichtswinkel und wies gleichzeitig dem Dasein ein neues Ziel. Zweifellos erscheint der Dualismus, wenn man dar- unter den Gegensatz zwischen Geist und Materie, Vernunft und Sinnlichkeit versteht, schon viel früher in der griechischen Philosophie s* und bildet eine der grundlegenden Ideen des Neupythagoreismus und des Philonischen Denkens. Aber was die Lehre der Ma- gier auszeichnet, ist dies, daß sie das böse Prinzip ver- göttlicht, es dem höchsten Gott als Rivalen gegen- überstellt und verkündet, daß allen beiden kultische Verehrung gebühre. Dieses System, welches für das Problem der Existenz des Bösen, diese Klippe theo- logischer Spekulation, eine offenbar einfache Lösung darbot, zog die gebildeten Geister an, wie es die Massen gewann, die in ihm eine Erklärung für ihre Leiden fanden. Gerade in dem Augenblick, als sich die Mysterien des Mithra verbreiteten, setzt Plutarch es wohlgefällig auseinander und neigt dazu, es anzu- nehmen ^s^ und seit dieser Zeit sieht man in der Lite- ratur die „Gegengötter" (dvTiGeoi)^^ auftauchen, Dä- monen, welche unter dem Befehl der Macht der Fin- sternis 3'i' gegen die himmlischen Geister, die Boten oder I y 6 Persien „Engel" 28 (^QY höchsten Gottheit, streiten. Es sind die Daevas Ahrimans im Kampfe mit den Yazatas des Or- muzd. Eine merkwürdige Stelle bei Porphyrius 39 zeigt uns, wie schon die ersten Neuplatoniker die persische Dä- monologie ihrem System eingegliedert haben. Unter der höchsten Gottheit, die unkörperlich und unteilbar ist, unter den Sternen und den Planeten leben unzäh- lige Dämonen ^0; manche haben einen besonderen Na- men erhalten •- — es sind die Götter der Nationen und der Staaten — der Rest bildet eine anonyme Masse. Sie zerfallen in zwei Heerhaufen : die einen sind wohl- tätige Geister; sie schenken den Pflanzen und Tieren Fruchtbarkeit, der Natur schönes Wetter, dem Men- schen die Wissenschaft. Sie dienen als Mittler zwischen den Gottheiten und ihren Verehrern, indem sie Huldi- gungen und Gebete zum Himmel hinauf, Vorzeichen und Weissagungen vom Himmel herab bringen. Die anderen dagegen sind böse Geister, welche die der Erde benachbarten Räume bewohnen, und es gibt nichts Schlechtes, das sie nicht ins Werk zu setzen be- strebt sind.*i Gewalttätig und listig, ungestüm und ver- schlagen zugleich, sind sie die Urheber alles Unglücks, das über die Erde hereinbricht: Seuchen, Hungersnöte, Stürme, Erdbeben sind ihre Werke. Sie entzünden im Herzen der Menschen unselige Leidenschaften und ver- botene Wünsche und stiften Kriege und Revolutionen an. Im Täuschen gewandt, haben sie Wohlgefallen an Lüge und Betrug; sie begünstigen das Blendwerk und die Mystifikationen der Zauberer ^^ und weiden sich an den blutigen Opfern, welche die Magier ihnen allen und namentlich ihrem Anführer darbringen. Mit diesen nahe verwandte Lehren wurden jeden- Der Dualismus 177 falls in den Mithxasmysterien verkündet; Ahriman [Arltnanlus), der König des düsteren Reiches der Unter- welt, der Herr der höllischen Geister, wurde in ihnen kultisch verehrt.*^ Dieser Kultus hat sich im Orient bei Iden Yezidis oder Teufelsanbetern bis auf die Gegen- wart erhalten. Wenn Theodor von Mopsuestia in seiner Schrift gegen die Magier^* von Ahriman spricht, so nennt er ihn Satan (Saxaväc). In der Tat besteht zwischen diesen beiden Gestalten eine auf den ersten Blick über- raschende Ähnlichkeit. Sie sind beide die Häupter eines zahlreichen Heeres von Dämonen; jeder von beiden ist der Geist des Irrtums und der Lüge, der Fürst der Finsternis, der Versucher und der Verderber. Man könnte ein beinahe identisches Bild von diesen beiden Doppelgängern entwerfen, und tatsächlich handelt es sich um ein und dieselbe Figur unter verschiedenem Namen. Man nimmt allgemein an, daß das Judentum den Mazdäern mit einem Teil ihres Dualismus die Vor- stellung eines Widersachers Gottes entlehnt hat.^s £5 ist daher sehr natürlich, daß die jüdische Lehre, deren Erbin das Christentum wurde, der der Mithrasmysterien ähnlich ist. Ein großer Teü der mehr oder weniger orthodoxen Gedanken und Bilder, aus denen im Mittel- alter das Schreckgespenst der Hölle und des Teufels erwuchs, flössen ihm mithin von Persien auf einem dop- pelten Umwege zu: einerseits durch' die jüdisch-christ- liche, kanonische oder apokryphe Literatur, anderseits durch die Überlebsel des Mithraskultes und die ver- schiedenen Manichäersekten, die in Europa die alten iranischen Lehren über den Gegensatz der beiden Welt- prinzipe weiter verkündigten. Aber die theoretische Zustimmung der Geister zu Cumont, Die oriental. Religionen 12 178 Persien Dogmen, welche sie befriedigen, genügt noch nicht, um sie für eine Religion zu gewinnen. Diese muß ihnen neben Gründen des Glaubens Motive des Han- delns und Gegenstände der Hoffnung schenken. Der iranische Dualismus war nicht nur eine bedeutende me- taphysische Konzeption; er bildete auch die Grundlage einer überaus kraftvollen Moral. Es war vor allem diese Moral, welche in der römischen Gesellschaft des zwei- ten und dritten Jahrhunderts mit ihrem unbefriedigten Verlangen nach vollkommener Gerechtigkeit und Hei- ligkeit den Erfolg der mithrischen Mysterien sicherte. Eine leider zu bündige Redewendung des Kaisers Julian ^6 lehrt uns, daß Mithra seinen Eingeweihten „Gebote" (evioXai) gab und deren getreue Erfüllung in dieser wie in jener Welt belohnte. Das Gewicht, welches die Perser auf ihre eigenartige Ethik legten, die Strenge, mit der sie auf die Erfüllung ihrer Vor- schriften hielten, ist vielleicht der bezeichnendste Zug ihres nationalen Charakters, wie er uns im Lichte der Geschichte entgegentritt. Eine Rasse von Eroberem, standen sie, wie die Römer, unter straffer Disziplin und empfanden, wie jene, ihre Notwendigkeit für die Verwaltung eines ausgedehnten Reiches. Zwischen den beiden Herrschervölkern bestanden verwandte Bezie- hungen, welche sie über die griechische Welt hinweg miteinander verknüpften. Der Mazdaismus brachte dem alten lateinischen Gefühl, daß die Religion eine prak- tische Wirkung haben müsse, die langersehnte Befrie- digung, regelte den Lebenswandel der Individuen und trug zum Wohl des Staates bei.*^ Indem er hier die im- perative Moral Irans einführte, flößte Mithra dem Hei- dentum des Abendlandes neue Kraft ein. Leider ist uns der Wortlaut des mithrischen Deka- Die mithrische Moral 179 logs nicht erhalten, und wir können daher seine Hauptvorschriften nur auf induktivem Wege rekon- struieren. Mithra, der alte Genius des LichteS;, ist im Zoroastris- mus der Gott der Wahrheit und der Gerechtigkeit gewor- den und es im Okzident geblieben. Er ist der mazdäische Apollon, aber während der Hellenismus mit seinem re- geren Schönheitssinn in dem Bilde seines Apollon die ästhetischen Eigenschaften weiter entwickelt hat, haben die Perser, in ihrem Denken vor allem den Aufgaben des sittlichen Lebens zugewandt, bei Mithra den morali- schen Charakter betont.-^ Ein Zug, welcher den in die- ser Hinsicht wenig skrupulösen Griechen bei ihren orientalischen Nachbarn aufgefallen war, war ihr Ab- scheu vor der Lüge; diese war tatsächlich in Ahriman verkörpert. Mithra war immer der Gott, den man als Bürgen des gegebenen Wortes anrief, und der die strikte Erfüllung übernommener Verpflichtungen si- cherte. Die absolute Eidestreue mußte eine der wich- tigsten Tugenden für eine Religion von Soldaten sein, deren erste Handlung nach ihrer Einreihung in das Heer darin bestand, daß sie dem Herrscher Gehorsam und Ergebenheit schwuren. Man pries im Kreise ihrer Anhänger Loyalität und Biedersinn und pflegte ohne Zweifel Anschauungen, die unserem modernen Ehrbe- griff sehr nahe standen. Neben dem Respekt vor der Autorität predigte man hier brüderliche Gesinnung. Die Eingeweihten betrach- teten sich sämtlich als Söhne desselben Vaters, die in wechselseitiger Zuneigung verbunden sein sollten. Er- weiterten sie die Nächstenliebe bis zu jener universellen Charitas, die von der Philosophie und vom Christen- tum gelehrt wurde? Der Kaiser Julian, der ein from- 12* l8o Persien mer Myste war, stellt mit Vorliebe ein ganz ähnliches Ideal auf, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß: sich die iMithriasten gegen das Ende des Heidentums zu dieser Auffassung ihrer Pflicht auf schwangen '^9. Aber sie waren nicht ihre Urheber. Sie scheinen mehr Ge- wicht auf männliche Eigenschaften als auf Mitleid oder Sanftmut gelegt zu haben. Die Brüderlichkeit dieser Eingeweihten, die den Namen „Soldaten" erhielten, war ohne Zweifel weit mehr mit der Kameradschaft in einem Regiment verwandt — den Korpsgeist nicht aus- genommen — als mit der Nächstenliebe, welche die Werke der sich aller Notleidenden annehmenden Barm- herzigkeit beseelt. In der Vorstellung aller primitiven Völker ist die Natur mit unreinen und boshaften Geistern erfüllt, welche diejenigen verderben und quälen, die ihre Ruhe stören. Aber der Dualismus verlieh diesem allgemeinen Glauben mit der dogmatischen Begründung eine un- erhörte Kraft. Der ganze Mazdaismus wird von den Ideen der Reinheit und der Unreinheit beherrscht. „Keine Religion der Welt hat jemals so vollkommen in dem Dienste eines kathartischen Ideals gestanden." ^^ Vollkommene Reinheit war das Ziel, dem das Leben des Gläubigen zustreben sollte. Mit unendlicher Vor- sicht mußte er es vermeiden, die göttlichen Elemente, wie Wasser und Feuer, oder auch seine eigene Person zu verunreinigen, und sich, um jede Befleckung zu til- gen, vielfachen Lustrationen unterziehen. Aber eben- sowenig wie in den syrischen Kulten der Kaiserzeit (S. 139 f . ) waren diese Riten im Mithriazismus ein äuße- rer, mechanischer, körperlicher, von der alten Idee des tabu erfüllter Vorgang geblieben. Die mithrische Taufe wusch sittliche Makel ab; die Reinheit, nach Die mithrische Moral i8i der man sich sehnte, hatte geistigen Charakter er- halten. Diese vollkommene Reinheit unterscheidet die per- sischen Mysterien von denen aller anderen orienta- lischen Götter. Serapis ist der Bruder und der Gemahl der Isis; Attis der Geliebte der Cybele; jeder syrische Baal ist mit einer Gefährtin verbunden — Mithra lebt einsam, Mithra ist keusch, Mithra ist heilig {sanctus) ^i und an die Stelle der Anbetung der fruchtbaren Natur setzt er eine neue Verehrung, die der Enthaltsamkeit. Aber wenn der Kampf gegen die Sinnlichkeit lo- benswert ist, wenn das Vollkommenheitsideal dieser mazdäischen Sekte sich schon der Askese zuneigt, in welche der manichäische Tugendbegriff umschlug, so wird doch das Gute nicht nur durch Entsagung und Herrschaft über sich selbst, sondern auch durch die Tat verwirklicht. Es genügt nicht, daß eine Religion einen Pflichtenkodex aufstellt; um wirksam zu sein, muß sie Motive für seine praktische Erfüllung an die Harid geben. Der Dualismus — gerade hier macht sich sein Einfluß vor allem geltend — war besonders dazu an- getan, die individuelle Anstrengung zu begünstigen und die menschliche Energie zu entwickeln. Die Welt ist der Schauplatz eines beständigen Kampfes zwischen zwei Mächten, die sich in die Herrschaft über sie teilen, und das Ziel, welches sie erreichen soll, ist die Beseiti- gung des Bösen und die unbestrittene Herrschaft, das ausschließliche Regiment des Guten. Die Tiere und die Pflanzen wie die Menschen stehen sich in zwei feindlichen Lagern gegenüber, und unversöhnliche Feindschaft trennt sie voneinander; die ganze Natur nimmt teil an dem ewigen Kampfe der beiden entge- gengesetzten Prinzipien. Die von dem höllischen Geiste 1 8 2 Persien geschaffenen Dämonen tauchen unaufhörlich aus der Tiefe auf, um über die Oberfläche der Erde zu schwei- fen; sie dringen überall ein und überallhin tragen sie Verderben, Angst, Krankheit und Tod. Die Himmels- geister und die Frommen müssen ihre unablässig wie- derholten Angriffe immer wieder abschlagen. Jener Kampf setzt sich fort und spiegelt sich in Herz und Gewissen des Menschen, des Mikrokosmos, wo das gott- liche Gesetz der Pflicht und die Einflüsterung der bösen Geister miteinander streiten. Das Leben ist ein Krieg ohne Waffenstillstand und ohne Erbarmen. Die Auf- gabe des wahren Mazdäers besteht darin, in jedem Augenblick das Böse zu bekämpfen und so allmäh- lich den Triumph des Ormuzd in der Welt herbeizu- führen. Der Gläubige ist der Mitarbeiter der Götter bei ihrem Werk der Reinigung und der Vollendung. Die Mithriasten verloren sich nicht wie andere Sekten in beschauliche Mystik; ihre agonistische Moral, ich wiederhole es, begünstigte in hervorragender Weise das Handeln, und in «iner Zeit der Erschlaffung, der Anarchie und der Verwirrung fanden die Eingeweihten in ihren Vorschriften Antrieb, Halt und Stütze. Der Wi- derstand gegen die Verlockungen niedriger Instinkte erschien ihnen in dem Glänze kriegerischer Helden- taten, und so wurde ihr Charakter durch ein wirksames Prinzip des Fortschritts bereichert. Indem der Dualis- mus eine neue Weltanschauung brachte, verlieh er auch dem Leben einen neuen Sinn. Derselbe Dualismus bestimmt auch die eschatolo- gischen Vorstellungen der Mithriasten, und das Ringen zwischen Himmel und Hölle findet in der Welt jen- seits des Grabes seine Fortsetzung, ^2 Mithra ist nicht nur der „unbesiegbare" Gott, welcher seinen Gläubigen Das zukünftige Leben 183 in ihrem Kampfe gegen die Bosheit der Dämonen bei- steht, der starke Gefährte, der in den Versuchungen der Menschen ihrer Schwachheit aufhilft. Als Gegner der höllischen Mächte sichert er das Heil seiner Schutz- befohlenen im Jenseits wie hienieden. Wenn nach dem Tode der Geist der Verwesung sich des Leichnams be- mächtigt, so kämpfen die Geister der Finsternis und die Boten des Himmels um den Besitz der Seele, die ihrem fleischlichen Gefängnis entronnen ist. Sie wird vor ein Gericht gestellt, bei dem Mithra den Vorsitz führt, und wenn ihre Verdienste, auf die Wage des Gottes gelegt, ihre Sünden übertreffen, so verteidigt er sie gegen die Diener Ahrimans, die sie in den Ab- grund der Hölle zu schleppen versuchen, und führt sie den himmlischen Räumen zu, wo Jupiter-Ormuzd in ewiger Klarheit thront. Die Mithriasten glaubten nicht, wie die Anhänger des Serapis, daß der Ort der Se- ligen in den Tiefen der Erde läge^S; dieses dunkle Reich ist für sie die Domäne der bösen Wesen: die Seelen der Gerechten wohnen in dem ewigen Lichte, das über den Sternen leuchtet, und auf der Reise durch die Planetensphären jeder Sinnlichkeit und jeder Be- gierde entkleidet 5*, werden sie so rein wie die Götter, deren Genossen sie fortan bleiben. Am Ende der Welt sollen auch die Leiber sogar jener Seligkeit teilhaftig werden, denn, wie bei den Ägyptern (S. 1 17), so ist es hier die ganze menschliche Persönlichkeit, welche zum Genuß des ewigen Lebens berufen ist. Wenn die Zeit vollendet ist, dann wird Mithra alle Menschen auferwecken und den Guten einen wunderbaren Trank reichen, der ihnen Unsterb- lichkeit verleiht, während die Bösen samt Ahriman selbst vernichtet werden. 184 Persien Unter allen orientalischen Kulten bildet keiner ein so festgeschlossenes System wie dieser; keiner hatte solchen sittlichen Schwung und konnte die Geister und die Herzen so gefangen nehmen. In vieler Hinsicht gab er der heidnischen Welt die endgültige Form ihres religiösen Bekenntnisses, und die Einwirkung der Ideen, welche er verbreitet hat, ging weit über den Mo- ment hinaus, in dem er eines gewaltsamen Todes starb. Der iranische Dualismus hat in Europa gewisse Prin- zipien heimisch gemacht, die nicht nur seine römi- sehen Gegner beeinflußt haben, sondern die bis auf den heutigen Tag wirksam sind, und seine gesamte Ge- schichte beweist mithin die Tatsache, auf welche wir bereits zu Anfang hindeuteten: die defensive und die aggressive Kraft der persischen Kultur und Religion.ss Beide waren von so selbständiger Originalität, daß sie im Orient nicht nur der Absorption durch den Hellenis- mus widerstanden und die christliche Propaganda zum Scheitern brachten, sondern selbst durch die zerstö- rende Gewalt des Islams nicht ausgerottet werden konn- ten. Firdusi verherrlicht noch die alten nationalen Über- lieferungen und die mythischen Heroen des Mazdais- mus, und während die Idolatrie Ägyptens, Syriens und Kleinasiens verschwunden oder von ihrer einstigen Höhe herabgesunken ist, gibt es noch heute Anhänger Za- rathustras, welche die Zeremonien des Avesta fromm vollziehen und den reinen Kult des Feuers pflegen. Der mithrische Mazdaismus wäre ferner beinahe — und das ist ein neuer Beweis für seine Lebenskraft — im dritten Jahrhundert eine Art Staatsreligion des rö- mischen Reiches geworden. Oft hat man bei dieser Ge- legenheit das Rort Renans^e zitiert : „5/ le chnsüanlstne eüt ete arrete dans sa Crotssance par quelque malädie Ergebnis 185 mortelle, le motide eut eU miihrtastej' Der berühmte Gelehrte hat, als er diesen kühnen Gedanken dachte, ohne Zweifel einen Augenblick über die Gestalt nach- gesonnen, welche diese arme Welt dann angenommen haben würde. Vermutlich hat er sich' dabei auch vorgestellt, was einer seiner Schüler uns einreden möchte 5'^, nämlich daß dann die Moral der Menschheit kaum eine andere geworden wäre — ein wenig männ- licher vielleicht, etwas weniger barmherzig, aber nur um eine geringe Nuance. Die gelehrte Theologie, welche die Mysterien verkündeten, würde augenschein- lich einen lobenswerten Respekt vor der Wissenschaft gezeigt haben, aber da ihre Dogmen auf einer ver- kehrten Physik beruhten, so würde sie offenbar eine unendliche Masse von Irrtümern konserviert haben : die Astronomie würde nicht verschwunden sein, aber die Astrologie wäre unausrottbar gewesen, und noch heute würde sich, wie sie es forderte, der Himmtel um die Erde drehen. Eine besonders große Gefahr wäre, so scheint es, die Begründung eines theokratischen Ab- solutismus durch die Cäsaren gewesen, dem die orien- talischen Lehren über die Gottheit der Könige zur Stütze gedient hätten; der Bund zwischen Thron und Altar würde dann unauflöslich geworden sein, und Eu- ropa niemals den im großen und ganzen doch leben- weckenden Kampf zwischen Kirche und Staat kennen gelernt haben. Aber anderseits trug die Disziplin des Mithriazismus, welche die individuelle Energie förderte, und die demokratische Verfassung seiner Assoziationen, in denen sich Senatoren und Sklaven zusammenfanden, einen Keim der Freiheit in sich Man könnte lange über diese entgegengesetzten Möglichkeiten dis- kutieren; aber es gibt kaum ein müßigeres Spiel der l86 Persien Gedanken als den Versuch, die Geschichte noch einmal zu machen und Vermutungen darüber anzustellen, was geschehen sein würde, falls sich ein solches Ereignis nicht begeben hätte. Welche Vision könnte uns die unbekannten Ufer schauen lassen, die der Strom der Wirkungen und Gegenwirkungen, der uns mit sich fort- trägt, dann mit seinen Wellen bespült haben würde, wenn er einst von seinem tatsächlichen Laufe ab- gewichen wäre ? vn. ASTROLOGIE UND MAGIE Wenn wir die unbedingte Autorität gewahren, welche die Astrologie in der römischen Kaiserzeit besitzt, so können wir uns eines Gefühls der Überraschung kaum erwehren. Wir begreifen nur schwer, daß man sie als die vornehmste aller Künste und als die Königin der Wissenschaften feiern konnte.i Nur mit Mühe vergegen- wärtigen wir uns die kulturellen Verhältnisse, die ein solches Phänomen möglich machten, weil unsere Geistes- verfassung heute eine ganz andere geworden ist. Nach und nach hat sich die Überzeugung durchgesetzt, daß man die Zukunft — wenigstens die Zukunft des Men- schen und der Gesellschaft — nicht zu erkennen, son- dern nur Mutmaßungen darüber aufzustellen vermag. Der Fortschritt des Wissens hat zum Nichtwissen ge- führt. Anders lagen die Dinge im Altertum : der Glaube an Orakel und Weissagungen war allgemein verbreitet. Nur die alten Methoden der Divination waren im Be- ginn unserer Zeitrechnung mit dem Rest der griechisch- römischen Religion in einen gewissen Mißkredit ge- raten. Man glaubte nicht mehr recht daran, daß die Gier oder die Unlust, welche die heiligen Hühner ihrem Futter gegenüber bewiesen, oder auch die Richtung des Vogelflugs zukünftige Erfolge oder Mißgeschicke ankündigten. Die hellenischen Orakel waren verein- i88 Astrologie und Magie samt und schwiegen. Die Astrologie dagegen erschien damals in dem vollen Glänze einer exakten Wissein- schaft, die auf unendlich langer Erfahrung beruhte. Sie machte sich anheischig, die Ereignisse im Leben, des einzelnen mit derselben Sicherheit vorherzusagen wie das Datum einer Eklipse. Die Welt fühlte sich un- widerstehlich zu ihr hingezogen. Nach und nach drängte sie all die alten Methoden, die man ersonnen hatte, um die Rätsel der Zukunft zu lösen, in den Hintergrund und brachte sie in Vergessenheit. Die Haruspizin und die augurale Kunst wurden aufgegeben, und nicht ein- mal die Orakel schützte ihr alter Ruf gegen den un- aufhaltsam fortschreitenden Verfall. Dieses ungeheure Wahngebilde wandelte den Kultus wie die Divination um; es durchdrang alles mit seinem Geiste. Und in der Tat, wenn das wesentliche Charakteristikum der Wissenschaft in der Fähigkeit zur Voraussage besteht, wie manche Gelehrte noch heute meinen 2, dann konnte keine Disziplin sich mit dieser messen oder sich ihrem Einfluß entziehen. Ihr Erfolg war an den der orientalischen Religionen gebunden, welche der Astrologie ihre Unterstützimg liehen, wie sie diesen die ihrige gewährte. Wir haben gesehen, wie sie in das semitische Heidentum einge- drungen war, den persischen Mazdaismus umgewandelt imd sogar den exklusiven Hochmut der ägyptischen Priester zur Unterwerfung gebracht hatte.^ Ohne Zweifel wurden in Alexandrien, um das Jahr 1 50 v. Chr.*, in griechischer Sprache mystische Traktate verfaßt, die man dem alten Pharao Nechepso und seinem Vertrauten, dem Priester Petosiris zuschrieb, nebelhafte und abstruse Werke, die im gewissen Sinne die heiligen Bücher des neuen Glaubens an die Macht der Gestirne wurden. Um Einführung der Astrologie in den Okzident 189 dieselbe Zeit beginnt sich in Italien die chaldäische Genethlialogie zu verbreiten, für welche vorher ein Diener des Gottes B^l, der von Babylon nach der Insel Kos gelangt war, Berosos, die Neugierde der Griechen mit Erfolg in Anspruch genommen hatte.^ Im Jahre 139 vertreibt ein Prätor gleichzeitig mit den Juden die Chatdäel aus Rom. Aber alle Diener der syrischen Göttin, die sich bereits in beträchtlicher An- zahl im Abendlande vorfanden, waren die Klienten und die Anwälte dieser orientalischen Propheten (S. 122), und die getroffenen polizeilichen Maßregeln vermoch- ten die Ausbreitung ihrer Lehren ebensowenig zu hin- dern wie die der asiatischen Mysterien. Zur Zeit des Pompejus schrieb ein für den Okkultismus sehr einge- nommener Senator, Nigidius Figulus, in lateinischer Sprache über die barbarische Uranographie. Aber der Gelehrte, dessen Ansehen vor allem dazu beitrug, der geheimnisvollen Kunst der Sterndeutung Eingang zu verschaffen, war ein syrischer Philosoph von enzyklo- pädischem Wissen, Posidonius von Apamea, der Lehrer Ciceros.^ Die Werke dieses ebenso kenntnisreichen als frommen Denkers waren von unvergleichlicher Be- deutung für die Entwicklung der gesamten römischen Theologie. In der Kaiserzeit, als die semitischen Ba'alim und Mithra ihre Triumphe feiern, macht auch die Astro- logie überall ihren Einfluß geltend. In dieser Epoche huldigen ihr alle: die Cäsaren werden ihre eifrigen Adepten, oft auf Kosten der alten Kulte. Tiberius ver- nachlässigt die Götter, weil er nur an das Schicksal glaubt '^, und Otho, erfüllt von blindem Vertrauen auf seine orientalischen Wahrsager, marschiert gegen Vi- tellius trotz der unheilvollen Vorzeichen, die seinen offi- igo Astrologie und Magie ziellen Klerus erschrecken. ^ Die ernsthaftesten Gelehr- ten, wie Ptolemäus unter den Antoninen, beschäftigen sich mit den Prinzipien dieser vermeintlichen Wissen- schaft, und die besten Geister erkennen sie an. In der Tat unterscheidet eigentlich keiner mehr zwischen der Astronomie und ihrer illegitimen Schwester. Die Lite- ratur bemächtigt sich dieses neuen und schwierigen Themas, und schon unter Augustus oder Tiberius ver- suchte Manilius in seiner Begeisterung für den side- rischen Fatalismus die trockene „Mathematik" poetisch zu gestalten, wie Lucretius, dessen Rivale er ist, es be- züglich des epikureischen Atomismus getan hatte. So- gar die Kunst sucht hier Anregungen und findet Ge- fallen daran, die Gestirngottheiten darzustellen: die Architekten erbauen in Rom und den Provinzen prunk- volle sepüzonia nach dem Vorbilde der sieben Sphären, in denen sich die Planeten, die Herren unserer Ge- schicke, bewegen.9 Anfangs aristokratisch i° — denn ein genaues Horoskop zu erhalten ist eine komplizierte Sache, und eine Konsultation kostet viel Geld — wird die asiatische Divination rasch populär, namentlich in den städtischen Zentren, die von morgenländischen. Sklaven wimmeln. Die gelehrten Genethlialogen an den Observatorien hatten obskure Kollegen, die an den Straßenecken oder in den Höfen der Landgüter wahr- sagten. Selbst die vulgären Epitaphe, die nach einem Wort de Rossis das Gesindel unter den Inschriften dar- stellen, haben Spuren dieser Glaubens Vorstellungen be- wahrt. Es wird üblich, in ihnen die Stunde der Geburt genau anzugeben, denn diese hat bereits über die Stunde des Todes entschieden: Nascentes morimur, finisque ab origine pendet.^^ Die Astrologie in der Kaiserzeit iqi Bald will man nichts mehr unternehmen, sei es Großes öder Kleines, ohne den Astrologen zu be- fragen. Nicht nur über die wichtigeren Ereignisse der Öffentlichkeit, wie die Operationen eines Feldzuges, die Gründung einer Stadt oder die Thronbesteigung eines Fürsten möchte man seine Voraussagen hören; nicht nur eine Heirat, eine Reise, ein Umzug, sondern die unbedeutendsten Verrichtungen des täglichen Le- bens werden in allem Ernste von seinem Gutachten abhängig gemacht. Man ladet nicht mehr zu einem Diner ein oder nimmt eine solche Einladung nicht mehr an, man geht nicht mehr ins Bad oder zu seinem Fri- seur, man wechselt nicht mehr die Kleider, man feilt sich nicht mehr die Nägel, ohne den günstigen Moment dazu abgewartet zu haben. ^^ d{q Sammlungen von „Ini- tiativen" (Kaxapxcti), die auf uns gekommen sind, ent- halten Fragen, die uns lächeln lassen. Ob ein Sohn, dessen Geburt bevorsteht, eine große Nase haben wird ? Ob eine Tochter, die zur Welt kommt, galante Abenteuer haben wirdpi^ Und gewisse Vorschriften erscheinen fast wie eine Parodie : wer sich bei zunehmendem Monde die Haare schneiden läßt, wird kahlköpfig — offenbar ist hier die Analogie maßgebend gewesen.^* Das ganze Dasein der Individuen wie der Staaten bis zu seinen unbedeutendsten Vorkommnissen hängt also von den Gestirnen ab. Die unbedingte Herrschaft, welche sie nach allgemeiner Annahme über das täg- liche Geschick eines jeden ausübten, modifizierte sogar die Umgangssprache und hat Spuren in allen Derivaten des Lateinischen hinterlassen. Wenn wir z. B. die fran- zösischen Namen der Wochentage Lundi, Mardi, Mer- credi gebrauchen, so treiben wir Astrologie, ohne es zu wissen, denn gerade diese lehrte, daß der erste dem ig 2 Astrologie und Magie Monde, der zweite dem Mars, der dritte dem Merkur unterstände, wie die vier letzten den anderen Planeten; und wir legen diesen Gestirnen, ohne daran zu denken, noch ihre alten Eigenschaften bei, wenn wir von einem martialischen, jovialen oder limatischen Charak- ter reden. 1^ Indessen ist anzuerkennen, daß der griechische Geist sich gegen den Wahn aufzulehnen versuchte, der sich der Welt bemächtigte, und seit der Epoche ihrer Aus- breitung fand die Apotelesmatik Gegner unter den Phi- losophen. Der scharfsinnigste dieser Gegner war im zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung der Pro- babilist Karneades. Die topischen Argumente, die er geltend gemacht hatte, wurden von den späteren Pole- mikern in tausend Formen wieder aufgenommen, repro- duziert und weiter entwickelt. So dieses : sind alle Men- schen, die in einer Schlacht oder bei einem Schiffbruch zusammen umkommen, in demselben Augenblick ge- boren, weil sie dasselbe Los ereilt hat? Oder umgekehrt: Sehen wir nicht oft, daß Zwillinge, die um dieselbe Zeit zur Welt gekommen sind, die ungleichartigsten Charaktere und die verschiedensten Schicksale haben? Aber die Dialektik ist eine Art Fechtkunst, in der sich die Griechen immer ausgezeichnet haben, und die Verteidiger der Astrologie fanden auf alles eine Ant- wort. Sie bemühten sich namentlich, die augenschein- lichen Wahrheiten zu erhärten, auf denen das ganze Lehrgebäude ihre Kunst beruhte: die Wirkung, welche die Gestirne auf die Phänomene der Natur und den Charakter der Individuen ausübten. Kann man leugnen, so sagten sie, daß die Sonne die Vegetation erstehen und vergehen läßt, daß sie die Tiere brünstig macht oder sie in lethargischen Schlummer versenkt? Hängt Ohnmacht der Polemik gegen die Astrologie iqj die Bewegung der Gezeiten nicht vom Lauf des Mondes ab? Ist der Eintritt gewisser Konstellationen nicht in jedem Jahr von Stürmen begleitet? Sind endlich die physischen und moralischen Eigenschaften der Rassen nicht offenbar durch das Klima bestimmt, unter dem sie leben? Der Einfluß des Himmels auf die Erde ist un- verkennbar, und wenn man die Einwirkung der Gestirne zugibt, dann sind auch alle Voraussagen, welche sich auf diese gründen, berechtigt. Nimmt man das grund- legende Prinzip einmal an, so. ergeben sich aus ihm die entsprechenden Lehrsätze in logischer Weise von selbst. Dieses Räsonnement erschien im allgemeinen un- widerleglich. Die Astrologie hatte vor dem Auftreten des Christentums, von dem sie namentlich wegen ihres Zusammenhangs mit dem Götzendienst bekämpft wurde, kaum noch andere Gegner als die, welche die Möglichkeit jeder Wissenschaft leugneten: die Neu- akademiker, welche behaupteten, daß der Mensch nie* zur Gewißheit gelangen könne, und die radikalen SkeJD- tiker, wie Sextus Empiricus. Aber unterstützt von den Stoikern, die — abgesehen von wenigen Ausnahmen — ihr günstig gesinnt waren, ging die Astrologie, wie man behaupten darf, siegreich aus den ersten Schiachton hervor, die ihr geliefert wurden : die Einwände, die man gegen sie erhob, hatten nur zur Folge, daß einige ihrer Theorien modifiziert wurden. Später sicherte die all- gemeine Abnahme des kritischen Geistes ihr eine fast unbestrittene Herrschaft. Die Angriffe ihrer Gegner er- neuerten sich nicht ; sie beschränkten sich vielmehr dar- auf, hundertmal bekämpfte, wenn nicht widerlegte Argu- mente wieder hervorzuholen, die obendrein recht ver- braucht erschienen. Am Hofe der Severer hätte der, welcher den Einfluß der Planeten auf die Ereignisse Gumont, Die oriental. Religionen 13 ig4 Astrologie und Magie dieser Welt geleugnet hätte, für unvernünftiger ge- golten als heute der, welcher ihn behauptet. Aber, wird man sagen, wenn es den Theoretikern nicht gelang, die lehrhafte Grundlage der Apoteles- matik als falsch nachzuweisen, so mußte doch die Er- fahrung ihre Verkehrtheit dartun. Ohne Zweifel muß- ten zahlreiche Irrtümer vorkommen und grausame Ent- täuschungen hervorrufen. Nach dem Verlust eines vier- jährigen Kindes, dem man eine glänzende Zukunft ge- weissagt hatte, brandmarken seine Eltern in seiner Grab- inschrift den „lügnerischen Mathematiker, dessen über- aus großer Ruf sie alle beide betrogen habe''.^^ Aber keiner dachte daran, die Möglichkeit solcher Irrtümer zu leugnen. Wir haben noch Texte, in denen die Astro- logen selbst offenherzig und gelehrt auseinandersetzen, wie sie sich in einem solchen Falle getäuscht haben, weil sie ein Datum des Problems nicht berücksichtigten. ^'^ Manilius erschrickt trotz seines grenzenlosen Vertrauens auf die Kräfte der Vernunft über die Schwierigkeit einer Aufgabe, welche ihre Leistungsfähigkeit anscheinend übersteigt 18^ und im zweiten Jahrhundert beklagt Vet- tius Valens sich bitter über die verwünschten unklaren Köpfe, die sich als Propheten gerieren, ohne die dazu notwendige lange Vorbereitung absolviert zuhaben, und so die Astrologie, auf die sie sich zu berufen wagen, verhaßt oder lächerlich machen.i^ Man muß dabei im Auge behalten, daß diese nicht nur eine Wissenschaft (eTricxrmri), sondern auch eine Kunst (xexvri) war, gerade wie die Medizin — heute despektierlich, war dieser Vergleich in den Augen der Alten nur schmeichel- haft. 20 Die Beobachtung des Himmels ist, wie die des menschlichen Körpers, eine unendlich delikate Sache; es ist ebenso heikel, ein Geniturthema zu ermitteln als Ohnmacht der Polemik gegen die Astrologie iq^ eine Diagnose zu stellen, ebenso schwierig, die kosmi- schen Symptome zu deuten als die unseres eigenen Orga- nismus. Indem einen wie in dem anderen Falle sind die Elemente kompliziert, und die Möglichkeit des Irrtums ist unbegrenzt. Alle Beispiele von Kranken, die trotz des Arztes oder durch seine Schuld gestorben sind, wer- den den, der von körperlichen Leiden gequält wird, nicht abhalten, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen; und ebenso werden diejenigen, deren Seele von Ehrgeiz oder Unruhe verzehrt wird, ihre Zuflucht zur Astrologie nehmen, um ein Heilmittel für das moralische Fieber zu finden, das sie schüttelt. Der Kalkulator, welcher behauptet, daß er den Zeitpunkt des Todes bestimmen könne, wie der Praktiker, der ihn hinauszuschieben ver- spricht, sammeln eine Schar von ängstlichen Klienten um sich, die aus lauter solchen Menschen besteht, welche sich in Gedanken mit diesem furchtbaren Termin be- schäftigten. Femer, wie man von wunderbaren Kuren spricht, so erzählt man sich auch von frappanten Vor- aussagen — und nötigenfalls erfindet man sie. Der Wahr- sager hat gewöhnlich nur zwischen einer beschränkten Anzahl von Möglichkeiten zu wählen, und nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung muß er zuweilen auch das Richtige treffen. Die Mathematik, die er zu Rate zieht, ist ihm im ganzen günstig, und ein Zufall korrigiert oft den anderen. Sodann, besitzt nicht der, welcher ein gut besuchtes Sprechzimmer hat, wenn er geschickt ist, tau- send Mittel und Wege, um bei dem unsicheren Ge- werbe, das er ausübt, seinerseits alle Chancen auszu- nutzen und in den Sternen zu lesen, was er für opportun hält ? Als kluger Mann wird er die Erde viel mehr be- obachten als den Himmel und sich schon davor in acht nehmen, daß er nicht zu sehr hereinfällt. 13* ig6 Astrologie und Magie Was jedoch vor allem die Astrologie unverwundbar machte für die Schwerthiebe, welche Vernunft und ge- sunder Menschenverstand gegen sie führten, das war der Umstand, daß sie trotz der scheinbaren Strenge ihrer Kalkulationen und ihrer Theoreme in Wirklich- keit keine Wissenschaft, sondern ein Glaube war. Da- mit wollen wir nicht nur betonen, daß sie den Glauben an unbeweisbare Postulate voraussetzte — denn das gleiche könnte man von fast dem ganzen dürftigen Wissen sagen, das wir Menschen besitzen, und unsere physikalischen oder kosmologischen Systeme beruhen ebenfalls in letzter Linie auf Hypothesen — sondern die Astrologie war geboren und aufgewachsen in den Tempeln Chaldäas und Ägyptens 21 ; selbst im Abend- lande vergaß sie niemals ihre priesterliche Herkunft und löste sich nur halb von der Religion, die sie -er- zeugt hatte. In dieser Hinsicht gehört sie zu den orientalischen Kulten, welche den Gegenstand der vorliegenden Studien bilden, und unter dfiesem Ge- sichtspunkte namentlich möchte ich sie hier be- trachten. Die griechischen Werke oder Traktate astrologischen Inhalts, die auf uns gekommen sind, lassen uns den eigentlichen Charakter der Astrologie nur sehr unvoll- kommen erkennen. Die Byzantiner haben aus dieser Pseudowissenschaft, die der Kirche immer verdächtig blieb, alles entfernt, was nach Heidentum schmeckte. Man kann bisweilen die Fortschritte dieser Reinigungs- arbeit von Manuskript zu Manuskript verfolgen.22 Wenn sie den Namen irgendeines Gottes oder Heroen der Mythologie beibehalten, so wagen sie ihn nur noch kryptographisch zu schreiben. Sie haben rein didaktische Abhandlungen aufbewahrt, deren voll- Die Astrologie ist eine wissenschaftlicjie Religion igy kommenster Typus das unablässig zitierte, kopierte und kommentierte Vierbuch des Ptolemäus ist, und sie ha- ben fast ausschließlich gereinigte Texte reproduziert, die in trockener Weise die Prinzipien der verschie- denen Lehren resümieren. Im Altertum las man mit Vorliebe Werke von anderem Charakter. Viele „Ghal- däer" würzten ihre Berechnungen und kosmologi- schen Theorien mit moralischen Betrachtungen und mystischen Spekulationen. Im Beginn eines Werkes, dem er den Titel „Vision" ("Opacic) gibt, stellt Krito- demos in prophetischer Sprache die Wahrheiten dar, die er als sichere Zuflucht in den Stürmen dieses Le- bens zu bieten hat, und verspricht seinen Lesern, sie in die Reihe der Unsterblichen zu erheben.^s Vettius Va- lens, ein Zeitgenosse Marc Aureis, beschwört sie in feierlicher Weise, die Geheimnisse, die er ihnen ent- hüllen will, nicht den Unwissenden und den Gottlosen preiszugeben. 2* Die Astrologen lieben es, sich das An- sehen von unbestechlichen und heiligen Priestern zu geben, und betrachten ihr Gewerbe gern als ein Sazer- dotium.25 In der Tat gehen diese beiden Berufe Hand in Hand: ein Mitglied des mithrischen Klerus bezeichnet sich in seiner Grabinschrift als studiosus astrologiae^^ und ein Sproß einer angesehenen phrygischen Präla- tenfamilie feiert in Versen die prophetische Wissen- schaft, die es ihm gestattet habe, unfehlbare Voraus- sagen weithin zu verbreiten. ^'^ So offenbart sich in einigen Wendungen, die der orthodoxen Zensur entschlüpft sind, in dem Ton, den einzelne ihrer Adepten anschlagen, bereits der gehei- ligte Charakter der Astrologie. Aber wir müssen noch weiter zurückgreifen und den Nachweis führen, daß sie trotz der Dienste, welche Mathematik und Beob- ig8 Astrologie und Magie achtung ihr leisten, in ihrem Prinzip und ihren Schluß- folgerungen religiöser Natur ist. Das Fundamentaldogma der Astrologie, wie sie die Griechen aufgefaßt haben, lehrt die Solidarität des Universums. Die Welt bildet einen riesigen Organis- mus, dessen sämtliche Teile durch einen unaufhör- lichen Austausch von Molekülen imd Kräften mitein- ander verbunden sind. Die Gestirne wirken als uner- schöpfliche Energiequellen beständig auf die Erde und den Menschen — auf den Menschen, der einen Abriß der gesamten Natur, einen „Mikrokosmos" darstellt, bei dem jedes Element in Beziehung zu irgendeinem Teile des gestirnten Himmels steht. Das ist in wenigen Worten die Theorie, welche die stoischen Schüler der „Chaldäer" formuliert haben ^S; aber wenn man sie des ganzen philosophischen Aufputzes entkleidet, mit dem man sie geschmückt hat, was findet man dann als ihre Grundlage? Die Idee der „Sympathie", einen Glauben, der ebenso alt ist als die menschliche Gesellschaft. Auch die wilden Völker statuieren geheimnisvolle Wechselbeziehungen zwischen allen Körpern und allen Wesen, die Himmel und Erde erfüllen und in ihren Augen ebenfalls mit eigenem Leben beseelt und mit verborgenen Kräften begabt sind — wir werden bei der Behandlung der Magie noch darauf zurückkommen. Schon vor der Verbreitung der orientalischen Lehren schrieb der volkstümliche Aberglaube in Italien und Griechenland der Sonne, dem Monde und selbst den Sternbildern eine Menge von bizarren Wirkungen zu.^s Die Chaldäer legen nur die überwiegende Kraft den Gestirnen bei. Diese wurden tatsächlich von der Religion der alten Chaldäer, als sie sich weiter ent- wickelte, als Gottheiten par excellence angesehen. Der Die primitive Idee der Sympathie ign babylonische Gestirndienst konzentrierte, wenn ich so sagen darf, das Göttliche in diese leuchtenden und be- weglichen Wesen auf Kosten der anderen Naturob- jekte, der Steine, Pflanzen und Tiere, in welchen der primitive Glaube der . Semiten es gleichfalls gesucht hatte. Diesen Charakter behielten die Gestirne stets, selbst in Rom. Sie waren damals nicht, wie heute für uns, unendlich weit entfernte Körper, die nach den ehernen Gesetzen der Mechanik im Räume kreisen, und deren chemische Zusammensetzung sich ermitteln läßt. Sie waren für die Lateiner wie für die Orien- talen gnädige oder unheilbringende Gottheiten ge- blieben, deren unaufhörlich wechselnde Beziehungen die Ereignisse dieser Welt bestimmen. Der Himmel, dessen unermeßliche Weiten man noch nicht erkannt hatte, war mit Heroen und Ungetümen bevölkert, die von entgegengesetzten Leidenschaften beseelt waren, und der Kampf, welcher dort tobte, äußerte eine un- mittelbare Rückwirkung auf die Erde. Kraft welches Prinzips legt man den Sternen solche Eigenschaften und Wirkungen bei? Geschieht es aus Gründen, die aus ihrer sichtbaren Bewegung erschlossen, also durch Beobachtung oder Erfahrung zu erkennen sind? Zu- weilen: Saturn macht die Leute apathisch und unent- schlossen, weil er sich von allen Planeten am lang- samsten von der Stelle bewegt.^o Aber meist sind es rein mythologische Gründe, welche die Lehren der Astrologie inspiriert haben. Die sieben Planeten sind mit Gottheiten identifiziert, Mars, Venus oder Merkur, die einen allgemein bekannten Charakter und eine dementsprechende Geschichte haben. Man braucht nur ihre Namen zu nennen, um die Vorstellung einer Per- sönlichkeit zu erhalten, die ihrer Natur gemäß handeln 200 Astrologie und Magie wird: Venus kann nicht umhin, die Liebenden zu be- günstigen, und Merkur protegiert das Gelingen von Ge- schäften und Gaunereien. Dasselbe gilt von den Stern- bildern, an die sich eine Anzahl von Legenden hängt : der „Katasterismus", d. h. die Versetzung unter die Sterne, wird der naturgemäße Schluß einer Fülle von Erzäh- lungen. Die Helden der Fabel oder selbst die der menschlichen Gesellschaft leben am Himmel in der Gestalt glänzender Sterne fort. Perseus findet dort seine Andromeda wieder, und der Kentaur Chiron, der mit dem Schützen identisch ist, verbrüdert sich dort mit den Zwillingen, den Dioskuren. Diese Stern- bilder nehmen dann in irgendwelchem Maße die Eigen- schaften und die Fehler der mythischen oder histo- rischen Wesen an, die man in sie versetzt hat: die Schlange, die in der Nähe des Nordpols leuchtet, wird die Urheberin medizinischer Kuren, weil sie das heilige Tier des Äskulap ist.^i Aber diese religiöse Grundlage der astrologischen Lehren ist nicht immer erkennbar; bisweilen wird sie vollständig vergessen, und ihre Regeln nehmen dann das Aussehen von Axiomen oder Gesetzen an, die auf langjähriger Beobachtung der Himmelserscheinungen beruhen. Es handelt sich aber lediglich um einen wis- senschaftlichen Anstrich. Die Methoden der Identifika- tion mit Göttern und des Katasterismus sind im Orient viel früher angewandt als in Griechenland. Die über- lieferten Bilder, welche wir auf unseren Himmelskarten zu reproduzieren pflegen, sind die fossilen Reste einer üppigen mythologischen Vegetation, und die Alten kannten außer unserer klassischen Himmelskugel noch eine andere, die „barbarische Sphäre", bevölkert mit einer ganzen Welt von Personen und phantastischen Die göttlichen Gestirne 201 Tieren. Diese Sternungetüme, denen man mächtige Kräfte zuschrieb, waren ebenfalls der Rest einer Menge von vergessenen religiösen Vorstellungen. Der Tier- dienst war in den Tempeln aufgegeben; aber man fuhr fort, den Löwen, den Stier, den Bären, die Fische, welche die orientalische Einbildungskraft am gestirn- ten Himmelsgewölbe entdeckt hatte, als göttlich zu be- trachten. Alle Toteme der semitischen Stämme oder der ägyptischen Nomen überlebten, in Sternbilder ver- wandelt, sich selbst. Heterogene Elemente, die allen Religionen des Orients entliehen sind, finden sich in der Uranographie der Alten zusammen, und in der Macht, die den von ihr heraufbeschworenen Phantomen beigelegt wird, pflanzt sich das undeutliche Echo von antiken Kulten fort, die uns oft unbekannt bleiben.32 So war die Astrologie religiös nach ihrem Ursprünge und ihren Prinzipien; sie war es femer durch ihr enges Bündnis mit den orientalischen Kulten, namentlich denen der syrischen Ba'alim und des Mithra; sie war es endlich durch die Wirkungen, welche sie hervorrief. Ich meine damit nicht die Wirkungen, welche man von einem solchen Sternbilde in einem bestimmten ge- gebenen Falle erwartete; man schrieb diesem bisweilen Jsogar das Vermögen zu, das Erscheinen der Gottheiten herbeizuführen, die seiner Herrschaft unter standen. ^3 Vielmehr denke ich an die allgemeinen Wirkungen, wel- che jene Lehren auf das römische Heidentum ausübten. Sobald die Götter des Olympos in die Sterne ein- zogen, Saturn und Jupiter Planeten wurden, und die himmlische Jungfrau (Virgo Caelestis ) ein Zeichen des Tierkreises, nahmen sie einen ganz anderen Charakter an als den, welcher ihnen ursprünglich eigen gewesen war. Wir haben gezeigt ^^, wie in Syrien die Vorstellung 202 Astrologie und Magie von der unaufhörlichen Wiederkehr der Jahreszyklen, in denen sich die himmlischen Revolutionen vollziehen, zur Idee*der göttlichen Ewigkeit führte, wie die Theorie von der unbedingten Herrschaft der Sterne über die Welt die von der Allmacht des „Herrn der Himmel" zur Folge hatte, wie die Einführung eines imiversalen Kultus das notwendige Ergebnis des Gedankens war, daß die Sterne ihren Einfluß auf die Völker aller Zonen geltend machten. Alle diese Konsequenzen wurden aus den Prinzipien der Astrologie logisch abgeleitet, in den lateinischen Ländern wie bei den Semiten, und führten eine rapide Umwandlung der alten Idolatrie herbei. Wie die Sonne nach Aussag'e der syrischen Astrologen den Reigen der Sterne anführt und zum Könige und Leiter der ganzen Welt eingesetzt ist ^^, so wird sie notwendigerweise auch die erhabenste Macht des römischen Pantheons. Die Astrologie modifizierte auch insofern die Theo- logie sß, als sie in jenes Pantheon eine Menge von neuen Göttern einführte, von denen manche eigentümlich ab- strakt sind. Man betet nun die Sternbilder am Firma- ment und von diesen besonders die zwölf Zeichen des Zodiakus an, die alle ihre mythologische Legende haben, ferner den Himmel (Caelus) selbst, der als erste Ursache betrachtet wird und bisweilen mit dem höchsten Wesen verschmilzt, dann die vier Elemente, deren Ge- gensatz und deren Verwandlung in ununterbrochener Folge alle sinnlichen Erscheinungen hervorbringt, und die oft bildlich als eine Gruppe von Tieren dar- gestellt werden, die bereit sind, sich gegenseitig zu zerfleischen 37^ endlich die Zeit und ihre einzelnen Ab- schnitte.38 Die Kalender waren geistlich, ehe sie welt- lich wurden ; ihre Aufgabe bestand anfangs nicht darin. Umwandlung der Gottesidee — Neue Gottheiten 203 das Maß der verflossenen Zeit^, sondern die Wieder- kehr der durch periodische Zwischenräume getrenn- ten günstigen oder ungünstigen Daten anzugeben. Die Wiederkehr bestimmter Momente, so lehrt die Er- fahrung, ist mit dem Sichtbarwerden gewisser Phä- nomene verbunden: sie haben daher eine besondere Wirkung, tragen einen heiligen Charakter. Indem die Astrologie die einzelnen Epochen mit mathematischer Genauigkeit fixierte, ging sie dazu über, ihnen — um mit Zeno zu reden — „göttliche Kraft" beizulegen.^a Die Zeit, welche den Lauf der Gestirne und die Trans- substantiation der Elemente regelt, wird als der Herr der Götter und als Urprinzip aufgefaßt und daher mit dem Schicksal identifiziert. Jeder Teil ihrer unend- lichen Dauer führt irgendeine günstige oder ungün- stige Bewegung des Himmels herbei, die ängstlich be- obachtet wird, und ändert das unablässig sich wan- delnde Universum. Die Jahrhunderte, die Jahre, die Jahreszeiten, die man nun in Beziehung zu den vier Winden und den vier Himmelsgegenden setzt, die zwölf Monate, die dem Tierkreis Untertan sind, der Tag und die Nacht, die zwölf Stunden — sie alle werden personi- fiziert und vergöttert als die Urheber aller Wandlungen des Universums. Die allegorischen Gestalten, welche von dem astrologischen Heidentum für diese Abstrak- tionen erfunden wurden, gingen mit ihm selbst nicht zugrunde ^°; die Symbolik, die es populär gemacht hatte, überlebte es, und bis ins Mittelalter hinein wur- den diese Bilder gestürzter Götter in der Skulptur, den Mosaiken und Miniaturen der christlichen Kunst un- endlich oft' reproduziert.*^ Die Astrologie beeinflußt mithin alle religiösen Ideen, und die Lehren über das Schicksal der Welt und des V 204 Astrologie und Magie Menschen passen sich ebenfalls ihren Aussagen an. Nach Berosos, der alte chaldäische Theorien inter- pretiert, besteht das Dasein des Universums aus einer Reihe von „großen Jahren", die alle ihren Sommer und ihren Winter haben. Ihr Sommer tritt ein, wenn alle Planeten in demselben Punkt des Krebses in Konjuga- tion stehen, und führt einen Weltbrand herbei. Umge- kehrt beginnt ihr Winter, wenn alle Planeten im Stein- bock vereint sind, und jener hat eine Sintflut zur Folge, Jeder solche kosmische Zyklus, dessen Dauer nach den wahrscheinlichsten Berechnungen sich auf 432 000 Jahre belief, ist das genaue Abbild der voraufgegangenen. Denn wenn die Sterne genau dieselbe Stellung wieder einnehmen, so müssen sie auf dieselbe Weise wirken. Diese babylonische Theorie, die Antizipation der„ewigen Wiederkunft der Dinge", welche Nietzsche entdeckt zu haben sich rühmte, genoß im Altertum bleibendes An- sehen und vererbte sich in verschiedenen Formen bis auf die Renaissance.^^ Dgj- auch von der stoischen Phi- losophie verbreitete Glaube, daß die Welt durch Feuer zugrunde gehen werde, fand in diesen kosmologischen Spekulationen eine neue Stütze. Doch nicht nur die Zukunft des Universums enthüllt die Astrologie, sondern auch das zukünftige Leben der Sterblichen. Nach einer von den heidnischen Mysterien übernommenen chaldäisch-persischen Lehre, die wir bereits kurz charakterisiert haben *3, zwingt eine bittere Notwendigkeit die Seelen, deren Menge die Himmels- höhen bevölkert, hier auf die Erde hinabzusteigen, um in die Leiber einzugehen, die sie gefangen halten. In- dem sie zur Erde hinabsteigen, durchwandern sie die Sphären der Planeten und empfangen von jedem dieser Irrsterne, je nach ihrer Stellung, einige ihrer Eigen- Das große Jahr — Astrologische Eschatologie 205 Schäften. Umgekehrt steigen sie, sobald der Tod sie aus ihrem fleischlichen Gefängnis erlöst hat, wieder zu ihrem früheren Aufenthaltsorte hinauf, wenigstens wenn sie fromm gelebt haben, und während sie durch die Pforten der übereinanderliegenden Himmel hin- durchschreiten, verlieren sie die Leidenschaften und Neigungen, welche sie auf ihrer ersten Reise erworben haben, um sich endlich als reine Wesen zu der lichten Wohnung der Götter zu erheben. Dort leben sie ewig inmitten der ewigen Sterne, den Wechselfällen des Schicksals und sogar den Schranken der Zeit ent- rückt. So lieferte die Verbindung der astronomischen Theo- reme mit ihren alten Glaubensvorstellungen den Chal- däern Antworten auf all die Fragen, welche der Mensch sich vorlegt über die Beziehungen zwischen Himmel und Erde, über das Weseii Gottes, über das Dasein der Welt und sein eigenes Ende. Die Astrologie war in der Tat die erste wissenschaftliche Theologie. Die helleni- stische Logik koordinierte die orientalischen Lehren, verband sie mit der stoischen Philosophie und schuf daraus ein System von unleugbarer Großartigkeit, eine ideale Rekonstruktion des Universums, deren macht- volle Kühnheit Manilius, während er sich unablässig bemüht, seinen äpröden Stoff zu meistern, begeisterte und erhabene Worte in die Feder fließen läßt.^^ Der verschwommene und unvernünftige Begriff der „Sympathie" hat sich in ein tiefes, durch Reflexion ver- stärktes Gefühl der Verwandtschaft der menschlichen Seele, des aus Feuer geschaffenen Geistes, mit den göttlichen Gestirnen umgewandelt. ^^ jjiq Betrachtung des Himmels ist zur Kommunion geworden. In stern- funkelnder Nacht berauscht sich der Geist an dem 2o6 Astrologie und Magie Licht, welches die Feuer des Äthers auf ihn herab- gießen; von den Schwingen des Enthusiasmus ge- tragen, erhebt er sich zu dem heiligen Chor der Ge- stirne und folgt ihren harmonischen Bewegungen; „er nimmt an ihrer Unsterblichkeit teil und schon vor dem Tode unterhält er sich mit den Göttem".^8 Trotz der scharfsinnigen Präzision, welche die Griechen in ihre Spekulationen einführten, verleugnete der Geist, wel- cher die Astrologie bis zum Ende des Heidentums er- füllte, niemals seinen orientalischen und religiösen Ur- sprtmg. Das Hauptprinzip, welches sie geltend machte, war das des Fatalismus.^7 Wie der Dichteres sagt: Fata regunt orbem, certa stant omnia lege. An Stelle der Götter, die in der Welt, wie der Mensch in der Gesellschaft, nach der Willkür ihrer Leiden- schaften handeln, haben die Chaldäer zuerst die Idee einer unbeugsamen Notwendigkeit gesetzt, die das Welt- all beherrscht. Sie beobachteten, daß ein unwandel- bares Gesetz die Bewegimg der Himmelskörper regelte, und in der ersten Begeisterung für ihre Entdeckung dehnten sie seine Wirkungen auf alle moralischen und sozialen Phänomene aus. Die Postulate der Apoteles- matik ruhen auf absolut deterministischer Basis. Die vergötterte Tyche oder Fortuna wird die allgebietende Herrin der Sterblichen wie der Unsterblichen, und sie wurde in der Kaiserzeit tatsächlich von manchen Gei- stern ausschließlich verehrt. Unser vorbedachter Wille hat immer nur einen recht beschränkten Anteil an un- serem Glück und unseren Erfolgen, aber angesichts der Pronunciamentos und der Anarchie des dritten Jahr- hunderts konnte man noch weit eher auf den Gedan- Astrologische Kommunion — Der Fatalismus 'o 207 ken kommen^ ein blinder Zufall spiele in souveräner Willkür mit dem Leben jedes einzelnen, und es ist zu verstehen, daß die ephemeren Fürsten dieser Epoche wie die Massen in ihm den einzigen Herrn ihres Ge- schickes anerkannten.*^ Die Macht dieser fatalistischen Vorstellung im Altertum wird durch ihr langes Be- stehen bezeugt, wenigstens im Orient, aus dem sie stammte. Von Babylonien ausgegangen ^o, verbreitet sie sich seit der alexandrinischen Epoche in der ganzen hellenischen Welt, und noch am Ende des Heidentums richtet sich gegen sie ein großer Teil des Eifers der christlichen Apologetik ^1 ; aber sie sollte allen Angrif- fen widerstehen und sich sogar noch dem Islam auf- drängen. ^2 Selbst im lateinischen Europa lebte trotz der Bannflüche der Kirche das Mittelalter hindurch in un- klarer Weise der Glaube fort, daß auf dieser Erde alles irgendwie geschehe . Per ovra delle rote magne, Che drizzan ciascun seme ad alcun fine Secondo che le stelle son compagne.^^ Die Waffen, deren sich die kirchlichen Schriftsteller bedienen, um diesen astrologischen Fatalismus zu be- kämpfen, sind dem Arsenal der alten griechischen Dia- lektikentlehnt: es sind im allgemeinen dieselben, welche alle Verteidiger des freien Willens seit Jahrhunderten gebraucht haben: der Determinismus zerstört die Ver- antwortlichkeit; Belohnungen und Strafen sind absurd^ wenn die Menschen kraft einer sie beherrschenden Not- wendigkeit handeln, wenn sie geborene Helden oder geborene Verbrecher sind. Wir wollen uns bei diesen metaphysischen Diskussionen nicht aufhalten^*; aber es gibt ein Argument, welches unser Thema näher 2o8 Astrologie und Magie angeht: wenn ein unwiderrufliches Geschick über uns waltet, dann kann, entgegnete man, auch kein Flehen seinen Willen ändern; der Kultus ist unwirk- sam; müßig ist es, von den Orakeln die Geheimnisse einer Zukunft zu erfragen, die doch niemand ändern kann, und Gebete sind, um ein Wort Senecas zu ge- brauchen, dann nur noch „die Tröstungen kranker Seelen". ^^ Und zweifellos vernachlässigen manche Anhänger der Astrologie, wie der Kaiser Tiberius^ß, die religiösen Bräuche, weil sie die Überzeugung haben, daß das Ver- hängnis alle Dinge regiert; nach dem Beispiel der Stoiker erheben sie die unbedingte Unterwerfung unter das allwaltende Schicksal, die heitere Ergebung in das Unvermeidliche zur sittlichen Pflicht und begnügen sich damit, die höhere Macht, welche das Universum lenkt, zu verehren, ohne etwas von ihr zu fordern. Sie fügen sich grundsätzlich selbst in das launenhafteste Geschick, wie der kluge Sklave, der die Wünsche seines Herrn erkundet, um sie zu erfüllen, und dadurch die härteste Knechtschaft erträglich zu gestalten weiß.^'^ Aber die Massen erhoben sich nicht zu dieser Höhe der Resignation. Stets wurde der religiöse Charakter der Astrologie auf Kosten der Logik aufrechterhalten. ^^ Die Planeten und die Sternbilder waren nicht nur kos- mische Kräfte, deren günstige oder unheilvolle Wir- kungen sich je nach den Wendungen einer von Ewig- keit her bestimmten Laufbahn abschwächten oder ver- stärkten. Sie waren Gottheiten, die sahen und hörten, sich freuten oder betrübten, Stimme und Geschlecht besaßen, fruchtbar oder unfruchtbar, hold oder wild, nachgiebig oder herrisch waren. ss Man konnte daher ihren Zorn besänftigen und sich durch Riten und Gaben Wirksamkeit des Gebets 209 ihre Gunst erwerben; selbst die feindlichen Sterne wa- ren nicht unversöhnlich und ließen sich durch Opfer und Gebete erweichen. Ein beschränkter Pedant wie Firmicus Maternus behauptet nachdrücklich die All- macht des Schicksals, ruft aber gleichzeitig die Götter an, um mit ihrer Hilfe dem Einfluß der Gestirne zu widerstehen. Noch im vierten Jahrhundert liefen die Heiden Roms, wenn sie im Begriff standen sich zu ver- heiraten, wenn sie irgendeinen Kauf abschließen oder sich um irgendeine Würde bewerben wollten, zum Wahrsager, um seine Prognosen einzuholen, während sie in demselben Augenblicke die Schicksalsmächte an- flehten, ihnen glückliche Jahre zu bescheren.^o Eine fundamentale Antinomie zeigt sich so in der ganzen Entwicklung der Astrologie, die eine exakte Wissen- schaft werden wollte, aber ursprünglich priesterliche Theologie war imd es immer blieb. Je mehr sich indessen die Idee des Fatalismus durch- setzte und ausbreitete, um so drückender lastete die Wucht dieser hoffnungslosen Theorie auf den Gemütern. Der Mensch fühlte sich beherrscht und geknechtet von blinden Mächten, die ihn ebenso unwiderstehlich mit sich fortrissen, wie sie die himmlischen Sphären sich zu bewegen zwangen. Die Seelen suchten dem Druck die- ses kosmischen Mechanismus auszuweichen, der Skla- verei zu entfliehen, in der die Anagke sie gefangen hielt. Aber um sich den Härten ihres Waltens zu ent- ziehen, brachte man den Zeremonien des alten Kultus nicht mehr Vertrauen genug entgegen. Die neuen Mächte, die den Himmel erobert haben, müssen durch neue Mittel beschwichtigt werden. Die orientalischen Religionen bringen das Heilmittel für die Übel, die sie geschaffen haben, und lehren wirksame und geheimnis- Cumont, Die oriental. Religionen 14- 2 1 o Astrologie und Magie volle Methoden, das Schicksal zu beschwören. ^i Parallel mit der Astrologie sieht man eine schlimmere Verirrung sich ausbreiten, die Magie. ^^ Wenn man von der Lektüre der Ptolemäischen Tetra- biblos zu der eines magischen Papyrus übergeht, so wird man sich zunächst an das andere Ende der intellek- tuellen Welt versetzt glauben. Hier findet man nichts mehr von der systematischen Ordnung und der stren- gen Methode, welche das Werk des alexandrinischen Gelehrten kennzeichnen. Gewiß sind die Lehren der Astrologie ebenso ungeheuerlich wie die der Magie, aber sie sind mit einer Logik abgeleitet, welche die Zu- stimmung denkender Geister erzwingt, während jene in den Zauberbüchern vollständig fehlt. Rezepte, die der Volksmedizin und dem populären Aberglauben ent- stammen, primitive Bräuche, die von den priesterlichen Ritualen verworfen oder aufgegeben sind, Glaubens- vorstellungen, welche eine sittlich fortschreitende Re- ligion zurückgewiesen hat, Plagiate und Nachahmungen von literarischen oder liturgischenTexten, Beschwörun- gen, bei denen in einem unverständlichen Kauderwelsch die Götter aller barbarischen Nationen angerufen wer- den, bizarre und verworrene Zeremonien bilden ein Chaos, in dem die Einbildungskraft sich verliert, ein Potpourri, in dem willkürlicher Synkretismus anschei- nend eine unheilbare Konfusion zu realisieren ver- sucht hat. Wenn man jedoch aufmerksamer zusieht, wie die Magie verfährt, dann wird man finden, daß sie von analogen Voraussetzungen ausgeht und nach ähnlichen Erwägungen handelt wie die Astrologie. Zur selben Die magische Literatur — Idee der Sympathie 211 Zeit in den primitiven Kulturen des Orients entstanden, beruhen alle beide auf einem Fonds von gemeinsamen Ideen. 63 Die erste entspringt, wie die zweite, aus dem Prinzip der universellen Sympathie, nur faßt sie nicht mehr das Verhältnis ins Auge, das zwischen den Ge- stirnen, die sich am Himmelsgewölbe bewegen, und den physischen und moralischen Phänomenen obwaltet, sondern das, welches beliebige Körper miteinander ver- bindet. Sie geht von der vorgefaßten Idee aus, daß zwischen gewissen Dingen, gewissen Worten, gewissen Personen verborgene, aber beständige Beziehungen be- stehen. Diese Wechselbeziehungen y/erden ohne Be- denken zwischen materiellen Gegenständen und leben- den Wesen statuiert, denn die wilden Völker schreiben allem, was sie umgibt, eine Seele und eine Existenz zu, die der menschlichen entspricht. Der Unterschied zwi- schen den drei Reichen der Natur ist ihnen noch nicht geläufig: sie sind „Animisten". Das Leben einer Per- son kann also mit dem eines Dinges, eines Baumes, eines Tieres in solcher Weise verknüpft werden, daß, wenn das eine zugrunde geht, auch das andere stirbt, und daß jeder Schaden, der den einen trifft, auch seinen engverbundenen Genossen in Mitleidenschaft zieht. Bisweilen gründet sich die Annahme eines der- artigen Rapports auf deutlich erkennbare Motive, wie die Ähnlichkeit zwischen Person und Sache: z.B. wenn man, um einen Feind zu töten, eine Wachsfigur durch- bohrt, die ihn darstellen soll; oder die vermeintliche Beziehung ergibt sich aus einer, wenn auch nur flüch- tigen Berührung, die unzerstörbare Verwandtschafts- verhältnisse geschaffen haben soll, so wenn man mit den Kleidern eines Abwesenden operiert. Aber diese eingebildeten Beziehungen haben oft Gründe, die uns 14* 212 Astrologie und Magie unbekannt sind; sie stammen, wie die Eigenschaften, welche die Apotelesmatik den Sternen beilegte, aus alten Glaubensvorstellungen, deren Gedächtnis verloren gegangen ist. Wie die Astrologie ist also auch die Magie in man- cher Hinsicht eine Wissenschaft. Zunächst beruht sie teilweise, wie die Voraussagen ihrer Gefährtin, auf Beobachtung — einer oft lückenhaften, oberflächlichen, vorschnellen, irrigen, aber nichtsdestoweniger sehr be- langreichen Beobachtung. Sie ist eine experimentelle Disziplin. Unter der Fülle der Tatsachen, welche die Wißbegier der Magier gesammelt hat, befinden sich exakte, die später die Anerkennung der Gelehrten ge- funden haben. Die Anziehungskraft, welche der Ma- gnet auf das Eisen ausübt, ist von den Thaumaturgen benutzt, ehe sie von den Physikern erklärt wurde. In den riesigen Kompilationen, die unter dem ehrwürdigen Namen des Zoroaster oder des Hostanes zirkulierten, mischten sich jedenfalls fruchtbare Bemerkungen mit kindischen Ideen und absurden Vorschriften, genau wie in den Traktaten der griechischen Alchemie, die auf uns gelangt sind. Selbst der Gedanke, daß man durch die Kenntnis der Wirkung gewisser Faktoren die ver- borgenen Kräfte des Universums in Bewegung setzen und außergewöhnliche Resultate erzielen könne, beseelt die Forschungen der Physik wie die Behauptungen der Magie. Die Magie ist auf Abwege geratene Physik, wie die Astrologie entartete Astronomie. Ferner ist die Magie, immer wie die Astrologie, eine Wissenschaft, weil sie von der fundamentalen Vorstel- lung ausgeht, daß es in der Natur eine Ordnung und Gesetze gibt, und daß dieselbe Ursache immer die- selben Wirkungen hervorruft. Die geheime Zeremonie, Wissenschaftlicher und religiöser Charakter der Magie 213 die mit derselben Sorgfalt wie ein Experiment im La- boratorium vollzogen wird, soll regelmäßig die erwartete Folge haben. Es genügt, die mysteriösen Beziehungen zu kennen, die alle Dinge verbinden, um den Mechanis- mus des Universums in Bewegung zu setzen. Der Irr- tum der Zauberer besteht nur darin, daß sie einen Zu- sammenhang zwischen Erscheinungen behaupten, die nichts miteinander zu tun haben. Das Verfahren, eine empfindliche Platte in einer Dunkelkammer einen Augenblick dem Lichte auszusetzen, sie dann gege- benen Vorschriften gemäß in geeignete Flüssigkeiten zu tauchen und so auf ihr das Bild eines Verwandten oder Freundes erscheinen zu lassen, ist eine magische Operation, die aber auf realen Wirkungen und Gegen- wirkungen beruht, statt auf willkürlich vorausgesetzten Sympathien und Antipathien. Die Magie ist daher al- lerdings eine Wissenschaft, die sich selber sucht und später, wie es Frazer ausgedrückt hat, „eine Bastard- schwester der Wissenschaft" wird. Doch war sie auch, wie die Astrologie, anfänglich religiös und blieb stets eine Bastardschwester der Re- ligion. Alle beide wuchsen zusammen in den Tempeln des barbarischen Orients auf. Ihre Praktiken bildeten zuerst einen Bestandteil des zweifelhaften Wissens von Fetischdienern, die durch ihnen allein bekannte Riten auf die Geister zu wirken vorgaben, welche die Natur bevölkerten und sie überall lebendig machten. Die Magie ist geistreich als „die Strategie des Animismus" definiert worden. ß* Aber wie die immer größere Macht, welche die Chaldäer den Gestirngottheiten zuschrie- ben, die alte Astrologie umwandelte, ebenso nahm die ursprüngliche Zauberei in demselben Maße einen an- deren Charakter an, als die Welt der menschlich ge- 2 14 Astrologie und Magie dachten Götter sich mehr und mehr von den physi- schen Kräften ablöste und unterschied. Das mysti- sche Element, das sich zu allen Zeiten mit ihren Zere- monien verband, erhielt dadurch eine bestimmtere Färbung und die Anregung zu einer neuen Entwick- lung. Der Magier wirkt nun mit seinen Zauberfor- meln, seinen Talismanen und Beschwörungen auf himm- lische oder höllische „Dämonen" und zwingt sie, ihm zu gehorchen. Aber diese Geister setzen ihm nicht mehr lediglich den blinden Widerstand der Materie entgegen, die von unbestimmtem Leben beseelt ist; es sind tatkräftige und verschlagene Wesen, die mit In- telligenz und Willen begabt sind. Sie wissen sich bis- weilen für die Knechtschaft zu rächen, die man ihnen aufzuzwingen sucht, und den Zauberer für seine Kühn- heit zu strafen, der sie fürchtet, obwohl er sie zu Hilfe ruft. Die Beschwörung nimmt somit oft die Form einer Bitte an, die sich an dem Menschen überlegene Mächte wendet, und die Magie wird zum Kultus. Ihre Riten entwickeln sich parallel mit den kanonischen Litur- gien und wandern oft in diese ein.^^ Zwischen beiden verläuft jene unbestimmte, beständig verschobene Grenze, welche die benachbarten Gebiete der Religion und des Aberglaubens voneinander scheidet. Diese halb wissenschaftliche, halb religiöse Magie, die ihre Bücher und ihre professionellen Adepten hat, ist orientalischen Ursprungs. Die alte griechische und italische Zauberei scheint ziemlich harmlos gewesen zu sein. Beschwörungen, die den Hagel abwenden, oder Formeln, die den Regen herbeilocken, Verwünschun- gen, welche die Felder unfruchtbar machen und das Zauberei in älterer Zeit 215 Vieh krepieren lassen; Liebestränke^ Verjüngungsmit- tel, Rezepte von weisen Frauen, Talismane gegen den bösen Blick — all das beruht auf den Vorstellungen des populären Aberglaubens und hält sich in den Gren- zen von Folklore und Scharlatanerie. Selbst die thessa- lischen Hexen, die angeblich den Mond vom Himmel herabsteigen ließen, waren vor allem Kräuterweiber, welche die wunderbaren Kräfte der Pflanzen kannten. Das Grauen, welches die Nekromanten einflößen, rührt zum großen Teile davon hdr, daß sie sich den alten Glauben an Revenants zu Nutze machen. Sie setzen die Macht in Bewegung, die man den Schatten zutraut, und praktizieren heimlich mit Flüchen bedeckte Metall- täfelchen in die Gräber, um einen Feind dem Unglück oder dem Tode zu weihen. Aber weder in Griechen- land noch in Italien findet sich eine Spur von einem zusammenhängenden Lehrsystem, von okkulter Ge- lehrsamkeit oder von einer priesterlichen Unterwei- sung. Auch werden die Adepten dieser zweifelhaften Kunst verachtet. Noch in der Zeit des Augustus sind es vor- zugsweise zweideutige Bettlerinnen, die ihr elendes Me- tier in den untersten Regionen der Volksquartiere aus- üben. Aber mit dem Eindringen der orientalischen Re- ligionen wächst der Respekt vor dem Zauberer, und seine Stellung hebt sich.^e Er wird mehr geehrt und mehr gefürchtet. Im zweiten Jahrhundert bestreitet kaum noch jemand, daß er göttliche Erscheinungen bewirken, mit den höheren Geistern reden und sich selbst in Person bis zum Himmel erheben könne. s" Man spürt hier die siegreiche Einwirkung der alexandrinischen Kulte. In Ägypten ^^ ^^r, wie wir ge- sehen haben (S. iiif. ), das Ritual genau genommen 2 1 6 Astrologie und Magie ursprünglich nichts anderes als eine Zusammenstellung von magischen Praktiken. Die Gläubigen zwangen durch Bitten oder selbst Drohungen den Göttern ihren Willen auf. Diese waren genötigt, dem Offizianten auf der Stelle zu gehorchen, wenn die Liturgie exakt vorgetragen wurde, wenn die Beschwörungen und die wirksamen Worte indem richtigen Tone rezitiert waren. Der kundige Priester hatte eine fast unbegrenzte Ge- walt über alle überirdischen Wesen, welche Erde, Wasser, Luft, Hölle und Himmel bevölkerten. Nir- gends hielt man weniger die Distanz inne, die das Menschliche vom Göttlichen trennt; nirgends blieb die fortschreitende Differenzierung, welche überall die Ma- gie von der Religion schied, minder ausgebildet. Beide bleiben vielmehr bis zum Ende des Heidentums so eng miteinander verbunden, daß man bisweilen Mühe hat, die Texte, welche der einen oder anderen angehören, zu unterscheiden. Die Chaldäer^^ waren ebenfalls große Meister auf dem Gebiete der Zauberei, gleichzeitig erfahren in der Kenntnis der Vorzeichen und geübt in der Beschwörung der Übel, welche diese ankündigten. Die Zauberer, gern gehörte Ratgeber der Könige, bildeten in Mesopota- mien einen Teil des offizellen Klerus; sie riefen bei ihren Beschwörungen die Hilfe der Staatsgötter an, und ihre heUige Wissenschaft wurde dort ebenso re- spektiert wie die Haruspizin in Etrurien. Das fabel- hafte Ansehen, welches sie auch weiterhin genoß, sicherte ihren Fortbestand nach dem Untergange Ni- nives und Babylons. Ihre Überlieferung war unter den Cäsaren keineswegs verloren gegangen, und eine Anzahl von Beschwörern berief sich, sei es mit Recht oder mit Unrecht, auf die uralte Weisheit Chaldäas.'^o Theurgie — Persische Magie 2 17 Auch in Rom selbst nimmt der Thaumaturg, der vermeintliche Erbe von Priestern der Urzeit, ein voll- kommen priesterliches Aussehen an. Als inspirierter Weiser, der im vertrauten Verkehr mit den himm- lischen Geistern steht, nähert er sich durch die Würde seiner Haltung und seines Lebens den Philosophen. Das gemeine Volk verwechselt beide unbedenklich mit- einander '^i, und tatsächlich akzeptiert und verteidigt ja die orientalisierende Philosophie des ausgehenden Heidentums alle Superstitionen. Der Neuplatonismus, welcher der Dämonologie einen bedeutenden Platz ein- räumt, neigt mehr und mehr zur Theurgie, in der er schließlich aufging. Aber die Alten unterscheiden ausdrücklich von der erlaubten und ehrenwerten Kunst, für welche man den Namen „Theurgie" erfand ''2, die Magie im eigent- lichen Sinne, die stets als verdächtig und verwerflich galt. Der Name Magier ( judTOi ), der auf alle Wun- dertäter angewandt wurde, bezeichnet genau genom- men die Priester des Mazdaismus^ und eine wohlbe- zeugte Überlieferung nannte in der Tat Perser ^s ajg die Urheber der wahren Magie, der sogenannten schwarzen Kunst des Mittelalters. Wenn sie diese nun auch nicht erfunden haben^ denn sie ist so alt wie die Menschheit, so sind sie doch jedenfalls die ersten ge- wesen, welche sie auf eine lehrhafte Grundlage stellten und ihr einen Platz anwiesen in einem klar formu- lierten theologischen Systeme. Es war der mazdäische Dualismus, der diesem verderblichen Wissen neue Macht verlieh mit den Besonderheiten, die es fortan kennzeichnen. Unter welchen Einflüssen ist die persische Magie entstanden? Wann und wie hat sie sich ausgebreitet? 2 1 8 Astrologie und Magie Das sind noch wenig geklärte Fragen. Die innige Mischung, welche sich in Babel zwischen den reli- giösen Lehren der iranischen Eroberer und denen des einheimischen Klerus vollzog, fand auch auf diesem Gebiete des Glaubens statt ^^, und die in Mesopotamien angesiedelten Magier verbanden ihre geheimen Über- lieferungen mit dem Kodex von Riten und Formeln, den die chaldäischen Zauberer redigiert hatten. Die universelle Wißbegierde der Griechen nahm frühzei- tig Fühlung mit dieser wunderbaren Wissenschaft. Die Naturphilosophen, wie Demokrit "^^j der große Reisende, scheinen mehr als eine Anleihe bei dem Schatz von Beobachtungen gemacht zu haben, den die orienta- lischen Priester gesammelt hatten. Aus diesen dispa- raten Kompilationen, in denen Wahres und Absurdes, Wirklichkeit und Phantasie sich mischten, schöpften sie ohne Zweifel die Kenntnis mancher Eigenschaften der Pflanzen oder der Mineralien, wie mancher physi- kalischen Experimente. Doch wandte der klare Geist der Hellenen sich immer von den verworrenen Spe- kulationen der Magie ab und widmete ihnen nur zer- streute Aufmerksamkeit und mittelmäßige Wertschät- zung. In der alexandrinischen Epoche aber übersetzte man die Bücher, die den halb sagenhaften Meistern der persischen Wissenschaft, Zoroaster, Hostanes, Hy- staspes zugeschrieben wurden, ins Griechische, und von dieser Zeit an bis zum Ausgange des Heidentums stan- den jene Namen in glänzendem Ansehen. Gleichzei- tig machten die Juden, die in die Geheimnisse der iranisch-chaldäischen Lehren und Prozeduren einge- weiht waren, indirekt einzelne ihrer Vorschriften über- all bekannt, wohin die Diaspora sie geführt hatte.^^ Eine mehr unmittelbare Einwirkung auf die römische Persische Magie 2 i g Welt übten später die persischen Kolonien Kleinasiens aus'^'^, die ihrem alten nationalen Glauben hartnäckig treu geblieben waren. Der besondere Wert, den die Mazdäer der Magie bei- legten, ergibt sich mit Notwendigkeit aus ihrem duali- stischen System, wie wir es bereits dargelegt haben. ''^ Ormuzd, der im lichten Himmel thront, steht sein un- versöhnlicher Gegner Ahriman gegenüber, der über die unterirdische Welt gebietet. Der eine ist gleichbe- deutend mit Klarheit, Wahrheit, Güte; der andere mit Finsternis, Lüge und Entartung. Der eine befehligt die wohltätigen Genien, welche die Frömmigkeit der Gläubigen schirmen; der andere die Dämonen, deren Bosheit alle Übel hervorruft, welche die Menschheit treffen. Die beiden entgegengesetzten Prinzipien strei- ten sich um die Herrschaft über die Erde, und jedes hat auf ihr nützliche oder schädliche Tiere und Pflanzen geschaffen. Alles ist hienieden himmlisch oder höllisch. Ahriman und seine Dämonen, welche die Menschen umschleichen, um sie in Versuchung zu führen und ihnen zu schaden '^^^ sind böse Götter, aber unabhängig von denen, welche die Hilfstruppen des Ormuzd bilden. Der Magier opfert ihnen, sei es, um das Unheil abzu- wenden, mit dem sie drohen, oder sei es, um sie gegen die Feinde des wahren Gläubigen aufzureizen. Denn die imreinen Geister ergötzen sich an blutigen Opfern und kommen, um sich an dem Duft des Fleisches zu weiden, das auf den Altären qualmt.so Furchtbare Worte und Handlungen begleiten alle Opfer. Plutarch^i gibt uns ein Beispiel von den düsteren Opfern der Mazdäer. „Sie stoßen in einem Mörser", erzählt er, „ein Kraut, das omomi heißt (der haoma des Avesta), indem sie Hades (Ahriman) und die Finsternisse an- 2 20 Astrologie und Magie rufen, dann mischen sie dieses Kraut mit dem Blut eines geschlachteten Wolfes, tragen es fort und werfen es an einen Ort, wohin kein Sonnenstrahl dringt". Es handelt sich hier wohl um eine Totenbeschwörung. Es ist zu begreifen, welch neue Kraft eine derartige Vorstellung vom Universum der Magie verleihen mußte. Sie ist nicht mehr nur eine unzusammenhängende Masse von volkstümlichen Superstitionen und wissen- schaftlichen Beobachtungen. Sie wird eine umgekehrte Religion; ihre nächtlichen Riten bilden die fürchter- liche Liturgie der höllischen Mächte. Es gibt kein Wunder, welches der erfahrene Schwarzkünstler nicht von 'der Macht der Dämonen erwarten dürfte, wenn er das Mittel kennt, das diese in seine Diener verwandelt ; es gibt keine Grausamkeit, die er nicht erfinden könnte, um sich die bösen Gottheiten geneigt zu machen, die das Verbrechen mit Genugtuung erfüllt und das Leiden ergötzt. Daher dieses Ensemble von ruchlosen Bräu- chen, die im Dunklen vollzogen werden, und deren Schrecklichkeit nur ihrer Albernheit gleichkommt: das Brauen von Tränken, welche die Sinne verwirren und den Verstand lähmen; die Bereitung von schnellwir- kenden Giften, die man aus dämonischen Pflanzen und Kadavern bereitet, welche die Verwesung, die Tochter der Unterwelt, ergriffen hat^^^ die Opferung von Kin- dern, um in ihren zuckenden Eingeweiden die Zukunft zu lesen oder Verstorbene heraufzubeschwören. Alle raffinierten Teufeleien, die eine entartete Einbildungs- kraft an einem Tage des Wahnsinns nur zu erdenken vermag ^^, werden der Bosheit der unreinen Geister be- hagen; je hassens werter sie in ihrer Ungeheuerlichkeit sind, um so gewisser werden sie sich als wirksam er- v/eisen. Frevel und Verfolgung der Magie 221 Angesichts dieses verruchten Treibens erhob sich der römische Staat, und er traf es mit der ganzen Strenge seiner repressiven Justiz. Während man sich gewöhn- lich damit begnügte, die Astrologen, wenn ein unlieb- samer Fall vorgekommen war, aus Rom zu vertreiben — worauf sie schleunigst wieder dorthin zurückkehr- ten — so wurden die Schwarzkünstler den Mördern und den Giftmischern gleichgestellt und mit dem Tode be- straft. Man schlug sie ans Kreuz, man warf sie den wilden Tieren vor. iMan ahndete nicht nur die Ausübung ihrer Profession, sondern schon den bloßen Besitz von Zauberbüchern.8* Doch polizeilichen Maßregeln kann man sich an- passen, und hier waren die Sitten noch stärker als die Gesetze. Die von Zeit zu Zeit erlassenen scharfen Edikte der Kaiser waren ebensowenig imstande, einen tiefeingewurzelten Aberglauben zu vernichten, als die christliche Polemik diesen Schaden zu beseitigen ver- mochte. Staat und Kirche, die sich zu seiner Be- kämpfung verbunden hatten, empfanden seine Macht. Weder der eine, noch die andere traf die Wurzel des Übels und leugnete die Realität der von den Zau- berern ausgeübten Wirkungen. Solange man zuge- stand, daß die bösen Geister sich beständig in die irdischen Angelegenheiten einmischten, und daß es geheime Mittel gäbe, welche dem Hexenmeister es ermöglichten, sie zu bezwingen oder Anteil an ihrer Macht zu gewinnen, war die Magie unausrottbar. Sie appellierte an zuviel menschliche Leidenschaften, um nicht Gehör zu finden. Wenn auf der einen Seite der Wunsch, den Schleier der Zukunft zu lüften, die Furcht vor unbekannten Übeln und die sich stets erneuernde Hoffnung die ängstlichen Massen dazu trieben, in der 222 Astrologie und Magie Astrologie vermeintliche Gewißheit zu suchen, so üb- ten auf der anderen;, in der Magie, der verwirrende Reiz des Wunderbaren, die Regungen der Liebe und des Ehrgeizes, die Wollust gestillter Rache, die dä- monische Anziehungskraft des Verbrechens und das Wohlgefallen an vergossenem Blut, all 'die uneinge- standenen Instinkte, die man im Dunkeln zu befrie- digen sucht, ihre verführerische Wirkung aus. Durch die ganze Kaiserzeit setzt sich ihre verborgene Existenz fort, und gerade das Geheimnis, in das sie sich hüllen mußte, mehrte ihr Ansehen und gab ihr fast die Auto- rität einer Offenbarung. Eine merkwürdige Geschichte, die sich in den letz- ten Jahren des fünften Jahrhunderts zu Berytos in Sy- rien begab, zeigt uns, welches Vertrauen die aufge- klärtesten Geister noch um diese Zeit den Praktiken der grausamsten Magie entgegenbrachten. Studierende der berühmten juristischen Schule dieser Stadt wollten eines Nachts im Zirkus einen Sklaven schlachten, damit der Herr desselben die Gunst einer Dame erlangte, die ihm abhold war. Auf erstattete Anzeige mußten sie die von ihnen verborgen gehaltenen Bücher ausliefern, un- ter denen man die des Zoroaster und des Hostanes wie die des Astrologen Manetho fand. Die Stadt war in Aufregung, und neue Nachforschungen bewiesen, daß viele junge Leute dem Studium der römischen Ge- setze das der Wissenschaft vorzogen, welche jene ver- boten. Auf Anordnung des Bischofs wurde ein feier- liches Autodafe dieser ganzen Literatur in Gegen- wart der Beamten und des Klerus veranstaltet, nach- dem man die empörendsten Stellen öffentlich ver- lesen hatte, so daß — sagt der fromme Autor, der uns diese Geschichte erzähltes — jeder die hoffär- Widerstandskraft der Magie — Ergebnis 2 2 2) tigen und leeren Versprechungen der Dämonen ken- nen lernte. So erhielten sich noch im christlichen Orient nach dem Untergange des Heidentums die uralten Überlie- ferungen der Magier. Sie sollten hier selbst die Herr- schaft der Kirche überleben^ und trotz seiner streng mo- notheistischen Prinzipien wurde auch der Islam von den Superstitionen Persiens angesteckt. Die nichtswürdige Kunst, welche dieses gelehrt hatte, bewies im Okzident eine nicht minder zähe Widerstandskraft gegenüber Verfolgungen und Bannflüchen; sie blieb in dem Rom des fünften Jahrhunderts immer lebendigst, und als die gelehrte Astrologie in Europa mit der Wissenschaft selbst zugrunde ging, bekundete der alte mazdäische Dualismus das ganze Mittelalter hindurch bis an die Schwelle der modernen Zeit seine Fortexistenz in den Zeremonien der schwarzen Messe und des Satanskultes. Als Zwillingsschwestern von dem abergläubischen und gelehrten Orient erzeugt, sind Magie und Astro- logie immer die Bastardtöchter seiner priesterlichen Kultur geblieben. Ihr Dasein wird von zwei entgegen- gesetzten Prinzipien beherrscht, dem Denken und dem Glauben, und ihr Wille oszilliert beständig zwischen diesen beiden Polen des Geisteslebens. Beide beruhen auf der Annahme einer universellen Sympathie, die zwischen Wesen und Dingen, welche gleichfalls sämt- lich mit einem geheimnisvollen Leben beseelt werden, verborgene und wirksame Beziehungen statuiert. Die Lehre von dem Einfluß der Gestirne, verbunden mit der Feststellung der Gleichmäßigkeit der himmlischen Revolutionen, führt die Astrologie zunächst dazu, die 2 24 Astrologie und Magie fatalistische Theorie von dem allmächtigen und im voraus erkennbaren Walten des Schicksals aufzustellen. Aber neben diesem strengen Determinismus bewahrt sie den Glauben ihrer Kindheit an göttliche Sterne, deren Wohlwollen der Mensch durch seine Devotion erwerben und deren Bosheit er durch diese entwaffnen kann. Die experimentelle Methode beschränkt sich hier darauf, die auf den vorausgesetzten Charakter der Ge- stimgottheiten gestützten Prognosen zu ergänzen. Auch die Magie bleibt zur Hälfte empirisch, zur Hälfte religiös. Wie unsere Physik, gründet sie sich auf Beobachtung, sie proklamiert die Konstanz der Naturgesetze und sucht sich der verborgenen Kräfte der materiellen Welt zu bemächtigen, um sie dem Willen des Menschen dienstbar zu machen. Aber zu gleicher Zeit erkennt sie in den Kräften, die sie sich zu unterwerfen strebt, Geister oder Dämonen an, deren Beistand man sich zu sichern, deren Böswilligkeit man zu beschwichtigen oder deren wütende Feindschaft man zu entfesseln vermag durch Opfer und Zauber- sprüche, Trotz all der Irrwege, die sie einschlugen, sind Astrologie und Magie nicht unnütz gewesen. Ihr lü- genhaftes Wissen hat wirklich dazu beigetragen, die menschlichen Kenntnisse zu erweitern. Indem sie bei ihren Anhängern eingebildete Hoffnungen und trüge- rische Erwartungen pflegten, haben sie diese zu sorg- fältigen Nachforschungen veranlaßt, die sie ohne Zwei- fel aus reiner Liebe zur Wahrheit nicht unternommen oder fortgesetzt haben würden. Die Beobachtungen, welche die Priester des alten Orients mit unermüd- licher Geduld sammelten, führten zu den ersten phy- sikalischen und astronomischen Entdeckungen, und die Ergebnis 225 Geheimwissenschaften bildeten, wie in der Zeit der Scholastik, die Brücke zu den exakten Wissenschaften. Als diese jedoch später die Nichtigkeit der wunder- baren Illusionen erkannten, von denen sie sich genährt hatten, zerstörten sie die Fundamente der Astrologie und der Magie, denen sie ihre Entstehung verdankten. Cumont, Die oriental. Religio aea ^5 VIII. DIE UMWANDLUNG DES RÖMISCHEN HEIDENTUMS Um die Zeit der Severer mußte die Religion Euro- pas dem betrachtenden Auge das Schauspiel einer er- staunlichen Mannigfaltigkeit darbieten. Die alten ein- heimischen, italischen, keltischen oder iberischen Gott- heiten waren zwar entthront, aber nicht gestorben. Von fremden Rivalen verdrängt, lebten sie noch in der Frömmigkeit der kleinen Leute, in der ländlichen Tra- dition fort. Seit langer Zeit waren die römischen Götter in alle Munizipalstädte siegreich eingedrungen und empfingen dort den pontifikalen Riten gemäß die Hul- digungen eines offiziellen Klerus. Aber neben ihnen hatten sich die Repräsentanten aller asiatischen Pan- theen angesiedelt, und ihnen galt die glühendste Ver- ehrung der Massen. Neue Machthaber waren aus Kleinasien, Ägypten, Syrien und Persien gekommen, und der blendende Glanz der Sonne des Orients hatte die Sterne an dem gemäßigten Himniel Italiens ver- bleichen lassen. Alle Formen des Heidentums wurden gleichzeitig angenommen und gepflegt, während der exklusive Monotheismus der Juden seine Anhänger be- hielt und das Christentum seine Gemeinden befestigte und seine Orthodoxie sicherte, obwohl es auch die wi- derspruchsvollen Phantasien der Gnosis gebar. Hun- dert verschiedene Strömungen rissen die schwankenden Der Synkretismus 227 und unschlüssigen Geister mit sich fort; hundert ein- ander entgegengesetzte Lehren beunruhigten die Ge- wissen. Nehmen wir einmal an, das moderne Europa wäre Zeuge davon gewesen, wie die Gläubigen die christlichen Kirchen verließen, um Allah oder Brahma zu verehren, die Gebote des Konfuzius oder des Bud- dha zii befolgen, die Grundsätze des shinto anzuneh- men; denken wir uns ein großes Durcheinander von allen Rassen der Welt, in dem arabische Mullahs, chi- nesische Literaten, japanische Bonzen, tibetanische La- mas, hinduistische Pandits zu gleicher Zeit den Fata- lismus und die Prädestination, den Ahnenkult und die Anbetung des vergötterten Herrschers, den Pessimis- mus und die Erlösung durch Selb st Vernichtung verkün- digten, und daß alle diese Priester in unseren Städten fremdartig stilisierte Tempel erbauten und in diesen ihre verschiedenen Riten zelebrierten — dann würde dieser Traum, den die Zukunft vielleicht einmal ver- wirklichen wird, uns ein ziemlich genaues Bild von der religiösen Zerrissenheit gewähren, in der die alte Welt vor Konstantin verharrte. Bei der Umwandlung des lateinischen Heidentums spielten die orientalischen Religionen, die sich nach und nach verbreiteten, eine entscheidende Rolle. Zu- nächst drängt Kleinasien dem siegreichen Italien seine Götter auf. Seit dem Ende der punischen Kriege be- findet sich der schwarze Stein, der die Große Mutter von Pessinus darstellt, auf dem Palatin, aber erst seit der Regierung des Claudius entwickelt der phrygische Kult sich ungehindert mit all seinem Prunk und seinen Ausschweifungen. Er bringt in die ernste und nüchterne Religion der Römer ein sinnliches, farbenfreudiges und fanatisches Element hinein. Nach seiner offiziellen An- 15* 2 28 Die Umwandlung des römischen Heidentums erkennung zieht er andere fremde, aus Anatolien ge- kommene Gottheiten an sich, nimmt sie in seinen Schutz und assimiliert sie der Cybele und dem Attis, die zu pantheischen Gottheiten geworden sind. Kappa- dokische, jüdische, persische und selbst christliche Ein- flüsse modifizieren die alten Riten von Pessinus und pflanzen ihnen mit der Bluttaufe des Taüroboliums Ideen von geistiger Reinheit und ewiger Erlösung ein. Aber es gelang den Priestern nicht, das plump natura- listische Fundament zu beseitigen, welches aus einer alten barbarischen Überlieferung herrührte. Seit dem zweiten Jahrhundert v. Chr. verbreiten sich in Italien die Mysterien der Isis und des Serapis, mit der alexandrinischen Kultur, deren religiösen x\usdruck sie darstellen, und siedeln sich trotz der Verfolgungen, die sie hervorrufen, in Rom an, wo sie von Caligula das Bürgerrecht erhalten. Sie bringen weder ein sehr fortgeschrittenes theologisches System, denn Ägypten produzierte immer nur ein chaotisches Aggregat von disparaten Lehren, noch eine sehr erhabene Ethik, denn der Stand ihrer Moral — d. h. der Moral der Griechen Alexandriens — überschritt nur zögernd ein ziemlich niedriges Niveau. Aber sie machten zuerst Italien und dann auch die anderen lateinischen Provin- zen mit einem antiken Ritual von unvergleichlicher Anziehungskraft bekannt, das durch seine glänzenden Prozessionen und seine liturgischen Dramen die wider- sprechendsten Gefühle zu erregen wußte. Sodann ga- ben sie ihren Gläubigen die formelle Zusicherung, daß sie nach ihrem Tode eine selige Unsterblichkeit ge- nießen sollten, in der sie, mit Serapis vereint und nach Leib und Seele seiner Gottheit teilhaftig, in der ewigen Anschauung der Götter leben würden. Einfluß der orientalischen Religionen 229 In einer etwas jüngeren Epoche kamen die zahl- reichen und vielgestaltigen Ba'alim aus Syrien. Die große wirtschaftliche Bewegung, die seit dem Beginn unserer Zeitrechnung die Kolonisierung der lateini- schen Welt durch syrische Sklaven und Kaufleute zur Folge hatte, veränderte nicht nur die materielle Kultur Europas, sondern auch seine Vorstellungen und seine Glaubensgedanken. Die semitischen Kulte machten den kleinasiatischen und ägyptischen erfolgreiche Konkur- renz. Vielleicht hatten sie keine ebenso eindrucksvolle Liturgie, vielleicht gingen sie nicht ebenso vollständig in der Beschäftigung mit dem zukünftigen Leben auf, obwohl sie eine eigenartige Eschatologie predigten, aber sie hatten eine unendlich erhabenere Vorstellung von der Gottheit. Die chaldäische Astrologie, deren enthusiastische Jünger die syrischen Priester waren, hatte ihnen die Elemente einer wissenschaftlichen Theologie geliefert. Sie hatte sie zu dem Begriff eines fern von der Erde hoch über den Sternen thronenden Gottes geführt, der allmächtig, allumfassend und ewig ist, während alles hier auf Erden durch die Revolu- tionen der Himmel bestimmt wird, die sich innerhalb unermeßlicher Jahreszyklen vollziehen, und hatte ihnen gleichzeitig die Anbetung der Sonne gepredigt, der strahlenden Quelle alles irdischen Lebens. Die gelehrten Theorien der Babylonier waren auch in die persischen Mysterien des Mithra übergegangen, die als letzte Ursache die mit dem Himmel identi- fizierte Zeif betrachteten und die Gestirne vergötter- ten; aber sie hatten sich über die alte Schicht des maz- däischen Glaubens gelagert, ohne sie zu zerstören. Die wesentlichen Prinzipien der Religion Irans, des uralten und oft erfolgreichen Rivalen Griechenlands, drangen 230 Die Umwandluncr des römischen Heidentums 'ö auf diese Weise unter dem Deckmantel chaldäischer Weisheit in das lateinische Abendland ein. Die mi- thrische Religion, die letzte und höchte Manifesta- tion des antiken Heidentums, lehrte als Fundamental- dogma den persischen Dualismus. Die Welt ist der Schauplatz und der Kampf preis eines Ringens zwischen Gut und Böse, Ormuzd und Ahriman, den Göttern und den Dämonen; und aus dieser eigentümlichen Vorstel- lung des Universums ergibt sich eine strenge und reine Moral: das Leben ist ein Kampf; als Soldat den Be- fehlen Mithras, des unbesiegbaren Helden, unterstellt, muß der Gläubige beständig den Unternehmungen der höllischen Mächte entgegentreten, die überall Verder- ben stiften. Diese imperative, die Energie weckende Ethik ist das charakteristische Merkmal, welches den Mithriazismus von allen anderen orientalischen Kulten unterscheidet. So hatte jedes Land der Levante — das wollten wir in diesem summarischen Rückblick zeigen — das rö- mische Heidentum mit neuen religiösen Vorstellungen bereichert, welche dieses selbst oft überleben sollten. Was war das Resultat dieser Mischung von hetero- genen Lehren, deren Mannigfaltigkeit überaus groß und deren Wert sehr verschiedein war? Wie haben die barbarischen Ideen, nachdem sie in den glühenden Schmelztigel des cäsarischen Synkretismus geworfen waren, sich verschwistert und verbunden ? Mit anderen Worten: welche Form hatte die mit ausländischen Theorien vollständig imprägnierte antike Idolatrie im vierten Jahrhundert angenommen, als sie endgültig entthront wurde? Das möchte ich zum Schluß unserer 'Betrachtungen hier noch in Kürze zu schildern ver- suchen. Das Heidentum im vierten Jahrhundert 231 Doch — darf man von einer heidnischen Religion reden? Hatte die Rassenmischung nicht auch die Ver- schiedenheit der religiösen Überzeugungen gemehrt? Hatte der verworrene Ansturm fremder Glaubens Vor- stellungen nicht eine Zersetzung, ein Zerbröckeln der religiösen Gemeinschaften, und die Toleranz des Syn- kretismus ein Überwuchern der Sekten zur Folge ? Die „Hellenen", sagte Themistius zum Kaiser V^alens, „ha- ben dreihundert Weisen, die Gottheit aufzufassen und zu ehren, die sich über diese Verscliiedenheit der Hul- digungen freut. "^ Im Heidentum sterben die Kulte keines gewaltsamen Todes, sondern sie erlöschen nach langem Siechtum. Eine neue Lehre nimmt nicht mit Notwendigkeit die Stelle einer alten ein. Beide können lange nebeneinander fortbestehen als zwei entgegen- gesetzte Möglichkeiten, die der Verstand oder der Glaube eröffnet, und alle Ansichten, alle Bräuche er- scheinen unter diesen Umständen beachtenswert. Die Wandlungen, welche sich auf diesem Gebiete voll- ziehen, sind niemals radikaler oder revolutionärer Na- tur. Zweifellos besaßen die religiösen Vorstellungen des Heidentums ebensowenig im vierten Jahrhundert als früher die Geschlossenheit eines metaphysischen Systems oder die Bestimmtheit von konziliaren Ent- scheidungen. Von jeher hat ein beträchtlicher Abstand zwischen dem Glauben des Volkes und dem der Gebil- deten existiert, und dieser Unterschied mußte in einem aristokratischen Reiche, dessen soziale Schichten deut- lich voneinander getrennt waren, besonders groß sein. Die Frömmigkeit der Massen ist unveränderlich wie das Wasser in den Tiefen des Meeres; sie wird von Oberströmungen weder mitgerissen noch erwärmt.- Die Bauern fuhren fort, wie vor Zeiten, bei gesalbten Stei- 23' Die Umwandlunsf des römischen Heidentums ■"o nen, heiligen Quellen und mit Blumen geschmückten Bäumen fromme Riten zu vollziehen und zur Saatzeit oder um die Weinlese ihre ländlichen Feste zu feiern. Mit unüberwindlicher Hartnäckigkeit hingen sie an ihren überlieferten Bräuchen. Ihres Ansehens entklei- det, zu Superstitionen herabgedrückt, sollten diese noch Jahrhunderte hindurch unter der Herrschaft der christ- lichen Orthodoxie fortbestehen, ohne dieselbe ernstlich zu gefährden; und wenn sie auch nicht mehr in den gottesdienstlichen Kalendern verzeichnet sind, so be- gegnet man ihnen doch noch bisweilen in folklori- stischen Sammelwerken. Am entgegengesetzten Pole der Gesellschaft konnten die Philosophen Gefallen daran finden, die Religion in das glänzende, aber leicht zerreißbare Gewebe ihrer Spekulationen zu hüllen. Sie konnten, wie Kaiser Julian, für den Mythus der Großen Mutter kühne und unzusammenhängende Erklärungen improvisieren, die in einem beschränkten Kreise von Gebildeten ange- nommen und geschätzt wurden. Aber diese Aus- schweifungen der individuellen Phantasie bedeuten im vierten Jahrhundert nur die willkürliche Anwendung unbestrittener Prinzipien. Die intellektuelle Anarchie ist zu dieser Zeit weit geringer als in der Epoche, in welcher Lucian „die Sekten versteigerte"; unter den in der Opposition befindlichen Heiden hat sich eine relative Übereinstimmung herausgebildet. Eine ein- zige Schule, die neuplatonische, beherrscht alle Gei- ster, und "diese Schule hat nicht nur Respekt vor der positiven Religion wie schon der ältere Stoizismus, son- dern verehrt sie, weil sie in ihr das Produkt uralter, von längst dahingegangenen Geschlechtern überliefer- ter Offenbarung erblickt; sie betrachtet ihre heiligen Volksfrömmigkeit und Philosophie 233 Bücher, die des Hermes Trismegistos, des Orpheus, die chaldäischen Orakel, Homer selbst, vor allem die eso- terischen Lehren der Mysterien als vom Himmel in- spiriert und ordnet ihre eigenen Theorien den geoffen- barten Lehren unter. Da zwischen diesen disparaten, aus so verschiedenen Ländern und Zeiten stammenden Überlieferungen kein Widerspruch bestehen kann, weil sie von einer einzigen Gottheit ausgehen, so hat die Philosophie als ancilla theologlae die Aufgabe, sie durch Anwendung der allegorischen Auslegung mit- einander in Einklang zu setzen. Und auf diese Weise bildet sich allmählich durch Kompromisse zwischen den alten orientalischen Ideen und dem griechisch- lateinischen Denken eine Summe von religiösen Vor- stellungen, deren Wahrheit durch den consensus gen- tium verbürgt erscheint. So waren die abgestorbenen Teile des alten Kultus beseitigt; fremde Elemente hatten ihm neue Lebens- kraft verliehen, sich in ihm verbunden und wechsel- seitig ausgeglichen. Dieser sich in der Stille vollzie- hende Prozeß innerer Zersetzung und Wiederherstel- lung hatte unmerklich eine Religion geschaffen, welche von der, die Augustus zu restaurieren versucht hatte, sehr verschieden war. Allerdings, wenn man sich darauf beschränken wollte, gewisse Schriftsteller zu lesen, welche in die- ser Zeit die Idolatrie bekämpft haben, so würde man zu glauben versucht sein, daß sich im nationalen Glauben der Römer nichts geändert hätte. So macht St. Augustin in seinem „Gottesstaat" sich gern lustig über die Menge der italischen Götter, welche den arm- seligsten Akten des Daseins vorstehen.^ Aber diese minderwertigen und albernen Gottheiten der alten Pon- 234 ^^^ Umwandlung des römischen Heidentums tifikallitaneien lebten nur noch in den Büchern der Altertumsforscher weiter, und tatsächlich ist Varro hier die Quelle des christlichen Polemikers. Die Verteidiger der Kirche holen ihre Waffen gegen den Götzendienst selbst noch bei Xenophanes, dem ersten Philosophen, der gegen den griechischen Polytheismus aufgetreten ist. Die Apologetik folgt, wie man oft bemerkt hat, mühsam den Fortschritten der von ihr bekämpften Lehren, und ihre Hiebe treffen nicht selten nur Tote. Auch ist es ein gemeinsamer Fehler aller Gelehrten, wenigstens aller, die sich mit - Bücherweisheit vollge- pfropft haben, daß sie die Meinungen der alten Autoren besser kennen als die Ansichten ihrer Zeitgenossen und lieber in der Vergangenheit leben als in der Welt, die sie umgibt. Es war leichter, die Einwände der Epi- kureer und der Skeptiker gegen abgetane Glaubens- vorstellungen zu wiederholen als die Mängel eines noch lebenden Organismus zu erforschen, um ihn zu kritisieren. Die rein forrnale Bildung der Schule raubte damals vielen der besten Geister den Sinn für dieWirk- lichkeit. So dürfte die christliche Polemik uns oft eine falsche Vorstellung von dem untergehenden Heiden- tum geben. Wenn sie mit Vorliebe die Unsittlichkeit der heiligen Legenden betont, so läßt sie nicht ahnen, daß die Götter und Heroen der Mythologie nur noch ein rein literarisches Leben führten.* Die Fiktionen der Fabel bilden bei den Schriftstellern dieser Epoche — wie bei denen der Renaissance — die obligate Zutat jeder dichterischen Komposition. Es handelt sich hier- bei um ein stilistisches Ornament, um rhetorische Ma- nier, aber nicht um den Ausdruck aufrichtigen Glau- bens. Das Theater zeigt, wie sehr diese alten Mythen Christliche Polemik 235 in Mißkredit geraten sind. Die Schauspieler der mimi, welche die galanten Abenteurer Jupiters ins lächerliche zogen, glaubten an ihre Realität nicht mehr als der Verfasser des „Faust" an die des mit Mephistopheles abgeschlossenen Paktes. Man darf sich daher durch die oratorischen Effekte eines Rhetors wie Arnobius oder die ciceronianischen Perioden eines Laktanz nicht irreführen lassen. Will man sich von dem wirklichen Stande der Dinge Re- chenschaft geben, so muß man vorzugsweise solche christlichen Schriftsteller berücksichtigen, die weniger Büchermenschen und mehr Männer der Praxis sind, die dem Leben des Volkes näher stehen und mehr Straßen- luft geatmet haben, also mehr auf Grund eigener Er- fahrung urteilen als nach den Schriften der Mytho- graphen. Zu diesen wird man hohe Beamte rechnen dürfen, wie Prudentius^ oder den, welcher seit Eras- mus den Namen „Ambrosiaster" ^ erhalten hat; den bekehrten Heiden Firmicus Maternus'^, der ein Buch über Astrologie schrieb, ehe er den „Irrtum der pro- fanen Religionen" bekämpfte; einzelne Kirchenmän- ner, die ihr geistliches Amt in Berührung mit den letz- ten Anhängern der Idolatrie brachte, wie den Verfasser der dem heiligen Maximus von Turin zugeschriebenen Homilien^; endlich die Redaktoren anonymer Pam- phlete, Gelegenheitsschriften, welche die Glut aller Leidenschaften des Augenblicks atmen.* Wenn man diese Enquete mit Hilfe der leider sehr knappen An- gaben ergänzt, welche die dem Glauben ihrer Väter treugebliebenen Mitglieder der römischen Aristokratie, ein Macrobius, ein Symmachus, über ihre religiösen Überzeugungen uns hinterlassen haben, wenn man sie ferner mit Hilfe der ausnahmsfweise umfangreicheren 236 Die Umwandlung des römischen Heidentums Inschriften kontrolliert, die gleichsam die öffentlichen Urkunden des letzten Willens des sterbenden Heiden- tums sind, dann wird man sich ein hinreichend deut- liches Bild davon machen können, was die römische Religion in dem Moment geworden war, als sie zu er- löschen begann. Eine Tatsache wird sich nun ohne weiteres aus der Prüfung dieser Dokumente ergeben: der antike Na- tionalkultus Roms ist tot.io Die vornehmen Würden- träger können sich zwar noch mit dem Titel Augur und Quindecemvir schmücken wie mit dem anderen Konsul oder Tribun, aber diese uralten geistlichen Ämter haben auf dem Gebiete der Religion in Wirk- lichkeit ebensowenig zu bedeuten als die republikani- schen Magistrate auf dem des Staates. Ihr Untergang wurde an dem Tage besiegelt, als Aurelian neben und über die alten Pontifices die des unbesiegbaren Son- nengottes, des Schirmherrn seines Reiches, stellte. Die noch lebenden Kulte, gegen welche sich der Haupt- angriff der christlichen Polemik wendet, die merklich schärfer wird, wenn sie von ihnen redet, sind die orien- talischen. Die barbarischen Götter haben in der Fröm- migkeit der Heiden' den Platz der gestorbenen Un- sterblichen eingenommen. Sie sind die einzigen, wel- che ihre Herrschaft über die Seelen noch behauptet haben. Firmicus Matemus bekämpft vor allen anderen „pro- fanen Religionen" die der vier orientalischen Nationen und setzt sie in Beziehung zu den vier Eleme'nten. Die Ägypter beten das Wasser an — das Nilwasser, das ihr Land befruchtet — ; die Phrygier die Erde, welche für sie die Große Mutter -aller Dinge ist; die Syrer und die Karthager die Luft, die sie unter dem Namen der Orientalisierung der Religion — Kult der elenienta 2^"? Juno Caelestisii verehren; die Perser endlich das Feuer, dem sie den Vorrang vor den drei anderen Prinzipien geben. In der gemeinsamen Gefahr, die ihnen droht, haben sich die ehemals rivalisierenden Kulte ausge- söhnt und betrachten sich als Teile und, wenn ich so sagen darf, Kongregationen ein und derselben Kirche. Jeder von ihnen ist einem der Elemente, die zusammen das Universum bilden, besonders geweiht; im Verein stellen sie die pantheistische Religion der vergötterten Welt dar. Alle aus dem Orient stammenden Kulte haben die Form von Mysterien angenommen.i^ Ihre Würden- träger sind gleichzeitig Pontifices der unbesiegbaren Sonne, Väter des Mithra, Tauroboliaten der Großen Mutter, Propheten der Isis, sie führen mit einem Wort alle erdenklichen Titel. Bei ihren Weihen, die ihr frommer Eifer vervielfacht, empfangen sie die Offen- barung einer esoterischen Lehre.i^ Welche Theologie verkündet man ihnen? Eine gewisse dogmatische Ho- mogenität hat sich auch hier angebahnt. Alle Schriftsteller stimmen mit Firmicus darin über- ein, daß die Heiden die elementa anbeten. i^ Unter diesen verstand man nicht nur die vier einfachen Substanzen, deren Gegensatz und Mischung alle Er- scheinungen der sinnlichen Welt verursacht ^0^ son- dern auch die Gestirne und überhaupt die Prinzipien aller himmlischen oder irdischen Körper.i^ Man kann daher in gewissem Sinne, von einer Rückkehr des Heidentums zum Kultus der Natur re- den, aber ist man berechtigt, diese Umwandlung als Rückfall in eine barbarische Vergangenheit, als eine Decadence bis zum Niveau des ursprünglichen Ani- mismus zu betrachten ? Das hieße doch sich vom Schein 238 Die Umwandlung des römischen Heidentums betören lassen. Alternde Religionen sinken nicht wie- der in den kindlichen Zustand zurück. Die Heiden des vierten Jahrhunderts betrachten nicht mehr in naiver Weise ihre Götter als launische Geister, als die un- organisierten Mächte einer verworrenen Physik; sie fassen sie als kosmische Energien auf, deren provi- dentielle Wirksamkeit durch ein harmonisches System geregelt ist. Der Glaube ist nicht mehr instinktiv und impulsiv; Bildung und Reflexion haben die gesamte Theologie reformiert. In gewisser Hinsicht kann man sagen, daß diese, um mit Comte zu reden, vom fiktiven Stadium in das metaphysische übergegangen ist. Sie ist eng verbunden mit der Wissenschaft ihrer Zeiit, welche ihre letzten Anhänger als getreue Erben der alten WeisJieit des Orients und Griechenlands stolz und liebevoll pflegen.^'^ Sie ist häufig nur eine religiöse Form der zeitgenössischen Kosmologie — darin liegt zugleich ihre Stärke und ihre Schwäche — und die strengen Prinzipien der Astrologie bestimmen die Vor- stellung, die man sich vom Himmel und von der Erde macht. Das Weltall ist ein Organismus, den ein einziger, ewiger, allmächtiger Gott beseelt. Bisweilen identi- fiziert man diesen Gott mit dem Schicksal, das alle Dinge beherrscht, mit der unendlichen Zeit, die alle sinnlichen Erscheinungen regelt, und man betet diese in all den einzelnen Abschnitten ihrer grenzenlosen Dauer, namentlich den Monaten und den Jahreszeiten an. 18 Bisweilen vergleicht man ihn im Gegensatze dazu mit einem Könige; man stellt ihn sich wie einen Sou- verän vor, der sein Reich beherrscht, und die einzelnen Götter sind dann die Grafen und die Würdenträger, welche bei dem Fürsten für seine Untertanen eintreten Das "Weltall und der höchste Gott 239 und sie irgendwie bei ihm einführen. Dieser himm- lische Hof hat seine Gesandten oder „Engel", die den Menschen den Willen ihres Herrn kundtun und diesem die Wünsche und Bitten seiner Untertanen überbrin- gen: eine aristokratische Monarchie herrscht im Him- mel wie auf Erden. i^ Eine mehr philosophische Vor- stellung erfaßt die Gottheit als unendliche Macht, welche die ganze Natur mit ihren überschwänglichen Kräften erfüllt: „Es gibt", schrieb um 390 JMaximus von Madaura, „nur einen höchsten und einzigen Gott, ohne Anfang und ohne Ende, dessen in ^ der Welt ver- breitete Kräfte wir unter verschiedenen Bezeichnungen anrufen, weil wir seinen wahren Namen nicht kennen, und indem wir unsere demütigen Bitten nacheinander an seine verschiedenen Glieder richten, suchen wir ihn ganz zu ehren. Dank der Vermittlung der untergeord- neten Götter wird dieser ihr und aller Sterblichen ge- meinsamer Vater auf tausend Weisen von den Men- schen geehrt, die so trotz ihrer Uneinigkeit einig blei- ben." 20 Dieser unaussprechliche Gott, der alles mit seinem Blick umfaßt, offenbart sich jedoch besonders in der glänzenden Klarheit des ätherischen Himmels. 21 Er be- kundet seine Macht im Wasser und im Feuer, in der Erde, dem Meer und dem Wehen der Winde, aber seine reinste, seine herrlichste, seine kraftvollste Epi- phanie vollzieht sich in den Gestirnen, deren Revolu- tionen alle Ereignisse und alle unsere Handlungen bestimmen, und vor allem in der Sonne, welche die himmlischen Sphären bewegt, dem unerschöpflichen Quell des Lichtes und des Lebens, der Urheberin aller Intelligenz auf Erden. Manche Theologen, wie der Se- nator Prätextatus, den Macrobius auftreten läßt, iden- 240 Die Umwandlung des römischen Heidentums tifizierten in radikaler Synkrasie alle alten Gottheiten des Heidentums mit der Sonne. 22 Ebenso wie oberflächliche Beobachtung zu dem Glauben verführen könnte, die Theologie der letzten Heiden sei wieder zu ihren ersten Anfängen herabge- stiegen, möchte die Umwandlung des Rituals auf den ersten Blick als eine Rückkehr zum wilden Urzustände erscheinen. Ohne Zweifel verbreiten sich mit der An- nahme der orientalischen Mysterien barbarische, grau- same und obszöne Bräuche: die tierischen Verkleidun- gen bei den mithrischen Initiationen, die blutigeji Tänze der Gallen der Großen Mutter, die Verstümme- lung der syrischen Priester. Der Kultus der Natur ist ursprünglich ebenso „amoralisch" wie das Schauspiel der Natur selbst. Aber ein ätherischer Spiritualismus verklärte die Roheit dieser primitiven Gepflogenheiten ins Ideale, Wie die Lehre vollkommen mit Philoso- phie und Bildung gesättigt ist, so ist die Liturgie voll- kommen durchdrungen von ethischen Voraussetzungen. Das Taurobolium, eine ekelhafte Übergießung mit war- mem Blut, ist ein Mittel zur Erlangung der ewigen Wiedergeburt geworden ; die rituellen Waschungen be- deuten nicht mehr eine äußerliche und materielle Handlung, sondern sollen die Seele von ihren Flecken reinigen und ihr die verlorene Unschuld wiedergeben; die heiligen Mahle teilen eine innere Kraft mit und sind zu Nährmitteln des geistigen Lebens geworden. Obwohl man sich bemühte, die Kontinuität der Über- lieferung aufrechtzuerhalten, hatte man doch nach und nach ihren Inhalt umgestaltet. Wie die Zeremonien des Kultus, so waren auch die empörendsten und leicht- fertigsten Mythen in erbauliche Erzählungen verwan- delt, dank der anmutigen und scharfsinnigen Erklä- Das Ritual — Die Eschatologie 241 rungen, in denen sich der Geist der gebildeten Mytho- graphen gefiel. Das Heidentum war zur Schule der Sittlichkeit geworden, der Priester zum Lehrer und zum Beichtvater.23 Die Reinheit, die Heiligkeit, welche der Vollzug der heiligen Zeremonien verleiht, ist die unerläßliche Vor- bedingung zur Erlangung des ewigen Lebens.^^^ Die Mysterien verheißen ihren Eingeweihten eine selige Unsterblichkeit und machen sich anheischig, ihnen un- fehlbare Mittel zu offenbaren, mit denen sie ihr Heil schaffen können. Nach einem allgemein angenomme- nen Bilde N^st der Geist, der uns beseelt, ein fortge- schleuderter Funke aus den Feuerrl, die hoch oben im Äther leuchten; er nimmt an ihrer Gottheit teil und ist, so glaubt man, auf die Erde herabgekommen, um hier eine Prüfung zu bestehen. Man kann buchstäb- lich sagen, daß L'homme est un dieu tombe qui se souvient des cieux. Nachdem sie ihr fleischliches Gefängnis verlassen ha- ben, steigen die frommen Seelen wieder zu den Him- melsräumen empor, wo die göttlichen Gestirne kreisen, um für immer in der unendlichen Klarheit über den gestirnten Sphären zu leben.^s Aber am anderen Ende der Welt, diesem lichten Aufenthalt gegenüber dehnt sich das finstere Reich der bösen Geister aus. Unversöhnliche Feinde der Götter und der guten Menschen kommen sie beständig aus den höllischen Regionen hervor, um auf der Ober- fläche der Erde umherzuschweifen, wo sie alle mög- lichen Übel verbreiten. Der Gläubige muß mit Hilfe der himmlischen Geister unablässig gegen ihre An- schläge kämpfen und ihren Grimm durch blutige Opfer Cumont: Die oriental. Religionen l6 242 Die Umwandlung des römischen Heidentums abzuwehren suchen. Doch der Magier versteht es auch^ sie durch geheimnisvolle und furchtbare Prozeduren seinem Willen zu unterwerfen und seinen Plänen dienst- bar zu machen, und diese Dämonologie, die monströse Frucht des persischen Dualismus, begünstigt die Über- handnähme aller erdenklichen Superstitionen. ^6 Das Reich des Bösen soll indessen nicht ewig be- stehen. Nach allgemeiner Überzeugung wird das Uni- versum, wenn die Zeiten abgelaufen sind, durch Feuer zerstört werden. ^^ Alle Gottlosen werden zugrunde ge- hen, und die wieder auferstandenen Gerechten in der erneuerten Welt ein Reich der allgemeinen Glückselig- keit begründen.28 Das ist in flüchtigen Umriäsen die Theologie des Heidentums, wie sie sich nach drei Jahrhunderten ori- entalischer Beeinflussung gebildet hatte. Aus plumpem Fetischismus und wilden Superstitionen hatten die ge- lehrten Priester der asiatischen Kulte allmählich eine vollständige Metaphysik und Eschatologie geschaffen, wie die Brahmanen den spiritualischen Monismus des Vedänta neben der ungeheuerlichen Idolatrie des Hin- duismus errichtet haben, oder, um in der lateinischen Welt zu bleiben, wie die Juristen aus den traditionellen Gepflogenheiten primitiver Stämme die abstrakten Prinzipien eines Rechtes zu entwickeln verstanden, wel- ches die kultiviertesten Völker beherrscht. Diese Re- ligion ist nicht mehr lediglich, wie die des alten Roms, ein Sammelsurium von propitiatorischen, Abwehr- imd. Sühneriten, die von Bürgern zum Besten des Staates vollzogen werden müssen : sie will jetzt allen Menschen eine Erklärung des Universums darbieten, aus der eine bestimmte Regel des Verhaltens folgt, und die den Zweck des Daseins in das Jenseits verlegt. Sie steht Das Ende des römischen Heidentums 243 dem Kultus, welchen Augustus zu restaurieren ver- sucht hatte, ferner als dem Christentum, das sie be- kämpft. Die beiden feindlichen Religionen bewegen sich in derselben intellektuellen und moralischen Sphäre 29, und tatsächlich geht man in dieser Zeit ohne Erschütterung und ohne Bruch von der einen zur anderen über. Bei der Lektüre von langen Werken der letzten lateinischen Schriftsteller, eines Ammianus Marcellinus, eines Boethius, oder auch der Panegyriken der offiziellen Redner ^o haben die Gelehrten sich bisweilen fragen können, ob ihre Autoren Heiden oder Christen waren, und die den Göttern ihrer Ahnen treu gebliebenen Glieder der rö- mischen Aristokratie unterschieden sich in der Zeit eines Symmachus und eines Praetextatus weder in ihrem Denken noch in ihrer Sittlichkeit wesentlich von den Anhängern des neuen Glaubens, die mit ihnen zu- sammen im Senate saßen. Der religiöse und mystische Geist des Orients hatte nach und nach die ganze Ge- sellschaft durchdrungen und alle Völker auf ihre Ver- einigung in dem Schöße einer universalen Kirche vor- bereitet. 16 = ANMERKUNGEN I. KAPITEL ROM UND DER ORIENT 1. Renan, L' Antichrist, S. 130. 2. Krumbacher {Byzant. Zeitschr. XVI, 1907, S. 710) be- merkt zu der hier von mir vertretenen Anschauung: „In ähn- licher, nur etwas ausführlicherer Weise war dieser Gedanke (der Überfiügelung des Abendlandes durch die auf allen Kul- turgebieten vordringende Regsamkeit der Orientalen) kurz vor- her in meiner Skizze der byzantinischen Literatur {Kultur der Gegemvart I, 8 [1905] S. 244 — 250; 2. Aufl. [1907] S. 246 — 253) auseinandergesetzt worden; es ist ein erfreulicher und bei dem Wirrsal widerstreitender Doktrinen tröstlicher Beweis für den Fortschritt der Erkenntnis, daß zwei von ganz ver- schiedenen Richtungen ausgehende Diener der Wissenschaft sich in so wichtigen allgemeinen Fragen so nahe kommen." 3. Vgl. Kornemann, Ägyptische Einflüsse im Römischen Kai" serreich {Neue Jahrbb. für das Mass. Altertum TL, 1898, S. uSff.) und Otto Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsheamten, 2. Aufl., S. 469. 4. Vgl., was Cicero von der alten römischen Herrschaft sagt {De off. II, 8): Illud patrociniiim orhis terrae verius quam imperium poterat 7iominari. 5. O. Hirschfeld, a. a. O., S. 53, 91, 93 usw.; cf. Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht in den östlichen Provinzen, S. g, Anm. 2 usw. Verschiedene Einrichtungen sind auf diese Weise von den alten Persern bis zu den Römern gelangt, vgl. Kap. VI, Anm. 5. Rom und der Orient 245 6. Rostovtzew, Der Ursprung des Kolonats {Beiträge zur alten Gesch. I, 1901), S. 295; Haussoulli er, Histoire de Müet et du Dtdymeion, 1.902, S, 106. 7. Mitteis, Reichsrecht imd Volksrecht in den Östlichen Provinzen, 1891, S. 8 ff. 8. Mommsen, Gesammelte Schriften II (1905), S. 366: Seit Diocletian übernimmt der Östliche Reichsteil, die partes Orientis, auf allen Gellet en die Führuiig. Dieser späte Sieg des Hellenismtis über die Lateiner ist vielleicht nirgends anfälliger als auf dem Ge- biete der juristischen Schriftsteller ei. 9. De Vogü6 et Duthoit, D Architecture civile et religieuse de la Syrie centrale, Paris 1866 — 77, 10. Dieses Ergebnis ist vor allem den Untersuchungen von Strzygowsky zu verdanken, doch können wir hier nicht auf die Kontroversen eingehen, die seine Veröffentlichungen ver- anlaßt haben: Oriejit oder Ro7n, 1901 ; Hellas in des Orients Um-' armung, München 1902, und namentlich Kleinasien, ein Neu- land der Kunstgeschichte, Leipzig 1903 (vgl. die Rezensionen von Ch. Diehl, fournal des Savants, 1904, S. 236 ff. = Etudes byzantines, 1905, S. 336ff.; Gabriel Millet, Revue archeoL, 1905, I, S. 93 ff; Marcel Laurent, Revue de l'Instr. publ. en Belgique, 1905, S. 145 ff.); Mschatta, 1904 (vgl. unten Kap. VI, Anm. 12). Femer: vanBerchem und Strzygowsky, Amida, 19 10 (das Hei- matland der mittelalterlichen Kunst soll Mesopotamien sein). — Br6hier, Orient ou Byzance? {Rev. archeol, 1907, II, S. 396 ff.) orientiert kurz über den Stand der Frage. Vgl. jetzt Gabriel Millet, Manuel dart byzantin, 191 3. 11. Vgl. auch Plinius, Episi. Traian. 40: Architecti tibi (in Bithynien) deesse non possunt cum ex Graecia etiam ad nos (nach Rom) venire soliti sint. — Unter den Namen von Ar- chitekten, welche die lateinischen Inschriften erwähnen, läßt eine große Anzahl auf griechische oder orientalische Herkunft schließen (cf. Ruggiero, Dizion. epigr. s. v. Architectus), trotz der Wertschätzung, die ihr hervorragend nützliches Gewerbe alle- zeit in Rom genoß. 12. Die Frage nach den künstlerischen und industriellen 2 4-6 Anmerkungen Einwirkungen, welche der Orient in der römischen Zeit auf Gallien ausgeübt hat, ist oft angeschnitten — namentlich von Courajod [Lecons du Louvre I, 189g, S. 115, 327 ff.) — ist aber noch nie in ihrem ganzen Umfange gründlich behandelt. Michaelis hat ihr kürzlich anläßlich einer im Stil der perga- menischen Schule ausgeführten Statue des Metzer Museums einen anregenden Artikel gewidmet [Jahrbl. der Gesellsch. für Lothring. Gesch. XVII, 1905, S. 20^ W.). Er erklärt durch den Einfluß Marseilles in Gallien und die alten Beziehungen die- ser Stadt zu den Staaten des hellenischen Asiens den erheb- lichen Unterschied, der die am Oberrhein aufgefundenen Bild- werke, wo die italischen Legionen als Kulturträger wirkten^ von den auf der anderen Seite der Vogesen zutage geförderten trennt. Diese Feststellung ist außerordentlich wichtig und fol- genreich. Aber Michaelis betont dabei m. E. zu ausschließlich die Vermittlerrolle der massaliotischen Händler, welche auf der alten „Zinnstraße" nach Britannien und auf der alten „Bern- steinstraße" nach Germanien zogen. Die asiatischen Kauf leute und Handwerker haben sich nicht von einem einzigen Punkt aus verbreitet. Im ganzen Rhönetale hatten sich die Auslän- der zahlreich angesiedelt: • Lyon war eine halb hellenisierte Stadt, und wir kennen die Beziehungen zwischen Arles und Syrien, Nimes und Ägypten usw. Wir werden bei der Be- sprechung der Kulte dieser Länder noch darauf zurückkom- men (siehe S. 198, 125 f.). 13. Selbst im Schöße der Kirche ist der lateinische Okzi- dent im vierten Jahrhundert dem griechischen Orient noch untergeordnet, der ihm seine dogmatischen Probleme aufnö- tigt (Harnack, Mission und Ausbreitung, 11^, S. 283, Anm. i). 1 4. Die heiligen Formeln sind gesammelt von Alb. Dieterich, Eine Mithrasliturgie , S. 212 ff. Er fügt noch hinzu Aoirj COl "Ocipic TÖ ipuxpöv üboip, Archiv für Religionswissensch.,^d.YlTL, 1905, S. 504, Anm. I (vgl. unten, Kap. IV, Anm. 93). — Von den für die orientalischen Kulte wichtigsten Hymnen sind die zu Ehren der Isis zu erwähnen, die auf der Insel Ändros (Kai- bel, Epigr., 4028) und sonst (cf. Kap. IV, Anm. 6) gefunden Rom und der Orient 247 wurden. Fragmente von Hymnen zu Ehren des Attis sind von Hippolyt aufbewahrt, /%z7öJö^/i. V, g, S. 168 ff. Die sogenann- ten orphischen Hymnen (Abel, Orphica, 1883), die aus ziem- lich später "Zeit stammen und wahrscheinlich in Kleinasien verfaßt sind, scheinen gleichwohl nicht viele orientalische Be- standteile zu enthalten (cf. Maas, Orpheus, 1895, S. I73ff.)^ aber nicht dasselbe gilt von den gnostischen Hymnen, von denen wir sehr lehrreiche Bruchstücke besitzen. Vgl. mein Werk: Textes et monwnents figures relatifs aux mysieres de Mithra {im folgenden zitiert als: Mon. My st, Mithra) I, S. 313, Anm. i. 15. Über die Nachahmungen im Theater vgl. Adami, De poetis Seen. Graecis hymnorumsacronmimiitatonbus, igoi. Wünsch hat den liturgischen Charakter eines Gebetes an Asklepios nachgewiesen, welches von Herondas in seine Mimiamben ein- geflochten wurde {Archiv für Religionswiss.Yll, 1904, S. 95 ff.). Schermann, Griechische Zauberpapyri ufid das Gemeinde- und Dank" gebet im I. Klemejisbrief {Texte und Unters. XXXIV) vergleicht gewisse Formeln der Papyri mit christlichen Gebeten. Reitzen- stein und Wendland, Nachrichten der Ges. der Wiss. Göitingefi 19 10, S. 325 ff. (ein in die christliche Liturgie übergegangenes hermetisches Gebet). Dieterich hat in einem magischen Pa- pyrus zu Paris einen erweiterten Auszug aus der mithrischen Liturgie zu entdecken gemeint (vgl. tinien, Kap. VI, Biblio- graphie). — Aber alles dies will sehr wenig besagen, wenn man an die riesige Masse von liturgischen Texten denkt, die verloren gegangen sind, und selbst hinsichtlich des alten Grie- chenlands sind wir über diese heilige Literatur sehr schlecht informiert: vgl. Ausfeld, De Graecorwn precationibus , Leipzig 1 903 ; Ziegler, De precationum apud Graecos formis qiiaestiones selectae, Breslau 1905; H. Schmid, Veter es philosophi quoviodo judicaverint de precibus, Gießen 1907. 16, Z. B. den Hymnus, „welchen die Magier sangen" über das Aussehen des höchsten Gottes, und dessen Inhalt wieder- gegeben wird von Dio Chrysostomus, Orat. XXXVI, § 39 (cf. Mon. Myst. Mithra I, S. 298; 11, S. 60). 17. Ich denke an die Hymnen des Kleanthes (von Arnim, 248 Anmerkungen Stoic. fragm. I, Nr. 527, 537), an manche Stellen bei Marc Aurel, und auch an den feierlichen Verzicht des Demetriu& bei Seneca, De Provid. V, 5, der überraschende Ähnlichkeit mit einem der berühmtesten christlichen Gebete besitzt, dem Suscipe _A^% heiligen Ignatius, welches das Buch der Exercitia spiritualia beschließt (Delehaye, Les legendes hagiographiquesy 1905, S. 170, Anm. i). Reitzenstein und Wendland {a.a. O.) haben nachgewiesen, daß die gemeinsame Quelle eines in den Apostol. Konstitutionen und bei Firmicus Maternus vor- kommenden Gebetes stoisch ist. — In demselben Zusammen- hange ist das Gebet zu erwähnen, das im Asclepim übersetzt wird, und dessen griechischer Text kürzlich auf einem Papy- rus wiedergefunden wurde (Reitzenstein, Archiv für Religions^ wiss, VII, 1904, S. 395). 18. Ich habe diesen Punkt in meinen Mon. Mysi. Mühra {vgl. Anm. 14) näher behandelt und entlehne diesem Werke (Bd. I, S. 2 1 ff.) einen Teil der nachfolgenden Bemerkungen. 1 9. Man hat bezweifelt, daß der Traktat TTepi Tf]C ZupiT]C Geoij von Lucian sei, aber mit Unrecht; cf. Maurice Croiset, Essai sur Luden, 1882, S. 63. 204. Ich habe das Glück, mich zugunsten seiner Authentizität auf das gewichtige Urteil Th, Nöldekes berufen zu können, der mir hierüber schrieb: Ick habe jeden Zweifel daran schon lange aufgegeben .... Ich habe lange den Plan gehabt^ einen Kommentar zu diesem immerhin recht lehrreichen Stück zu schreiben und viel Material dazu gesammelt. Aus der Annah?7ie der Echtheit dieser Schrift ergibt sich mir, daß auch das TTepi dcTpovo|uiac echt ist. 20. Vgl. Frisch, De cojupositione libri Plutarchei qui inscribi- iur TTepi "Iciöoc, Leipzig 1906, und die Bemerkungen von Neustadt, Berl. Philol. Wochenschr. 1907, S. n 17. Femer Scott Moncraft, Journal of hellenic studies XIX (1909) p. 81 ; Parmen- tier, Memoires Acad. Belgique 1913 (im Druck). — Eine der Quellen Plutarchs sind die 'loubaiKd des Apion. 2 1. Siehe Kap. VII, S. 233 f. 22. Vgl. Mon. Myst. Mithra I, S. 75. 219. — Für Ägypten siehe Georges Foucart, L'art et la religion dans Vancienne Warum die orientalischen Kulte sich ausgebreitet haben 249 Egypte {Revue des tdees, 15. Nov. 1908), S, 22)^. des Separat- abdrucks. 2T,. Die erzählende und symbolische Plastik der orientali- schen Kulte bereitet die des Mittelalters vor, und sehr viele Bemerkungen des schönen Buches von E. Male über L'Ari du XIIP such en France (deutsch von L. Zuckermandel: Die kirchliche Kunst des ij. Jahrhunderts in Frankreich. Studie über die Ikonographie des MA und ihre Quellen, Straßburg 1907) treffen auch für die des ausgehenden Heidentums zu. n. KAPITEL WARUM DIE ORIENTALISCHEN KULTE SICH AUSGEBREITET HABEN Bibliographie. — Boissier, La Religion roviaine d^ Auguste aux Antonius, besonders Buch II, Kap. II. — Jean Reville, La Religion ä Rome sous les Sevhes, Paris 1886. Deutsche Ausgabe von G. Krüger: Die Religion zu Rom unter den Severern, Leipzig 1888. — Wissowa, Religion und Kultus der Römer y München 1902, S. yiif., 289 fif. 2. Aufl. 191 2, S. 87 iF., 348 ff. — Samuel Dill, Roman society from Nero to Marcus Aurelius, London 1905. — Bigg, The Church's task under the Roman Em-^ pire, Oxford 1905. — C. H. Moore, Harvard studies in Classic. Philol. XI (1901), S. 47 ff. Transaciions of Americ. Philolog. assoc. XXXVIII (1908), S. 109 flf. (Verbreitung in Britannien, Ger- manien und Gallien). — Toutain, Les cultes paiens dans l'em~ pire romain. 1^^^ partie, t. II: Les cultes orientaux. Paris 19 12 [cf. Rev. hist. rel. LXVI (1912), S. 125 ff.). — Vgl. auch Gruppe, Griech. Mythologie und Religionsgeschichte, 1906, S. I5l9ff. — Wendland, Die hellenistisch-römische Kultur in ihren Beziehungen zum Judentum und zum Christentum, Tübingen 1907, S. 54 ff. 2. — 3. Aufl. 191 2, S. 96 ff. — Reitzenstein, Die hellenistischen Mysterienreligionen, Leipzig und Berlin 1910, S. 8 flf. Die Mo- nographien -werden wir bei jedem der Kulte anführen, auf die sie sich beziehen. 2 CO Anmerkungen 1. Melanges Fredericq, Bruxelles 1904, S. 63 ff. {Pourqtioi le latin fut la seule langue lihi7'gique de /' Occidetit) ; vgl. die Be- merkungen von Lejay, Rev. d'hist. et de litt, relig. XI (1906), S. 370. 2. Holl, Volkssprache in Kleinasien [Hermes, igo8, S. 2 50 ff.). 3. Das Buch von Hahn, Rom Und Romanismus im griechisch-' römischen Osteti bis auf die Zeit Hadrians (Leipzig 1906) be- schäftigt sich in der Hauptsache mit einer früheren Periode als der von uns behandelten. Für die spätere Zeit besitzen wir nur eine provisorische Skizze desselben Verfassers, i?ö;«a- nismus und Hellenismtis bis auf die Zeit Justiniatis (Philologus, Supplbd. X), 1907. 4. Cagnat, Le commerce et la propagalio?i des religions dans le ?)ionde romain (Paris 1909). - 5. Cf. Tacitus, Annalen XIV, 44: Nationes in familiis habe- mus qiiibus diversi ritus, externa sacra aut nulla sunt. 6. S. Reinach, Epona (aus Rev. archeol), 1895. 7. Die Theorie von der Entartung der Rassen ist nament- lich vertreten von Stewart Chamberlain, Die Grujidlagen des ig. Jahrhunderts, 3. Aufl., München 1901, S. 296 ff. — Die Idee einer rückschreitenden Auslese, der Ausrottung der Besten, ist bekanntlich von Seeck verteidigt, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, der ihre religiösen Konsequenzen Bd. II (1901) S. 344 andeutet und sie in Bd. III (1909) auseinan- dersetzt. 8. ApuL, Metam. XI, 1 4 ff. Vgl. die Vorrede des Verfassers, S. X ff., und Reitzenstein, Hellenist. Mysterienreligionen (Leipzig und Berlin 19 10), S. 98. — Schon Manilius redet von gött- lichen Gestirnen (IV, 920, vgl. II, 125): Ipse vocat nostros ani- mos ad sidera mundus. 9. Catull.63 [cf. v.Wilamowitz,ÄrOT£5XIV(i879),S. i94ff.]; Livius XXXVII, 9, 9; Cic, De legib. II, g, 22. — Ebenso in dem Kultus der Dea Syra vgl. wtten Kap. V, Anm. 3 g. 10. Hepding, Attis, S. 178 f., 187. 1 1. Der enge Zusammenhang zwischen juristischen und re- ligiösen Ideen bei den Römern hat selbst in ihrer Sprache Warum, die orientalischen Kulte sich ausgebreitet haben 251 ßahlreiche Spuren hinterlassen. Eine der merkwürdigsten ist die doppelte Bedeutung des Wortes supplichmi, das zugleich •eine an die Götter gerichtete Bitte (franz. supplication) und eine von der Sitte, dann vom Gesetz geforderte Strafe (franz. supplice) bezeichnet. Über die Entwicklung dieses Doppelsinnes ist die neuerdings gemachte Bemerkung von Richard Heinze zu ver- gleichen, Archiv für lai. Lexikographie XV, S. 90 if. Die Se- mantik ist oft Kulturgeschichte. 12. Reville, a.a. O., S. 144. Deutsche Ausgabe S. 141. 13. Über die Ekstase in den Mysterien im allgemeinen vgl. Rohde, Psyche, 2. Aufl., S. 315 — ig; De Jong, Das antike My- ^terienwesen, Leiden 190g (vgl. oben S. XDi, Nr. 7); Mon.Myst. Mithra I, S. 323. 14. Diese Beobachtung hat schon Firmicus Maternus ge- macht. De errore pro/, relig. c. 8. Über die Entwicklung der Auferstehungsidee in den semitischen Kulten vgl. Graf Bau- dissin, Adonis U7id Esmun, Leipzig i g 1 1 . 15. Für Babylonien vgl. Strab., XVI, i, § 6 und tinten Kap.V, Anm. 51; für Ägypten ders. XVII, 21, § 46. Aus der sehr interessanten Schilderung, welche Otto {Priester und Tempel, Bd. II, S. 211 if., 234) von der Wissenschaft der ägyptischen Priester in der hellenistischen Epoche entwirft, geht hervor, daß sie, obwohl sie keine Fortschritte mehr machte, nichts- destoweniger sehr beachtenswert blieb. 16. Strab., a.a. O.: 'AvatiOeaci be tuj "^Epiurj Ttäcav ttiv TOiaurriv cocpiav; Plin., Eist. nat.Yl, 26, § 121: (Belus) in- ventorfuit sideralis scientiae; cf. Solinus, 56, § 3; Achill., Isag. i ■(Maaß, Com7?i. in Arat., S. 27): Br|\uj Tf]v eöpeciv dvaöevTec Erinnern wir uns daran, daß der Codex Hammurabi als WerJc Marduks bezeichnet wird. — Überhaupt sind die Götter die Urheber aller der Menschheit förderlichen Erfindungen; vgl. Reitzenstein, Poimandres, ig04, S. 123; Deißmann, Licht vom Osten, S. 91 ff. Ebenso im Abendlande: CIL VII, 759 = Bü- cheier, Carrn. epigr., 24: (Dea Syria) ex quis munerihis nosse contigit deos etc. Ferner Plut., Crassus 17. — „Religion im Sinne des Orients ist die Erklärung alles dessen was ist, also 2 52 Anmerkungen eine Weltauffassung'''' (Winckler, Himmelshild der Babylonier^ 1903, S. 9). 17. Mon. Myst. Mithra I, S. 312. — Der Manichäismus brachte ebenfalls aus Babylonien ein ganzes kosmologisches System mit. St. Augustinus tadelt an den Büchern dieser Sekte, daß sie voll von langen Betrachtungen und absurden Fabeln über solche Dinge seien, die mit dem Heil nichts zu tun hätten; vgl. meine Recher ches sur le manichiisme , I, 1908, S. 53. 1 8. Cf. Porphyr., Episi. Aneb., 1 1 ; Jambl., De myst. II, n . Über die yvujcic öeoO in den orientalischen Religionen vgl. die lehrreichen Untersuchungen von Ed. Norden, Agnostos Theos, Leipzig und Berlin 191 3, S. 95 ff., 109. ig. Dieser ehrbare Charakter der römischen Religion ist vortrefflich beleuchtet von G. Boissier {a. a. 0. I, 30 ff.; 11, 373 ff.). Vgl. auch die Bemerkungen von Bailey, Religion of ancient Rome, London 1907, S. 103 ff. 20. Varro bei Augustinus, De civ. Dei IV, 27; VI, 5; vgl. Varro, Antiqu. rerum divin., ed. Aghad, S. 145 ff. Der Unter- schied zwischen der Religion der Dichter, der der Gesetz- geber und der der Philosophen (jliuGiköv, vgjliijliöv, q)uciKÖv) geht auf Posidonius zurück. Er ist wiederholt von Actius (Diels, Doxogr. 295, 10, vgl. Wendland, Archiv für Gesch. der Philosophie I, 2 00 ff.); Cic, Nat. deor. I, 77; Dio Chrys., Or. XII, p. 228; Plutarch, Amatorius 18, S. 763 C. 21. Luterbacher, Der Prodigienglauhe der Römer, Burgdorf 1904. 22. Juvenal II, 14g; cf. Diodor I, 93, § 3. — Ebenso weist Plutarch, wenn er von den Qualen im Jenseits redet {No7t passe suaviter vivi, c. 26, S. 1104C — E; Quo modo poetas aud., c. 2, S. 17 C — E; Consol. ad Apollon., c. 10, S. 106 F), darauf hin, „daß dies für die meisten seiner Zeitgenossen Ammen- märchen sind, die nur noch Kinder schrecken können" (Decharme, Traditions religieuses chez les Grecs, 1904, S. 442). 2^. Aug., Civ. Dei VI, 2; Varro, Antiqu. ed. Aghad, 141: Se timere ne (dii) pereant non incursu hostili^ sed civium neglegentia. Warum die orientalischen Kulte sich ausgebreitet haben 253 24. Ich habe diesen Punkt ausgeführt in meinen Mon. Myst. Mithra I, S. 279 flf. Vgl. die deutsche Ausgabe von Gehrich: Die Mysterien des Mithra, 2. Aufl. (191 1), S. 84 if. 25. In Griechenland haben sich die orientalischen Kulte weniger als in jedem anderen Lande verbreitet, weil die hel- lenischen Mysterien, namentlich die Eleusinischen, ähnliche Lehren verkündeten und zur Befriedigung der religiösen Be- dürfnisse ausreichten. 26. Die Entwicklung des „Reinigungsrituals" ist in ihrem ganzen Umfange ausführlich dargestellt von Farneil, The evo~ lution of religion, 1905, S. 88 ff. 27. Wir werden bei der Besprechung des Tauroboliums hierauf zurückkommen, Kap. III, S. 79 ff. 26. Wir können hier nicht bei den verschiedenen Formen verweilen, welche diese Kathartik der orientalischen Mysterien annimmt: oft sind diese Formen sehr primitiv geblieben, und die Idee, welche ihnen zugrunde liegt, scheint noch durch, so wenn Juvenal (VI, 521 ff.) uns den Gläubigen der Magna Mater zeigt, wie er sich seiner schönen Kleider entledigt und sie dem Archigallus einhändigt, um alle Sünden des Jahres zu sühnen {ut totum semel expiet annmii). Die Idee der mecha- nischen Übertragung der Befleckung durch die Fortgabe der Kleider ist bei den Wilden sehr häufig; vgl. Farneli, a. a. O., S. 117, und auch Frazer, Golden Bough I^ S. 60. 29. Wiedergeburt: 'Diei&xic\ JEine Miihrasliturgie, S. 157 ff.; Hepding, Aitis, S. 104 ff. Reitzenstein, Hellenist. Mysterienreli- gione7t (19 10), S. 26 und Anm. — Cf. Frazer, Golden Bough IIP, S. 424 ff. 30. Vgl. August, Civ. Dei X, 28: Confiteris tarnen (sc. Por- phyrius) etiam spiritaleni animam sine theurgicis artibus et sine teletis quibiis frustra discendis elaborasti, posse contitientiae virtute purgari (cf. ibid.-^, 2^ und unten Kap. VIII, Anm. 24). 31. Wir können dieses hochinteressante Thema hier nur oberflächlich berühren. Der Traktat Z>e ahstinentia des Por- phyrius würde uns gestatten, es mit einer Ausführlichkeit zu behandeln, die bei dieser Art von Studien nur selten möglich 2 54 Anmerkungen ist. Cf. Farneil, a.a. 0., S. 154 ff. Nicht nur das Fleisch wird verboten. Über die Enthaltung vom, Brot in Kleinasien und Syrien cf. Hepding, Atiis, S. 1 56, Anm. 3 ; Pauli -Wissowa, Real- enzykl. s. v. Hadaranes. — Enthaltung vom Wein cf. CIL VIII, 10832. 16752. Sie findet sich im Manichäismus wie später im Islam wieder. ■^2. Über die eHojuoXÖYTlcic und die Sühninschriften in den Kulten Kleinasiens vgl. Ramsay, Ciiies, I, S. 134. 152, und Chapot, La province romaine d'Asie, 1904, S. 509 ff. Ferner Keil und von Premerstein, Ziveite Reise in Lydien, Denkschr. Akad. Wien, 191 1, Nr. ig8. 206. 208. 2,^. Menander bei Porphyr., De abstin. II, 15; cf. Plutarch, De Superstit. 7, S. 168D; Tertull., De Paenit., c. 9. — Über die heiligen Fische der Atargatis vgl. imten Kap. V, S. 135 f. — Bei Apuleius [Met. VIII, 28) erhebt der Gallus der Göttin schwere Anklage gegen sich wegen, seines Vergehens und straft sich selbst, indem er sich geißelt. Vgl. Gruppe, Griech. Myth., S. 1545; Farneil, EvoL o/ReL, S. 55. — Das Sünden- bekenntnis ist übrigens bei den Semiten eine alte religiöse Tradition, die bis auf die Babylonier zurückgeht; cf. Lagrange, Religions semit., S. 225 ff. Schrank, Babylonische Sühnriten, S. 46. In Alexandrien verzeichneten die zum Tode Verurteilten das Geständnis ihres Verbrechens im Tempel der Artemis 'ATCCÖr), offenbar um Verzeihung dafür zu erlangen. Es war eine Art ^eichie. iji articulo mojiis, vgl.Crusius, Paroemiographica (SB Bayr. Akad. 19 10, S. III ff.). 34. Juven.VI, 523 ff., 537 ff.; cf. Senec, Vit. heat. XXVI, 8, 35. Liturgische Mahlzeiten im Kultus der Cybele: unteriy Kap. III, S. 81 f. — in den Mithrasmysterien : Mon. Myst. Mithra I, S. 320 — in den syrischen Kulten: Kap. V, S. 136, und Anm. 37; cf. im allgemeinen Hepding, Attis, S. 185 ff. In den Tempeln des Serapis: Mitteis- Wilcken, Papyruskunde I, S. 133, Nr. 99. 36. Die fortschreitende Differenzierung der kirchlichen und weltlichen Funktionen ist bekanntlich nach Herbert Spencer ein Merkmal der religiösen Entwicklung. Rom ist Warum die orientalischen Kulte sich ausgebreitet haben 255 in dieser Beziehung hinter dem Orient sehr weit zurückge- blieben. 37. Ein wichtiges Ergebnis der Forschungen Ottos {a.a. 0.) ist der Nachweis des Gegensatzes, der in Ägypten seit der Ptolemäerzeit zwischen der hierarchischen Organisation des ägyptischen Klerus und der fast anarchischen Autonomie der griechischen Priester bestand. Vgl. das S. iiof. über den Kle- rus der Isis und S. 63 über die Gallen Gesagte. — Über die mithrische Hierarchie cf. meine Mysüres de Mithra, 2. Aufl., 1902, S. 1385. (deutsche Ausgabe- von G. Gehrich: Die My" sterien des Mithra, Leipzig 1903, S. 122 f.). 38. Die Entwicklung der Vorstellung vom Heil und vom „Heiland" seit der hellenistischen Epoche ist von Wendland behandelt (Xuuxrip, Zeiischr. für neutestainentl. WissenschN , 1 904, S. 335 if.). Vgl. obe7t S. XII, Anm. 2. — Über die mater deum salutaris cf. unten Kap. III, Anm. 25. 3g. Wir werden die beiden Hauptlehren, die der ägypti- schen Kulte (Identifikation mit Osiris, dem Gott der Toten) und die der syrischen und persischen Kulte (Himmelfahrt) noch näher erörtern. 40. Cumont, Fatalisme astral (Revue d'hist. et de litt, relig., 1912, S. 533 ff.)- 41. Das Schicksal im Jenseits stand damals im Mittelpunkt des Denkens. Ein interessantes Beispiel für die treibende Kraft dieser Sorge liefert uns Amobius. Er bekehrte sich zum Christentum, weil er seiner eigenartigen Psychologie gemäß fürchtete, daß seine Seele stürbe, und weil er glaubte, daß Christus allein sie vor der endlichen Vernichtung bewahren könnte; vgl, Bardenhewer, Gesch. der alikirchl. Literatur II {1903), S. 470. 42. Lucretius hegt schon diese Überzeugung (II, 11 70 ff.). — Sie verbreitet sich gegen das Ende des Imperiums, je mehr die Schicksalsschläge sich häufen, cf. Rev. de philologie, 1897, S. 152. 43. Die Idee, daß das Leben eine vom Schicksal auf- erlegte Arbeit ist, während der Gläubige die Hoffnung auf 256 Anmerkungen ein besseres Dasein hat, gelangt in merkwürdigerweise zum. Ausdruck in einer neuerdings in Carnuntum aufgefundenen Inschrift, die mir Herr Prof. Bormann mitteilt: coniugi incom- pardbili qtiae dum explesset fati sui laborevi meliora sperans vi- tam functa est, vgl. Julian., Caesares, fin.: juexa Tf^c dYa9f]C eXTTiboc. 44. Boissier, JRel. ro?n. I^ 8.359; Friedländer, Sittengesch. 1°, S. 500 fF. IIL KAPITEL KLEINASIEN Bibliographie. — Jean Reville, La religion ä Rome sous les Severes, S. 62 ff. {deutsche Ausgabe S. 59 fF.). — Drexler in Röscher, Lexikon der MythoL, s.v. „Meter", Bd. II, 2932 ff. — Wissowa, Religion und Kultus der Romer, S. 263 ff., 2. Aufl. S. 3i7ff., wo man auch die ältere Literatur verzeichnet fin- det. — Showermann, The Great Mother of the Gods (Bulletin of the University of Wisconsin Nr. 43), Madison 1901. — Hepding, Attis, seine Mythen und sein Kult, Gießen 1903. — Dill, Roman society from Nero to Marcus Aurelius, London 1905, S. 547 ff. — Gruppe, Griech. MythoL, 1906, S. 1 521 ff. — Eisele, Die phrygischen Kulte und ihre Bedeutung für die griechisch-römische Welt [Neue Jahrbb. für das klass. Altertum XXIII] 1909, S. 620 ff. — Toutain a. a. O. [oben S. 249] S. JS'^- — Frazer, Adonis, Attis, Osiris, 1906, S. 163 ff, — Henri Graillot sammelt seit langen Jahren die Denkmäler des Cybelekultus für eine umfassende Publikation, die in Bälde erscheinen soll. — Zahlreiche Bemerkungen über die phry- gische Religion findet man in den Büchern und Artikeln von Ramsay, namentlich in Cities and bishopries of Phrygia, 1895 ff., und Studies in the Kastern Roman provinces, 1906. 1. Vgl. Ernst Schmidt, Kultübertragungen, Gießen 1909, S. iff. 2. Der Tempel auf dem Palatin wird auf Münzen wieder- Kleinasien 257 gegeben, die seine Wiederherstellung unterstützen, cf. Esdaile, Römische Mitieil.XXlll, 1908, S. 368 ff. Über die Devotion der Aristokratie gegenüber der Großen Mutter wegen des vorausgesetzten trojanischen Ursprungs der Römer vgl. Auri- gemma, La protezione speciale della gran Madre Idaea per la no- hiltä roniana (BoU. archeol. comm. XXXVII, 1909, S. 31 ff.). 3. Arrian, Fr. 30 [FGH III, S. 592). Vgl. meine Shidia Pontica, 1905, S. 172 ff., und Statins, Achill. II, 345: Phrygas lucos ..... vetitasque solo, procumbere pimts) Virg., Aeneis, IX, 85 ff. 4. Löwe; vgl. S. Reinach, Mythes, cultes eic. I, S. 293. — Sollte der Löwe, der seit uralter Zeit in Kleinasien dargestellt wird, wie er einen Stier oder andere Tiere zerfleischt, viel- leicht das heilige Tier Lydiens und Phrygiens bedeuten, wel- ches das schützende Totem (ich gebrauche dieses Wort in seinem weitesten Sinne) der kappadokischen oder anderer Nachbarstämme besiegt? So hat man wenigstens analoge Grup- pen in Ägypten erklärt; vgl. Foucart, La mithode coniparative et l'histoire des religions, 1909, S, 49. 70. 5. TTÖTVia 0ripu)v. Über diesen Titel cf. Radet, Revue des etudes anciennes, X {1908), S. iioff. Der älteste Typus der Göttin, eine geflügelte Figur, welche Löwen hält, ist durch Denkmäler bekannt, die bis auf die Epoche der Mermnaden (687 — 546 v. Chr.) zurückgehen. 6. Cf. Ramsay, Cities and hishopries of Phrygia I, S. 7. 94 ff. Über die alte phrygische Religion siehe jetzt Eisele a. a. O.; cf. Georges Radet, Cybele, Bordeaux et Paris 1909; Branden- burg, Les vestiges des pltis anciens cultes en Phrygie [Revue de l'hist. des religions, LIX, 1 909, S. i ff.]. 7. Foucart, Le culte de Dionysos en Attiqtie (Aus den Mim. Acad Inscr., Bd. XXXVII), 1904, S. 2 2ff. — Die Thrakier scheinen auch in Kleinasien den Kultus des „Rittergottes" ausgebreitet zu haben, der sich dort bis zur römischen Zeit erhielt, cf. Remy, Le Miisee beige, XI (1907), S. 136 ff. 8. Catull, LXIIL 9. Die Entwicklung dieser Mysterien ist sehr gut von Hep- Cumont: Die oriental. Reli^onen I7 258 Anmerkungen ding dargelegt, S. 177 flf. (vgl. Gruppe, Gr. Myih., S. 1544)= — Ramsay hat neuerdings Inschriften von phrygischen Mysten kommentiert, die durch die Kenntnis gewisser geheimer Zei- chen (leKjUUUp) verbunden waren und gemeinsam heilige Mahle feierten ; cf. Studies in the Eastern Roman provinc es, 1 906, S. 346 ff., nnd Journal of hellenic studies XXXII, 1912, S. I5iff. Vgl. Reitzenstein, Hellenist. Mysterienreligionen, S. 6. 65. 10. Dig., XL VIII, 8, 4, 2: Nemo liberum servu7?ive invitum sinentevvüe castrare dehet. Vgl. Mommsen, Straf recht, S. 637. 11. Diodor, XXXVI, 6; cf. Plutarch, Marius, ij. 12. Cf. Hepding, a. a. 0., S. 142. 13. Cf. Kap. VI, S. 165 ff. 14. Wissowa, a. a. O., S. 291. 1 5. Hepding, a. a. 0., S. 1 45 ff. Vgl. Pauly- Wissowa, Realenc, s. V. „Dendrophori", V, Sp. 216 und Suppl., Sp. 225, s. v. „Attis". 16. Cf. Tacit., Ännales XI, 15. 1 7. Diese Ansicht hat kürzlich Showermann vertreten, Clas- sic al Journal II (igo6) S. 29. 18. Frazer, The Golden Bough, 11^ S. I30ff. = Adonis, AttiSy Osiris, 1906, S. 174 ff. 19. Hepding, S. 160 ff. Vgl. die zitierten Texte des Am- brosiaster in Revue d'hisf. et de litt, relig., Bd. VIII (1903), S. 423, Anm. I. 20. Hepding, S. 193. Vgl. Gruppe, S. 1541. 2 1 . Über dieseVerbreitung vgl. Drexler in Roschers Lexikon, s. V. „Meter", S. 9 1 8 ff. ; Toutain a. a. O. 22. Gregor von Tours, De glor. confess., c. 76. Cf. Passia S. Symphoriani in Ruinart, Ada sine. Ausg. von 1859, S. 125. — Das carpentum, von dem diese Texte reden, findet sich in Afrika wieder, cf. CIL VIII, 8457 und Graillot, Rev. archiol. 1904, I, S. 353; Hepding, a. a. 0. S. 173, Anm. 7. Im Gegen- satz dazu zeigt uns eine neuerdings in Pompeji entdeckte (noch unedierte) Freske die Statue der Großen Mutter auf einer Tragbahre stehend, welche die Träger soeben nieder- gesetzt haben. Kleinasien 250 25. ©appeixe ^ucxai toO öeoö cecuüCjuevou | ecrai t^P v^xiv CK TTÖvuuv ctUTTipia; cf. Hepding, a. a. O. S. 167. — Das Verscheiden des Attis hat aus ihm einen Gott gemacht (vgl. Reitzenstein, Poimandres, S. 93), und in ähnlicher Weise wer- den auch seine Gläubigen durch den Tod der Gottheit gleich werden. Die phrygischen Epitaphe haben oft den Charakter von Weihinschriften, und die Gräber wurden anscheinend um den Tempel gruppiert; cf. Ramsay, Studies, S. 56 ff., 271 ff., passim. 24. Perdrizet, Bull. corr. hell. XIX (1905), S. 534 ff. Vgl. Strong, Journal of Roman studies I (igii), S. 17. 25. Graillot, Mater deum salutaris in Melanges Cagnat, 191 2, S. 214 ff. 26. Wir kennen diese Glaubensvorstellungen der Saba- ziasten aus den Fresken der Praetextatus - Katakombe (cf. U7ite7i S. 77), und der Mercurius mmtitis, der dort die abge- schiedene Seele führt, begegnet uns unter dem griechischen Namen Hermes neben Attis wieder (cf. Hepding, S. 203). — Die Inschrift CIL VI, 509 = Inscr. graec. XIV, 1018, ist vielleicht zu ergänzen: 'PeiT], fEpjU^] xe TeveOXiu; cf. CIL VI, 499. Hermes figuriert neben der Göttermutter auf einem Basrelief von Ushak, das Michon publiziert hat, Rev. des iiudes anciennes, 1906, S. 185, Taf. IL — Der thrakische Hermes wird bereits bei Herodot erwähnt; cf. Maury, Relig. de la Grlce in, s. 136. 27. Außer BeUona-Mä, die der Cybele untergeordnet war (vgl. oben S. 65 f.), und Sabazius, der ebensosehr jüdisches als phrygisches Gepräge trägt, gibt es nur noch einen einzigen kleinasiatischen Gott, der in der römischen Epigraphik eine Rolle spielt: der phrygische Zeus Bronton (Donnerer). Vgl. Pauly-Wissowa, Realencyc, s. v. und Suppl. I, Sp. 258. 28. Cf. CIL VI, 499: Attidi menotyranno invicto. „Invictus" ist das charakteristische Epitheton der solaren Gottheiten. 29. P. Perdrizet, Mhi (Bull. corr. hell. Bd. XX) 1896, Drexler in Roschers Lexikon, s. v., Bd. II, Sp. 2687 ff. ■^O. CIL VI, 50 = Liscr. graec. XIV, 1018. 17* 200 Anmerkungen 31. Schürer, -5"-^^ Berlin, Bd. XIII (1897), S. 200 f. und mein Hypsistos (Suppl. Revue de V histr. publ. en Belgique) 1897. 32. Der Ausdruck ist der Sprache der Mysterien entlehnt: die angeführte Inschrift stammt vom Jahre 370 n. Chr. Im Jahre 364 redet Agorius Praetextatus mit Bezug auf Eleusis von cuvexovia tö dvOpiL'ireiov T£Voc dTioiTaxa laucxripia (Zo- simus IV, 3, 2). Vorher bezeichnen die „chaldäischen Orakel" die intelligible Gottheit als jLir|Tpa cuvexouca TCt TrdvTa (Kroll, De orac. Chaldaicis, S. 1 9). Das Wort wurde schon von Posi- donius angevs^andt, um das göttliche Band zu bezeichnen, welches die Welt zusammenhält, vgl. Sudhaus, Aetna, 230, Anm. S. 17. 132. 33. Henri Graillot, Les dieux Tout-Puissants, Cylele et Attzs {Revue archiol. 1904, I), S. 331 ff. — Graillot neigt mehr zu der Annahme christlicher Beeinflussung, aber ot?intpotentes wird als liturgisches Epitheton im Jahre 288 n.Chr. gebraucht, und um dieselbe Zeit bedient Arnobius (VII, 32) sich der Um- schreibung onmipotentia numina, um die phrygischen Gottheiten zu bezeichnen, in der Gewißheit, daß er von allen verstanden wird. Mithin mußte seine Gepflogenheit einem allgemeinen Brauch entsprechen, der aus einer weit früheren Zeit stammte. In der Tat findet man scljon in Delos eine Weihinschrift All TU) TrdvTuuv Kpai:(^Ti Kai Mr)Tpi fiexdXrii ix\\ -rrdviojv KpaTÖUG;] {Bull. corr. hell. 1882, S. 502, Nr. 25), die an den ■JTaVTOKpdxifip" der LXX denken läßt, und Graillot [a. a. O. S. 328, Anm. 7) erinnert bei dieser Gelegenheit mit Recht daran, daß Cybele auf gewissen Basreliefs mit dem Theos Hypsistos, d. h. dem Gotte Israels zusammengestellt wird; cf. Perdrizet, Btdl. corr. hell. XXIII (1899), S. 598. — Über die Allmacht der syrischen Götter vgl. Kap. V, S. 148 ff. 34. Ich fasse hier das Ergebnis eines kurzen Berichtes über „Les mysteres de Sabazius et le judaisme" zusammen, der in den Comptes Rendus Acad. Inscr., 9. Febr. 1906, S. 63 ff. ver- öffentlicht ist. Vgl. Le Musee beige XIV, 1910, S. 56 ff. und Eisele in Roschers Lexikon s. v. Sabazius. — Über den Ein- fluß des Judentums auf den MSnkultus cf. Sam Wide, Archiv Kleinasien 261 für Religionswiss. 1909, S. 227. Beachte ferner die merk- würdige Inschrift, welche veröflfentlicht wurde von Keil und V. Premerstein, Zweite Heise in Lydien, 191 1, S. iio, Nr. 211: Eic Geöc ev oupavok |ueYac Mf]V oupdvioc" jLieTaXr] buvauic ToO dOavciTou eeoO. 35. Vgl. EQeine Mon. Myst. Mithra I, S. 333 f. — Die sehr alte Assimilierung von Cybele und Anähita rechtfertigt bis zu einem gewissen Grade den Namen der persischen Ar- temis, welcher der erstgenannten irrtümlich beigelegt wor- den ist; cf. Radet, Rev. des etudes anciennes, X (1908), S. 157. — Die heidnischen Theologen haben Attis oft als den Ur- menschen betrachtet, dessen Tod die Schöpfung einleitet, und vergleichen ihn daher mit dem mazdäischen Gayomärt; cf. Bousset, Haüptprohleme der Gnosis, 1907, S. 184 ff. 36. Prudent., Peristeph. X, loil f. 37. Ihre Bedeutung ist durch eine von Schröder publizierte pergamenische Inschrift aufgehellt worden, Athen. Mitt., 1904, S. 152 ff. = Dittenberger, Orientis gr. inscr. 764, 27 Anm. 36; f. Revue archeoL, 1905, I, S. 2 g ff. — Meine Anschauungen über die Entwicklung dieser Zeremonie, die ich hier kurz wiedergegeben habe, sind von mir ausführlicher dargelegt Revue archeoL, 1 888, II, S. 1 32 ff.; Mon. Myst. Mithra I, S. 334if.; Revue d'hist. et de litt, relig., Bd. VI (igoi), S. 97. — Obwohl die Schlußfolgerungen des zuletzt angeführten Artikels von Hepding [a.a.O. S. 7of.) bestritten worden sind, erscheint es mir doch zweifellos, daß das Taurobolium bereits in Klein- asien im Kult der Mä-Bellona vollzogen wurde. Moore {Americ. journ. of archeoL 1905, S. 71) erinnert hierbei mit Recht an den Text bei Steph. Byz., s. v. Mdcxaupa: eKaXeixo be xai x\ Tea Mä Kai raOpoc auxrj eeueTO Trapd Auboic. Die Be- ziehungen zwischen dem Kultus der Mä und dem des Mithra erhellen aus dem Epitheton 'Ave\KTiTOC, welches der Göttin wie dem Gott beigelegt wurde; vgl. Athen. Mitt. XXIX (1904), S. i6g. 38. Prudent, Peristeph. 1027: Pectus sacrato dividunt vena- bulo. — Die auf den taurobolischen Altären dargestellte harpe 2()2 Anmerkungen ist vielleicht in Wirklichkeit ein Spieß, der mit einer Parier- stange [??iora ; cf, Grattius, Oyjieg. 1 1 o) versehen ist, damit das Eisen sich nicht zu tief einbohren kann. 3g. Hepding, S. igöff.; vgl. oben, Anm. 23. 40. CIL VI, 510 = Dessau, Insc?: sei. 4152. Cf. Gruppe, Griech. Myth., S. 1541, Anm. 7. 41. Hepding, S. 186 ff. Über diese heiligen Mahle in Klein- asien, denen ein irpujTavaKXiTric präsidierte, cf. Ramsay, Journ. hellen. Studies XXXII, igi2, S. i5lfF. 42. CIL VI, 4g g: DU animae mentisque ctistodes. Cf. 512: Diis ?nagnis et tutatoribus suis, und CIL XII, 12']'], wo Bei mentis magister genannt wird. 43. Hippolyt, Refut. haeres. V, g. 44. Julianus, Or. V; cf. Paul Allard, Julien l' Apostat, Bd. II, S. 247 ff,; Mau, Die Religionspkilosophie Kaiser Julians , igo8, S. go ff. — Auch Proclus hatte dem Cybelemythus einen philo- sophischen Kommentar gewidmet (Marinus, Vita Prodi, 34). 45. Über alles dies vgl. Revue d'histoire et de litt, relig., Bd. VIII (ig03), S. 423 ff. — Frazer [Adonis, Attis, Osiris, igo6, S.-256flf.) hat vor kurzem die Ansicht vertreten, daß die Gedächtnisfeier des Todes Christi von einer großen Anzahl von Kirchen auf den 25. März gelegt worden sei, um das Fest des Todes des Attis zu verdrängen, welches an demselben Tage begangen wurde, ebenso wie das Weihnachtsfest an die Stelle des Na- ialis Invicti trat. Der in meinem Artikel angeführte Text des Ambrosiaster (Pseudo-Augustinas,^«flifj/.z'(?/(?r.7V^/.LXXXrV, 3, S. 145, 13, ed. Souter) beweist, daß diese Tatsache im Alter- tum selbst behauptet worden ist. IV. KAPITEL ÄGYPTEN Bibliographie: Lafaye, Histoire du culte des divinites d'Ale- xandrie hors de PEgypte, Paris 1884, und der Artikel „Isis" in Daremberg und Saglio, Dictionn. des antiquitis, Bd. III (i8gg). Ägypten 263 Dort (S. 586) findet man die ältere Literatur angegeben. — Drexler, Art. „Isis" in Roschers Z^jc. der Myth., Bd. II, Sp. 373 bis 548. — R6ville, a. a. O. S. 54if. (deutsche Ausgabe S. 52if.). — Wissowa, a. a. 0. S. 292 if., 2. Aufl. S. 351 ff. — Dill, a, a. O. S. 560 ff. — Gruppe, Griech. Mythol. und Rdigions- geschichte, S. 1563 — 1581. — Frazer, Adonis, Atfis, OsiHs, 1906, S. 211 ff. — Toutain, a. a. 0. [oben S. 249], S. 5 ff. — Wilhelm Weber, Drei Untersuchungen zur ägypt,- griech. Religion {Helios-Serapis, Antinoos-Hennes, Zwei Formen des Osiris). — Reitzenstein , Hellenist. Mysierieitreligiojten , Leipzig 19 10. — De Jong, Das antike Mysteriemvesen, Leiden 1909. — Das Studium des römischen Kultus der alexandrinischen Gott- heiten läßt sich nicht trennen von dem der ägyptischen Re- ligion. Selbstverständlich darf man hier keine Bibliographie der letztgenannten erwarten. Wir beschränken uns auf die Erwähnung der allgemeinen Werke von Maspero, Etudes de mythologie, 4 Bde., Paris 1893 ff., und Histoire ancienne des peuples de V Orient, 1895 ff. [passini). — Wiedemann, Religion of the ancient Egyptians , London 1897 [cf. Hastings, Dictio- nary of the Bible, Religion 0/ Egypt., Bd. V, S. 177 — 197]. — Erman, Die ägyptische Religion, Berlin 1905; 2. Aufl. 1909. — Naville, La religion des a?iciens Egyptietis (sechs Vorlesungen, gehalten am College de France), 1906. — Breasted, Develop- ment of religion and thought in aticient Egypt., New York 19 12. — W. Otto, Priester und Tempel im hellenistischeji Ägypten, 2 Bde., 1905 — 1908. — Die Veröffentlichung eines Bulletin critique des religiotis de l'Egypte von Jean Capart hat in der Rev. de l'hist. des religions begonnen (Bd. LI, 1905, S. 192 ff.; LIII, 1906, S. 307ff; LIX, 190g, S. i62ff.; LXVI, 1912, S.3iff.). I. Vgl. über diese Kontroverse, die neuerdings eine reiche Literatur gezeitigt hat: Bouche-Leclercq, Histoire des Lagides I, S. 102; S. Reinach, Ctdies, Mythes et Religions II, S. 347 f. Lehmann, Beiträge zur alten Gesch. IV (1904), S. 396 ff. Wilcken, Archiv für Papyrusforschung III (1904), S, 249 ff, Otto, Priester und Tempel I (1905), S. II ff.; Gruppe, a. a. O., 264 Anmerkungen S. 1578 fF.; Ernst Schmidt, Kultübertragungen, Gießen 1909,. S. 47 iF.; Isidor L6vy, Serapis in Revue de l'kist. des relig. LX» 1909, S. 285; Petersen, Die Serapislegende , Leipzig 19 10, S. 47 ff.; Weitz in Roschers Lexikon s. v. Serapis, Sp. 339 ff. 2. Herodot 11, 42, 171. — Vgl. Anm. 4. 3. Aelius Aristides VIII, 56 (Bd. I, S. 96 ed. Dindorf). Cf.. Plut., De Iside et Osiride, ed. Parthey, S. 216. 4. Plut., De Is. et Os. 28; cf, Otto, Priester und Tempel II, S. 2 1 5 f. Dieser Timotheus ist ohne Zweifel derselbe, der über die phrygischen Mysterien schrieb; cf. ohen S. 62 und unten S. 115, Anm. 82. — Die Frage, inwieweit die Form, welche Plutarch und Apuleius dem hellenistischen Kultus zuschrei- ben, ursprünglich ist, harrt noch der Entscheidung; vgl. OttOy c. a. O. II, S. 222. Es gibt anscheinend keinen unmittelbaren Beweis für die Existenz von „Mysterien" der Isis und des Serapis vor der Kaiserzeit, aber alle Wahrscheinlichkeit spricht für einen älteren Ursprung, und diese Mysterien hängen zwei- ellos mit dem alten ägyptischen Esoterismus zusammen. — A-^gl. S. 115, Anm. 81. 5. Diogen. Laert. V, 5, § 76: "09ev Kai touc rraiävac TTOificai Toijc luexpi vOv abojLievouc. Das |uexpv vOv ist von Diogenes unzweifelhaft seiner Quelle entliehen, Didymus. Vgl. Artemidor, Onirocr. II, 44 (S. 143, 25 Hercher). — Die- ser Bericht wird implicite durch eine Inschrift (Inscr. Graec. XIV, 1034) bestätigt, welche f] lepct rdHic tujv TraiaviCTÜJv erwähnt. 6. Kaibel, JEpigr. 1028 = Abel, Orphica, S. 295 etc. Auf Grund einer erneuten Durchsicht teilt Freiherr v.Wilamowitz- MöUendorff mir gütigst mit, daß der Hymnus von Andres nicht später anzusetzen sei als die Zeit Ciceros und wahr- scheinlich aus der Sullas stamme. — Vgl. ohen Kap. I, Anm. 1 4, — Über andere, mit diesen verwandte Texte siehe Gruppe^ Griech. Myth., S. 1563. 7. Amelung, Le Serapis de Bryaxis {Rev. arcJieol. 1903, II),- S. 178, 8. P. Foucart, Le mite de. Dionysos en Attique {Mem. Acad. Ägypten 265 des Inscr., Bd. XXXVII) 1 904. — Über den Isiskultus im alten Griechenland siehe jetzt Gruppe, Griech. Myth. S. 1565 if.; Ruhl, De Sarapide et Iside in Graecia cultis (Diss. Berlin) igo6, der die epigraphischen Texte aus der Zeit vor der römischen Herrschaft sorgfältig benutzt hat. g. Mit der einzigen Ausnahme des Zeus Ammon, der nur zur Hälfte ägyptisch ist und seine sehr frühzeitige Adoption den griechischen Kolonien der Cyrenaica verdankt; cf. Gruppe, Griech. Myth., S. 1558. — Nur ausnahmsweise wer- den der Isis andere Göttinnen, wie' Nephtys oder Bubastis, beigesellt. 10. Über den Eindruck, den Ägypten auf die Reisenden machte, vgl, Friedländer, Sitte?igesch. 11^, S. 1440"., vgl. 11^^ S. 147 ff.; Otto, Priester tind Te77ipel II, S. 210. 1 1 . Juven. XV, i o und die Anmerkungen von Friedlän- der zu diesen Stellen. — Die athenischen Komiker spotten schon häufig über die ägyptische Zoolatrie (Lafaye, a. a. 0. S. 32). Philo von Alexandrien betrachtet die Ägypter als die schlimmsten Götzendiener, die es gebe, und denkt dabei be- sonders an den Tierdienst {De Decal. 16, II, S. 193 M. und passini), und die heidnischen Schriftsteller nehmen nicht we- niger Anstoß daran (Cic, Nat. deor. III, 15 etc.), sofern sie es nicht vorziehen, ihren Scharfsinn zu seiner Rechtfertigung auf- zubieten. Vgl. Dill, a. ß. 6>., S. 571. — Der Charakter dieses Kultes im alten Ägypten ist neuerdings von George Foucart untersucht, La viethode coniparative et Phistoire des religions, 1909, S. 43 ff..; 2« edit. 19 12, S. 62ff. 12. Macrob., Sat. I, 20, § 16. 13. Holm, Gesch. Siziliens I, S. 81. 14. Libanius, Or. XI, 114 (I, S. 473 Förster). Cf. Drexler in Roschers Lex. Sp. 378. 15. Pausan. I, i8, 4: üapamboc öv Trapd TTToXejuaiou Geöv eicriTdYOVTO. Ruhl [a. a. O. S. 4) will diesem Texte keinen historischen Wert beilegen, aber wir haben — wie er selbst zugibt — den Beweis dafür, daß in Athen unter Ptolemäus 2 66 Anmerkungen Soter ein offizieller Isiskult existierte, und der des Serapis dort im Beginn des 3. Jahrhunderts ausgeübt wurde. i6. Dittenb erger, Or. gr. ins er. sei. Nr. 16. 17. Apnl.,- Melamorpk. XI i ,j . 1 8. So findet man ihn seit der ersten Hälfte des 3. Jahr- hunderts auf Thera, das eine Station der ptolemäischen Flotte war (Hiller v. Gärtringen, TAera, Bd. III, S. 85ff.; vgl. Ruhl, a. a. O. S. 59), und auch auf Rhodus {Rev. arcMol. 1905, I, S. 341). 19. Eine Fülle von Belegen für seine Verbreitung hat Drexler gesammelt, a.a.O. Sp. 379. Vgl. Lafaje „Isis" (siehe oieii) S. 577, und Ruhl, De Sarapide et Iside in Graecia cultis, 1906. Über das Serapeion in Milet vgl. Wiegand, Anhang zu den Ahhandl. der Berliner Akad. der Wiss., 191 1. 20. Die neuen Ausgrabungen des Tempels der ägyptischen Götter auf Delos haben Inschriften zutage gefördert, vs^elche die Geschichte der Verbreitung des Kultus in einzigartiger Weise erhellen {Comptes Rendus Acad. des Inscr., 1909, S. 3i4ff.; 1910, S. 2i4ff.; 1912, S. 10). 2 1 . Diese Erklärung ist bereits von Ravaisson vorgeschla- gen (Gazette archeol. I, S. 55 if.), und ich halte sie für zutref- fend; cf. Comptes Rendus Acad. Inscr. 1906, S. 75, Anm. i. 22. Die bedeutsame Rolle, welche der ägyptische Kultus in der östlichen Hälfte des Imperiums spielte, hat von Do- maszewski beleuchtet {Röm.Mitt. XVII, 1902, S. 2>2>?>^)^ aber vielleicht etwas zu stark. Man wird den Einschränkungen zustimmen, welche Hamack formuliert hat, Ausbreitung des Chi-istentums, 11^, S. 274. 23. Die sehr alte Verbreitung des Orphismus in Groß- griechenland, welche durch die Täfelchen von Sybaris und Petilia bezeugt wird (Diels, Vorsokraiiker, IP, S. 480) mußte ihm die Wege ebnen. Diese Täfelchen weisen zahlreiche Berührungspunkte mit den eschatologischen Vorstellungen Ägyptens auf; nur sind, wie ihre letzte Erklärerin mit Recht bemerkt (Harrisson, Prolegomena to the study 0/ greek religion, S. 624), diese neuen Ideen sozusagen in der altgriechischen Ägypten 267 Mythologie ertrunken. Die Mysterien der Isis und des Serapia schienen eine seit langem vorausgeahnte Oifenbarung und die Bestätigung einer von alten Symbolen geweissagten Wahrheit zu bringen. 24. CIL X, 1781, I, 15 — 16. 25. Apul., Metam. XI, ^o. 26. Wissowa, a.a.O. S. 292 f.; 2. Aufl. S. 351 ff.; vgl. Seeck, Her7nes, XLIII (igo8), S. 642. 27. Später wurde der Manichäismus unter einem ähnlichen Vorwande verfolgt, cf. Collat. Mos. et Rom. leg. 15, 3, § 4: De Persica adversaria 7iobis gente progressa. 28. Eine reiche Liste von Inschriften und Monumenten, die in den verschiedenen Städten aufgefunden wurden, hat Drexler mitgeteilt in Roschers Lexikoji, s.v. „Isis", 11, Sp. 409 ff. Vgl. jetzt Toutain, a. a. (9. S^ 8 ff., der für Afrika durch Gsell, Rev. de rhist. des relig. LIX, 1909, S. I50ff. zu er- gänzen ist. 29. Hirschfeld, CIL XII, S. 382, und Wiener Studien V (1883), S-3I9 — 322. ^o. Vgl. "Wissowa, a. a. O. S. 294 ff.; 2. Aufl. S. 353 ff. 31. Minuc. Fei., Octav. 22, 2: Haec Aegyptia quondam nunc et Sacra Romana sunt. 3 2 . Carmejt cotitra paganos ( Anthol. lat., ed. Riese I, 2 o ff.) v. 91, 9 5 ff.; cf. Ps.-Aug., Quaest. Vet. Test., CXIV, ll (S. 308, 10 Souter), MTxdRev. hist. Hit. re/ig. Ylll (1903), S. 422, Anm. i. 33. Rufin, II, 24: Caput ipsum idolatriae. Eine Miniatur einer alexandrinischen Chronik zeigt uns den Patriarchen Theo- philus mit dem Nimbus ums Haupt, wie er das Serapeum mit Füßen tritt; cf. Bauer und Strzygowsky, Eine (ilexandrinische Weltchronik (Denkschr. Akad, Wien, LI), 1905, Jahr 391, S. 70 ff., S. 122 und Taf. VI 34. Vgl. Drexler in Roschers Z,f.r., s.v. „Isis", II, Sp. 425; Hamack, Ausbreitung des Christentums, 11^, S. 147 ff. — Merk- würdige Einzelheiten, welche das Fortbestehen des Isiskultus unter den Professoren und Studenten Alexandriens in den letzten Jahren des 5. Jahrhunderts dartun, hat Zacharias Scho- 208 Anmerkungen lasticus in der Vita des Severus von Antiochien beigebracht [Patrol. Orient. I, ed. Kugener), S. lyif., 2 7 ff. 35. Ps.-Apul,, Asclepitis 34. Zu vergleichen eine analoge Weissagung- in den sibyllinischen Orakeln V, 184 ff. (S. 127^ ed. Geffcken). 36. Iseum von Benevent, cf. Notizie degli scavi di ant., 1904^ S. 107 ff. Iseum auf dem Marsfelde, cf. Lanciani, Sollet, com- munale di Roma, 1883, S. 33ff.; Marucchi, ebd. i8go, S. 307f. und IQ 12, S. 5 ff. — Die signa Memphitica {aus Marmor von Memphis) werden in einer Inschrift erwähnt (Dessau, Inscr. sei., 4367 — 8). — Der mit Bezug auf Caracalla gebrauchte Ausdruck: Sacra Isidis Romain deportavit, welchen Spartian [Carac. g; cf. Aur. Vict., Caes. 21, 4) nicht mehr verstanden hat, scheint ebenfalls einen Transport von heiligen ägyptischen Monumenten zu bedeuten. Schon auf Delos hatte man die Statue einer Sängerin in den Tempel gestellt, die man in ir- gendeinem Grabe der saitischen Epoche gefunden hatte. Alle& Ägyptische erschien als heilig (Ruhl, a. a. O. S. 53). 37. Gregorovius, Gesch. des Kaisers Hadrian, S. 222 ff.; cL Drexler, a. a. O. Sp. 410. Über die ägyptisierende Kunst in Rom siehe jetzt von Bissing, Der Anteil der ägyptischen Kunst am Kmistleben der Völker (Festrede Akad. d. Wissensch.), Mün- chen 19 1 2, S. 16 ff.; 88 ff. 38. Der Ausdruck stammt von Wiedemann. 39. Naville, a. a. O. S. 89 ff. 40. Über den iepoYpa]LijaaT6i)C Chäremon siehe Otto, Prie-^ ster und Tempel II, S, 2 1 6 ; Schwartz in Pauly-Wissowa, Realenc, in, Sp. 2025 ff. 41. Lehren des Plutarch: cf. Decharme, Traditions reli- gieuses chez les Grecs, S. 486 ff. und oben, Kap. I, Anm. 20. 42. Ich habe hier vom Hermetismus, den die Untersuchun- gen Reitzensteins auf die Tagesordnung gesetzt haben, nicht gesprochen, weil sein Einfluß im Abendlande meiner Ansicht nach ein rein literarischer gewesen ist. Man findet m. W.,. wenigstens in der lateinischen Welt, keine Spur von einer hermetischen Sekte mit einem Klerus und einem Kultus. Die Ägypten 269 Heliognostae oder Deinvtctiad, die in Gallien den einheimi- schen Merkur mit dem ägyptischen Thot identifi.zieren wollten {Mo?t. Afyst Mithra I, S, 49, Anm. 2; cf. 359), sind christliche Gnostiker. Es heißt meiner Meinung nach den wirklichen Sachverhalt verkennen, wenn man behauptet, wie Reitzenstein ■(Wundererzählungen, 1906, S. 128) es tut: Die hermetische Literatur ist im zweiten und dritieyt Jahrhundert für alle religiös Interessierten der allgemeine Ausdruck der Frömmigkeit geworden. Der Hermetismus, der'als Etikette für Lehren sehr verschiede- nen Ursprungs dient, ist m. E. durch „die allgemeine Fröm- migkeit" weit mehr beeinflußt, als er sie angeregt hat. Er ist das Ergebnis langer Bemühungen, die auf die Versöhnung der ägyptischen Überlieferungen zunächst mit der chaldäi- schen Astrologie, sodann mit der griechischen Philosophie gerichtet waren, und wandelte sich gleichzeitig mit dieser Philosophie selbst. Aber das würde lange Auseinanderset- zungen erheischen. — Otto, von dessen Werk der zweite Band erschienen ist, seit ich diese Zeilen schrieb, erkennt ebenfalls an, daß der ägyptische Klerus selbst in der helle- nistischen Epoche keinerlei theologische Aktivität entfaltete, die ihn befähigt hätte, einen stärkeren Einfluß auf die Re- ligion der Zeit auszuüben {Priester und Tempel, II, S. 218 bis 220). 43. Plut., De Md. 9. 44. Apul., Metam. XI, 5. 45. CIL X, 3800 = Dessau, Inscr. sei. 4362. Isis panthea, -vgl. Jahresh. Österreich. Inctit. XIII, 19 lO, S. Ijöff. 46. Cf. oben S. 88. 91. 47. Weber, a. a. O. [oben S. 263), S. i ff, 48. Plut., De Isid. et Osir. 52; cf. Hermes Trismegistos, "Opoi "AcKXriiriou, c. 16, und Reitzenstein, Poimandres, S. 197. 49. Vgl. Naville, a. a. O. S. 170 ff. 50. Juven. VI, 489: Isiacae sacraria lenae; cf. Friedländer, Sittengeschichte I^ S. 502 ; vgl. I^ S. 508. 51. Farneil hat in einem vor mehreren Jahren erschienenen Buche die Geschichte des Reinigungsrituals und der Reinheits- 2 70 Anmerkungen Vorstellung während des Altertums in glänzender Weise skiz- ziert {Evolution of religion, London 1905, S. 88 — 192), aber er hat leider Ägypten nicht berücksichtigt, wo die primitiven Formen sich vielleicht am besten erhalten haben. 52. Juven. VI, 522 ff. 53. Friedländer, Sittengeschichte F, S. 510; vgl. F, S. 516. — Über diese Umwandlung des Isiskultus cf. R6ville, a. a. O. S. 56 (deutsche Ausgabe S. 54). 54. Plut, De Isid. c. 2; cf. Apul., Metam. XI, 6, Ende. 55. Aelius Arist, In Sarap. 25 (II, S. 359 ed. Keil); cf. Diodor I, 93; Apul. XI, 6, Ende. — Zukünftige Bußen und Züchtigungen im Hermetismus, vgl. Ps.-Apul., Asclepius c. 28; Lydus, De 7nensib. IV, }^2 und 149 (ed. Wünsch); Kroll in Pauly-Wissowa, Realenc. s. v. Hermes TrismegistiDS, Sp. 8 1 2 if. 56. Porph., Epist. ad Aneb. 29. — Die Antwort des Ps.- Jamblichus {De Myst. VI, 5 — 7) ist charakteristisch. Er be- hauptet, daß diese Drohungen Dämonen gelten; doch weiß er sehr wohl, daß die Ägypter zwischen Inkantationen und Gebeten nicht scharf unterscheiden. — Ein Beispiel von ähn- lichen Drohungen: Wilcken-Mitteis , Papyruskunde I, Nr. 120. 57. Cf. G. Hock, Griechische Weihe gebrauche, 1905, S. 65 ff. Ps.-Apul., Asclep. 2y. Ho?no fictor est deorum qui in templis sunt et non solimi inluminaiur, verum etiam inluminat; c. 3 7 : Proavi in-' venerunt artem qua efficerent deos. Vgl. George Foucart, a. a. 0. (Anm. 63): „La statuaire 6gyptienne a, avant tout autre, le caractere de creer des etres vivants." 58. Maspero, Sur la toute-puissance de la parole (Recueil de travaux, XXIV) 1902, S. 163 — 175; cf. meine Recherches sur le manicheisme, S. 24, Anm, 2. — Der Parallelismus zwischen göttlichem und priesterlichem Handeln wird nachgewiesen Ps.-Apul., Asclepius, 2^. 59. Jamblichus, Myst. VI, 6; vgl. unten Anm. 68. — Die Ägypter rühmten sich, die ersten gewesen zu sein, welche „die heihgen Namen kannten und die heiligen Worte rede- ten" (Luc, De dea Syr. l). 60. Das hat Otto gezeigt {Priester und Tempel \, S. 114 ff.). Ägypten 271 Vgl. oben S. 255, Anm. 37. — Dennison hat sich kürzlich, durch gewisse Büsten veranlaßt, mit der Tonsur der Isis- priester beschäftigt (American journ. qf archaeology Y, 1905, S. 341). Die pompejanischen Fresken, welche isische Priester Tind Zeremonien darstellen, sind besonders wichtig für die Kenntnis der Liturgie (Guimet, C R. Acad. des Inscr., l8g6, Taf. VII — IX. Cf. von Bissing, Transact. congr. relig. Oxford 1908, I, S. 225 ff.). 61. C/Z XII, 3061: Ornatrlx fani. 62. Cf. Kan, De Jove Dolicheno, 1901, S. ^^. 63. Cf. Moret, Le rituel du culte divin journalier en Egypte, Paris 1902. — Ebenso wie das Weiheritual die Statue belebt i^ben Anm. 57), unterhalten die wiederholten Opfer ihr Leben und lassen sie longa durare per tempora (Ps.-Apul., Asclep. 38). Dies findet seinen präzisen Ausdruck in dem Epitheton dei- ZuüOC, welches bestimmten Gottheiten gegeben wird [CTG. 4598; Berliner Griech. Urkunden I, Nr. 124). — All das ent- spricht den alten Vorstellungen, die im Niltal herrschten (cf. George Foucart, Revue des idees, 15. Nov. 1908, S. 14 — 22, des S.-A.). — Die kurzen Daten, die sich in den griechischen und lateinischen Autoren zerstreut finden, gewinnen in über- raschender Weise Zusammenhang und Klarheit, wenn man sie mit dem ägyptischen Zeremoniell vergleicht. 64. Apul. XI, 22: Rituque sollemni apertionis celehrato mini-' sterio. Cf. XI, 20: Matutinas apertiones templi. 65. Josephus, Ant. Jud. XVIII, 3, 5, § 174. 66. Servius ad Verg., ^1?«. IV, 512: In templo Isidis aqua sparsa de Nile esse dicehatur; cf. II, 116. Wenn man diese Fik- tion durch die Wirklichkeit ersetzte, indem man Wasser aus- goß, das aus dem Flusse geschöpft war, so machte man die Handlung noch wirksamer; cf. Juven. VII, 527. 67. Diese Stelle ist, neben einem Kapitel des Apuleius (XI, 20), der Haupttext über das Ritual dieser isischen Metten [De abstin. IV, 9): "Qc TTOu eil Kai vOv ev Tri avoiEei toO dTiou Zapdmboc f] Geparreia bid irupöc Kai uöaTOc Twexai, XeißovTOC ToO u)Livu)bou TÖ übujp Kai TÖ TTup cpaivovToc, ÖTtr]- 2 7 2 Anmerkungen vka ecTibc em toO ouboO Tr| TrarpiLu xtjuv Aitutttiijuv qpujvri CTeipei töv 9eöv. — Amobius (VII, 32) spielt auf dieselbe isische Glaubens Vorstellung an: Quid sibi volunt excitationes illae quas caniti matutini conlatis ad tibiam vocibus? Obdo?'mzscunt emm super z remeai'e ut ad vigilias debeant? Quid dormitiones illae qui- bus ut bene valeant auspicabili salutatione mazidaiis? 68. Kraft der „barbarischen Namen". Siehe meine Mon. Myst. Mythra I, S. 313, Anm. 4; Dieterich, Mithrasliturgie, S. 1 1 1 f. Cf. Charles Michel, Note siir une passage de famblique {Melanges Louis Havet), 190g, S. 27g, — Über die Fortdauer der gleichen Vorstellung bei den Christen vgl. Hamack, Aus- breitung des Christentwns, I^, S. i 24 ff. und HeiünüUer, Im Na~ meti Jesu (Forschungen usw. herausgegeben von Bousset und Gunkel II), Göttingen 1903 (vgl. obm S. XX, Nr. 8). 69. ApuL, Metam., XI, g. 70. CIL II, 3386 = Dessau, Inscr. sei. ^^22; cf. 4423. 71. Apul. XI, 24; cf. Lafaye, S. iiBif. Porphyrius {Be Abstin. IV, 6) verweilt lange bei diesem kontemplativen Cha- rakter der ägyptischen Frömmigkeit: die Priester diTTebocav öXov TÖV ßiov TiQ Ta)v 6eujv 9eujpia Kai Bedcei. — Cf. tmten S. 1 1 7 und die Anmerkungen. 72. Im pharaonischen Ritual fand die Schließung anschei- nend noch an demselben Morgen statt, aber im Okzident stellte man die heiligen Bilder zur Betrachtung aus, und der alte ägyptische Gottesdienst mußte demnach in zwei getrennte Zeremonien zerlegt werden. 73. Herodot II, 37. 74. Cf. Maspero, Rev. critique, 1905, II, S. 36 1 ff. 75. Apul., Met. XI, 7 ff. — Überlebsel dieses Festes sollen sich in Catana im Kultus der heiligen Agathe erhalten haben; cf. Analecta Bollandiana, XXV (1906), S. 50g. 76. TTXoiacpecia: Apul. XI, 16 cf. CIL 1\ S. 311. Eine kürzlich in Byzanz entdeckte und aus dem Jahre 1/2 n. Chr. stammende Weihinschrift an Isis erwähnt einen vauapxr|cac TCt lueYdXa TrX[oi]a(pecia, cf. Deubner, Athen. Mitt. XXVII, 19 12, S. 180. Ägypten 273 77. Ähnliche Maskeraden finden sich in zahkeichen heid- nischen Kulten {Mon. Myst. Mithra I, S. 315) und schon seit uralter Zeit in Ägypten, vgl. von Bissing, 0. a. 0. (Anm. 60), S. 228. 78. Die patisarü werden in den Inschriften erwähnt; cf. Dessau, Inscr. sei. 4353, 4445- 7g. Schäfer, Die Mysterien des Osiris in Abydos unter Seso- stris III., Leipzig 1904; cf. Capart, Rev. hist. rel., LI {1905), S. 22g; Moret, Rois et dieux de VEgypte, ig 11, S. 75 ff. und Wiedemann, Melanges_Nicole , S. 574 ff. — Junker, Z>z> Stun- denwachen in den Osirismysterien (Denkschr. Akad. Wien LIV) ig 10, cf. Maspero, Revue critique, Okt. 19 10, S. 242. 80. Wissowa, a.a.O. 2. Aufl., S. 353. In den Mysterien von Abydos fuhr der Gott Thot auf einem Nachen aus, um den Körper des Osiris aufzufischen. Anderswo ruderte Isis fort, um ihn zu suchen. Wir wissen nicht, ob diese Szene in Rom dargestellt wurde, aber das geschah jedenfalls in Gallipoli: vermeintliche Fischer hantierten dort zum Schein mit ihrem Netz in einem konventionellen Nil, cf. P. Foucart, Rech, sur les myst. d'Eletisis (Mem. Acad. Inscr., Bd. XXXV), S. 37. 8 1 . Chaeremon bei Porphyrius, Epist. ad Aneh., 3 1 : Kai xd KpuTTia rfic "Iciboc eTiaiveT Kai t6 ev 'Aßubuj diTÖppTiTov beiSei. Cf. Jambl., De myster. VI, 5 — 7. — Über die „Mysterien" der Isis in Ägypten vgl. Foucart, a. a. O. S. 19 f.; De Jong, a.a. O. [oben S. 263). I 82. Cf. oben S. 8g. — Gruppe, Griech. Mythol., S. 1574. 83. La Cite antique, Buch I, Kap. II, Ende. 84. Cf. Erman, a.a.O. S. 96 — 97. Unsterblichkeit mit Osi- ris cf. Wiedemann, Archiv für Religionswissenschaft XII, ig 10, S. 364 ff.; G. Foucart, La niethode coviparative et l'histoire des religions, 2® edit. igi2, S. 216 ff., und namentlich über die Entwicklung dieser Vorstellung Breasted, a. a. O. (S. 263) S. 142 ff. ^. 85. Als Beweis dafür dürften die weiter oben (S. 95 und Anm. 21) angeführten Basreliefs genügen, bei denen der he- roisierte Verstorbene das Aussehen des Serapis annimmt. Vgl. Cumont: Die orieatal. Religionen l8 2 74 Anmerkungen Kaibel, Inscr. gr., XIV, 2098: Eui|;uxi netd toO 'Oceipiöoc. Diese materielle Vorstellung von der Unsterblichkeit konnte sich leicht mit den alten italischen Ideen ausgleichen, die im Volke herrschend geblieben waren; cf. Friedländer, Sitten- geschichte, III^, S. 758. 86. Reitzenstein, Archiv für Religionswissenschaft,Yl,{i()0/^), S. 406 S. Diese Seiten sind vielleicht das Eindringendste, was über die Bedeutung jener Zeremonie geschrieben ist: sie ist ein dlTa9avaTiC)J.ÖC. Vgl. auch Reitzenstein, Hellenistische Wun- dererzählungen, S. 116. 87. Apul., 3Iet. 23. — Der letzte Kommentator dieser Stelle, de Jong, neigt zu der Annahme, daß es sich um eine bloße ekstatische Vision handelte; aber die Vision war jedenfalls durch eine dramatische Aufführung veranlaßt, bei der man das Dunkel der Unterwelt und den Himmel sehen ließ. — Die Ägypter stellten diese Geheimnisse sogar im Theater dar; cf. Sueton, Calig. 8: Parahatur et in mortem spectaculum quo ar^ gumenta inferorum per Aegyptios et Aethiopas explicarentur. 88. Apul., Met. XI, 6, Ende. 89. Ibid. c. 24: Inexplicabili voluptate ^aspecttiy divini simu- lacri perfruebar. 90. Plut., De Md., 78, S. 383 A: 'Qc av eSnpTrifievaic (raic i^;uxaTc) dir' auroO (tou 'Ocipiboc) Kai Oeuj)Lievaic dirXriCTiuc Kai TToBoucaic tö \3cc\ qpaxöv |ur|be prixov dvGpuJTroic KdXXoc. 91. Vgl. oben S. 266,-Anm. 23. 92. Ähnliche Wünsche findet man oft auf den ägyptischen Monumenten, wenigstens seit dem Mittleren Reich. „Gebt mir fließendes Wasser zu trinken Wendet mein An- gesicht dem Nordwind zu am Ufer des Wassers, und seine Kühle erquicke mein Herz" (Maspero, Etudes egyptiennes, Bd. I, 1881, S. 189). „O daß ich fließendes Wasser zu trinken hätte, und mein Antlitz dem Nordwind zugewandt wäre" (Naville, a. a. 0. S. 1 74). Auf einer Grabstele des Brüsseler Museums (Capart, Guide, 1905, S. 71): „Mögen die Götter es erlauben, das Wasser der Quellen zu trinken, die süßen Winde des Nordens zu atmen." — Der sehr materielle Ursprung dieses Ägypten 275 "Wunsches erhellt aus den funerären Texten, nach denen die Seele genötigt ist, die Wüste zu durchqueren, von Hunger und Durst bedroht, und Erquickung findet dank dem Bei- stande der Götter (Maspero, Etudes de niydhol. et d'archeol. egypi., 1883, Bd. I, S. 366 f.). — Nach einem Täfelchen aus Petilia (cf. oben S. 266, Anm. 23) soll die abgeschiedene Seele frisches Wasser (ipuxpöv öbcup) trinken, das aus dem See der Erinnerung rinnt, um mit den Heroen zu herrschen. Ich trage kein Bedenken, mit Foucart [Mysi. d'Eletisis [M6m. Acad. des Inscr., Bd. XXXV, 2]_S. 67) anzunehmen, daß ägyptische Vorstellungen seit dem 4. — 3. Jahrhundert in den süditalie- nischen Orphismus einzudringen vermochten, weil man sie hundert Jahre früher in Carpentras zum Ausdruck gebracht findet (unten Anm. 93). 93. AoiTi coi 6 "Ocipic TÖ xpuxpöv ubujp, in Rom: Kaibel, Inscr. graec. XIV, 1488, 1705, 1782, 1842; cf. 658 und CIL VI, 3, 20616. — Zol be 'Ocevpiboc ütvov öbuup Eicic X^pi- caiTO, Rev. archeoL, 1887, S. 199, cf. 201. — M^uxfl biqiujci} ipuxpöv öbujp inerdboc, CIG, 6267 == Kaibel, 1890. Beson- ders interessant ist die Feststellung, daß beinahe derselbe Wunsch bereits auf der aramäischen Stele von Carpentras erscheint [CI Sem. 11, 141), die aus dem 5. — 4. Jahrhundert V. Chr. datiert: „Gesegnet seist Du, nimm Wasser angesichts des Osiris". — Eine ofi'enbar von ägyptischen Vorstellungen beeinflußte Stelle des Buches Henoch erwähnt die „Wasser- quelle", die „Lebensquelle" im Totenreich (Hen, XXII, 2, 9. Cf. Martin, Le livre d' Henoch, 1906, S. 58, Anm. i undBousset, Religion des Judentums, 1903, S. 271). — Vgl. Apoc. VII, 17: lijurjc TTTiTctc ubdriuv und XXI, 6: TTriYnc toö ubaroc -xrxc Ixms. [ölen S. XX, -Nr. 9). 94. Der ägyptische Ursprung des christlichen Ausdrucks ist oft bemerkt worden und leidet keinen Zweifel; vgl, Lafaye, a. a. O, S. 96, Anm. i ; Rohde, Psyche 11^, S. 391 ; Kraus, Real- enzykl. der christl. Altert., s. v. „Refrigerium"; und namentlich Dieterich, Nekyia, S. 95 if. Vgl. Perdrizet, Rev. des etud. anc, 1905, S. :i)2\ AudoUent, Melanges Louis Havet, 190g, S. 575. 18* 276 Anmerkungen — Die refrigerii sedes, welche die katholische Kirche für dea Verstorbenen in den jährlich wiederkehrenden Seelenmessen erbittet, erscheint in den ältesten lateinischen Liturgien, vgl. z. B. F6rotin, Le Über ordinum en usage dans l'eglise visigothique du P au XP siede (in Cabrol et Leclercq, Mo7i. ecclesiae litur-^ gica V) S. 404: „Sitientem velut terram servi tui illius animam celestis roris perfusione refrigera .... in loco viridi, Domine, ibi eum conloca; super aquam refectionis educa [1. educ] animam eius ad vitam." Die Griechen, welche nicht an das Fegefeuer glauben, haben sich immer ebenso ausgedrückt. So wünschen nubische Inschriften, die dem Konstantinopoli- tanischen Euchologium genau konform sind, daß die Seele ruhe ev töttuj x^oepu), ev töttuj dvaniuHeuJC (G. Lefebvre, Inscr. gr. ehret. d'EgL, Nro. 636, 664 if., und Einleitung S. XXX; cf. Dumont, MHanges, ed. HomoUe, S. 585 fF.). Das Detail ist nicht unwichtig, denn es liefert uns ein kostbares Indizium für den ägyptischen Ursprung des Gebetes für die Toten, das dem griechisch-römischen Heidentum unbekannt ist — dort betete man wohl zu den heroisierten Toten, aber niemals für die Toten. Die Kirche hat diesen Brauch der Synagoge entlehnt, aber die Juden selbst scheinen ihn von den Ägyptern während der hellenistischen Periode übernom- men zu haben, zweifellos im Laufe des 2. Jahrhunderts (S. Reinach, Cultes, mythes_ et religions I, S. 325), wie sie ihnen die Idee der „Lebensquelle" verdanken {ohe7i Anm. 93). Die Formel, welche in den angeführten christlichen Inschriften vorkommt, dvaiTaucov xfiv ipuxrjv ev KÖXTroic 'Aßpadjn Kai 'IcactK Kai MaKÜjß, scheint eine Übertragung der Lehre von der Identifikation mit Osiris anzudeuten (S. 95. ii6). So er- klärt sich das Fortleben von Ausdrücken in der christlichen Redeweise, die, wie z. B. die Formel requies aeterna, den pri- mitivsten heidnischen Vorstellungen über das Leben des Ver- storbenen entsprechen, der in seinem Grabe nicht gestört werden darf. — Ein Name für dieses, der häufig in den la- teinischen Epitaphen erscheint, domus aeterna (oder aeiernalis), ist ohne Zweifel ebenfalls aus Ägypten importiert. Dort „la Ägypten 277 tombe est la maison du mort, sa ?naison (Titernite, comme di- sent les textes" (Capart, Guide du musee de Bruxelles, 1905, S. TfZ). Die Beispiele für diesen Ausdruck sind unzählig, und er war den Griechen bereits aufgefallen. Diodorus Siculus (I, 51, § 2) weiß, daß die Ägypter touc tüjv rexeXeuTriKÖTUJV Tdq)ouc dibiouc oikouc TrpocaYopeuouciv, ibc ev "Aibou öia- TeXouvTUJV TÖv arreipov aiuJva (cf. I, 93, § i, eic xfiv aiuuviov OiKrjCiv). — Aus Ägypten gelangte diese Bezeichnung des Grabes wahrscheinlich nach Phönikien, Palästina und Syrien. Sie ist schon in einer jjhönikischen Grabschrift aus Malta zu finden [CIS I, 124 und Anm.), erscheint im Prediger Salo- monis XII, 7, {betJiolavi === „Haus der Ewigkeit") und findet sich in der syrischen Epigraphik (z. B. in Inschriften des 3. Jahrhunderts, Ccmpies Rendus Acfd. Inscr., 1906, S. 123) wie in der palmyrenischen (Chabot, Journal asiatique, 1900, S. 266, Nr. 47) wieder. Ebenso begegnet sie im Talmud, und Kraus [Talmudische Archäologie II, 191 1, S. 62 und Anm. S. 448 bis 449, 421) schreibt mit Recht diesem Ausdruck wie an- deren Bräuchen ägyptischen Ursprung zu. Vielleicht ist auch — aber das ist zweifelhafter — der trö- stende Wunsch Euipuxei, oubeic dOdvaxoc, den man so oft selbst in lateinischen Ländern auf die Gräber geschrieben findet, von der ägyptischen Religion inspiriert. Man triift euvpuxei auf Epitaphen von Eingeweihten der alexandrinischen Mysterien an: Kaibel, Inscr. gr. XIV, 1488, 1782 (EuijJUxei Kupia Ktti boiTi CGI 6 "Ocipic TÖ v^uxpov ubuüp), 2098 (cf. oben Anm. 93). Vielleicht hat man auf den Doppelsinn von eövpu- XOC angespielt, das zugleich animosiis und frigidus bedeutet {cf. Dieterich, Nekyia, a. a. O.). Aber anderseits ist die Idee, welche der Formel „Habe guten Mut, niemand ist unsterblich" entspricht, dieselbe, welche auch dem „Gesang des Harfners" zugrunde liegt, einem kanonischen Hymnus, den man in Ägyp- ten am Bestattungstage psalmodierte. Er mahnte dazu, „sein Herz zu erfreuen" vor der Traurigkeit des unvermeidlichen Todes (Maspero, Ehides egypiiennes, I, i88i , S. 1 71 ff.; cf. Naville, a. a. O. S. 171). 278 Anmerkungen V. KAPITEL SYRIEN Bibliographie. Die syrischen Kulte sind namentlich mit Rücksicht auf ihre Beziehungen zum Judentum untersucht: Baudissin, Studien zur semitischen Religionsgeschichte, 2 Bde., Leipzig 1876 — 78. Derselbe Autor hat förmliche Monogra- phien über einzelne Gottheiten (Astarte, Baal, Sonne usw.) veröffentlicht in der Realenzyklopädie für protestantische Theologie von Herzog-Hauck, 3. Aufl. — Bäthgen, Beiträge zur semiti- schen Religionsgeschichte, Berlin 1888. — Robertson Smith, The religion of the Seniiies, 2. Aufl., London 1894. Deutsche Aus- gabe von R. Stube: Die Religio?t der Semiten, Tübingen i8gg. — Lagrange, Etudes sur les religions semitiques, 2^ Edit., Paris 1905. — W. Gr. von Baudissin, Adonis und Eshmun, Leipzig igi I. — Toutain, a. a. O. II, S. 35 ff. — Die Ergebnisse der Ausgrabungen in Palästina, die für die Kenntnis der Toten- bräuche und der ältesten Idolatrie wichtig sind, hat Pater Hugues Vincent zusammengefaßt: Canaan d' apres V exploration recente, igoy. — Über die Verbreitung der syrischen Kulte im Abendlande vgl. Reville, a. a. 0. S. 70 ff. (deutsche Aus- gabe S. 67 ff.) und passim: "Wissowa, Relig. der Römer, S. 2 99 ff., 2. Aufl. S. 35 9 ff.; Gruppe, Griech. MythoL, S. 1582 ff. — Wich- tige Bemerkungen findet man in Clermont-Ganneau, Recueil d'archeol. Orientale, bisher 8 Bde., 1888 ff.^ und in Dussaud, Notes de nyythologie syriemie, Paris 1903 ff. — Ich selbst habe über einzelne Gottheiten eine Reihe von Artikeln veröffent- licht in der Realenzyklopädie von Pauly -Wissowa (Baal, Bai- samem, Dea Syria, Dolichenus, Gad usw.). Weiter unten fin- det man andere Monographien angeführt. I. Lucian, Lucius, 35 ff.; Apul., Metam.Ylll, 2 4 ff. — Die Beschreibung, welche diese Schriftsteller geben, hat neuer- dings eine Bestätigung gefunden durch eine zu Kefr-Hauar in Syrien entdeckte Inschrift: ein Sklave der syrischen Göt- Syrien 279 tin, „ausgesandt von seiner Herrin (Kupia)", rühmt sich, daß er von jeder seiner Bettelfahrten „siebenzig Säcke" mitge- bracht habe (Fossey, Bull. corr. hell. XXI, 1897, S. 60; cf. über den Sinn von irripa „Sack" Deißmann, Licht vom Osten, 1908, S. 73 f.). 2. Vgl. Rieß bei Pauly-Wissowa, s. v. Astrologie, Sp. 18 16. 3. Cato, De agric, V, 4. 4. Weihinschriften von Römern für Atargatis, cf. Bull. corr. hell. VI (1882), S. 497, Nr. 15; S. 498, Nr. 17. Über den Tempel der syrischen Gottheiten auf Delos vgl. Coiiiptes Ren- alis Acad, des Inscriptions 1910, S. 300 if. 5. Seit dem Jahre 187 findet man auch in Rom die sy- rischen Musikantinnen {sambucistriae) erwähnt, deren Anzahl immer mehr Avuchs (Tit. Liv. XXXIX, 6; cf. Friedländer, Sit- tengesch., III^, S. 346). 6. Florus II, 7 (III, 9); cf. Diodor. Sic, Fr. 34, 2, 5. 7. Plut., Vit. Marii, 17. 8. Juvenal VI, 351 ; Martial IV, 53, lo; IX, 2, 1 1 ; IX, 22, 9. 9. CIL VI, 399; vgl. Wissowa, a. a. O. S. 301. — Sueton, Nero, 56. I o. Ein auf dem Janiculus belegener Tempel der syrischen Gottheiten zu Rom ist erst vor kurzem aufgedeckt von Gauckler {Bolletino comnmnale di Roma, 1907, S. 5 if . [cf. Hülsen, Mitt. Inst. Rom. XXII, 1907, S. 225 ff,]; Comptes Rendm Acad. Inscr., 1907, S. 135 ff.; 1908, S. 51 off.; 1909, S. 424ff., 61 7 ff.). Die Bemerkungen und Abhandlungen von Gauckler sind nach seinem Tode gesammelt unter dem Titel: Le sanciuaire syrien du Janicule, Paris 191 2. Vgl. Nicole et Darier, Le sanctuaire des dieux orie7iiatix au Janicule (Melanges Ecol. fran^. de Rome t. XXJX), Rome 1909. Man hat dort namentlich Weihin- schriften für den Hadad vom Libanon und den Hadad ocKpo- peiTric (vgl. Dussaud in Pauly-Wissowa, Realenz. s. v. Hadad), wie für Maleciabrudus gefunden (über den letzten cf. Cler- mont-Ganneau, Rec. d'archcol. or. VIII, 1907, S. 52). II. Ich habe einige Worte über diese Kolonisation gesagt in meinen Man. Myst. Milhra I, S. 262. Vgl. Friedländer, Sit-^ 2 8o Anmerkungen fengeschichfe 11^, S. 8o ff. Courajod hat sie unter dem Ge- sichtspunkt ihrer künstlerischen Wirkungen betrachtet, Lecons du Louvre I, 1899, S. 115. 327 fF. — Für die merowingische Periode vgl. Scheffer-Boichorst, Zur Geschichte der Syrer im Abendlande (Mitt. des Inst, für Österreich. Geschichtsforschung VI) 1903, S. I if. und Br^hier, Les colonies d' Orientaux en Oc- cident au conwiencejnent du mqyen äge (Byzant. Zeitschr. XII) 1903, S. I ff. '^olha.va., Loihr. Jahrbuch für Altertumskunde 1^11, 1905, S. 318 ff. 12. Kaibel, Imcr. graec. XIV, 2540. 13. Comptes Rendus Acad. Inscr., 1899, S. 353 = Waltzing,. Corporations professionnelles, Bd. II, Nr. 1961 = CIL III S., 14 165^. — Inschrift Thaims von Kanatha: Kaibel, Inscr. graec ^ XIV, 2532. 14. Greg. Tur., Hist. Fr. VIII, i. — Über die Verbreitung der Syrer in Gallien vgl. Brehier, a. a. O. S. 16 ff. 15. Cf. Brehier, Les origines du crucifix dani Pari religieux, Paris 1904. 16. Adonis: Wissow^a, S. 300, Anna. i. — Balmarcodes: Pauly-Wissowa, Realenz., s. v.; Jalabert, Mel. fac. orient. Bey- routh, I, S. 182. — Marnas: Die Existenz eines „Marneion" zu Ostia kann erschlossen werden aus der Weihinschrift CIG^ 5892 (cf. Drexler in Roschers Lexikon, s. v., Sp. 2382). — Über Maleciabrudus vgl. oben, Anm. 10. — Mit dem Kultus des Gottes von Gaza bürgerte sich wahrscheinlich das Maiu- masfest ein: Lydus, De Mensib. IV, 80 (S. 133, ed. Wünsch) = Suidas, s. v. Maiou|uäc und Drexler, a.a.O. Sp. 2287. VgL Clennont-Ganneau, Rec. d'at-cheol. orient. IV, S. 339 und Kraus, Talmudische Archäologie III, S. 127. 17. Cf. Pauly-Wissowa, s.v. „Damascenus, Dusares". 18. Malalas, XI, S. 280, 12 (Bonn). — Der Tempel ist neuerdings durch eine deutsche Expedition ausgegraben, cf. Puchstein, Führer in Baadbek, Berlin 1905 und Jahrbuch des arch. Instituts XVI, 1901, S. 133 ff.; XVII, 1902, S. 87ff.; vgl. Dussaud in Pauly-Wissowa, Realenz. s. v. Heliopolitanus. — Hadad in Rom, vgl, oben S. 279, Anm. 10. Syrien 281 ig. CIL X, 1634: Cultores Jovis Heliopolitani Berytenses qui Puteolis consistunt; cf. Wissowa, a. a. O. S. 504, Anm. 3; Ch. Dubois, Pouzzoles antique, Paris 1906, S. 156. 20. Eine Liste der bekannten Truppenkörper hat Cicho- rius aufgestellt in Pauly -Wissowa, Realenz., s. v. „Ala" und „Cohors". 21. CIL VII, 759 = Bücheier, Carmina epigr., 24. — Zwei dem syrischen Herkules (Melkart) und Astarte gewidmete Weihinschriften sind in Corbridge, nicht weit von Newcastle entdeckt [Inscr. graec. XIV, 2553). Vielleicht gamisonierten dort tyrische Bogenschützen. 22. Baltis: Pauly- Wissowa, Realenz., s. v. 2T,. Pauly- Wissowa, Reale7iz., s.v. „Aziz"; cf. Wissowa, a.a. ü. S. 303, Anm. 7. 24. Über die Etymologie von Malakbel vgl. Dussaud, Notes, 24 flf. Über seinen Kultus im Okzident Ed. Meyer in Roschers Lexikon, s. v. 25. ILdLn, De Jovis Dolicheniculiu, Groningen 1901; cf. Pauly- Wissowa, Realenz., s. v. „Dolichenus". 26. R^ville, Relig. sotis les Severes, S. 237 if. {deutsche Ausg. S. 236 if.); Wissowa, a. a. O. S. 305; cf. Pauly- Wissowa, s. v. „Elagabal". — In einem kürzlich erschienenen Aufsatze [Die politische Bedeutung der Religion von Emesa [Archiv für Reli- gionswissensch. XI] 1908, S. 223 ff.) betont von Domaszewski mit Recht den religiösen Wert des solaren Monotheismus, der sich in den Tempeln Syriens herausbildete, aber er schreibt (S. 235) dem Klerus von Emesa eine zu exklusive Rolle bei der Entstehung dieser Theologie zu (ci.witen S. 300, Anm. 90). Der überwiegende Einfluß ging anscheinend von PalmyTa aus (cf. U7iten S. 291, Anm. 59). 27. Vgl. unten S, 291, Anm. 59. 28. Cf. Curtiss, Ursevnt. Religioti i?n Volks leberi des heutigen Orients (mit Vorwort von Baudissin), Leipzig 1903; Janssen, Coutumes des Arabes du pays de Moab, Paris 1908, S. 297 ff. 29. Cf. Robertson Smith, /ajjz;??/ Lagrange, S. 158 — 216; Vincent, a.a.O. S. 102 — 123; 144 f. — Die Bedeutung die- 2S2 Anmerkungen ser semitischen Litholatrie läßt sich an ihrer Zähigkeit er- messen: Philo von Byblos definiert die Bätyle als XiGoi eju- vpuxoi (2, § 20, FHG III, S. 563); Hippolyt sagt uns ebenfalls (V, I, S. 145, Cruice), daß man in den syrischen Mysterien ('Accupiujv TeXeiai) lehre, die Steine seien beseelt (01 XiOoi eiciv ejUij;uxor exouci fäp tö auHiiTiKÖv), und dieselbe Lehre erhielt sich im Manichäismus {Titus vonBostra II, 60, S. 60, 25 ed. de Lagarde: Ouk aicxuvexai he küi touc XlGouc e|un;uxu>- c9ai XeTUJV Kai xd TTdvxa ejuvpux« elcr)YOUjuevoc). — Ganz am Ende des Heidentums entwickelt sich eine abergläubische Verehrung für Bätyle noch bei den Neuplatonikem ; vgl, Cony- beare, Transactions ofthe congress qf hist. of relig., Oxford igo8, S. 177. 30. Luc, De dea Syi'ia, c. 41. Vgl. die Inschrift von Nar- naka mit der Bemerkung von Clermont-Ganneau, Eiudes d'arch. Orient. II, S. 163. — Über den Stierkult in Syrien cf. Ronze- valle, Melanges fac. orient. Beyrouth, I (igo6),'S. 225. 238; Vincent, a. a. O. S. 169. 31. Philo iVlex., De provid. II, c. 107 (II, 646 M); cf. Lucian, De dea Syria, 54. 32. Namentlich auf dem Berge Eryx in Sizilien (AeL, Nat. Anivi. IV, 2). — Cf. Pauly-Wissowa, Realenz., s. v. „Dea Syria", Sp. 2242. 33. Tibull, I, 7, 17. 34. Lucian, De dea Syria, 14; 54. Cf. Diodor, 11,4, 2. Ovid., Met IV, 46; V, 331. 35. Pauly-Wissowa, a.a.O., Sp. 2241; Robertson Smith, S. 175. 36. Die alten Autoren spielen oft auf diesen Aberglauben der S}T:er an (die Texte sind bereits gesammelt von Seiden, De dis Syris II, c. 3, S. 268 ff., Ausg. von 1672). Robertson Smith (ö. a. O. S. 449) vergleicht ihn zutreffend mit gewissen Ideen der Wilden. Wie viele primitive Glaubensvorstellungen hat auch diese sich bis auf unsere Tage erhalten. In Sam- Köi, etwas westlich von dem alten Doliche, hat man mich auf das Vorhandensein eines Bassins aufmerksam gemacht. Syrien 283 das von einer Quelle gespeist wird und mit Fischen bevölkert ist, welche man nicht anfassen darf. Bei der Moschee in Edessa befindet sich ein großer Weiher; es ist verboten, die als heilig geltenden Fische zu fangen, und man glaubt, daß der, welcher von ihnen essen würde, dem Tode verfallen sei usw. (Sachau, J^eise in Syrien, 1883, S. 196 ff. Cf. Lord Wark- worth, Diary in Asiatic Turkey, London 1898, S. 242). Ebenso ist es mit der Moschee von Tripolis und anderen Orten {Lammens, Au pays de Nosairis [Revue de l'Orient chretien] igo8, S. 2). Sogar in Kleinasien findet man diesen Aber- glauben. In Tawshanli, im Norden von Aeza?ii, am oberen Rhyndacus, gibt es noch eine viereckige Zisterne, die von heiligen Fischen belebt ist, welche zu berühren nicht gestattet ist [Mitteilung von Hrn. Munro]. Die Reisenden haben in der Türkei oft beobachtet, daß die Bevölkerung keine Fische ißt, selbst dort nicht, wo sie unter Nahrungsmangel leidet (Sachau, a. a. O. S. 196), und der allgemein verbreitete Glaube, daß ihr Fleisch ungesund sei und Krankheiten hervorrufen könne, entbehrt nicht ganz der tatsächlichen Begründung. Ramsay [Impressions of Turkey, London 1897, S. 288) sagt hierüber das Folgende: Fish are rarely found and when found are usually bad: the natives have a prejudice against ßsh, and my own expeiience has been urifavoiirable .... In the clear, spark" ling mountaiyi-stream that flows through the Taurus by Bozanti^ Khan, a sviall Mnd of fish is caught; I had a viost violent attack of sickness in 18 pi after eaii?ig some of them, and so had all who pariook. Kapitän Wilson, der sich lange Jahre in Klein- asien aufhielt, versichert [Hafidbook of Asia Minor, S. 19), daß the natives do not eat fish to any extent. Das „totemistische" Ver- bot scheint hier, obwohl es sich um ein solches handelt, einen hygienischen Ursprung gehabt zu haben. Man hat sich aller Fische enthalten, weil gewisse Arten gefährlich, d. h. von bösen Geistern bewohnt sind, und die Geschwülste, welche die syrische Göttin sendet, sind das durch die Vergiftung verursachte Ödem. 37. Symbolik des Ix^^^c^ ^^ begnüge mich mit dem Hin- 2 84 Anmerkungen weis auf Usener, Smtßutsagen, 1899, S. 222>^- Cf. S. Reinach^ Culies, mythes III, 1908, S. 43 flf. Das ganze Material ist jetzt zusammengestellt von Dölger, IX0YZ, I, Religionsgeschichtl. Uniersuchunqen, Rom 19 10. — Heilige Mahle, bei denen man Fische verzehrte : Mnaseas, Fr. 3 2 [Fragm. hist. graec. III, 115);. cf. Dittenberger, Sylloge ^ 584: 'Ectv be Tic TUJV ixOuuJV diro- edvr), KapiroucSii) auGrijLiepöv erri toO ßujjLiGu, und Diog. Laert. VIII, 34. Heilige Mahle finden sich im Abendlande in den verschiedenen syrischen Kulten wieder: Cenatorium et tricli- nium in den Tempeln des lupiter Dolichenus [CIL III, 478g; VI, 30931; XI, 696, cf. Mon. Myst. Mithra 11, S. 501); pro- mulsidaria et 7nanteliiivi der Vemis Caelestis dargebracht {CIL X, 1598); Bau eines Tempels für Malachbel mit einer culina {CIL III, 7954). Erwähnung eines beiTTVCKpiTTic, öeiirvoic Kpei- vac TroXXct \x^i' euqppocuvric , in dem Tempel des Janiculus (Gauckler, Le sanctuaire syrien, S. 6. 41 ff., cf. den oben S. 262, Anm. 41 erwähnten irpaiTavaKXixric). Vgl. Lägrauge, Reli- gions shnitiques, II, S. 609, und Pauly-Wissowa, Realenz., s. v. „Gad". 38. Robertson Smith, S. 292 ff. 39. Eine in Kefr-Hauar entdeckte Inschrift (Fossey, Bull, corr. hell. XXI, 1907, S. 60) ist in dieser Hinsicht sehr cha- rakteristisch. Ein „Sklave" der syrischen Göttin huldigt dort seiner „Herrin" (Kupia). Vgl. oben S. 250, Anm. 9. 40. Namentlich in Aphaca, wo sie erst durch Konstantin unterdrückt wurden (Eusebius, Vit. Const. III, 55; cf. Sozom. n, 5)- 41. über die heiligen Prostitutionen des Heidentums ist viel geschrieben worden, und Voltaire spottete bekanntlich über die Gelehrten, die leichtgläubig genug wären, um den Erzählungen Herodots zu trauen. Aber jene Sitte wird durch unwiderlegliche Zeugnisse bewiesen. So erwähnt Strabo, des- sen Großonkel Oberpriester zu Comana gewesen war, sie in dieser Stadt (XII, 3, 36, S. 559C), ohne sich darüber zu wundem. Die Religionsgeschichte hat uns sehr viele andere noch seltsamere Tatsachen kennen gelehrt; diese ist nichts- Syrien 285 destoweniger verblüffend. Man hat in ihr entweder ein Über- iebsel der ursprünglichen Promiskuität oder Polyandrie sehen wollen, oder die Fortsetzung der „sexuellen Gastfreundschaft" {No custovi is more widely spread than the providlng for a giiest a feniale companion, who is usually a wife or daughter of the host, sagt Wake, Serpent worship, 1888, S. 158), oder auch die Er- setzung der Vereinigung mit dem Gott durch die Vereinigung mit einem Menschen (Gruppe, Griech. MythoL, S. 915). Aber diese Hypothesen erklären nicht die Besonderheiten des re- ligiösen Brauches, wie ihn uns die glaubwürdigsten Autoren beschreiben. Sie legen Gewicht auf die Tatsache, daß die jungen Mädchen dem Tempeldienst gey^Qih.te. Jungfrauen waren, und daß sie sich, nachdem sie fremde Liebhaber gehabt hat- ten, in ihrem Lande verheirateten. So erzählt uns Strabo (XI, 14, § 16, S. 532 C) mit Bezug auf den Tempel der Anaitis in Akilisene, daß 0uYaTepac 01 emcpaveCTaTOi tou e9vouc dviepoOci TrapGevouc, alc vojuoc ecTi KaraTrüpveuOeicaic tto- Xuv xpövov TTapot Tri 6euj juerd raöra bibocOai Trpöc t«Mov, ouK diTaHioOvTOC xf] TOiauTr] cuvoiKeTv oubevöc. Herodot (I, 93), der beinahe dasselbe von den Lydierinnen berichtet, fügt hinzu, daß diese sich so eine Mitgift sammelten, und eine Inschrift von Tralles [Bull. corr. hell. VII, 1885, S. 276) erwähnt tatsächlich eine Deszendentin heiliger Buhlerinnen (Ik irpoTÖvuuv TtaWaKiöiuv) , die zeitweilig denselben Dienst versehen hatte (üaXXaKeicaca Kard xp^cjuöv Au). Im ägyp- tischen Theben selbst gab es zur Zeit Strabos (XVII, i, § 46) einen analogen Brauch mit ausgesprochen lokalen Eigentüm- lichkeiten, und Spuren davon findet man anscheinend in Grie- chenland bei den Lokrem (Vurtheim, De Aiacis origine, Leiden 1907). — Alle Algierreisenden wissen, wie die Töchter der Uled-Nail in den Ksurs und den Städten ihre Mitgift erwer- ben, ehe sie zurückkehren, um sich in ihren Stämmen zu ver- heiraten, und Doutte {Notes sur V Islam maghribien, les Mara- houts [Aus Rev. hist. des relig. XL — XLI], Paris 1900) hat diese Gepflogenheiten auf die altsemitische Prostitution zurückge- führt, aber seine Behauptung ist auf Widersprach gestoßen, 2 86 Anmerkungen und die geschichtlichen Umstände der Ankunft der Uled-Nail in Algier im 1 1 . Jahrhundert lassen sie sehr zweifelhaft er- scheinen (Mitteilung von Herrn Basset). — Es erscheint mir gewiß (ich weiß nicht, ob diese Erklärung bereits vorgeschla- gen ist), daß dieser seltsame Brauch die modifizierte, unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit beibehaltene Form einer alten Exogamie ist. Er hatte überdies gewisse günstige Wir- kungen, weil er das junge Mädchen bis zum heiratsfähigen Alter gegen die Brutalität seiner Umgebung schützte, und dieser Umstand sicherte ihm zweifellos seine Fortdauer, aber die Idee, die ihm zugrunde lag, ist eine andere. „La premüre Union sexuelle impliquant uns effusion de sang, a ite interdife, lorsque ce sang etait celui d'une fille du clan verse par le fait d'un komme da clan'"'' (Salomon Reinach, Mythes, cultes, I, 1905, S. 7g. Cf. Lang, The secret of the totem, London 1905). Daher waren die Jungfrauen verpflichtet, sich zuerst einem Fremden hinzugeben. Erst nachdem sie defloriert sind, können sie einen Mann ihres Stammes heiraten. Übrigens hat man zu verschiedenen Mitteln gegriffen, um den Gatten vor der Be- fleckung zu schützen, die für ihn mit diesem Akte verbunden sein konnte (vgl. z. B. Reinach, Mythes, cultes, I, S. 1 1 8). — Die in dieser Anmerkung vertretene Ansicht ist fast unmittel- bar nach ihrer Publikation bestritten von Frazer, Adonis, Attis, Osiris, 1907, S. 50 ff., der in den heiligen Prostitutionen lie- ber einen Rest von ursprünglichem Kommunismus sehen will. Aber wenigstens eines der Argumente, die er gegen meine Auffassung vorgebracht hat, ist unzutreffend. Nicht die Frauen, sondern die Männer erhielten Geschenke in Akilisene (Strabo, a. a. O.), und die kommunistische Theorie scheint mir den Einzelheiten des im Tempel zu Theben geübten Brauches keine Rechnung zu tragen. Die Scheu vor dem Blut tritt hier klar zutage. 42. Porphyrius, De Abstin. II, 56; Tertull., Apol, g. Cf. La- grange, a. a. O. S. 445. In dem Tempel auf dem Janiculus hat man unter der Statue des Gottes ein Kästchen gefunden, welches den oberen Teil eines Schädels enthielt. Gauckler Syrien 287 denkt an ein Menschenopfer zur Einweihung, wie man es ehedem in Syrien darbrachte. Er vergleicht mit diesem Funde auch die auf den christlichen Altären befindlichen Reliquien- schreine [Le sanduaire du Janicule, S. '&'] ^., cf. 275 ff.). Ver- mutlich hatte sich der alte semitische Ritus in der Kaiserzeit gemildert, und statt den Göttern ein Menschenopfer zu schlachten, begnügte man sich damit, im Heiligtum einen als heilig betrachteten Schädel aufzustellen. 43. Selbst in den Gegenden, wo sich Städte entwickelten, blieben der Baal und die Baalath stets die TtoXioOxoi'G^ot^" heiten, die Schutzpatrone des Gemeinwesens, welches sie ge- gründet haben sollten. 44. Le Bas- Waddington, 2196. — Suidas, s.v. OuXdpxilc (Bd. II, 2, Sp. 1568, Bernhardy). Cf. Marquardt, Staatsverwal- tung P, Sp. 405. 409. 45. Hippolyt, Adv. Haeres. V, ii, § 7; 'Accupiuuv TeXexai; § 18: 'Accupiuuv luucxripia (S. 145. 148, ed. Cruice). Origenes, Contra Celsum I, i 2 nennt die syrischen Mysterien. Über die des semitischen Gnostizismus vgl. Bousset in Pauly-Wissowa, Realenc. s. v. Gnosis, Sp. 1521. Pognon {Inscript. semüiques, 1907, Nr. 48) hat kürzlich ein leider verstümmeltes syrisches Epitaph veröfifentlicht, das einem Adepten der heidnischen Mysterien gehört zu haben scheint; cf. Nöldeke, Zeitschr. für Assjyr., XXI, 1907, S. 155. 46. Robertson Smith hat über die Idee der Heiligkeit und der Unreinheit bei den Semiten einige Seiten geschrieben, die von bewunderungswürdigem Scharfsinn zeugen (S. 446 iF. und passim). Unter einem anderen Gesichtspunkt ist das Pro- blem wieder aufgenommen von Lagrange, S. 141 ff. — Die Entwicklung der Reinheitsidee in den antiken Religionen ist neuerdings von Famell dargestellt {Tke evolution of religion 1905, S. 88ff., namentlich S. i24ff.). Vgl. auch ohen, S. io7f. — Ein Beispiel für Verbote und Reinigungen findet sich im Okzident in einer leider verstümmelten Inschrift, die in Rom entdeckt und dem Beellefarus gewidmet ist i^CIL VI, 30934. 31 168; cf. Lafaye, Rev. hist. relig. XVII, 1888, S. 218 ff.; 2 88 Anmerkungen Dessau, Inscr. selec, 4343)- Hier wird, wenn ich den Text richtig verstehe, jemandem, der Schweinefleisch gegessen hat, befohlen, sich mit Honig zu reinigen. — Über Bußleistungen in den syrischen Kulten vgl. S. 254, Anm. ^^. 47. Clermont-Ganneau {Etudes d'archeoL ormil. II, i8g6, S. 104) bemerkt, daß das Epitheton aYioc im heidnischen Hellenismus äußerst selten sei und fast immer semitischen Einfluß verrate. Es entspricht dann ©Ip, das bei den Semi- ten das Epitheton par excellence der Gottheit ist. So ist Eshmun inp; cf. Lidzbarski, Ephemer, für semit. EpigrapMky II, S. 155; Clermont-Ganneau, Recueil d'archeoL Orient., III, S. 330; V, S. ^22. — Griechisch: Le Bas-Waddingten, 272pa: Ol KaTOXOi dYiou oupaviou Aiöc. Dittenberger, Orient, graec. inscript. Ö20: Zeuc ttTioc BeeXßuiCuupoc. Hill, Cat. coins Bri- tish Museum, Phoenicia p. XXI, n. i: Zeuc ctyioc in Tripoli. Ich habe einmal bei einem Kaufmann eine Weihinschrift Geoj aYii^J 'ApeXceXuj abgeschrieben, die auf eine Lampe graviert war. — Lateinisch: I. Dolichenus sanctus CIL VI, 413 ; X, 7949. — I. Heiiopolitanus sanctissimus, CIL VIII, 2627. — Caelestis sancta, VIII, 8433 usw. — Der afrikanische Saturn (= Baal) wird oft satictus genannt. ^ — Hera sancta neben lupiter Doli- chenus, VI, 413. — Malakbel wird mit Sol sanctissimus über- setzt in der bilinguen Inschrift vom Capitol, VI, 710 = Dessau, 4337. Vgl. auch den dezis sanctus aeteniiis V, 1058, 3761, und Comptes Rendus Acad. Inscr., 1906, S. 69. Siehe jetzt Delehaye, Anale da Bollandiana 1909, S. 157; Link, De vocis sanctus usu pagano, Königsberg 19 10, S. 2 8fF. 48. Vgl. meine Vorlesungen über Astrology ajid Religion ainoiig the Gr. and Romans, 19 12, S. 56 ff., 7 8 ff. Als merk- würdige Beispiele von griechisch-syrischem Synkretismus kann man das Basrelief von Ed-Duwair im Louvre anführen, das von Dussaud fein analysiert ist {Notes, S. 89 ff.), und nament- lich das von Homs im Brüsseler Museum [ibid., 1 04 ff.). 49. Macrob., I, 2^, § 11: Ritu Aegyptio magis quam Assyrio ■colitur; cf. Lucian, De dea Syria, 5. In dem Tempel der syri- schen Götter in Rom hat man eine ägyptische Statue gefun- Syrien 289 den. — „Hennetische" Theorien drangen bis zu den Sabiem Osrhoenes (Reitzenstein, Poimandres, 166 fF.), wenn sie auch nur eine oberflächliche Wirkung ausgeübt zu haben scheinen (Bousset, Göttingische Gelehrte Anzeigen 1905, 704 ff.). — Die Existenz von KOtTOXCi in Bätocece und anderswo scheint auf ägyptischen Einfluß hinzuweisen (Jalabert, Milanges de la fac. Orient, de Beyrouth, Bd. II, 1907, S. 308 ff.). Der Sinn von Karoxoc, das man verschieden interpretiert hat, scheint uns durch die von Kroll gesammelten Stellen fixiert zu sein, Cai. codd. astrol. graec. V, Pars II, S. 146; cf. Otto, Priester und Tem- pel, Bd. I, S. 119; Bouch^-Leclercq, Hist. des Lagides, Bd. IV, S. 335. Es sind Arme, Kranke oder selbst Besessene, die in der Umgebung der Tempel lebten und zweifellos vom Klerus unterhalten wurden, wie in christlicher Zeit die Flüchtlinge, die in den Kirchen sich das Asylrecht zunutze machten (cf. Compt. Rend. Acad. Inscr., 1907, S. 454). 50. Cf. unten S. 291, Anm. 59. 51. Strab., XVI, i, 6. Cf. Plin., H. N. VI, 6: Durat adhuc ihi lovis Beli templum. Plinius VI, 30, 6 (vgl. dazu Heuzey, C. R. Acad. Inscr. 191 2, S. 497). — Vgl. meine Mon. Myst. Mithra, I, S. 35 ff.; Astrology and religion etc. a. a. O.', Chapot, Mim. soc. antiq. de France, 1902, S. 239 ff.; Gruppe, Griech. Mythol., S. 1608, Anm. i; von Baudissin, Adonis und Eshmun, 191 1, Index s. v. Babylonien. 52. Lucian, De dea Syria, c. 10. 53. Hamack, Dogmengeschichte, P, S. 2'^'^^. und passim. 54. Bilkult in Syrien, cf. Compt. Rend. Acad. Inscr., 1907, S. 447 ff. — Vgl. unten, Anm. 59. 55. Heliopolitanische Trias und Hinzutritt von Mercur zu dem ursprünglichen Paare: Perdrizet, Rev. itud. anc, III, 1901, S. 258; Dussaud, Notes, S. 24; Jalabert, Milanges fac. orient. de Beyrouth, I (1906), S. 175 ff. — Trias in Hierapolis: Lu- cian, De dea Syria, c. 33. Nach Dussaud, Notes, S. 115, sollen die drei Gottheiten zusammen aus Babel gekommen sein. — Man hat auch die Existenz einer phönikischen Trias (Baal, Astarte, Eshmun oder Melqart), wie einer palmyrenischen Cumont, Die oriental. Religionen I9 2 Q o Anmerkun gen Trias gemutmaßt, aber ohne zureichenden Grund [Ibid. 170. 172 0'.); die der karthagischen Triaden ist wahrscheinlicher (cf. Polybius, VII, 9, 11 und W. von Baudissin, Adonis und JEshmun S. 1 5 ff.). — Siehe überhaupt Usener, Dreiheit (Aus Rhein. Museum, LVIII), 1903, S. 32. — Die Triaden erhalten sich in der Theologie der „chaldäischen Orakel" (Kroll, De orac. Chald., 1 3 ff.), und eine dreifache Teilung der Welt und der Seele wurde in den „assyrischen Mysterien" gelehrt [Ar- chiv für Rel. Wiss. IX, 1906, S. 331, Anm. i). 56. BoU, Sphaera, S. 372. — Die Einführung der Astro- logie in Ägypten scheint kaum vor der Ptolemäerzeit erfolgt zu sein. 57. Wie später die römischen Kaiser, so glaubten die Seieukiden an die chaldäische Astrologie (Appian, Syr., 38; Diodor, II, 31, 2; cf. Rieß in Pauly-Wissowa, Realenz., s. v. „Astrologie", Sp. 18 14), und die Könige von Kommagene, wie eine große Anzahl von syrischen Städten haben Zeichen des Tierkreises als Embleme auf ihren Münzen (Wroth, Cat. greek coins Brit. Mus., Syria, S. 326; Hill, ibid. Phoenicia, S. 323 s. v. „Zodiac"; Head, Historia nummorum, 2. Ed., S. 964, s. v. „Zodiacal types"). Es steht sogar fest, daß diese Pseudowis- senschaft in jene Gegenden lange vor der hellenistischen Zeit gelangte. Spuren davon findet man im Alten Testament (Schiaparelli, Die A.stronomie im Alten Testament, übers, von Lüdtke, 1 904, S. 46). Sie modifizierte das gesamte semitische Heidentum; der einzige Kultus, den wir etwas näher kennen, der der Sabäer, gewährt ihr den weitesten Spielraum; in den Mythen und Lehren der anderen ist ihre Einwirkung nicht minder spürbar (Pauly-Wissowa, Realenz., s. v. „Dea Syria", Bd. IV, Sp. 2241, und s.v. „Gad"; cf. Baudissin, Realenz. für prot. TheoL, s. v. „Sonne", S. 510. 520). Wie sehr namentlich der Klerus von Emesa durch sie beeinflußt war, beweist so- wohl der von einem Priester dieser Stadt geschriebene Ro- man Heliodors (Rohde, Griech. Ro77ian, 2. Aufl., S. 464 [436]) als das Horoskop, welches Julia Domna den Thron verschaffte (Vita Severi, 3, 8; cf. A. von Domaszewski, Archiv für Rel. Syrien 291 Wi'ss. XI, igo8, S. 22^). Ihr unwiderstehlicher Einfluß er- streckte sich bis auf das arabische Heidentum (Nöldeke in Hastings, Encycl. of religion, s. v. „Arabs", I, S. 661; zu ver- gleichen Orac. SihylL, XIII, 64 ff., über Bostra). Der siderische Charakter, den man den syrischen Göttern hat beilegen wol- len, ist entlehnt, aber darum nicht weniger vorhanden. Seit alter Zeit findet man bei den Semiten den Kult der Sonne, des Mondes und der Sterne (cf. Deut. 4, ig; Job 31, 25), namentlich des Planeten Venus, aber er hatte nur sekundäre Bedeutung (vgl. Robertson Smith, a. a. 6>. S. 135, Anm. i); doch wuchs er um so mehr, je stärker der babylonische Einfluß wurde. Die Polemik der syrischen Kirchenväter beweist, wie groß sein Ansehen in christlicher Zeit war (cf. Ephräm, Opera syriaca, Rom 1740, Bd. II, S. 447 if.; den „Assyrer" Tatian, c. 8 ff., 2 9) vgl. meine Abhandlung über Le fatalisme astral in der Revue d'histoire ei de litt, religieuses 1912, S. 520 ff. 58. Humann und Puchstein, Reise in Kleinasien und Nord- syrien, 1890, Taf. XL; Mon. Myst. Mithra, I, S. 188, Eig. 8; Bouch6-Leclercq, Astrol. gr., S. 439. 59. Cf. Wissowa, a. a. O. S. 306 — 307. — Über den Tem- pel des Bei zu Palmyra vgl. Sobemheim, Palmyrenische In- schriften (Mitt. der Vorderasiat. Gesellsch., X) 1905, S. 3 ig ff.; Lidzbarski, Ephemeris, I, S. 255 flf.; III, S. 280. — Priester des Bei: Clermont-Ganneau, Recueil d'archeol. Orient. VII, S. 12. 24. 364. Vgl. oben, Anm. 54. — Die Macht Palmyras unter Zenobia, die vom Tigris bis zum Nil gebot, hatte selbstver- ständlich die Stiftung eines offiziellen Kultus zur Folge, der notwendigerweise synkretistisch war. Daher seine besondere Bedeutung für die Geschichte des Heidentums. Wenn die babylonische Astrologie dort mächtig war, so scheint doch das Judentum keinen geringeren Einfluß auf seine Entstehung ausgeübt zu haben. Es gab in Palmyra eine zahlreiche jü- dische Kolonie, welche die Redaktoren des Talmud als mä- ßig orthodox betrachteten (Chaps, GH Ebrei di Palmira [Ri- vista Israelitica, I], Florenz 1904, S. 171 ff.; 238 f. Cf. „Pal- myra" in der Jewish Encycl.; jüd. Inschr. von Palmyra: Euting, 19* 2Q2 Anmerkungen SB Berl, Akad., 1885, S. 669; Landauer, Ibid., 1884, 8.9330".), und die sich zu Kompromissen mit den Götzendienern her- gegeben zu haben scheint. Anderseits sehen wir Zenobia selbst eine Synagoge in Ägypten restaurieren [Rev. archioL, XXX, 1875, S. II i; Zeitschr.für Numism, V, S. 229; Ditten- berger, Orient graec. imcr, 129). Diese Einwirkung des Ju- dentums scheint die Entwicklung des Kultus des Zeuc ÖH/iCTOC Kai eirriKGOC, „dessen Name gebenedeiet ist in Ewigkeit", in Palmyra zu erklären. Hypsistos ist überall ein Name gewesen, der gleichzeitig Jahve und dem heidnischen Zeus beigelegt wurde [oben, S. 75. 148). Der Text des Zosimus (I, 61), nach dem Aurelian die Standbilder 'HXiOU xe Kai Br|Xou (mit Un- recht hat man korrigiert rou Kai BrjXou) von Palmyra nach Rom brachte, beweist, daß die astrologische Religion der großen Wüstenstadt einen höchsten Gott unterschied, der im obersten Himmel thronte, und einen Sonnengott als sein sicht- bares Bild und seinen Mittler, in Übereinstirfimung mit der semitischen Theologie des ausgehenden Heidentums (vgl. oben, S. 154). 60. Ich habe von dieser solaren Eschatologie in der unten, S. 300, Anm. 90 zitierten Abhandlung gehandelt. Vgl. jetzt Astrology and religion among the Greeks and Romans, ig 12, S. 167 ff. 61. Diese Meinung vertritt anscheinend Posidonius (cf. Wendland, Philos Schrift über die Vorsehung, Berlin 1892, S. 68, Anm. i ; 70, Anm. 2). Sie wird von den alten Astro- logen geteilt. 62. Diese alte heidnische und gnostische Vorstellung hat sich in Syrien bis auf unsere Tage bei den Nossairiern er- halten, vgl. Ren6 Dussaud, Histoire et religion des Nosairis, 1 900, S. 125. 63. Der Glaube, daß die frommen Seelen von einer psy- chopompen Gottheit zum Himmel geführt werden, findet sich nicht nur in den Mysterien des Mithra [Mon. Myst. Mithra, I, S. 310), sondern auch in den syrischen Kulten, wo diese Rolle oft dem Sonnengott zufällt; siehe Isid. L6vy, Cultes sy~ Syrien 293 riens dans le Talmud (Revue des 6tud. juives, XLIII), 1901, S. 5, und Dussaud, Notes, S. 27; cf. die Inschrift Le Bas- Waddington, 2442: BaciXeO becTTOxa (= die Sonne), iXa0i Kai bibou iräciv fijiiiv uyiTiv Kct0apdv, irprigic dYaödc Kai ßiou reXoc ecGXöv. — Dieselbe Idee begegnet uns im Abendlande in den Inschriften; so in dem merkwürdigen Epitaph eines verstorbenen Seemanns zu Marseille (Kaibel, Inscr. graec. XIV, 2462 =0 Epigr., 650): '€v hk [xe] Te6veioTciv ö|ar]YOpi[^c] ye ir^Aouciv 5oia(" tOüv ^T^pr] ju^v Suixöovirj ueqpöpTiTai. 1^ 5' ^T^pri reipecci cijv alöepvoici xopeOei, fjc cxpaTirjc elc ei|Lii, Aaxibv 6eöv T^Y^MOvfia. Vgl. HaussouUier, Revue de philo l. 1909, S. 6. Das ist derselbe Ausdruck, dessen sich Julian bedient [Caesares, S. 336 C), wenn er von Mithra spricht, dem Seelenführer: fiYejiiÖva 6eöv. Vgl. auch unten, Anm. 66, und S. 334, Anm. 24. - 64. Die babylonische Herkunft der Lehre, daß die Seelen durch die sieben Planetensphären zum Himmel aufsteigen, war von Anz behauptet worden (Zur Frage nach dem Ursprung des Gnostizismus, 1 897 ; cf. Mon. Myst. Mithra, I, S. 38if., S. 309; Bousset, Die Himmelsreise der Seele [Archiv für Rel. Wiss., Bd. IV], 1901, S. 160 ff.). Sie ist seither geleugnet von Reit- zenstein [Poimandres, S. 79; cLK-ioW., Berl.philoL Wochenschrift, 1906, S. 486). Aber obwohl sie von den Griechen und selbst von den Ägyptern präzisiert und umgebildet sein mag, bleibe ich doch bei dem Glauben an ihren chaldäischen und reli- giösen Ursprung. Ich schließe mich durchaus den Schlußfol- gerungen an, die Bousset kürzlich formuliert hat [Götting. Ge- lehrte Anz,, 1905, S. 707 if. und jetzt „Gnosis" in Pauly-Wis- sowa, Realenz. Sp. 1520). — Man kann noch weiter gehen: mag sie auch ihre Wurzeln zum Teil in den Spekulationen Altgriechenlands haben (Aristoph., Fax, 832 ; Plat, Tiin., 42 B), mag man auch einzelne Züge von ihr bei anderen Völkern wiederfinden (Dietench, Mithrasliturgie, S. i82if.; Nekyia, S. 24, Anm.; Rohde, Fsyche II, S. 131, Anm. 3), die Idee selbst, daß die Seelen sich nach dem Tode zu den göttlichen Gestirnen 2 Q 4 Anmerkungen erheben, hat sich jedenfalls unter dem Einfluß des Stemkul- tes der Semiten so weit entwickelt, daß sie alle anderen eschatolosrischen Theorien beherrschte. Der Glaube an die Ewigkeit der Seelen ist das Corollarium des Glaubens an die Ewigkeit der himmlischen Götter (S. 149). — Wir können hier nicht die Geschichte dieser Vorstellung schreiben und müssen uns auf kurze Bemerkungen beschränken. Die erste Darstellung, welche dieses System in Rom gefunden hat, begegnet uns in dem Traum des Scipio (c. 3) ; sie geht wahrscheinlich auf Posi- donius von Apamea zurück {cf. Wendland, Die kellenistisch-rö~ mische Kultur, S. 85 ; 166, Anm. 3 ; 1 68, Anm. i; 2. Aufl. S. 1 35 ; 170, Anm. 4; 172, Anm. 2) und ist vollständig imprägniert mit Mystizismus und Astrolatrie. Etwas später begegnet man der- selben Idee bei dem Astrologen Manilius (I, 758; IV, 404 usw.). Die Form, welche sie bei Josephus [Bell. Jud. V, i, 5, § 47) annimmt, ist auch weit mehr religiös a^ philosophisch und berührt sich in frappanter Weise mit einem Dogma des Islam (die Seligkeit ist denen vorbehalten, die im Kampfe sterben; ein Syrer [ibid., § 54] wagt sein Leben, damit seine Seele zum Himmel emporsteige). Man vergleiche mit dieser Erzählung die Inschrift des Antiochus von Kommagene (Michel, Recueil, Nr. 735, Z. 40): Züj)aa irpöc oupaviouc Aiöc 'Qpo- liidcbou öpövouc 6eoq)iXfi ipux^v irpcrrejuviiav eic töv arreipov aiujva Koi|LiriceTai. Es ist bemerkenswert, daß diese siderische Unsterblichkeit ursprünglich nicht allen Menschen gemeinsam ist, sondern vorbehalten wird omnihus qui patriam conservaverint, adiuverint, auxerint {Somn. Scip., c. 3 und 8; cf. Manil., I, 758; Lucan., Phars. IX, I fi".; Wendland, a. a. O. S. 85, Anm. 2 ; 2. Aufl. S. 135, Anm. 4), und dies entspricht auch den ältesten orientalischen Überlieferungen. Die Riten, die man anfänglich vollzog, um den Königen Unsterblichkeit zu sichern und sie den Göttern gleich zu machen, sind nach und nach als eine Art Privile- gium auf bedeutende Persönlichkeiten des Staates ausgedehnt und erst viel später schließlich bei allen Verstorbenen ange- wandt [Astrology and religion S. 17g ff.). Syrien 295 Über die Verbreitung dieses Glaubens seit dem i. Jahrhun- dert unserer Ära siehe Diels, Elementum, 1899, S. 73, cf. 78; Badstübner, Beiträge zur Erklärung Senecas, Hamburg, S. 2 if. — Er kommt oft zum Ausdruck in den Inschriften {Fried- länder, Sittengesch. III^, S. 749 ff.; Rohde, Psyche, S. 673, cf. 6 10; Epitaph von Neoclaudiopolis, Studia Pontica, Nr. 85; CIL III (Salona), 6384; oben, Anm. 63, usw.). — Er dringt gleichzei- tig in das Judentum und in das Heidentum ein (cf. Bousset, Die Religion des Judentums im neutest. Zeitalter, 1903, S. 271, und für Philo von Alexandrien Zeller, Philos. der Griechen, V^ S. 397 und 297). — Er wurde von Cornelius Labeo darge- legt, aus dem Amobius und Servius schöpfen (Nieggetiet, De Comelio Labeone [Diss. Münster], 1908, S. 77 — 86; vgl. jedoch Boehm, De Cornelii Laheonis aetate, Königsberg 1913, S. 62 ff.). — Er war allgemein angenommen am Ende des Imperiums ; cf. unten, S. 334, Anm. 25. Ich hoffe bald Gelegenheit zu haben, die Entwicklung dieser siderischen Eschatologie ge- nauer auseinanderzusetzen. Vgl. einstweilen Hönn, Himmel- fahrt im Altertum, Mannheim 19 10. 65. Die elysischen Gefilde sind nach der Lehre der ägyp- tischen Mysterien in der Unterwelt (Apul., Metam. XI, 6). — Nach der astrologischen Theorie sind die elysischen Gefilde in der Sphäre der Fixsterne (Macrob., Comm. somn. Scip. I, 1 1 , § 8; cf. unten, S. 334, Anm. 25). — Andere verlegten sie in den Mond (Servius, Ad Aen.'^l, 887; cf. Norden, Vergils Buch VI, S. 23; Rohde, Psyche, S. 609 ff.). — Jamblichus setzte sie zwischen Mond und Sonne (Lydus, De mens. IV, 149, S. 167, iTf, Wünsch). 66. Die Beziehung zwischen den beiden Vorstellungen ist ersichtlich aus der angeblichen Darlegung der pythagoreischen Lehre, welche Diogenes Laertius von Alexander Polyhistor ent- lehnt, und die in Wirklichkeit ein apokryphes Werk des i. Jahr- hunderts n. Chr. ist. Es wird gesagt, daß Hermes die reinen Seelen nach der Trennung von ihrem Körper führe eic tÖv "YviiiCTOV (Diogen. Laert. VIII, § 31; cf. Zeller, Philos. der Griechen, V^ S. 106, Anm. 2). — Über den Sinn von Hypsistos 296 Anmerkungen vgl. oben, S. 148. Er geht klar hervor aus der Stelle Jes. XIV, 13 in der Übersetzung der LXX: Eic TÖv oupavöv dvaßr|CO|iai, eirdvu) tüuv dcrepujv Grjcuj töv 0pövov |iOu . , . 4'co|iiai 6|lioioc TUJ 'YipiCTUJ. Vgl. Inscr. ad res Rom. pertinentes III, 1 060 : All oiipaviuj uv|iiCTUJ. 67. Er ist ursprünglich der Donnergott, griechisch Kepau- voc: unter diesem Namen erscheint er z. B, auf dem im Brüs- seler Museum befindlichen Basrelief von Homs {Catalogue Sculptures ?misee du Cinquantenaire , 2® 6dit. 1913, Nr. 55, cf. Dussaud, Notes, S. 105). Später wird vermöge eines wohlbe- kannten Prozesses die Wirkung eines besonderen Gottes zum Attribut einer umfassenderen Gottheit, und man redet von einem Zeuc Kepauvioc (cf. Usener, Keraunos [Rhein. Museum, N. F., LX] 1901 = Kleine Schriften IV, 1913, S. 471 iF.). — Dieser Zeus Keraunios erscheint oft in den Inschriften Syriens [CIG, 4501, 4520; Le Bas-Waddington, 2195, ,2557a, 2631, 2739; cf. Röscher, Lexikon der Myth., s. v. „Keraunos" und Anm. 66). Ihm opferte Seleukus, als er Seleucia gründete (Malalas, S. 199), und eine Weihinschrift für denselben Gott ist kürzlich in dem Tempel der syrischen Gottheiten zu Rom gefunden [oben, S. 279, Anm. 10). — Ein Äquivalent des Zeus Keraunios ist der Zeus KaTaißdrric — der im Blitz herab- fahrende — , welcher in Cyrrhus verehrt wurde (Wroth, Greek coins in the British Museuin: Galatia, Syria, S. 52 und LH; Röscher, Lex., s. v.). 68. Die Bipennis wird z. B. von dem lupiter Dolichenus geführt (cf. oben, S. 169). Über ihre Bedeutung vgl. Usener, a. a. O. S. 20. 69. Cf. Lidzbarski, Balsame77i (Ephem. semit. Epigr., I) S. 251. — Ba^al samain wird schon im 9. Jahrhundert v.Chr. in der Inschrift von Ben Hadad genannt (Pognon, Inscr. simit., 1907, S. 165 ff.; cf. Dussaud, Rev. arcMoL, igo8, I, S. 235). In den zu Berlin aufbewahrten aramäischen Papyri nennen die Juden von Elephantine, indem sie sich an einen persi- schen Statthalter wenden, Jahve den „Gott des Himmels", und derselbe Name wird in den angeblichen Edikten des Syrien 297 Gyrus und seiner Nachfolger gebraucht, die in das Buch Esra eingeschaltet sind (I, i ; VI, 9 usw.). — Wenn die Iden- tität des Donnergottes und des Baal-samin dem geringsten Zweifel unterliegen könnte, so würde dieser beseitigt durch die Inschrift von Et-Tayibe, in der dieser semitische Name griechisch wiedergegeben wird durch ZeOc fieTiCTöc Kepau- Vioc; cf. Lidzbarski, Handbuch, S. 477, und Lagrange, a.a.O. S. 508. 70. Kult des Baalsamin, der mit Ahura-Mazda identifiziert und Caelus geworden ist; cf. Mon. Myst. Mithra, S. 87. — Die Texte, welche die Existenz eines förmlichen Himmelskultes bei den Semiten beweisen, sind zahlreich. Außer denen, welche ich gesammelt habe (a. a. 0., Anm. 5), vgl. Conybeare, Philo about the contemplative life, S. 33, Anm. 16; Kays er, Das Buch der Erkenntnis der Wahrheit, 1893, S. 337, und unten, Anm. 76. — Zeus Oupdvioc: Le Bas -Waddington, 2720a (Baal von Bätocece); Renan, Mission de Phinicie, S. 103. — Cf. Archiv für Rel. Wiss. IX (1906), S. 333. 71. Münzen von Antiochus VIII. Grypus (125 — 96 v. Chr.): Babelon, Rois de Syrie, d'Armenie, 1890, Taf. CLIX, S. 178 ff. 72. Alle diese Eigenschaften, welche den Baalen durch den astrologischen Paganismus beigelegt wurden (uv];iCTOC, TTavTOKpdtTUjp usw.)' sind auch die Attribute, welche nach der Lehre des alexandrinischen Judentums Jahve charakterisieren (cf. oben, Anm. 66). Wenn dieser ursprünglich, wie man be- hauptet hat, ein Donnergott gewesen sein sollte, dann würde die Entwicklung der jüdischen Theologie die Parallele zu der der heidnischen Vorstellungen bilden (cf. oben, Anm. 69). 73. Über alles dies cf. lupiter sumvius exsuperantissimus (Archiv für Rel. Wiss. IX) 1906, S. 326fF. 74. Für den "HXioc TravTOKpdTUJp vgl. meine Abhandlung über La Theologie solaire etc., erweiterte deutsche Ausgabe von G. Gehrich in Vorbereitung. 75. Ps.-Jamblichus, De mysteriis VI, 7 (cf. Porphyrius, Epist. Aneb., c. 29) bemerkt bereits diese Differenz zwischen den beiden Religionen. 208 Anmerkungen 76. ApuL, Met. VIII, 25. Vgl. CIL III, logo; XII, 1227 (=<= Dessau, 2998, 4333); Macrob., Comni. somn. Scip. I, 14, § 2: Nihil aliud esse deum nisi caelum ipsuni et caelestia ipsa quae cernivius, ideo ut summt omnipotentiam dei ostenderet posse vix intellegi. 77. Diodor II, 30: XaXbaToi ttiv toO KÖC|Ltou 91JCIV dibiöv q)aciv eivai ktX.; cf. Cicero, Nat. deor. II, 20, § 52fF.; Plin., H. N., II, 8, § 30. Der Begriff der Ewigkeit stand in Korre- lation mit dem der ei|üiap)Lievr| ; cf. Ps.-ApuL, Asclep. 40 ; Apul., De deo Socratis, c. 2: (Die Planeten) quae in deflexo cursu . . . meatus divinis vicibus aetemos efßciunt. 78. In Palmyra: De Vogü6, Inscr. sSmit., S. 5 3 ff. usw. — Über den erstgenannten Titel vgl. unten, Anm. 81. 79. Vgl. namentlich CIL VI, 406 = 30758, wo lupiter ge- nannt wird: Aeternus conservator totius poli. Die Beziehung zum Himmel ist hier deutlich geblieben. Cf. Somn. Scip. III, 4 und IV, 3; Diodor. Sic. VI, i. 80. Cf. Rev. archeoL, 1888, I, S. i84ff.; Pauly-Wissowa, s.v. „Aeternus", und Festschrift für Otto Benndorf, i8g8, S. 291. — Die Idee der Ewigkeit der Götter taucht schon in sehr alter Zeit auch in Ägypten auf, aber die Isismysterien — in denen man des Todes des Osiris gedachte — scheinen sie nicht betont zu haben, und jedenfalls wurde sie im Abend- lande erst durch die Gestirnkulte verbreitet. 81. Man hat über die Frage gestritten, ob das Epitheton Xttby ^"m „Herr der Welt" oder „Herr der Ewigkeit" be- deutete (cf. Lidzbarski. Ephemeris, I, 258; 11, 297; Lagrange, S. 598), aber m. E, ist diese Kontroverse gegenstandslos; die beiden Ideen waren im Geiste der syrischen Priester untrenn- bar verbunden, und ein einziger Ausdruck umfaßte sie alle beide, da die Weit als ewig gedacht wurde {oben, Anm. 77}. — Vgl. für Ägypten HorapolL, Hieroglyph., I (Schlange als Symbol von altüv und köc)lioc). — Auch in Palmyra findet man den Titel „Herr des Alls" 5D 55112 (Lidzbarski, a. a. 0.) ; cf. Julian, Or. IV, S. 203, 5 (Hertlein): '0 ßaciXeüc tluv oXiuv "HXioc, und unten, Anm. 82. 88. Dieses Epitheton wird auch Syrien 299 Dusares beigelegt (Janssen et Savignac, Miss, archeol. en Arahie 1909, S. 175). Schon in Babel gab man Shamash und Hadad den Titel „Herren des Universums"; cf. Jastrow, Relig. Baby- loniens, I, S. 254, Anm. lo. ^ — Herr Nöldeke hatte die Güte, mir hierüber das folgende zu schreiben: „Daran kann kein Zweifel sein, daß 0^27 zunächst (lange Zeit) Ewigkeit heißt, und daß die Bedeutung „Welt" sekundär ist. Ich halte es daher für so gut wie gewiß, daß das palmyrenische 'SSX^'S i5"l'a, wenn es ein alter Name ist, den „ewigen" Herrn bedeutet, wie ohne Zweifel Dbli? PK Gen. 21, ^;^. Das biblische Hebräisch kennt die Bedeutung „Welt" noch nicht, abgesehen wohl von der späten Stelle UccL 3, 11. Und, soviel ich sehe, ist im Palmyrenischen sonst S^'a^^ immer „Ewigkeit", z. B. in der häufigen Redensart i^übj? ITHIÖ T^"lSb. Aber das daneben vorkommende palmyrenische bD ä51Ü führt allerdings darauf, daß die palmyrenische Inschrift auch in i^icoy iSI'O den „Herrn der Welt" sah. Ja, der syrische Übersetzer sieht auch in je- nem db^y bii? den „Gott der Welt". Das Syrische hat näm- lich einen formalen Unterschied festgestellt zwischen )^a, dem Status absolutus, „Ewigkeit" und jJcJSa, dem Status emphati- cus, „Welt". — ■ Sollte übrigens die Bedeutung Welt diesem Worte erst durch Einfluß griechischer Spekulation zuteil ge- worden sein? In der Zingirli-Inschrift bedeutet ab^S noch bloß „in seiner Zeit". 82. Cf. CIL ni, 1090 = Dessau, Inscr., 2998: Divinarum humanarumque rerum rectori. Vgl. ibid. 2ggg und Cagnat, Annee epigr., 1905, Nr. 235: I. O. M., id est tmiversiiatis principi. Cf. den zitierten Artikel des Archivs, Anm. 73. — Der Asclepizis sagt bei dem Gebrauch eines astrologischen Ausdrucks: Cae- lestes dii catholicorum domhiantur, terreni incolunt singula. 83. Cf. Robertson Smith, S. 7 5 ff., passim. — In den syri- schen Kulten wie in dem des Mithra betrachten die Mysten sich als Glieder derselben Familie, und der Ausdruck „teu- erste Brüder", den unsere Prediger gebrauchen, war bereits unter den Anhängern des lupiter Dolichenus üblich [fratres carissimos, CIL VI, 406 = 30758). 300 Anmerkungen 84. Diese Bemerkung hat schon Renan gemacht, Apßtres, S. 297 = Journal Asiatique, 1859, S. 259. Vgl. Jalabert, Mil. faculti Orient. Beyrouth, I (1906), S, 146. 85. Dies ist der von den Heiden gebrauchte Ausdruck ivirtuies). Vgl. die Inschrift Numini et virtuiibus dei aeterni, wiederhergestellt in Revue de PhüoloL, 1902, S. 9; Archiv für Rel. Wiss., a. a. O. S. 335, Anm. I, und unten, S. 332, Anm. 20. 86. CIL VII, 759 = Bücheier, Carm. epigr., 24. — Cf. Lucian, De dea Syria, ^2. 87. Macrob., Sat. I, 2$, § 17: Nominis {Adad) interpretatio significat unus unus, 88. Cicero, So7nn. Scip., c. 4: Sol dux et princeps et Modera- tor luminum reliquorum, f?iens mundi et temperatio. Plin., H. N. II, 6, § 12: Sol . . . siderum ipsorum caelique rector. Hunc esse mundi totitis animam ac planius mentem, hunc principale naturae regimen ac numen credere decet etc. Julian von Lao'dicea, Cat. codd. astr. I, S. 136, Z. i: "HXioc ßaciXeuc xai fjYeiudjv toO cujUTravTcc kocjugu KaGecTubc, TrdvTUJV Ka9riT0i)|ii€V0c Kai rrctv- TUüV u)v Yevecidpxnc 89. Eine ähnliche Vorstellung von dem Verhältnis des Schöpfers zu seinen Geschöpfen liegt Ps. CIV, 29 — 30 zu- grunde. Vgl. oben S. XIX, Nr. 3. 90. Ich fasse hier gewisse Ergebnisse einer Studie über La thiologie solaire du paganisme romain zusammen (Acad. des Inscr. Paris, 1909, in Mimoires des savants etrangers, Bd. XII, Teil 2, S. 447 ff. und in erweiterter Form deutsch von G. Geh- rich; vgl. oben, Anm. 74). 91. Die Hymnen des Synesius (II, 10 ff.; IV, 120 ff. usw.) liefern merkwürdige Beispiele für die Kombination der alten astrologischen Ideen mit der christlichen Theologie. Persien 301 VI. KAPITEL PERSIEN Bibliographie. Es ist nicht unsere Absicht, hier die Literatur zu verzeichnen, welche sich mit dem Mazdaismus beschäftigt. Wir begnügen uns vielmehr damit, auf die von Lehmann verfaßte Bibliographie in Chantepie de la Saussaye, Lehrbuch der Religionsgeschichte, 11^, S. 150, zu verweisen. In erster Linie würde zu erwähnen sein Darmesteter, Le Zend Avesta, 189 2 ff,, mit Einleitungen und Kommentar. — In mei- nen Textes et monuments relatifs aux my stires de Mithra (2 Bde., 1894— 1900), Bd. I, S. XXff. habe ich die älteren Arbeiten über diesen Kultus zusammengestellt; die Ergebnisse dieses Werkes sind ohne die Anmerkungen in einer Sonderausgabe erschienen: Les ?nysteres de Mithra (3. Aufl., Brüssel 191 3; deutsch von G. Gehrich unter dem Titel: Die Mysterien des Mithra. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit, 2. Aufl. Leipzig 191 1); vgl. auch den Artikel „Mi- thra" in dem Dictionnaire des antiquitis von Daremberg und Saglio (1904). Die seit 1900 erschienenen wichtigeren Publi- kationen über die Mysterien des Mithra sind in der 2. Aufl. der eben erwähnten deutschen Übersetzung S. 2 2off. und in der 3. französischen Ausgabe S. 2 39 ff. aufgezählt. Wir nennen hier nur Hamack, Ausireitung des Christentums, 11 ^ S. 2']ofl. und Toutain, Les cultes pdiens dans Vempire r omain, t. II, S. 1 2 1 ff. Weshalb mir gewisse negative Schlußfolgerungen des letztge- nannten Autors unzulässig erscheinen, habe ich in der Revue de l'histoire des religions, LXVI, 1912, S. 125 ff. dargelegt. — Von den gelehrten Untersuchungen, die wir hier nicht alle aufzählen können, ist die wichtigste die von Albrecht Dieterich, EineMithrasliturgie, 1903; 2. Aufl. 19 10. Er hat, und nicht ohne Scharfsinn, zu beweisen versucht, daß ein mystisches Bruchstück, welches in einem magischen Papyrus zu Paris enthalten ist, in ^02 Anmerkungen Wirklichkeit ein Fragment einer mithrischen Liturgie sei, aber ich teile in dieser Hinsicht die Skepsis Reitzensteins {Neue Jahrb. für das klass. Altert., 1904, S. 192), und habe meine Gründe dafür dargelegt in Rev. de VInstr. puhl. en Belgique, Bd. XLVII (1904) S. I if. Dieterich hat kurz erwidert Archiv für Rel. Wüs. VIII (1905) S. 502, aber ohne mich mehr zu überzeugen. Der Autor des strittigen Stückes hat wohl dem Gott, den er auf- treten läßt, beinahe das äußere Ansehen Mithras geben kön- nen, doch kannte er jedenfalls die Eschatologie der persi- schen Mysterien nicht. Wir wissen namentlich durch positive Zeugnisse, daß man in ihnen das Dogma von der Reise der Seelen durch die sieben Planetensphären lehrte, und daß Mithra seinen Gläubigen als Führer bei ihrem Aufstieg zu dem Aufenthalt der Seligen diente. Nun findet sich aber we- der die eine noch die andere Lehre in der phantastischen Uranographie des Zauberers wieder. Der Name Mithras hat, wie sonst der der Magier Zoroaster oder Hostan^s, dazu ge- dient, eine ägyptische Imitation in Umlauf zu setzen; cf. Wendland, Die hellenistisch-römische Kultur, 1907, S. 168, Anm. I, 2. Aufl., 1912, S.172, Anm. 2. — Eine beträchtliche Anzahl von neuen Denkmälern ist in den letzten Jahren publiziert (Mi- thräum der Saalburg von Jacobi, das des Kastells Stockstadt von Drexel usw.). Vgl. meine Mysteres de Mithra, in denen ich S. 220ff. der deutschen Ausgabe (2. Aufl. 191 1) und S. 24off. der französischen Ausgabe (3eme ed. 1913) eine bezügliche Liste gegeben habe. Die wichtigsten Skulpturen sind die aus dem Tempel zu Sidon, die in der Sammlung de Clercq aufbewahrt werden (De Ridder, Marlres de la collection de Clercq, 1906, S. 52 if.). — In den folgenden Anmerkungen werde ich mich in der Regel darauf beschränken, solche Werke oder Texte anzuführen, die in meinen früheren Untersuchungen noch nicht benutzt werden konnten. 1. Cf. Petr. Patricius, Excerpta de leg., 12 (11, S. 393, ed. de Boor). 2, Cf. Chapot, Les destinees de Fhellenisme au delä l'JEuphrate (Mem. soc. antiq. de France), 1902, S. 207 ff. Persien 303 3. Humbert in Daremberg und Saglio, Diciionn., s. v. „Amici" I, S. 228 (cf. 160). Vgl. Friedländer, Sittengesch. 1^, S. 202 if. 4. Cf. VEtemiti des empereurs romains (Rev. d'hist. et de litt, relig., I) 1896, S. 442. 5. Friedländer {a. a. 0. S. 204) hat verschiedene Anleihen aufgezählt, die Augustus bei diesen entfernten Vorgängern gemacht hat: die Sitte, ein Tagebuch über die Ereignisse des Kaiserhauses zu führen, die Kinder vornehmer Familien am Hofe zu erziehen usw. Manche öffentlichen Einrichtungen sind zweifellos durch ihr Beispiel veranlaßt, so die Organisation der Post (Otto Hirschfeld, Verwaltungsheamien ^, S. igo, Anm. 2; Rostovtzev, Klio, VI, S. 249 [über die angariae]', cf. Preisigke, Die Ptolemäische' Staaispost [Klio, VII, S. 241]), und die der Geheimpolizei (Friedländer, I^, S. 427). — Über das maz- däische Hvareyiö, das zur TuXTl ßaciXewc und dann zur For- tuna Augusti wird, cf. Mon. Myst. Mithra I, S. 2840". (Deutsche Ausgabe: Die Mysterien des Mithra, S. 7off. 2. Aufl. S. 84 ff.) — Selbst Mommsen (Rom. Gesch., V^, S. 343) fügt trotz seiner Geneigtheit, vor allem die Kontinuität der römischen Über- lieferung zu betonen, seiner Auseinandersetzung der am par- thischen Hofe geltenden Regeln hinzu: „alles Ordnungen, die mit wenigen Ahminderungen bei de7i römischen Caesaren wieder- kehren und vielleicht zum Teil von diesen der älteren Großherr- schaft e7itlehnt sind." — Vgl. auch unten, S. 331, Anm. 19. 6. Friedländer, a. a. O. S. 204; cf. S..160. 7. Bousset, Die Religion des Judentums im neutestament. Zeit- alter, 1903, S. 453 ff. ; 2. Aufl. 1906, S. 546 ff. 8. Cf. Mon. Myst. Mithra, I, S. 21 ff. 9. Vgl. unten, Kap. VII, S. 2 1 7 ff. 10. Mon. Myst. Mithra, I, S. 9 ff.; S. 231 ff. Der Einfluß Irans hat sich nicht nur nach Westen, sondern auch nach Osten, in Zentralasien geltend gemacht. Die neuen Entdeckungen inTur- kestan haben diese Tatsache in ungeahnter Weise beleuchtet, vgl. Pelliot, Rev. d'hist. et de litt, religieuses, igi2, S. 99 ff. 11. Lactantius, De mort.persec.^ 21, 2; cf. Seeck, Gesch. des Untergangs der antiken Welt, II, S. 7 ff. 304 Anmerkungen 1 2. Cf. Strzygowski, Mschatta (Jahrb. preuß. Kunstsammlungen, XXV), Berlin 1904, S. 324flF., 371 fF. — Nach einer Mitteilung von Pater Lammens auf dem Kopehhagener Orientalisten- Kongreß (1908) würde die Mschatta-Fassade das Werk eines omaijadischen Kalifen von Damaskus sein, und die Schluß- folgerungen Strzygowskis müßten dann wesentlich modifiziert werden; aber der Einfluß der sassanidischen Kunst in Syrien ist darum nicht minder gewiß; vgl. Dussaud, Les Arabes en Syrie avant V Islam, 1907, S. 33, 51 ff. 13. Vgl. unten S. 307, Anm. -^2. 14. Piut, Vit. Pompei, 24: Eevctc be 8uciac e0uov aÖTol xäc ev "OXujUTTOi Kai xeXeTOC Tivac dTToppriTOUc exeXouv, uJv f] Tou MiBpou Kai |uexpi öeOpo biacuiZleTai KaiabeixOeTca TTpUJTOV UTt' eKClVUJV. 15. Lactantius Placidus ad Stat., Theh. IV, 717: Quae sacra privium Persae habuerunt, a Persis Phtyges, a Phrygibus Romani. 16. In den Studia Pontica, S. 368, habe ich /eine ehedem Mithra geweihte Grotte bei Trapezunt beschrieben, die heute aber in eine Kirche verwandelt ist. Von einem anderen Mithräum wissen wir nichts. Eine bilingue (griechische und aramäische) "Weihinschrift für Mithra steht auf einem Felsen in einer wilden Schlucht bei Farasha (Rhodandos) in Kappa- dokien eingemeißelt. Sie ist neuerdings gut wieder veröffent- licht und kommentiert von Henri Gregoire {Comptes Rendus Acad. des Inscr., 1908, S. 434 ff.), aber dieser hat keine Spur eines Tempels gefunden. Der Text besagt, daß ein crparriYÖc von Ariaramneia ejudYeuce MiGpr). Vielleicht muß man diese Worte kraft einer häufigen Bedeutung des Aoristes übersetzen: „wurde Magier des Mithra, begann Mithra als Magier zu dienen". Die Weihinschrift würde dann bei Ge- legenheit einer Initiation verfaßt sein. Die Magierwürde war anfangs in der heiligen Kaste erblich; sie konnte von Frem- den erworben werden, als der Kultus die Mysterienform an- genommen hatte. Wenn die von uns vorgeschlagene Erklä- rung richtig ist, so würde die kappadokische Inschrift einen interessanten Beweis für diese Wandlung im Orient liefern. Persien ^05 Wir wissen übrigens, daß Tiridates von Armenien Nero ein- weihte; cf. Mon. MysL Mithra, I, S. 239. 17. Strab., XI, 14, § 9. Über die kappadokischen Gestüte cf. Gr6goire, Saints jumeaux et dieux cavaliers, 1905, S. 5 6 ff. 18. Cf. Compies Rendus Acad. des Inscr., 1905, S. 99 ff. (Be- merkung über die bilingue Inschrift von Aghatsha-Kale) ; vgl. Daremberg-Saglio-Pottier, Dict, Antiq., s. v. „Satrapa". 1 9. Mon. Myst. Mithra I, S. i o, Anm. i , — Das Argument geht ohne Zweifel auf Karneades zurück; cf. BoU, Studien über Claudius Ptolemäus, 1894, S. 181 ff. 20. Louis H. Gray [Archiv für Rel. Wiss. VII, 1904, S. 345) hat gezeigt, wie diese sechs Amshaspands aus Gottheiten der materiellen Welt zu moralischen Abstraktionen geworden sind. Daß sie diese Eigenschaft schon in Kappadokien besessen haben, geht aus einer wichtigen Stelle bei Plutarch hervor; cf. Mon. Myst, Mithra II, S. 33, und Philo, Quod. omn.proh. Hb., 1 1 (II, 456 M). — Persische in Kappadokien verehrte Götter, cf. Mon. Myst. Mithra I, S. 132. 2 1. Vgl. oben, Anm. 16 u. 18. — Die zweisprachige Inschrift von Farasha würde nach Gr6goire selbst aus dem i . Jahrhun- dert vor oder nach Chr. stammen (a. a. 0. S. 445). 22. Mon. Myst. Mithra I, S. 9, Anm. 5. 23. Die Vergleichung des Typus des lupiter Dolichenus mit den Basreliefs von Boghaz-Köi hatte Kan {De lovis Doli~ cheni cultu, Groningen 1901, S. 3 ff.) dazu geführt, daß er in ihm einen anatolischen Gott vermutete. Die Zusammenstel- lung der rituellen Formel ubi ferrutn nascitur mit dem Aus- druck OTTOU 6 cibripoc TiKTexai, der bezüglich der Chalyber gebraucht wird, legt denselben Schluß nahe; cL Revue de Philologie, XXVI (1902), S. 281. — Doch zeigen die Darstel- lungen des Jupiter von Doliche auch eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit denen des babylonischen Gottes Ramman; cf. Jeremias in Roschers Lexikon, s.v. „Ramman", IV, Sp. 5 off. 24. Rev. archeoL, 1905, I, S. 189. Cf. oben, Kap. V, Anm. 68. 25. Herodot I, 131. — Über die Angleichung von Baal- samin an Ahura-Mazda vgl. oben S. 147, und unten, Anm. 29. Cumont, Die oriental. Religpionen 20 3o6 ■ Anmerkungen In Rom ist lupiter Dolichenus Conservator iotitis polt et numen praestantissimum {CIL VI, 406 ==, 30758). 26. Inschrift des Königs Antiochus von Kommagene (Michel, Recueil, Nr. 735), Z. 43: TTpöc oupaviouc Aiöc 'QpojLidcöou Gpövouc GeocpiXfi njuxriv 7TpOTrejai|;av; cf. Z. 33: Oupavituv ÖYXicra 6pöv(jjv. 27. Mon. Myst. Mithra I, S. 87. 28. Mon. Myst. Mithra I, S. 333. — Eine Inschrift, die in einem Mithräum zu Dorstadt (Sacidava in Dacien, CIL III, ']']2S, cf. 7729) entdeckt wurde, liefert — wenn ich sie recht verstehe — einen anderen Beweis für die Beziehungen, wel- che zwischen den semitischen Kulten und dem des persischen Gottes bestanden. Es ist dort die Rede von einem de\orum?'\ sacerdos creattis a Pal\myr\enis, do\mo^ Macedonia, et adven\tor\ huius templi. Dieser ziemlich dunkle Text wird aufgehellt durch einen Vergleich mit Apuleius, Met. XI, 26: sein Held wird, nachdem er in Griechenland in die Isismysterien eingeweiht ist, zu Rom in dem großen Tempel des Campus Martius emp- fangen, fani quidem advena, religionis autem indigena. Anschei- nend wurde ebenso dieser von einer palmjnrenischen Kolonie zum Priester ihrer nationalen Götter (Bei, Malachbel usw.) er- wählte Mazedonier in Dacien von den Mysten des Mithra als ein Adept ihrer Religion begrüßt. 29. So feierte man noch in christlicher Zeit zu Venasa in Kappadokien eine Panegyris auf einem Berge, wo zuvor der himmlische Zeus angebetet wurde, der Baal-samin und Ahura- Mazda vorstellt (Ramsay, Church in the roman empire, 1894, S. 142. 457). Die Identifikation B61s mit Ahura- Mazda in Kappadokien geht aus der aramäischen Inschrift von Jarpüz hervor (Clermont-Ganneau, Recueil III, S. 59; Lidzbarski, Ephemeris für seynit. Epigraphik I, S. 59 ff.). — Der auf einem Hochgipfel bei Amaseia verehrte Zeus Stratios ist in Wirk- lichkeit Ahura-Mazda, der sich selbst wahrscheinlich irgend- einem Lokalgott substituiert hat (Studia Pontica, S. 173 ff.). — Ebenso wird für die große weibliche Gottheit die Gleichung Anahita-Ishtar-Mä oder Cybele überall akzeptiert {Mon. Myst. Persien ^07 Mithra I, S. ZZ'^i "^^^ ^^ nimmt wie Mithra das Epitheton dviKTiTOC an {Athen. Mitt. XVIII, 1893, S. 415 und XXIX, 1904, S. 169). Ein Tempel dieser Göttin wird lepöv 'AcTdpTT]C genannt in einem Dekret von Anisa (Michel, Recueü, Nr. 536, Z.32). 30. Die mithrischen „Mysterien" sind nicht griechischen Ursprungs {Mon. Myst. Mithra I, S. 239), aber die Ähnlich- keiten, weiche sie mit den griechischen aufwiesen, und welche Gruppe [Griech. MythoL, S. 1596 ff.) hervorhebt, waren derart, daß sich eine Annäherung zwischen ihnen in der alexandri- nischen Epoche unvermeidlich vollziehen mußte. 31. Hamack {Auslreitung des Christentums, 11^, S. 271) er- blickt in dieser Ausschließung der hellenischen Welt eine Hauptursache der Inferiorität für den Mithraskult in seinem Kampfe gegen das Christentum. Die Mithrasmysterien setzten in der Tat der griechischen Kultur eine andere Kultur ent- gegen, die jener in gewisser Hinsicht überlegen war, die ira- nische; aber wenn diese auch durch ihre sittlichen Eigen- schaften den römischen Geist für sich einnehmen konnte, so war sie doch im ganzen zu asiatisch, um von den Okziden- talen ohne Widerstreben akzeptiert zu werden, 32. CIL ni, 4413; cf. Mon. Myst. Mithra I, S. 281. 33. Vgl. S. 301 f. die Bibliographie. 34. Der alternde Plato glaubte die Übel dieser Erde nicht mehr erklären zu können ohne die Annahme der Existenz einer „bösen Seele der Welt" (Zeller, Philos. der Griechen, YL^, S. 973; 981, Anm. i). Aber diese spätere Vorstellung, die im Widerspruch zu seinem ganzen System steht, ist vermutlich dem Einfluß des orientalischen Dualismus zuzuschreiben. Sie findet sich in der Epinomis wieder (Zeller, ibid., S. 1042, Anm 4), wo die Einwirkung der „chaldäischen" Theorien unzweifel- haft ist; cf. Neue Jahrbb. für das klass. Altertum XXVII, 1901, S. 5 ff.; Astrology and religion, S. 48 ff. — „Die Form des Dua- lismus mit der ganz ungriechischen Verlegung des bösen Prin- zips in die Körperlichkeit und der folgerichtigen Umkehrung der Vorstellung des naiven Menschen vom Verhältnis des Lei- 3o8 Anmerkungen bes zur Seele (z. B. bei Homer) liegt in den orphischen My- sterien, bei Pythagoras und Em'pedokles und schließlich bei Piaton in der Lehre von cuJ|Lia-cfi|Lia vor. Die Ursprünge der Orphik sind ja noch dunkel, aber es liegt sehr nahe, hier an persische Einwirkung zu denken (ich erinnere auch an die merkwürdige Vorstellung vom Sündenregister bei Eurip. Mel. desm. fr. 506)." Nestle, Wochenschr. für Mass. Phil. 191 1, S. 291, vgl. Hastings, Dictionary of ethics and religion s. v. „Dualism" S. 104 ff. 35. Plutarch, De Md., 46 ff.; cf. Zeller, Philos. der Griechen, V*, S. 188; Eisele, Zur Dämonologie des Plutarch (Archiv für Gesch. der Philos. XVII) 1903, S. 283 ff. — Vgl. unten Anm. 40. 36. Amobius, der Cornelius Labeo genaue Mitteilungen über die Lehren der Magier verdankt, sagt (IV, 1 2, S. 1 50, 1 2 Reifferscheid): Magi suis in accitionihus memorant antitheos sae~ pius ohrepere pro accitis, esse autem hos quosdam materiis ex cras- sioribus Spiritus qui deos se fingant, nesciosque mendaciis et simula~ tionibus ludant. Lactantius, der Schüler des Amobius, gebraucht dasselbe Wort, indem er vom Satan so spricht, wie ein Maz- däer es von Ahriman hätte tun können {Inst, divin. II, 9, 13, S. 144, 13 Brandt): Nox quam pravo illo antitheo dicimus attri- hutam; er ist der aemulus Dei. — Hello dor, der in seinen Aethiopica den mazdäischen Glaubensvorstellungen entliehene Daten verarbeitet hat (cf. Mon.Myst. Mithra I, S. 336, Anm. 2) verwendet das griechische Wort in demselben Sinne (IV, 7, S. 105, 27 ed. Becker): 'AvTiöeöc Tic e'oiKev eiHTTobiZieiv xfiv TtpäHiv. — Der Ps.-Jamblichus, De myster. III, 31, § 15 redet ebenso von baijuovac TTOvripouc oüc hx\ Kai KaXoOciv dvxi- Oeouc. Endlich kennen die magischen Papyri diese trügeri- schen Geister (Wessely, Denkschr, Mad. Wien XLII, S. 42, V. 702 : TTe)an;ov fioi töv dXrjGivöv 'AcKXrjTTiöv bixa xivöc dv- TiGeou TrXavobaijuovoc). — Eine unlängst in Camuntum ent- deckte Inschrift redet von dii nefandi, die ein Kind des Le- bens beraubt haben. 37. An einer Stelle, auf die wir in Anm. 39 zurückkommen Persien 309 werden, spricht Porjjhjrius (De Abstin. 11, 42) von Dämonen beinahe in denselben Ausdrücken wie Arnobius: tö y^P M^eö- boc TOUTOic oiKeTov BouXovTai fap eivai 0eoi Kai x\ upoec- Tüüca auTUJv buva|Liic boKeiv 9e6c elvai 6 jueYicxoc (cf. c. 41: TouTOUC Ktti TÖv irpoecTUJTa aiixüjv); ebenso Ps.-Jamblichus, De myst. III, 30, 6: xöv iLiexav f]Te|Liöva toiv baijLiövuJV. In De philos. ex orac. haur. (S. 147 fF."Wolflf), einem Jugendwerke, in dem er anderen Quellen folgt als in De Abstinentta, macht Porphyrius aus Serapis (= Pluto) das Haupt der bösen Dä- monen. Eine Annäherung zwischen dem ägyptischen Gott der Unterwelt und dem Ahriman der Perser mußte sich frühzeitig vollziehen. — Eine geflügelte Anspielung auf dieses Haupt der Dämonen findet sich vielleicht schon bei Lucanus VI, 742 ff., und Plutarch, der in De Iside, 46, Ahriman den Namen Hades gibt {oben, S. 2l9f.; cf. Mon. Myst. Mithra II, S. 131, Anm. 3), sagt anderswo {De latenter viv. 6, S. 11 30): Töv be rfic evav- Tiac Kupiov )iioipac, eixe Geöc eire baijuujv ecxiv, "Aibriv övo- |LldZ[ouciv, Vgl. Decharme, Traditions religieuses chez les Grecs, 1904, S. 431, Anm. I. 38. Die neuerdings in Viminacium, in einem Lande, wo der Mithraskult sehr verbreitet war, gefundene Weihinschrift Diis angelis [Jahresb. Instit. in Wien, 1905, Beiblatt, S. 6) scheint mir diesem anzugehören. Vgl. Minuc. Felix, Octav. 26: Ma- gorum et eloquio et negotio primtis Hostanes angelos, id est mini- stros et nuntios Dei, eins venerationi novit assistere. St. Cypr. Quod idola dii n. s., c.ö (S. 24, 2 Hartel): Ostanes et formani Dei veri negat conspici posse et angelos veros sedi eins dicit ad- sistere. Cf. TertuU., Apol. XXIII: Magi habentes invitatorum an- gelorum et daemonum adsistentem sibi potestatem; Arnobius II, 35 (S. 76, 15 ed. Reifferscheid) ; Aug., Civ. Dei X, 9 und die Texte, welche gesammelt sind von Wolif, Porphyrii de philos. ex orac. haurienda, 1856, S. 223 if.; Kroll, De Orac. Chaldatcis, 1894, S. 44, 53; Röscher, Die Hebdomadenlehre der griech. Philosophen, Leipzig 1906, S. 145; Abt, Apuleius und die Zauberei, Gießen 1908, S. 256. 39. Porphyrius, De Abstin. II, 37 — 43, trägt eine Theorie 3 1 o Anmerkungen über die Dämonen vor, die er angeblich „gewissen Platoni- kem" (TTXaxujviKGi xivec, Numenius und Cronius?) entlehnt. Daß diese Autoren — welche es auch gewesen sein mögen — die Lehren der Magier ausgiebig gebrandschatzt haben, scheint mir zunächst aus der ganzen Darlegung des Porphy- rius zu erhellen (man könnte mit Hilfe der mazdäischen Bü- cher beinahe einen laufenden Kommentar dazu schreiben) und sodann besonders aus der Erwähnung einer Macht, welche den bösen Geistern gebietet (vgl. ö^ö«, Anm.37). Dieser Schluß wird bestätigt durch einen Vergleich mit der oben angeführ- ten Stelle des Amobius (Anm. 36), welche den „Magiern" ähn- liche Theorien zuschreibt, und mit einem Kapitel des Ps.-Jam- blichus {De mysterüs III, 31), das analoge Glaubensvorstellun- gen als die der „chaldäischen Propheten" entwickelt. — Ein „chaldäischer" Theologe wurde auch bezüglich der Wirksam- keit der Dämonen zitiert von Porphyrius, De regressu animae (Aug., Civ. Dei X, 9). Ich vermute, daß die gemeinsame Quelle dieser ganzen Dämonologie das unter dem Namen des Hostanes umlaufende Buch ist, welches seit dem 2. Jahrhundert unserer Zeitrech- nung von Minucius Felix, Cyprian {phen, Anm. 38) usw. er- wähnt wird; vgl. Wolflf, a. a. O. S. 138; Mon. Myst. Mithra I, S. ^T). Es heißt tatsächlich den Sachverhalt auf den Kopf stellen, wenn man die Ausbildung der Dämonologie, die vor allem religiöser Natur ist, durch die Entwicklung der philo- sophischen Anschauungen bei den Griechen erklären will (siehe z. B. die Mitteilungen von Stock und Glover: Trans- actions of the congress of history of relig., Oxford 1908, S. l64fF.)- Die Einwirkung der populären hellenischen oder ausländischen Vorstellungen ist hier immer durchschlagend gewesen, und die Epinomis, in der sich eine der ältesten Darlegungen der Dämonentheorie findet, ist — wie man beweisen kann (cf. oben, Anm. 34) — bereits von den semitischen Ideen über die Genien, die Vorfahren der Dschinnen und Welys des Islams, beeinflußt. Wenn der Text des Porphyrius, wie ich glaube, tatsächlich Persien 311 die Theologie der Magier enthält, und zwar kaum verändert durch platonische Ideen, die sich an volkstümliche Glaubens- vorstellungen der Griechen und vielleicht der Barbaren an- lehnen, dann kann man aus ihm interessante Schlüsse auf die Mithrasmysterien ziehen. So wird hier u. a. das Prinzip ent- wickelt, daß die Götter nicht durch die Opferung lebender Wesen {^\x^>vxa) geehrt werden dürfen, und blutige Opfer den Dämonen vorbehalten bleiben. Dieselbe Idee findet man bei Cornelius Labeo (Aug., Cw. DeiYlll, 13; cf. Amob. VII, 24), und möglicherweise war dies die Praxis des Mithraskultes. Porphyrius (II, 36) redet bei dieser Gelegenheit von Riten, von Mysterien, indem er sich davor hütet, sie bekannt zu machen, und der Mazdaismus ist bekanntlich im Läufe seiner Geschichte vom blutigen zum unblutigen Opfer übergegangen {Mon. Mysi. Mithra I, S. 6). 40. Cf. Plutarch, De defectu orac, lo, S. 415 A: "Ejuoi 5^ boKoOci TrXeiovac Xöcai diropiac 01 tö tüjv bai)iövujv Tevoc ev inecuj Gevxec Geujv Kai dvGpuJiTUJV Kai xpöiTOV Tivd tt^v Koivujviav fi)uujv cuvdTov eic xaiiTÖ Kai cuvaiTTOV eSeüpoviec* eixe jLidYUJV tujv irepi Zuupodcrpriv 6 Xötoc oötöc ecTi, eixe ©pdKioc 41. Cf. Minucius Felix, 26, § 11: Hostanes daemonas pro- didit terrenos vagos humanitatis inimicos. Auch im Manichäismus muß die Seele, welche beim Tode dem Körper entflieht, ge- gen die Dämonen kämpfen, welche die Atmosphäre bevöl- kern, cf, Söderblom, La vie future d'aprh le mazdiisme {unten, Anm. 52). — Die heidnische Idee, daß die Luft mit bösen Geistern erfüllt sei, gegen welche die Menschen beständig kämpfen müßten, erhielt sich bei den Christen; cf. z. B. Pru- dentius, Harmartigenia, 5i4if. Vgl. Ephes, II, 2; VI, 12 usw. (plen, S. XX, Nr. 12). 42. Cf. Minucius Felix, a. a. 0.: Magi non solum sciunt dae- monas, sed quidquid miracuU liidunt, per daemonas faciunt etc. Cf. Aug., Civ. Dei X, 9, und unten, Kap. VII, Anm. 80. 43. Mon. Myst. Mithra I, S. 139 ff. Vgl. Loisy, Rev. d'hist. et de litt, relig. 191 2, S. 393. 312 Anmerkungen 44. Theod. Mopsuest. ap. Photius, Bibl., 81. Cf. Mon.Myst. Mithra I, S. 8. 45. Cf. Bousset, Die Religion des Judentums im neutest. Zeit- alter, 1903, S. 483iF.; 2. Aufl. 1906, S.578iF. 46. Julian, Caesares, S. 336C. Das Wort evToXai wird auch in der griechischen Kirche zur Bezeichnung der göttlichen Gebote verwandt. 47. Cf. oben, S. 42 f. 48. Die Bemerkung stammt von Darmesteter, Zend-Avesta II, S. 441. 49. Cf. Reinach, Cultes, mythes II, 1906, S. 230 iF. 50. Farneil, Evolution of religion, '&. 12^]. 51. Mithra ist sanctus [Mon. Myst. Mithra 11, S. 533) wie die syrischen Götter; cf. oben, Kap. V, Anm. 47. 52. Mon. Myst. Mithra I, S. 309 ff. Die Eschatologie des orthodoxen Mazdaismus ist neuerdings dargestellt von Söder- blom, La vie future d^ apres le mazdeisme, Paris 1901. 53. Cf. oben, Kap. IV, S. 117; Kap. V, S. 146. 54. Ich habe diese Theorie weiter oben S. 145 f. dargelegt. Sie ist dem Zoroastrismus fremd und wurde in die mithrischen Mysterien mit der chaldäischen Astrologie eingeführt. Auch sonst mischen sich alte mythologische Ideen in diese gelehrte Theologie. So ist es alter orientalischer Glaube, daß die ma- teriell aufgefaßten Seelen Kleider tragen {Mon. Myst. Mithra I, S. 15, Anm. 5; Bousset, Archiv für Rel. Wiss. IV, 1901, S. 22^2)^ Anm. 2; Rev. hist. des relig., 1899, S. 243, und na- mentlich Böklen, Die Verwandtschaft der jüdisch- christL und der parsischen JEschatol., Göttingen 1902, S. 61 fF.). Daher stammt die Idee, die sich bis zum Ende des Heidentums findet, daß Seelen bei dem Passieren der Planetensphären sich „wie mit aufeinanderfolgenden Tuniken" mit den Eigenschaften die- ser Gestirne bekleiden (Porphyrius, De Absiin. I, 31: 'Auobu- Teov apa touc ttoXXouc fiiitv x^Tuivac ktX.; Macrob., Somn. Scip. 1, 11,^ 12'. In singulis sphaeris aetherea obvolutione vestitur; I, 12, § 13: Luminosi corporis amiciiur accessu; Proclus, In Tim. I, 113, 8 ed. Diehl: TTepißdXXeceai xiöuJvac; Proclus, Opera, Persien 313 ed. Cousin ^ S. 222: Exue^um autem nohis et tunicas quas de- scendentes induti j«»z«j; Kroll, De Orac. Chald., S. 51, Anm. 2: Yuxn eccaiLievri voOv; Julian, Or. II, S. 123, 22 (Hert- lein). Cf. Wendland, Die hellenistisch-römische Kultur, S. 168, Anm. i; 2. Aufl. S. 172, Anm. 2). — Vgl. damit, was Hippo- lyt, Philos. V, I, von Isis (Ishtar?) betreffs der Naassener sagt. Sie ist eiTTdcToXoc, weil die Natur auch mit sieben ätheri- schen Kleidern, nämlich den sieben Planetenhimmeln be- deckt ist; cf. Ps.-Apul., Asclepiüs 34 (S. 75, 2 Thomas): Mun- dum sensibilem et, quae in eo sunt, omnia a superiore illo mundo quasi ex vestimento esse contecta. Ich habe auf die Fortdauer dieser Vorstellung hingewiesen, weil sie vielleicht gestattet, die Bedeutung eines Details des mithrischen Rituals zu erfassen, für welches Porphyrius uns nur widersprechende Erklärungen überliefert: die Eingeweih- ten mußten den sieben Graden entsprechend verschiedene Kostüme anlegen. Da die sieben Weihegrade, welche dem Mysten nacheinander verliehen wurden, die sieben Planeten- sphären symbolisierten, durch welche die Seele nach dem Tode emporsteigen mußte [Mbn. Myst. Mithra I, S. 316), so wurden, die Kleider, in die der Eingeweihte sich hüllte, wahr- scheinlich als die Embleme jener „Tuniken" betrachtet, welche die Seele angelegt hatte, als sie auf die Erde herabstieg, und deren sie sich entledigte, wenn sie in den Himmel zurück- kehrte. 55. Unter den christlichen Schriftstellern des 4. Jahrhun- derts neigt namentlich Lactantius zum Dualismus, der so weit geht, daß er das Böse von Gott geschaffen sein läßt. Ich weiß nicht, ob er den Einfluß der parsischen Ideen durch die Vermittlung des Mithriazismus, der zu seiner Zeit noch lebendig war, oder durch die des sich ausbreitenden Mani- chäismus erfahren hat (cf. Pichon, Lactance, 1901, S. 118 ff., und Brandt, Berliner Philol. Wochenschrift 1903, S. 1225). 56. Renan, Marc-AurUe, S. 57 g. 57. Anatole France, Le mannequin d'osier, S. 318. Cf. Sa- lomon Reinach, .Cultes, mythes etc., 11 (1906) S. 232. 2 j 4 Anmerkungen Vn. KAPITEL ASTROLOGIE UND MAGIE Bibliographie. Das Werk von Bouch6-Leclercq über L^astrologie grecque (Paris 1899) erspart es uns, noch auf die älterenDarstellungen von Saumaise {De annis climactericis, 1648), von Seyflfarth {Beiträge zur Lit. des alten Ägypten 11, 1883) u. a. einzugehen. Dieser grundlegenden Arbeit sind, in Ermange- lung anderweitiger Angaben, die meisten der angeführten Tatsachen entlehnt. — Eine große Anzahl neuer Texte ist veröifentlicht in dem Catalogus codicwn astrologorum graecorum (bisher 11 Bde., Brüssel iSgS if.). — Franz BoU, Sphaera (Leipzig 1 903) ist wichtig für die Geschichte der griechischen und barbarischen Sternbilder [cL Rev. archSoL, 1903, 1, S. 437). — De la Ville de Mirmont hat Bemerkungen über L'astrologie en Gaule au V^ siech publiziert (Rev. des Etudes anciennes, 1902, S. 115 ff.; 1903, S. 255 ff.; 1906, S. 128). Vgl. auch Toutain, Les cultes paiens dans l'empire rornain 11, 191 2, S. 179 ff. — Die hauptsächlichsten Ergebnisse der jüngsten Forschungen sind in vollendeter Weise dargelegt von Boll, Die Erforschwig der antiken Astrologie (Neue Jahrbb. für das klass. Altert. XI) 1908, S. 104 ff. Derselbe Gelehrte hat im Jahre 19 13 Die Entwicklung des astronomischen Weltbildes im Zusammenhang mit Religion und Philosophie (Kultur der Gegenwart III, 3) darge- legt und unter dem allgemeinen Titel Zrcixeia (Leipzig, Teubner) die Veröffentlichung einer Reihe von Monographien über diesen Gegenstand begonnen. — Die Beziehungen der Astrologie zur Religion habe ich ausführlicher behandelt in Astrology and religion among the Greeks and Romans, New York and London 191 2. — Für die Bibliographie der Magie vgl. unten, Anm. 62 ff. I. Stephan. Byzant. (in Cat. codd. astr. II, S. 235), I, 12; 'ESoXuuTdTii Ktti TTCtcric eTTiCTrijuric becTroiva, Theophil. Edess., Ibid. V, I, S. 184: "Qti TracuJv xijiHJüTepa rexvüJv, VettiusVa- Astrologie und Magie 315 lens, VI, Prooem. {ibtd.Y, 2, S. 34, 7 == S. 241, 19 ed. Kroll): Tic Top O'J'^ ^'V Kpivai TauTTiv rriv Geuupiav Ttacuiv irpouxeiv Ktti iLiaKapiiuTdTriv xuTXaveiv. 2. Cf. Louis Havet, Revue bleue, November 1905, S. 644. 3. Cf. oben, S. 168, 142. 4. Kroll, Aus der Gesch. der AsiroL (Neue Jahrbb. für das klass. Altert. VII) 1901, S. 598 ff. Cf. BoU, CaL codd. astrol. gr. VII, S. 130. 5. Über die Astrologie in Griechenland vgl. meinen Ar- tikel Babylon und die griech. Astronomie (Neue Jahrbb. für das klass. Altertum XXVII, 191 1, S. i ff.). — Bezold und Boll {Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie igil, Abh. 7) haben gezeigt, daß gewisse griechische Texte {Selenodromia usw.) Übersetzungen keilinschriftlicher Originale sind. 6. Die Argumentation des Poseidonios liegt der Verteidi- gung der Astrologie zugrunde, die an der Spitze der Tetra- biblos steht, und ist von den nach Geist und Tendenz ver- schiedensten Autoren ausgiebig benutzt; cf. Boll, Studien über Claudius Ptolemäus, 1894, S. 133 ff. und Astrology and religion, S. ^2, ff. 7. Sueton, Tib., 69. 8. Sueton, Otho, 8; cf. Bouch6-Leclercq, S. 556, Anm. 4. 9. Über diese Gebäude cf. Maaß, Tages gotter, 1902. Die Form „Septizonia" ist der anderen „Septizodia" vorzuziehen; cf. Schürer, Die siebentägige Woche (Aus Zeitschr. neutest. Wis" stnsch. VI), 1905, S. 31, 63. 10. Friedländer, Sittengesch. 1% S. 364. — Anscheinend ist die Astrologie niemals in die unteren Schichten der ländli- chen Bevölkerung eingedrungen. Sie nimmt in dem Folklore und der Medizin der Bauern nur einen unbedeutenden Platz ein. Toutain, Cultes pdiens II, S. 183 ff. will im Gegenteil die weite Verbreitung dieses Aberglaubens im Volke dartun. Er hat mich nicht ganz überzeugt. Man muß hier zwischen der gemischten, Bevölkerung der Städte und" der alten einheimi- schen Bevölkerung unterscheiden. 11. Manilius IV, 16. — Ebenso CIL VI, 13782 das Epi- 3 1 6 Anmerkungen taph eines syrischen Freigelassenen; L. Caecüius Hfberlus) Sy^ rus, natus mense Maio hora noctis VI, die Mercuri, vixit ann. VI dies XXXIII, mortuus est IUI Kai. lulias hora X, elatus est h{prd) III frequentia maxima. Vgl. Bücheier, Carmina epigr., 1536: voluit hoc astruni meum und BoU: Archiv für Religionswiss. XIII, 19 10, S. 475, wie meine Inscriptions du Pont, Nr. ^^. 12. Kapitel TTepi beirrvou: Cat. codd. astr. IV, S. 94. Be- kannt ist die Vorschrift: Ungues Mercurio, larbam love, Cypride crinetn, über die Ausonius sich lustig macht VII, 29 (S. 108 Piper). Kapitel TTepi övuxuüv, TTepi ijnaxiiuv usw. kommen häufig vor. 13. Cat. codd. astr. V, i (Rom.) S. 11, cod. 2, F. 34"^: TTepi ToO ei e'xei |ueTav piva 6 yevvTiGeic. TTÖTepov iröpvri Tivexai y\ f evvTiGeica. 14. Varro, De re rustica 1, 37, 2; cf. Plin., Hist. nat. XVI, 75, § 194. Olympiodor, Comm. in Älcibiad. Plat. S. 18 (ed. Creuzer 1821): Kai Y^p oi X^^o'^ Trpöc xfiv ceXr|vr|V Kai auHovrai Kai lueiouvtai Kai 01 xpixec. Aiö xouc lepaxiKUJC Ziujvxac e'cxiv ibeiv \^x\ dTroKeipoujuevouc auEoucric xf^c ceXr|- vric Dies gehört in Wirklichkeit mehr zum populären Aber- glauben als zur Astrologie. 15. Die heidnischen Namen der Woche erhielten sich im Abendlande trotz der Proteste mancher kirchlichen Schrift- steller wie Caesarius von Arles, cf. BoU in Pauly-Wissowa, Realem, s.v. „Hebdomas" Sp. 2578. Viele andere französische Wörter hatten ursprünglich eine heute vergessene astrologische Bedeutung, so influence, desastre. 16. CIL VI, 27 140 = Bücheier, Carmina epigraph. 11 63: Decepit utrosque \ Maxima mendacis fama mathematici. 17. Palchos im Cat. codd. astr. I, S. 106 — 107. 18. Manilius IV, 386 if., 866 S., passim. 19. Vettius Valens V, 12 {Cat. codd. astr. V, 2, S. 32 = S. 23g, 8 ed. Kroll); cf. V, 9 (Cat. V, 2, S. 31, 20 = S. 222, 1 1 ed. Kroll). 20. Cf. Steph. Byz., Cat. codd. astr. 11, S. 186. Er nennt die eine wie die andere cxoxacjLiöc evxexvoc. Der Ausdruck kehrt Astrologie und Magie 317 wieder bei Manuel Komnenus [Caf. V, i, S. 123, 4) und bei dem Araber Abu-Mashar [Apomasar] {Cat.Y, 2, S. 153). 2 1 . Der priesterliche Ursprung der Astrologie war den Alten wohlbekannt; siehe z. B. Manilius I, 40 S. 2 2. So in dem Kapitel über die Fixsterne, das von einem heidnischen Autor stammend, der im Jahre 379 in Rom schrieb, bei Theophilus von Edessa und einem Byzantiner des g. Jahrhunderts vorkommt; cf. CaL codd, astr. V, i, S. 212. 218. Dieselbe Bemerkung hat man bei den Manuskripten der Cyraniden gemacht, cf. De M61y und Ruelle, Lapidaires grecs, Bd. II, S. XI, Anm. 3. — Über alles dies vgl. Mon. Myst. Mithra I, S. 3 1 ff. ; BoU, Die Erforschung der antiken Astrologie, S. HO ff. 22,. In Vettius Valens III, 12 (S. 150, 12 ed. Kroll) und IX, Prooem. (S. 32g, 20); cf. VI, Prooem. (S. 241, 16); Rieß, Petosir. et Necheps. fragm., Fr. l . 24. Vettius Valens IV, 11 [Cat. codd. astr. V, 2, S. 86 = S. 172, 31 ff. ed. Kroll), cf. V, 12 {Cat. ib. S. 32 = S. 23 8 i8ff.), VII, Prooem. (Co/., S. 41 = S. 263, Z. 4, ed. Kroll und die Anmerkung). 25. Arellius Fuscus bei Seneca, Stias. 4. Firmic. Mat. 11, 30, Vni,, Prooem. und 5. Cf. Theophil, von Edessa, Cat. V, i, S. 238, 25; Julian von Laodicea, Cat. IV, S. 104, 4. YgLAstro- logy and religion S. 1 48 ff. 26. CIL V, 5893. — Chaeremon, der alexandrinische Prie- ster und Lehrer Neros, war auch ein Astrolog. 27. S outer, Classical Review, i8g7, S. 136; Ramsay, Cities and bishopries of Phrygia II, S. 566. 790; De Stoop, Revue de l'Instr. publ. en Belgique LH, igog, S. 243 ff. 28. Über die stoische Theorie der Sympathie vgl. Bouchd- Leclercq, S. 2^^., passim. Eine lichtvolle Auseinandersetzung derselben findet man bei Proclus, In remp. Plat. II, 258 f., ed. Kroll. Cf. auch Plin., H. N. II, i; Clem. Alex., Strom. VI, 16, S. 143 (S. 504, 21 ed. Stähelin). — Philo schreibt sie schon den Chaldäem zu [De migrat. Ahrahami, ^2, Bd. II, S. 303. 5 Wendland): XaXbaToi Tiliv aXXtuv dvOpuütruJV €KTre- 3 1 8 Anmerkungen TTOvriKevai Kai biaqpepövxujc boKoOciv dcxpovoiiiav Kai t^ve- 8XiaXoTiKi]v, Tut diriTeia toTc fuereijüpoic Kai Tct oOpdvm xoTc Im yf{C ap)uo2öjuevoi Kai ujcuep biet luouciKfjc Xötujv rtiv i^- jueXecidtriv cujLicpuuviav toO iraviöc d7TibeiKVU)aevoi t^ tujv laepÄv Tipöc aXXnXa Koivujvia Kai cuiLmaGeicji, töttoic )Liev bie- leuT^evuuv, cuYTev€i(2t be ou biiUKiCjLievujv. 29. Rieß in Pauly-Wissowa, Realem., s. v. „Aberglaube" I, Sp. 38 f. 30. Vettius Valens, Cat. II, S. 89, 22 == S. 2, Z. 6, ed- Kroll. 31. Cat. V, I, S. 210, wo man eine Reihe anderer Bei- spiele finden wird. :3j2. Cf. BoU, Sphaera (passim) und seine Bemerkung zu den Listen der den Planeten zugesellten Tiere in Röscher, Lex. Myih., s.v. „Planeten", III, Sp. 2534; vgl. Die Erforschung der Astrologie, S. iio, Anm. 3. 33. Cat. V, I, S. 2 10 f. 34. Cf. oben, Kap. V, S. I49if. 35. Cf. oben, Kap. V, Anm. 88. 36. Ich habe das theologische System der Astrologen skiz- ziert in Astrologe' and religion, Kap. IV, S. i o i ff. 37. Kult des Himmels, der Zeichen des Tierkreises und der Elemente, cf. Mon. Myst. Mithra I, S. 85 f., 98 f., 108 f. 38. Die magisch-religiöse Idee des Heiligen, des mana, ver- bindet sich mit dem Begriff und der Bezeichnung der Zeit. Das hat Hubert aufgehellt durch die gründliche Analyse, wel- cher er La reprisentation du temps dans la religion et la magie unterzogen hat (Progr. 6c. des Hautes-Etudes) 1905 = Me- langes hisi. des rel., Paris 1909, S. 190. 39. Kult der Zeit: Mon. Myst. Mithra I, S 20. 7 4 ff.; der Jahreszeiten: ibid. S. 92 ff. — Es ist nicht zu bezweifeln, daß die Anbetung der Zeit und ihrer Teile (Jahreszeiten, Monate, Tage usw.) sich unter dem Einfluß der Astrologie verbreitet hat. Schon Zeno deifizierte sie, cf. Cicero, Nat. Deor.Tl, 63 (= von Arnim, Fr. 165): Astris hoc idem [i. e. vim divinarri) tri-' huit, tum annis, mensibus, annorumque mutationibus. Dem Mate- Astrologie und Magie 31Q rialismus der Stoiker gemäß wurden alle diese Zeitabschnitte von ihm als Körper aufgefaßt (von Arnim, a.a. 0. II, Fr. 665; cf. Zeller, Philos. Griech. IV ^ S. 316. 221). — Die späteren Texte sind von Drexler gesammelt in Roschers Lex., s. v. „M^n" II, Sp. 2689. Dazu kommt Ambrosiaster, Comm. in epist. Galat. IV, lO (Migne, Sp. 381 B). — Vor dem Okzident hatte Ägypten die günstigen oder unheilvollen Stunden, Mo- nate und Jahre göttlich verehrt; cf. Wiedemann, Magie und Zauberei im alten Ägypten {unten, Anm. 68) S. 7 f. 40. Sie schmücken häufig die astronomischen Mss. Be- sonders zu erwähnen ist der Vaticanus gr. 1291, dessen Ar- chetypus bis in das 3. Jahrhundert unserer Ära zurückgeht; cf. BoU, SB. Akad. München, 1899, S. 125 ff., 136 ff. (Nacht und Tag, Stunden, Monate). 41. Piper, Mythologie der christl. Kunst, 1851, II, S. 313 f. Cf. Mon. Myst. Mithra I, S. 220. 42. Bidez, Berose et la grande annee (M^langes Paul Fre- dericq, Brüssel 1904, S. 9 ff.). — Auch die „Äonen" des Neuen Testaments scheinen in diesen Zusammenhang zu ge- hören. Vgl. oben, S. XIX, Nr. 4. 43. Cf. oben, S. 145. 182 f. — Über diese eschatologischen Theorien vgl. Astrology and religton, Kap. VI, S. 167 ff. 44. Als Goethe im Jahre 1784 bei klarem Himmel den Brocken bestiegen hatte, drückte er seine Bewunderung aus, indem er aus dem Gedächtnis die Verse schrieb (11, 115): Quis caelum possit, nisi caeli munere, nosse | Et reperire deum, nisi qui pars ipse deorum est? Cf. Brief an Frau von Stein, Nr. 518, ed. Scholl 1885, zitiert von EUis, Noctes Manilianae, s. vm. 45. Diese in den Versen des Manilius (Anm. 44, vgl. IV, 910) zum Ausdruck gelangende Idee, welche sich schon früher in dem Somnium Scipionis Ciceros findet (III, 4; cf. Macrob., Comment. I, 1 4, § 16: Animi socieiatem cum caelo et sideribu^ ha-' bere communem; Ps.-Apul., Asclepius, c. 6. 9; Firmic. Mat., Astrol. I, 5, § 10), geht auf Posidonius zurück, der die Be- trachtung des Himmels zu einer der Quellen des Glaubens T20 Anmerkungen an Gott machte (Capelle, Jahrbb. für das klass. Altert. VIII, 1905, S. 534, Anm. 4), und ist sogar noch älter als er, denn schon Hipparch hatte angenommen cognitionem cum homine siderum, animasque nostras partem esse caeli (Plin., Hist, Nat, II, 26, § 95). 46. Vettius Valens IX, 8 (Co/, codd, astr, V, 2, S. 123 = S. 346, 20 ed. Kroll), VI, Prooem. [Cai., ibid. S. 34, S. 35, 14 =>= S. 242, 16, 29 ed. Kroll); cf. meine Abhandlung Le mysii- cisme astral dans Vantiquiti (Bull. Acad. Royale Belgique), Mai 190g, wo ich anhangsweise die betreifenden Texte gesam- melt habe, und die noch vollständigere deutsche Übersetzung dieser Abhandlung von G. Gehrich, welche demnächst er- scheinen wird. 47. Vgl. meinen Artikel Fatalisme astral et religions antiques (Revue de l'hist. et de litt, religieuses), 19 12, 8,512; Gundel in Pauly-Wissowa, Realenz. s. v. „Heimarmene". 48. Manilius IV, 14. 4g. Vgl. meinen Artikel über L'Eterniti des empereurs (Rev. hist. lit. relig., Bd. I), 1898, S. 445 ff. 50. Reitzenstein, welcher sich das Verdienst erworben hat, den Einfluß dieses astrologischen Fatalismus aufzuzeigen [cf. unten, Anm. 61], glaubt, daß er sich in Ägypten entwickelt habe, aber ohne Zweifel mit Unrecht. Vgl. hierzu die Bemer- kungen von Bousset, Göit. Gelehrte Anz. 1905, S. 704. 51. Das wichtigste Werk ist leider verloren gegangen: es war das TTepi ei)Liap)uevric des Diodor von Tarsus. Photius hat uns einen Auszug daraus überliefert [cod. 22^). Der Traktat Gregors von Nyssa über denselben Gegenstand [P. G., XLV, S. 145) ist uns erhalten geblieben. Sie hatten als Bundesge- nossen den Platoniker Hierokles (Photius, cod. 214, S. 172 b). — Viele Angriife gegen die Astrologie findet man bei Ephräm, Opera syriaca II, S. 437 fif.; Basilius {Hexaem.Yl, 5), Gregor von Nazianz, Methodius {Symp., P. G., XVII, S. 1 1 73) ; später bei Johannes Chrysostomus, Prokop von Gaza u. a. Vgl. auch den sy- rischen Bar-Sudaili (Frotingham, Stephen Bar-Sudaili, the Syrian mystic and the book of HierotheoSy Leiden 1886). Ein merkwür- Astrologie und Magie 3,2 1 diger Auszug aus Julian von Halikarnassus ist von Usener publiziert {Rhein. Mus. LV, 1900, S. 321 = Kleine Schriften IV, 191 3, S. 3i6iF.). — Ich habe einige Worte über die la- teinische Polemik gesagt in der Revue d'hist. et de lit. relig., Bd. VIII (1903), S. 42 3f. Man legte Minucius Felix eine Schrift De Faio bei (Bardenhewer, Gesch. altchristl. Lit. I, S, 315); Nicetas von Remesiana (gegen 400) hatte ein Buch Adversus genethlialogiam geschnoben (Gennadius, Vir.inL, c.22), aber der Hauptgegner der mathematici war Augustin [Civ.Dei, c. iff.; Epist. 246, ad Lampadium, usw.). Vgl. jetzt über diese Polemik Gundel, a. a. O. Sp. 2625, 2644; Wendland, Hellenist.- rom. Kultur, 2. Aufl. S. 399. 52. Der Einfluß der astrologischen Ideen hat auf das ara- bische Heidentum vor Mohammed gewirkt; cf. oben, Kap. V, Anm. 57. Über seine Fortdauer im Orient cf. meinen Artikel über Le fatalisme astral, S. 543 ff. 53. Dante, Piirg., XXX, 109 ff. — Im Convivio, II, Kap. XIV, bekennt sich Dante ausdrücklich zu der Lehre vom Einfluß der Gestirne auf die menschlichen Angelegenheiten. — Der Kirche gelang es, die gelehrte Astrologie in der lateinischen Welt zu Beginn des Mittelalters beinahe auszurotten: wir kennen keinen astrologischen Traktat, kein astrologisches Manuskript aus der Karolingerzeit, aber der alte Glaube an die Macht der Gestirne lebte im verborgenen fort und ge- wann neue Kraft durch die Berührung mit der arabischen Wissenschaft. 54. Bouche-Leclercq widmet ihnen ein Kapitel (S. 609 ff.). 55. Sen., Quaesl. Nat. II, 35; Expiationes et procurationes nihil aliud esse quam aegrae mentis solaiia. Fata inrevocabiliter ius suuin peragunt nee ulla commoventur prece. Cf. Schmidt, Fe- teres philosophi quomodo iudicaverint de precibus. Gießen 1907, S. 34. — Vettius Valens V, 9 [Cat. codd. astr. Bd.V, 2, S.30, 1 1 == S. 220, 28 ed. Kroll) gesteht: 'Abuvaxöv Tiva euxctic fi Ouciaic emviKficai xfiv eS apxfic KaxaßoXriv ktX., aber er scheint sich selbst zu widersprechen. Vgl. Fatalisme astral S. 526 ff. Camont, Die orieutal. Religionen 21 2 22 Anmerkungen 56. Sueton, Tib., 69: Circa deos ac religiones neglegenttor, quippe addictus maikemalicae , plenusque persuasionis cuncta fato agi. Cf. Manilius, IV, Anfang. 57. Vettius Valens IX, ii {Cat. codd. astr. V, 2, S. 51, 8fF. = S. 355, 15 ed. Kroll), cf. VI, Prooem. (Cat., S. ^z = S. 240 Kroll). 58. Si tribuunt fata genesis, cur deos oraiis? fragt ein Vers des Commodian (I, 16, 5). Die Antinomie, welche zwischen dem Glauben an das Schicksal und der kultischen Praxis klaifte, hinderte beide nicht, nebeneinander fortzubestehen; cf. Mon. Myst. Mithra I, S. 120. 3 1 1 ; Rev. d'hist. et de lit. relig., VIII (i 903), S. 43 1. — Der Peripatetiker Alexander von Aphro- disias, der zu Beginn des 3. Jahrhunderts den Fatalismus in seinem TTepi eifiapiixevric bekämpfte und an anderer Stelle einen heftigen Ausfall gegen die Scharlatanerie und die Hab- gier der Astrologen macht (De anima manttssa, S. 180, i4Bruns), hat das Widerspruchsvolle der populären religiösen Vorstel- lungen seiner Zeit gut hervorgehoben {ibid., S. 182, 18): TTot^ ^ev avöpujTTOi t6 rfic diiapiaevTlc u|uvoOciv dsc dva-fKaiov, TTOxe be ou irdvTrj rriv cuvex^ictv auxfic TncTeuouci ciwCeiv Km T«P Ol biet TÜJV XoTUJV UTrep auTfjc ujc oucr|c dvafKaiac 5iaTeivöfievoi ccpöbpa Kai irdvia dvaTi9evTec auTrj, ev Taic Kttid TÖv ßiov irpdHeciv ouk eokaciv auifi TteTticTeuKevai' TOx^iv ToOv TToXXdKic eirißouJVTai, dXXriv ojLioXoToOvxec eivai TttUTriv airiav xfic ei)jiap|Lievr|c* dXXd Kai toTc GeoTc ou bia- XeiTcouciv euxö|uevoi, d)C buvaiaevou tivöc utt' auTuJv bid xdc eiix^c Y^vecöai Kai ixapd xr]v ei|uap)aevriv Kai jiiav- xeiaic OUK ökvouci xPTlcöai, ibc evöv auxoTc, ei Trpo|ud9oiev, cpuXdEacQai xi xoiv et|aap|Lievu3v dTri9avu)xaxai youv eiciv auxoiv al rcpoc xf)v xouxiuv cu)H(puüviav eupriciXoTiai. Cf. auch De Fato, c. 2 (S. 165, 26 ff. Bruns). 5g. Manilius II, 466: Quin etiam propriis inter se legibus astra \ Conveniunt, ut certa gerant commercia rerum, j Inque vicem praestant visus atque auribus haerent. j Aut odium foedusque gerunt, etc. — BXeiTOVxa und dKOUovxa Zeichen; cf. Bouch6-Leclercq, S. 159 ff. Die Gestirne blicken, wie die Menschen, vor sich; Astrologie und Magie ^23 Antiochus in Caf. codd. astrol. VIII, 3, S. 114, Z. 32. — Die Planeten freuen sich (xaipeiv) in ihren Wohnungen usw. — ^, 24 Cohn); Maximus von Tyrus X, 9; und Capelle, Die Schrift von der Welt (Neue Jahrbb. für das klass. Altert. VIII) 1905, S. 556, Anm. 6. Besonders wichtig ist eine Stelle des Celsus (Origenes, Contra CV/r. VIII, 35), wo die Beziehung dieser Lehre zu der persischen Dämonologie ersichtlich ist. 2 92 Anmerkungen Doch hat die mazdäische Vorstellung sich notwendig früh- zeitig mit der altsemitischen Idee verbunden, daß der Baal der Herr und Meister seiner Gläubigen ist {oben, S. 136 ff.). — 'H.oltzvaz.'n.n {Neutesta?ne}tiL Zeägesch., 2. Aufl., 1906, S. 364ff.) betont die Tatsache, daß man sich das „Reich Gottes" nach dem Muster der persischen Monarchie vorgestellt habe. — Vgl. auch oben, S. 1 5 8 f. Ein mit diesem analoger Vergleich, weicher uns auch bei den Heiden des 4. Jahrhunderts begegnet, ist der des Him- mels mit einem Staat (Nectarius bei August., Epist. 1 03 [Migne, P. L. XXXIII, Sp. 386]): Civitatem quam, magnus Deus et bene meritae de eo animae habitant etc. — Man denke an den Gottes- staat Augustins und das himmlische Jerusalem der Juden (Bousset, Religion des Judentums, 1903, S. 2"] 2). — Vgl. auch Manilius V, 7 3 5 ff. 20. August, Epist. 1 6 [48] (Migne, Pat.Lat. XXXIII, Sp. 82) : Equidem unum esse Deum suminum sine initio, sine prole naturae, seu patrem magnum atque magnificum, quis tarn demens, tarn mente captus neget esse certissimum? Huius nos virtutes per mundanum opus diffusas multis vocabulis invocamus, quoniam nomen eius cuncti proprium videlicet ignoramus. Nam Deus omnibus religionibus com- mune nomen est. Ita fit ut, dum eius quasi quaedain membra carptim variis supplicationibus prosequimur, toiu7n colere profecto videamur. Und am Ende: DU te servent, per quos et eorum atque cunctorum mortalium communem patrem, universi mortales, quos terra sustinet, mille modis concordi discordia veneramur et colimus. Cf. Lactan- tius Placidus, Comm. in Stat. Theb. IV, 516. — Ein anderer Heide {Epist. 234 [21], Migne, P.L. XXXIII, Sp. 103 1) redet von dem Gerechten deorum comitatu vallattis, Dei utique potesta^ tibus emeriius, id est eius unius et universi et incomprehensibilis et ineffabilis infatigabilisque Creatoris impletus virtutibus, quos (1. quas) ut verum est angelos dicitis vel quid alterum post Deum vel cum Deo aut a Deo aut in Deum. Vgl. Toutain, Cultes päzens dans Vempire romain, II, S. 234 ff. 21. Die beiden Ideen werden einander gegenübergestellt in dem Paneg. ad Constantin. Aug. vom Jahre 3 1 3 n. Chr., c. 2 6 Die Umwandlung des Heidentums 2^3 (S. 212 ed. Bährens) : Summe rerum sator, cuitis tot nomina sunt quot gentium linguas esse voluisti [quem enim te ipse dici velis, scire non possumus), sive tute quaedam vis mensque divina es,^quae toto infusa mundo omnibus miscearis elementis et sine ullo extrinsecus, accedente vigoris impulsu per te ipsa movearis sive aliqua supra omne caelum potestas es quae hoc opus tuum ex altiore naturae arce despicias, — Über den immanent oder transzendent gedach- ten höchsten Gott vgl. meine Theologie solaire in der erwei- terten deutschen Ausgabe von G. Gehrich. 22. Macrobius, Sat. I, 17 ff. cf. Firm. Mat., Err, pro/.- rel., c. 8; Mon. Myst. Mithra I, 338 ff. — Man hat angenommen, daß die Darstellung des Macrobius aus Jamblichus ge- schöpft ist. 23. Julian hatte in den Tempeln einen förmlichen Moral- unterricht organisieren wollen (KS^Kxdi, Julien V Apostat II, 1 86 ff.), und dieser große Gedanke seiner Regierung wurde nach sei- nem Tode unvollkommen ausgeführt. Die spottlustigen und leichtfertigen Griechen von Antiochien oder Alexandrien schätzten seine Homilien nur mäßig, aber die römische Gra- vität sprachen sie mehr an. Die strengen Mysterien des Mi- thra hatten hier die Reform vorbereitet. Augustin, Epist. gi [202] {Migne, P. L. XXXIII, Sp. 315) berichtet um 408 n.Chr.. daß moralische Erklärungen der alten Mythen zu seiner Zeit bei den Heiden vorgetragen würden: lila omnia quae antiqui- tus de vita deorum moribusque conscripta sunt^^ lange aliter sunt intelligenda atque interpretanda sapientibus. Ita vero in templis po~ pulis congregatis recitari huiuscemodi salubres interpreiaiiones heri et nudiustertius audivimus. Cf. auch Civ. Dei II, 6: Nee nobis nescio quos susurros paucissimorum auribus anhelatos et arcana velut religione traditos iactent (^pagani), quibus vitas probitas sancti-^ tasque "discatur. Vgl. das Epitaph des Praetextatus [CIL VI, ••■779 = Dessau, Inscr. sei., 125g): Paulina veri et castitatis conscia [ dicata templis etc. — Firmicus Matemus {Mathes. II, 30) fordert von dem Astrologen die Bewährung aller Tugenden, antistes enim deorum separatus et alienus esse debet a pravis ille- cebris voluptatum .... Itaque purus, castus esio etc. 234 Anmerkungen 24. Das wird in den Versen der angeführten Grabschrift unumwunden gesagt (v. 22S.): Tu me, man'te, disciplinarum bono I puram ac pudicam SORTE MORTIS EXIMENS, | in templa ducis ac famulam divis dicas: j Te teste cundis imbuor mysteriis. Cf. Aug., Epist., 234 (Migne, P. L. XXXIII, Sp. 1031 [Brief eines Heiden an den Bischof]): Via est in Deum melior, qtca vir bonus, piis, puris, iustis, castis, veris dictisque factisque probatus et deoruni comitaiu vallatus .... ire fistinat; via est, inquam, qua purgali antiquorum sacrorum. piis praeceptis expiationibusque puris- simis et abstemiis observationibus decodi anima et corpore constantes deproperant. — Augustin [Civ. Dei VI, I und VI, 12) bekämpft die Heiden, welche behaupten deos non propter praesentem vitam coli sed propter aeternam. 25. Die Variationen dieser Lehre werden im einzelnen dargelegt von Macrobius, In Somn. Scip. I, 11, § 5 ff. Für die einen leben die Seelen über der Sphäre des Mondes, wo das unwandelbare Reich der Ewigkeit beginnt — für die anderen in der Sphäre der Fixsterne, wohin sie die elysischen Gefilde verlegten {obeii, Kap. V, Anm. 65; cf. Martian. Capeila II, 209). Man wies ihnen besonders die Milchstraße als Wohnsitz an (Macr., ib. c. 1 2 ; cf. Favon. Eulog., Disput de somn. Scip., S. i , 20 [ed. Holder]: JSene meritis .... lactei circuli lucida ac can- dens habitatio deberetur; Hieronym., Ep. 2^), % 2) [Migne, P. L. XXII, Sp. 426]) gemäß einer alten pythagoreischen (Gundel, De Stellarum appellaiione et relig. Romana, 1907, S. 153. [245]) und ägyptischen Lehre (Maspero, Hist. des peuples de l' Orient I, S. 181). — Für andere endlich wohnen die Seelen, von jeder Gemeinschaft mit dem Körper erlöst, im obersten Him- mel und steigen zunächst durch die Tore des Krebses und des Steinbocks, die an den Schnittpunkten des Zodiakus und der Milchstraße liegen, dann durch die Sphären der Planeten herab. Diese Theorie, welche die der Mysterien ist [oben, S. 145. 183), findet den Beifall des Macrobius [quorum sectae amicior est ratio), der sie eingehend auseinandersetzt (I, I2> § 13 ff.). — Arnobius (vgl. Astrology and religion S. 195 ff.) be- kämpft sie als weitverbreiteten Irrtum (II, 16): Dujn ad corpora Die Umwandlung des Heidentums 335 lahimur et properamus humana ex mundanis circulis, sequuntur cau" sae quihus mali simtis et pessimi. Vgl. auch II, 33: Vos, cum primum soluti membrorum abieritis e nodts, alas vobis adfuturas putatis quibus ad caelum pergere atque ad sidera volare possitis etc.). Sie war bis zu dem Grade populär geworden, daß die Komödie des Querolus, die in Gallien in den ersten Jahren des 5. Jahrhunderts geschrieben wurde, bezüglich der Plane- ten spöttisch darauf anspielt (V, 38): Mortales vero addere ani- mas sive inferis nulla labor sive superis. Sie wurde wenigstens teilweise noch von den Priscillianisten gelehrt (Aug., De haeres, 70; Priscillianus, ed. Schepß, S. 153, 15; cf. Herzog-Hauck, Realenz., 3. Aufl., s.v. „Priscillian", XVI, S. 63). Eine christUche Übertragung derselben findet man bei Eusebius von Caesarea cf. Lejay, Revue de phüologie 1912, S. 202. — Wir haben weiter oben (Kap. V, Anm. 64) von dem Ursprung dieses Glaubens und seiner Verbreitung unter dem Imperium ge- sprochen. 26. Cf. oben, S. 1 76 und 2 1 7 ff.; Mon. Myst. Mithra I, S. 296. 27. Diese von den Stoikern (eKTTupuüCic) und der Astro- logie {oben, S. 204) verbreitete Idee wurde auch von den orientalischen Kulten weitergetragen; cf. Lactantius, Inst, VII, 1 8 und Mon. Myst. Mithra I, S. 3 1 o ; ferner Giemen, Re- ligionsgeschichtl. Erklärung des N. T., S. 125 ff. {oben, S. XIX, Nr. 5). 28. Gruppe {Griech. Mythologie, S. 1488 ff.) hat die ver- schiedenen Elemente festzustellen versucht, die bei der Ent- stehung dieser Lehre mitgewirkt haben. 29. Cf. oben, S. i54f. i84f., und/aww/. — Die Ähnlichkeit der heidnischen Theologie mit dem Christentum ist schon von Amobius II, 13 — 14 kräftig hervorgehoben. — Ebenso hat für den Orient von Wilamowitz kürzlich die enge Verwandt- schaft nachgewiesen, welche die Theologie eines Synesius mit der des Proclus verbindet {SB Akad. Berlin XIV, 1 907, S. 2 80 ff.) und gezeigt, wie die Philosophie damals zum Christentum führte. 30. Pichon {Les derniers ecrivains profanes, Paris 1906) hat 3 2 6 Anmerkungen neuerdings darauf aufmerksam gemacht, wie die Beredsam- keit der Panegyriker unmerklich vom Heidentum zum Mono- theismus überging. Vgl. Maurice, Comptes Rendus Acad. Inscr. 1909, S. 165. — Der vage Deismus Konstantins war darauf bedacht, den Gegensatz zwischen Heliolatrie und Christen- tum auszugleichen (Burckhardt, Die Zeit Konstantins, S. 353 ff., 3. Aufl. S. 369 ff.), und die an Arius und die Gemeinde von Nikomedien gerichteten Briefe des Kaisers (Migne, P. G. LXXXV, Sp. 1343 ff.) sind, wie Loeschcke gezeigt hat [Das Syniagma des Gelasius [Rhein. Mus. LXI] 1906, S. 44), ein merkwürdiges Produkt theologischen Dilettantismus , aufgebaut auf im wesentlichen pantheistischer Grundlage mit Hilfe weniger christ- licher Termini und fast noch weniger christlicher Gedanken. Ich werde eine Stelle anführen, wo der Einfluß der alten astro- logischen Religion besonders spürbar ist (Sp. 1552 D): 'IboO Yap 6 Kocjuoc Mopcpr) eirouv cxrjjua TUYX«vei u)V Kai 01 dcrepec Y6 x^Po^^T^HPCtc TrpoßeßXriVTar Kai öXuuc tö irveOiua ToO ccpaipoeiboOc toutou kukX.ou, eiboc tujv övtuuv TUYXavei bv, Kai ujcirep juöpqpujjLia" Kai ö/iuic ö Geöc Travxa- XoO TtdpecTi. REGISTER Die Zahlen beziehen sich in der Regel auf die Seiten, nur die mit A. bezeichneten auf die Anmerkungen des Buches. Aalugefilde 107. Aberglaube 44. 2i4f. 242. 323, A. 62. Absolutismus der Kaiser 46. 185. Abydos, Kultus von — 114. 162. 115- 273, A. 80. Adonis 127. Adventor teTttpH 306, A. 28, Aetemus deus 150. Vgl. Ewigkeit. Agathokles 94. Ägypten, Religion in — 875. 228 Astrologie in — 188. 196 Magie in — 21 5 f. 324, A. 68 sein Einfluß auf die römischen Verhältnisse 5 f. 99. loi; Urteil der Griechen und Römer über — 92 f. Ahriman 177. 219. 309. 326, A. 80. Ahura-Mazda 147. i67f. i69f.305, A. 25. 306, A. 29. Alexander von Aphrodisias 322, A. 58. Alexandrien 88. 93. 97. 267, A. 34. Allmacht der Götter 148. Vgl. Om- nipotentes. Ambrosiaster 235. Ameretat 167. Amici Augusti 158. Ammianus Marcellinus 243. Ammon, Zeus 265, A. 9. Amshaspands 167. 305, A. 20. Anähita 65. 78. 167. 169. Cumont, Die oriental. Religionen Animismus 211. 'AvTi9eoi 175. 308, A. 36. Antiochus von Kommagene 143. Anubis 92. 'AtraGavaTiciuöc 259, A. 23. 274, A. 86. • Apertio tempH iii. Apologetik, christliche 18. 234. Apuleius 16. 94. 113. 121. 149. Aquitanien 126. Arabien 128; Heidentum in — 290, A. 57. 321, A. 52—53. Vgl. Islam. Aramäische, das — in Kleinasien 168. Archäologie als historische Quelle 20. Vgl. Kunst. Archigalli 66. Architektur, orientalische 245, A. II. "ApxuJV (Engelfürst) 145. Armee, die — und die orienta- lischen Kulte 30. 129 f. Vgl. Soldaten. Armenien l66. Arnobius 295, A 41. 308, A, 36. 334, A. 25. Artemis, persische 261, A. 35. Askese 48 f. 181. Astarte 135. 137. Astrolatrie vgl. Gestirndienst. Astrologen (Priester) 196 f. Astrologie 143. 148. i87f. u. ö.; — in Syrien 153 f. 290, A, 57; — und Mazdaismus 168. 174; — und Kultus 208 f. 322, A. 58. 22 338 Register Atar 167. Atargatis 121 f. 142. Attalos 57. 62. Attis 58; Verehrung des — Tinter ■ der Republik 64 ; — in Griechen- land 69; — als Gott der Toten 71; — als Sonnengott 83; — Pantheos 83 ; Statue des — 74, Augustinus 84. 293. 332 f. u. ö. Augustus 215; Reformen des — 45 f.; — und Isis 97. Aureüan 132. 143. 236. Autun 69. Aziz 131. B Baal I3if. I36f. 155; — samin 147. 151. 174. 296f., A. 69 — 70. Baalath 136. Babylonischer Einfluß in Syrien 141 f.; — auf den Mazdaismus 168 f. Vgl. Chaldäer. Balmarcodes 128. Baltis 130. Bardesanes von Edessa 167. Baresman 167. Bätyle 58. 134. 281, A. 29. Vgl. Steine. Bäume, heilige 58. 68. 93. 134. Vgl. Pinie. Befehle Mithras vgl. '€vToXai. Bei 39. 133. I42f. 169. 291, A. 59. 306, A. 29. Bellona 65, Benedictio latina 77. Berosos 38. 189. 204. Berufung in den orientalischen Kulten 3 2 f. Berytos 128. 129. 232. Bettelmönche, syrische 61. Büdung vgl. "Wissenschaft. Bipennis (Doppelaxt) 169. 296, A. 68. 305, A. 24, Blut reinigt 48. 79 f. 84. Boethius 243. Brontön, Zeus 259, A. 27. Brüderlichkeit der Mysten 33. 151 ; — derMifhriasten I79f.; Fratres carissimi 299, A. 83. Bryaxis 90. Bußleistungen in den orienta- lischen Kulten 48 f. Byzantiner, die — und die Astro- logie 196. C Caelus (Gott) 147. 150. 170. 202. Vgl. Himmel, ZeOc Ovipdvioc. Caligula- 67. 99. Cannophori 67. Caracalla 99. Camuntum 172, Carfientum der Cybele 258, A. 22. Catull 60. Chaeremon 103. Chaldäer 122. 141. 143. 154. 189. 196 f. 317, A. 28; — und Magier 168; — und Magie 216. 325, A. 69—70. 326, A. 74. Vgl, Babylonischer Einfluß. Chalyber 169. Christen, Polemik der — gegen das Heidentum 17, 86. 234f. Vgl. Kirche. Christentum und phrygischer Kul- tus 84; — und syrischer Kul- tus 155 ; — und Heidentum Vif. Vgl. Kirche, Kirchenväter. Claudius 66. Commodus 172. Cybele 56 f. u. ö. Dadophoren. 114. Dagon 135. Dämonen, Opfer für die — 175. 326, A. 80. Dämonologie, persische 176. 219. 308, A. 36f. 311, A. 40f. Damaskus 128; Baal von — 129. Register 339 Dante 207. 321, A. 53. Dea Syfia 121 f. Decadence, sittliche — in der römischen Kaiserzeit 31. 51. Degenerationstheorie, die — als Prinzip geschichtlicher Betrach- tung 30f. 237. 240. AeiTTVOKpiTric 283, A. 37. Delos 94. 122. 124. Demetrius von Phaleron 90. Demokrit 218. 326, A. 75. Dendrophori 68. 69. 72. Determinismus vgl, Fatalismus. Detis aeternus 150. Devotion in den orientalischen Kulten 32. Diaspora, iranische i6of. ; jüdische — 2i8f. u. ö. Diodor 63. Diokletian 162. 163. 176. Dionysos 59f.77.9I.Vgl.Sabazius. Dioskuren 148. Doliche 131. Dolichenus, Jupiter 131. 134. i69f. 305, A. 23. Dominus Caeli 136. Domitian 99. lOi. Domus aeterna 2765. Donnergott 296, A. 67 und 69. Doppelaxt vgl. Bipennis. AoOXoq ToO öeou 33. 250, A. 9. Dramatische Aufführungen in den Mysterien Il4f. 274, A. 87/. Drohungen, an die Götter ge- richtet 110. Dualismus 175 f. Dusares 129. E 'GK-irOpujac 204. 242. 335, A. 27. Ekstase 36; — in Phrygien 6of.; — in Ägypten 117; astrologi- sche — 205 f. Vgl. Mystik. Elagabal 135. Elementa (Bedeutung) 202. 237. 329, A. I4f.; Kultus der — 237. Eleusis 253, A. 25 u. ö. Elysische Gefilde I46. 295, A. 65. 334, A. 25. Emesa. 130. 132. Ende der Welt 52. 255, A. 42; — nach dem Mazdaismus 183; vgl. 204. 242. Engel 76 f. 176. 239. 309, A. 38. Vgl. "Apxujv. Enthaltsamkeit 4 8 f. 181.273, A. 51. '€vToXai 178. 312, A. 46. Epigraphische Denkmäler 19 f. Epona 30. Erfindungen, den Göttern zuge- schrieben 251, A. 16. Erwecken des Gottes 112. Eschatologie vgl. Unsterblichkeit, Totenreich, Ende der Welt. Ethnarchen 138. Eubulus 15. Gijiyiixei 277. Ewigkeit der Götter 149 f. 202. 398, A. 81 ; — in Ägypten 298, A. 80. Exogamie 137. 286. '62o|uoXÖYricic 254, A. 32. Expiaiio 48. Exsuperantissimus 148. Fanatici der Mä 65. Fatalismus 2o6f. 209. 317, A. 46; Polemik gegen den — 320, A. 51. Vgl. Determinismus. Feste des phrygischen Kultus 57. 6 3 f.; — des ägyptischen Kultus 1 1 3 f. ; — des syrischen Kultus 208, A. 16. Vgl. Liturgie. Feuer wird die Welt zerstören 204. 242. 335, A. 27; heiliges — der Cäsaren 158. 340 Register Firmicus Maternus l8. 209. 235. 236. 329, A. 7. Fisch als heiliges Tier I35f. 282f., A. 36—37- Fluchtäfelchen 215. Folklore 315, A. 10. Frauen und orientalische Kulte 54- 71- G Galerius 162. 172. Galli 61. 63. 68. 123. Vgl. Archi- galli. Gallien, Isis in — 98; Magna Mater in — 69 ; orientalische Einflüsse in — il. 245. A. 12; Syrer in — 125 f. Gebete, heidnische 14, 247, A. 15 bis 17; für den regierenden Herrscher 94; — für die Toten 276; UnTvirksamkeit der — 208 f. 321, A. 55; — der Astro- logen 208 f. Gefühl, Wirkung der orientalischen Kulte auf das — 3 5 f. Germanien, Attisdenkmäler in — 71. Geschichtsschreiber, antike 15. Gestimdienst 142. 198 f. Gestirne, mit den Seelen verwandt 205. 319, A. 45. Gewissen, Wirkung der orienta- lischen Kulte auf das — 42! Gnosis 40. 142. 227. Götterbilder, lebendig gemachte 270, A. 57. 271, A. 63. Gottesdienst, täglicher 50. III. Gottesidee in Syrien I46f. ; — im 4. Jahrhundert 239. 331, A. 19. Vgl. Theologie. Gräber in der Nähe der Tempel 259, A. 23. Gregor von Tours 126. Griechenland, Religion in — 36. 40 u. ö. ; Cybele in — 69 ; Isis in — 94. 265, A. 9; Syrer in — 124 f.; — bleibt Mithra ver- schlossen I70f. ; Magie in — 2i4f. Vgl. Hellenismus. H Hadad 121. 141. 153 u. ö. Hades-Ahriman 219. 308, A. 37. Hadrian 10 1. 137. "Aiioi (eeol) 288, A. 47. Vgl. Heiligkeit. Hamii 130. Handel, Einfluß des — auf die Ausbreitung der orientalischen . Religionen 2 8 f. Vgl. Kaufleute. Hannibal 56. Haoma 219. Harpe 261, A. 38. Harpokrates 92. 106. 'Hyeimujv Qeöc 292, A. 63. Heil, Idee des — XIV. 52. 241. Vgl. Unsterblichkeit. Heiligkeit 52; — der syrischen Götter 140. 287. A. 46. 288, A.47; — Mithrasi8l.3i2,A. 51- Heliodor 308, A. 36 u. ö. Heliogabal 132. 138. Heliopolis 129. 143; Jupiter von — 129. Hellenismus im Orient 26 f.; — in Persien 157 f. Henotheismus 104; solarer — I54f. Hermes im phrygischen Kultus 259, A. 26 ; in Syrien 289, A, 5 5. 295. A. 66; — Trismegistos 39. 100. 233. Hermetismus 103. 268, A. 42. 270, A. 55. 288, A. 49. Herodot 88. 170 u. Ö. Hexen, thessalische 215. Hierapolis 122. 142. Hierocaesarea 166. Hierodulen 65. Hieronymus 126. Hilarien 68. Register 341 Himmel, deifiziert 239. 297, A. 70. Vgl. Caelus. — als Gottesstaat Zl^, A. 19. Höhenkult 58. 134. Hostanes 212. 218. 222 u. ö. 311, A. 41. Huldigungseid XII. Hymnen,heidniscliei3.246, A. 14; — der Isis 90. 264, A. 6. Hymnoden 114. Hypsistos 75 f. 148. 292. 295. Hystaspes 218. I lasura 121. Individualismus m den orienta- lischen Kulten 32 f. 47 f. Industrie, vom Orient beeinflußt 10. Initiation, isische 115. Initiative (Kaxapxai) 191. Inschriften, ihr Wert 19 f.; ara- mäische — 168; — und Astro- logie 190. 197. Institutionen, politische, vom Orient beeinflußt. 3 f. Inventio des Osiris 114. Invicti (Gestirne) 150. Iranismus 1 5 6 f . Iseum in Pompeji 95. Ishtar 169. Isis, künstlerischer Typus 90 ; — und Demeter 91; — Panthea 104; — als Göttin der Liebe 106. Islam 207. 223. 325, A. 69. Vgl. Arabien. Italien als Importland 28 f.; Isis in — 95 f-; Syrer in — 121 f.; Astrologie in — 189 f. Vgl. Rom. Jahr, großes 204. Jahreszeiten, Vergötterung der — 338. Jahwe 76 f. 296, A. 69, 297, A. 72. Vgl. Juden, Hypsistos. Jamblichus 103. 333, A. 22. Johannes Lydus 66. Juden in Syrien 141; — und Ägypter 265, A. 11. 275, A. 90; — und Mazdäer 159. 177; — in Kleinasien 75 f. 260, A. 33; — in Palmyra 291, A. 59; synkretisierende — XHI; Magie der — 218; — beten für die Toten 276. Vgl. Jahwe. Julia Domna 131; — Maesa 131; — Mammaea 131. Julian, derTheurg 325, A. 70 und 72. Julian, Kaiser 83. I78f. 232. 333, A. 23. Juno Caelestis 232. Jupiter Caelestis 147; — Caelus 170. Vgl. Zeus, Dolichenus. Justinian loo. Juvenal 16. 45. 49. 93. 106. 108 u. ö. K Kaiserkult 27. 46 f. Kalathos 95. Kalender 202. Kappadozien, Parsismus in — 167. Karfreitag als Gedächtnistag des Todes Christi 84. 262, A. 45. Kameades 192. Kastration 61. 63. 68. 258, A. 10. Kaxaißdxric (Zeus) 296, A. 67. Katasterismus 200. Kathartik vgl. Reinheit. KctTOXOC 288, A. 49. Kaufleute, orientalische 28 f.; sy- rische — 124 f.; — und der Mithraskult 172. Vgl. Handel. Kcpauvöc 296, A. 67. Vgl. Zeus. Kirche und Astrologie 193; — 342 Register und Magie 22 1 f. ; — und Wissen- schaft 330, A. 17. Vgl. Christen- tum. Kirchenväter als Bestreiter des Heidentums 17. 234 f. Kleider der Seele 146. 312, A. 54; Übertragung durch Fortgabe der — 253, A. 26. Kleinasien, Kulte in — 56 f. 227 f. ; Mazdaismus in — 160 f. Kleriker, orientalische 50 f. 255, A. 37; phrygische — 63 f.; ägyptische — 1 1 f. ; syrische — 139; ihre Hierarchie 255, A. 37; ihre Wissenschaft 38. 251, A. 15. 268, A. 42; ihr sittlicher Aufschwung 241. 333, A. 23. Klienten der syrischen Götter 151. Kolonen 5. Kommagene 128. 130. 131. 169. König, Grott verglichen mit einem — 331, A. 19. Kontemplation der Götter 1 1 2 f 117; — des Himmels 205. 319, A. 44. Konzile, heidnische 51. KpioßöXtov 80. Kritodemos 197. Kruzifix, Verehrung des — 127. Kultus und Astrologie 208 f. Vgl. Liturgie, Feste. Kunst der orientalischen Kulte 20; Einfluß des Orients 9; per- sische — 163: — und Astro- logie 203. Vgl. Archäologie. Kunstdenkmäler als historische Quellen 20 f. Kuß als Bestandteil der Etikette 159. Labeo, Cornelius 295. 308. 3 II. Lactantius Placidus 164. 332, A. 20. Lavatio 69. Leben, zukünftiges, vgl. Unsterb- lichkeit. Lebensquelle 274, A. 92 — 94. Vgl. Wasser. Licinius 172. Literatur, vom Orient beeinflußt 7 f. Litholatrie vgl. Steine. Liturgie, antike I3f, ; Formeln der — 246, A. 14 — 15; latei- nische — 25 ; phrygische — 60 ; ägyptische — lilf. ; persische — I74f. ; — nnd Magie 324, A. 65. Vgl. Riten, Feste. Löwe 58. 60; — einen Stier zer- fleischend 257, A. 4. Lucian l6. 40. 121. 137. 232. 248, A. 19. Lucius von Patras 122. Lucretius 190. M Mä 58. 65 f. 261, Ä. 37. Macrobius 235. 239. Magie 160. 2lof. ; griechische — 214; ägyptische — 109. 215; chaldäische — 216; persische — 217 f. 325, A. 73; jüdische — 218. Magier, Kolonien von — 160. 166 f. 304, A. 16; — und Grie- chen 159 f. Magier = Zauberer 108. 217 u. ö. Magische Texte I3. 76. Magna Mater 561.; Kultus der — 67. 69. Vgl. Cybele. Magusäer i66f. 168. Vgl.Magier(i). Maiumas 128. 280, A, 16. Mahl, himmlisches 72. 77; vgl. Totenmahl als Grabrelief 95. Mahlzeiten, heilige 50. 72. 82. 136. 174. 254, A. 35. 283, A. 37. Malakbel 131. Maleciabrudus 279, A. 10. Register 343 Manetho 38. 89. 222. Manichäismus 164. 252, A. 17. 267, A. 27 Manilius 190. 194. 205. Manuskripte, gereinigte 3 17, A. 22. Marius 123. Mamas 128. Mar ^olam 150. 298, A. 81. Märzbaum 68. Maskeraden, heilige 68. 273, A. 77. 313- Mathematiker (Astrolog) 194. Matriarchat 58. Maximus von Madaura 239. 332, A. 20. Maximus von Turin 235. 329, A. 8. Mazdaismus 157 f.; — in Klein- asien 78. 165 f. Vgl. Persien. Medizin und Astrologie 194 f. Megalensia ijudi Megalenses) 57- 63. Men 73 f. Menhirs 328, A. 2, Menotyrannus 73. Mentis custodes {du) 262, A. 42. Merowinger 126. Metragyrten 61. Milchstraße als Wohnsitz der Seelen 334, A. 25. Müitia Christi X. Militiae, religiöse XI, A. i. Minucius Felix 99. Mithra 78. l64f. 179 u. ö.; — und Astrologie 202. Mithridates Eupator 166. Mond als Gottheit 73; sein astro- logischer Einfluß 191 f. 198; — alsWohnsitz der Seelen 295, A.65. Monotheismus des ausgehenden Heidentums 155. 238 f. Vgl. Henotheismus. Montanismus 61. Moral der • orientalischen Kulte XII: — der römischen Reh- gion 43 f.; — des phrygischen Kultus 85 f.; ägyptische — 96. I05f.; — des Mazdaismus I78f.; — des ausgehenden Heiden- tums XIV. 240 f. Mschatta 304, A. 12. Mutter, große, vgl. Magna Mater. Mysterien der Isis 95. Ii5f. 264, A. 4. 273, A. 80 — 81; phry- gische — 62. 73; persische — 173 f. 307, A. 30; syrische — 139. 287, A. 45; — des aus- gehenden Heidentums 237. 329, A. 12 — 13. Mystik 41 u. ö. Vgl. Ekstase. Mythographen 15. Mythologie und Literatur 23 4 f. 328, A. 4. N Naina Sebesio 19. Namen, heilige 112. 272, A. 68; theophore — 171. Vgl. Worte. Natalis Invicti Vin. Natur, Vergötterung der — 39 f. 237- Navigium Isidis 113. Nechepso vgl. Petosiris. Nero 3. 124. Neuplatonismus XVI. 83. 232. Nietzsche 204. Nigidius Figulus 189. Nikokreon 94. Nil, Wasser des — 49. 112. 271, A. 66. Nossa'irier 292, A. 62. O Omnipotentes (Attis und Cybele) 75. 260, A. 33. — Omnipotens et omniparens (dea Syria) 149. Vgl. Allmacht. Omomi 219. Opfer, Menschen — 137. 220. 222; unblutige — 219. 344 Register Orakel, chaldäische 144, 233.325, A. 70. Orleans 126. Ornatrices iii. 112, Orpheus 233. Orphiker 118. 266, A. 23. 274, A. 92. Osiris 88 f.; — Gott der Unter- welt 116 f.; — und Dionysos 91; Passion des — 114 f. Osrhoene 131. Ostia 128. Otho 189. Palatin, Tempel der Magna Mater auf dem — 57. 64. 67. Pallas 15. Palmyra 128. 130. 133. 143. 291, •^- 59- 306» ^' 28. Paneg5rriken 243. Pantheos, Pantheismus 83. 104. 153 Ti- ö. Papas 58. Paris 126. Pastophoren 96. III. Pausarii 273, A, 78. Pedum des Attis 71, Pergamon 57. Perser 156 f. Persien, Magie in — 217 f.; Hof des Großkönigs von — maß- gebend für die Vorstellung des Himmels 331, A. 19. Vgl. Maz- daismus, Mithra usw. Pessinus 57. 63. Petilia, Täfelchen von — 266, A. 23. 275. Petosiris 188. Pferdezucht in Kappadozien 166. Pflanzen, angebetete 93. Vgl. Bäume, Pinie. Phallophorien 93. Philo von Byblos 133. 141. Philosophen 17. 232. Philosophie 37 f. 40 f.; — und Magie 218. Phrygianum 85. Phrygien 56 u. ö.; Kultus in — 60 f.; Mithra in — 165; Astro- logie in — 197. Phylarchen 138. Pileatus 84. Pinie als heiliger Baum 5 8 f. 67 f. Planeten 199; — göttlich ver- ehrt 208 f. Plato 307, A. 34. Platoniker 309, A. 39. Plutarch 17. 89, 105. 164. 175.219. Pomoerium 97, Pompeji 95, Pompejus 161. Pontus 165 u. ö. Porphyrius iio. I12. 176. 308, A. 37. 309, A. 39. 326, A. 80. Posidonius von Apamea 189, 292, A. 6t. 315, A. 6. Post, Organisation der — 303, A. 5. TTÖTVia GripOüv 257, A. 5. Praetextatus 77. 239. 243. 329, A. 13. 333, A. 23. Priestertum, das, als besonderer Stand 50. Vgl. Kleriker, Astro- logie. Privatrecht, Einfluß des Orients auf das römische — 6 f. Propheten, ägyptische 103. in. Prostitution, heilige 137. 284, A.41. Prozessionen . der Magna Mater 69 f.; — der Isis lOO. 113 f. Prudentius 79. 235. 328, A. 5. Yuxpöv ö&ujp 275, A. 93. Ptolemäer, Religionspolitik der — 88 f. Ptolemaeus (Astronom) 197. 210. PuteoH 95. 281, A. 19. Pyrethen 166. Register 345 Quindecemvirn 70. Rationalismus, griechischer 37. Rausch, heiliger 36. Recht, vom Orient beeinflußt 6 f.; — und Religion 35. 43. Refrigerium 119. 274 f. Reinheit in den orientalischen Kulten 4 8 f.; — im Mazdaismus 180; — in Ägypten 107 f.; — in Syrien 139 f. 287, A. 46. Reinigungen 48. 174. 180. 253, A. 26. 287, A. 46. Renan i. 184. Requies aetema 276. Requietio 68. Riten der Mysterien XIV; ägyp- tische — 109 f. 271, A. 63. 271, A. 67. Vgl. Liturgie. Rom, phrygischer Kultus in — 56 f.; Isiskult in — 96 f.; sy- rischer Kultus in — 123 f. 279, A. 10; Magie in — 215. 223; römische Religion 42 f. u. ö. Ruhealtäre 114. Sabaoth 76. Sabazius 77 f. Sanctus vgl. Heiligkeit. Sanguis (Festtag) 68. 84. Sassaniden 156. 162. 304, A. 12. Satan 177. 308, A. 36. Satiriker 16 f. Satrapen in Kleinasien 166. Scaevola 43. Schlaf der Götter 112. 271, A. 67. Scipio Nasica 57. Seele, ihre Verwandtschaft mit den Gestirnen 205. 319, A. 45. Vgl. Unsterblichkeit. Selbstentmannung im Attis- dienste 68. Seligen, Aufenthalt der — 183. Vgl. Elysische Gefilde, Mond, Milchstraße. Seleuciden 140. 147 u. ö. Seleucus Kallinikus 94. Semitisches Heidentum I34f. I38f. 229. Seneca 208. Seftizonia 190. Serapeum 88. 89. 95. loo. Serapis, Ursprung 88; Geschichte seines Kultes 8 8 f.; Statue des — 90 ; Zeus — 105; — (Sonne) 105; — (Ahriman) 308, A. 37. Severer 131. 226. Sextus Empiricus 193. Shamash 169. Sibylle 56. 62. Sicilien, Isis in — 95; Syrer in — 122 f. Simios 142. Sinne, Wirkung der orientalischen Kulte auf die — 3 4 f. Skeptizismus 40 f. 45! Sklaven, orientalische 29; — und die syrischen Kulte 122 f.; — und der Mithraskult 172; — der Gottheit 33. 250, A. 9. Sodalicium 82. Sohaemias 131. Soldat {Miles) Mithras IX f. 180. Soldaten, römische, und der Mi- thraskult 172; — und die sy- rischen Kulte 129 f. Vgl. Armee. Sol invictus 132. 169. Somnium Scipionis 293, A. 64. 319, A. 45. 334, A. 25. Sonne, in Ägypten verehrt 105; — in Syrien 145. I54f. ; — als höchste Gottheit I54f. 202. 239 u. ö.; — geleitet die Seelen 292, A. 63. 346 Register Zuuxnpia XII, A. 2. Vgl. Heil. Speer, heiliger 80. Statuen der Isis 90. 112; — des Serapis 90f. ; ägyptische — 268, A. 36; ägyptisierende — 10 1. Steine, heilige 57. 134. 281, A. 29. Sternbilder 200 f.; — göttlich ver- ehrt 208 f, Sterne vgl. Gestirne, Gestirndienst, Planeten, Sternbilder, Stoiker 103. 193. 198. 208. Stolisten iii. 112. 114. Strabo 141. 284, A. 41 u. ö. Sulla 65. 96. Sündenbekenntnis 49. 254, A. 32 bis 33. Superstition vgl. Aberglaube. Suppliciu7n (Bedeutung) 250, A. II. Sybaris, Täfelchen von — 266, A. 23. Symmachus XV. 235. 243. Sympathie, Idee der — 198. 205. 211. 317, A. 28. Zi)vex€iv 75. 260, A. 32. Synesius 300, A. 91. 335, A. 29. Synkretismus, ägyptischer 104; syrischer — 15 1 f. 288, A. 48; abendländischer — 226 f. Syrer im Abendlande 122 f. Syria dea 121 f. Syrien (Kulte) 120 f. 229; Astro- logie in — 200 f. Tabu 139. 180. Taube als heiliges Tier 135 f. Taurobolium 79f. 240. 261, A. 37. TeK|UUJp 257, A. 9. Tempelgäste der syrischen Götter 151- Thaumaturg 217 u. ö. Themistius 231. Theodor von Mopsuestia 177. Theodösius 100. Theologie, phrygische 62. 83; ägyptische — 105. 268, A. 42; syrische — 146 f.; mithrische — 173 f- Theophilos, Patriarch lOO. 267, A. 33- Theurgie 217. Thiasos 82. Thraker 59. 71. 257, A. 7. Tiberius und die Astrologie 189. 208; — und Isis 47. 98. Tiere, heilige, in Phrygien 58; — in Ägypten 93. 265, A. Il; — in Syrien 135 f. Timotheus, der Eumolpide 62. 89. 115. Tod der Götter im Orient 36 f. Toilette der Götterstatuen I12. Tonsur der Isispriester iii. 270, A. 60. T6t 39. HO. Toteme 58. 201. Vgl. Tiere. Totenmahle (Basreliefs) 95. Totenreich 45. 183. 24lf. Vgl. Elysische Gefilde. Totenrichter, Osiris als — 105. 107. Triaden, göttliche 142.289, A. 55. Trier 126. Tyche 206. Tiipavvoc ']l. U Universalität der orientalischen Kulte 33 f.; — der Baalim 150. 289, A. 81. Unsterblichkeit 5 2 f.; — in Phry- gien 7 1 f. ; — in Ägypten 1 1 6 f. ; — in Syrien I44f.; — in Per- sien (Mithra) 182; siderische — 145 f. 204 f. 241 f. 293, A. 64. 312, A. 54. 334, A. 25. Vgl. Seele, Heil. Register 347 Urmensch, Attis als — 261, A. 35. Utilitarismus der Römer 42 f. V Valium Hadriani 130. Varro 45. 234. Vergeltung, Idee der — 108. Verkleidungen vgl. Maskeraden. Verstand, Wirkung der orienta- lisclien Kulte auf den — 3 7 f. Vettius Valens 194. 197, Vincentius 77. Virgo Caelestis 201. Virtutes der Götter 152. 300, A. 85. Vohu-Mano 167. W Wasser reinigt 48; — im Jenseits 118. 274, A. 92f.; Kult der — 134; — des Nils 271, A. 66. Weihehandlungen im ägyptischen Kultus 110. Weihnachtsfest VIII. Wiedergeburt 81. Wiederkunft, ewige 204. Wirtschaftliche Einflüsse in der religiösen Bewegung der Kaiser- zeit 28 f. Wissenschaft, vom Orient beein- flui3t 7; — und die orienta- lischen Kleriker 38. 251, A. 15. 268, A. 42; — mit dem Glau- ben verbündet 3 9 f.; — des aus- gehenden Heidentums 237f. ; — und Kirche 330, A. 17, Worte, heilige 109 f. 112. Vgl. Namen. X Xenophanes 234. Xenophon von Ephesus 108. Yazatas 167. 170. Yezidis 177. Zauberer vgl. Magier (2). Zeit, Anbetung der — 173. 202 f. 318, A. 38—39- Zela 166. Zeno 203. Zenobia 291, A. 59. Zeus Kepaijvioc 296, A. 67; — Oromasdes 170; — Zdpamc 105; — Stratios 306, A, 29; — Oupdvioc 297, A. 70. Vgl. Ju- piter, Caelus. Zodiakus, angebetet 202 f. Zoolatrie vgl. Tiere. Zoroaster 160. 212. 218. 222. 326, A. 74. Druckfehler. Seite 54, Zeile 5 lies „freigebigsten" statt freigebigtsten. Druck von B. G. Teubner in Leipzig. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin Vom gleichen Verfasser erschienen: Die Mysterien des Mithra Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit Autorisierte Übersetzung von Georg Gehrich. Mit 9 Abbildungen im Text und auf 2 Tafeln, sowie l Karte, gr. 8. 1911. 2. Aufl. Geh. M. 5. — , in Leinwand geb. 5. 60. „Durch das ganze Buch geht derselbe streng kritische, sich selbst bescheidende, historische Zug, der dem großen Werke Cumonts die verdiente Anerkennung der Kenner eingetragen hat. "Wie dieses sicherlich die Einzelforschung noch lange (namentlich zur Feststellung mithrischer Elemente in nicht ausgesprochen mithrischen Quellen) anregen wird, so wird auch dieser gelungene Auszug in dem ihm bestimmten weiteren Leser- kreis segensreich wirken, indem er beitragen wird zum historischen Verständnis religiöser Probleme." (Wochenschrift f. klass. Philologie.) In zweiter vermehrter und verbesserter Auflage (die u. a. um ein Kapitel aus der Feder Cumonts vermehrt wurde) erschien soeben: Die Religionen des Orients und die altgermanische Religion (früher: Die orientalischen Religionen) „Die Kultur der Gegenwart" herausg.v.Prof. Paul Hinneberg. Teill, Abt. 3, l. 2., vermehrte und verbesserte Auflage. Lex.-8. [X und 287 S.] 19 13. Geheftet M. 8.—, in Leinwand geb. M. 10.—, in Halbfranz geh. M. 12.— Inhalt: Die Anfänge der Religion und die Religion der primitiven Völker : Edv. Lehmann. Die ägyptische Religion: A. Er man. Die asiatischen Religionen: Die babylonisch-assyrische Religion: C.Bezold. Die indische Religion: H. Oldenberg. Die iranische Religion: H. Oldenberg. Die Religion des Islams: J. Goldziher. Der Lamaismus: A. Grünwedel. Die Religion der Chinesen: J. J. M. de Groot. Die Re- ligion der Japaner: a) Der Shintoismus: K.Florenz, b) Der Buddhismus: H.Haas. Die orientalischen Religionen in ihrem Einfluß auf die europäische Kultur des Altertums: Fr. Cumont-Gehrich. Die altgermanische Religion: A. Heusler. „Die auf der Höhe moderner Religionswissenschaft stehende Skizze Lehmanns sei hier nur in ihrer. Bedeutung für die biblische Wissenschaft gestreift. Insofern in die Religion Israels Überlebsel aus einer primitiven Zeit hineinragen, interessieren den alt- testamentl. Religionshistoriker Fragen über Tabu, Magie, .Fetischismus, Seelenkult, To- temismus. Für alles ist bei L. klare Antwort zu finden . . . Übertrifft die indische Religion die auß erbiblischen Religionen an Gehalt, so ist es kein "Wunder, daß ihre ausgezeichnete und liebenswürdige Darstellung durch Oldenberg auch äußerlich ihr den ersten Platz unter den orientalischen Religionen sichert. Das Glanzstück ist die Gegenüberstellung von Buddhismus und Christentum . . . "Wie für die indische Religion weiß Oldenberg auch für die altpersische den richtigen Ton der Darstellung zu finden. Er versteht den Lesern Achtung beizubringen für die "Würde und den Ernst der Lehre Zarathustras, der Religion der Cyrus und Darius ! . . . Florenz hat eine Skizze des Shintoismus geliefert, die gleichwie Haas' „Buddhismus der Japaner" auf tiefster Sachkenntnis und auf per- sönlichem Erlebnis der Zustände in Japan beruht. Fl. ist Professor der japanischen Literatur an der Universität Tokio und H. ist an der christlichen Mission daselbst be- teiligt. Die beiden Darstellungen sind kurz und übersichtlich . . . Der Lamaismus konnte keinen besseren Darsteller finden als Grünwedel, überhaupt bietet „Die Kultur der Gegenwart" wohl den besten "Überblick über die mongolischen Religionen, der in Kürze zu haben ist." (Theologischer Jahresbericht, zur 1. Auflage.) Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin Die Kultur der Gegenw^art Ihre Entwicklung und ihre Ziele. Herausgegeben von Prof. Paul Hinneb erg. Teil I, Abt. 7: Die Orientalischen Literaturen. [IXU.419S.] Lex.-8. 1906. M. 10. — , in Leinwand geb. M. 12. — , in Halbfranz geb. M. 14.— Inhalt: Die Anfänge der Literatur und die Literatur der primitiven Völker: E. Schmidt. Die ägyptische Literatur: A. Erman. Die babylonisch-assyrische Literatur: C. Bezold. Die israelitische Literatur: H. Gunkel. Die aramäische Literatur: Th. Nöldeke. Die äthiopische Literatur: Th. Nöldeke. Die arabische Literatur: M. J. de Goeje. Die indische Literatur: R. Pi schal. Die altpersische Literatur: K. Geldner, Die mittelpersische Literatur: P. Hörn, Die neupersische Literatur: P. Hörn. Die türkische Literatur : P. Hörn. Die armenische Literatur: F. N. Finck. Die georgische Literatur: E.N. Finck. Die chinesische Literatur: W.Grube. Die japanische Literatur: K.Florenz. „Erich Schmidt eröfihet den Reigen mit einer einleitenden Diatiibe über die Anfänge der Literatur und die Literatur der primitiven Völker, gedrungen und schwer, doch in die Probleme vortrefflich einführend. Unter den semitischen Literaturen trägt die israe- litische fast mühelos den Kranz davon. Gunkel behandelt sie, ihrer Formensprache sinnig nachspürend. Es ist Herders Geist, und doch -wie anders! Dann die arabische Literatur von de Goeje in herrlicher Darstellung. Weiter: die indische, alt-, mittel-, neupersische, türkische, armenische, georgische, die chinesische und japanische. Diese von Florenz in Tokio, von ,dem einzigen, der es machen konnte', wie mir ein Kundiger sagt. . . ." (Die christliche Welt.) Teil I, Abt. 5 : Allgemeine Geschichte der Philosophie. 2., vermehrte und verbesserte Auflage. [VIII u. 572 S.] Lex.-8. 1913. Geheftet M. 14. — , in Leinwand geb. M. 16. — , in Halbfranz geb. M. 18. — Inhalt: Einleitung. DieAnfönge der Philosophie und die Philosophie der primitiven Völker: W.Wundt. A. Die orientalische (und ostasiatische) Philosophie : I. Die indische Philosophie: H. Oldenberg. II. Die chinesische Philosophie: W.Grube. HI. Die japanische Philosophie: T. Inouye. B. Die europäischePhilosophie (einschl. der islam.-jüd. Phil, des Mittelalters) : I. Die europäische Philosophie des Altertums: H. von Arnim. 11. Die patristische Philosophie: C. Bäumker. III. Die islamische und die jüdische Philosophie des Mittel- alters: J. Goldziher, IV. Die christliche Philosophie des Mittelalters: C.Bäumker. V. Die neuere Philosophie: W. Windelband. Teil II, Abt. 2, 1 : AUgcm. Vcrfassungs- u. Verwaltungs- geschichte des Staates u.der Gesellschaft, [vnu. 373 s.] Lex.-8. 1911. M. 10. — , in Leinwand geb. M. 12. — , in Halbfranz geb. M. 14. — Inhalt: Einleitung. Anfänge der Verfassung und der Verwaltung und die Ver- fassung und Verwaltung der primitiven Völker: A, Vierkandt. A. Die orientalische Verfassung und Verwaltung : I. Die Verfassung und Verwaltung des orientalischen Altertums : L. Wen g er. 2. Die islamischeVerfassung und Verwaltung: M.Hartmann. 3. Die Verfassung und Verwal- tung Chinas: O.Franke. 4. Die Verfassung und Verwaltung Japans: K. Rathgen. B. Europäische Verfassung und Verwaltung (I.Hälfte). I. Die Verfassung und Ver- waltung des europäischen Altertums : L. We n g e r. 2. Die Verfassung und Verwaltung der Germanen und des Deutschen Reiches bis zum Jahre 1806 : A.Luschin v.Ebengreuth. Verlag von B. G« Teubner in Leipzig und Berlin Die Kultur der Gegenwart Ihre Entwicklung und ihre Ziele. Herausgegeben von Prof. Paul Hinneb erg. Teil I, Abt. 4, 1 : Geschichtc der christlichen Religion. 2., stark vermehrte und verbesserte Auflage. [X u. 792 S.] Lex.-8. 1909. Geheftet M. 18. — , in Leinwand geb. M. 20. — , in Halbfranz geb. M. 22. — Inhalt: Einleitung: Die israelitisch-jüdische Religion: J. Wellhausen. Die Religion Jesu und die Anfänge des Christentums bis zum Nicaenum (325): A. Jülicher. Kirche und Staat bis zur Gründung der Staatskirche: A. Harnack. Griechisch-orthodoxes Christentum und Kirche im Mittel- alter und Neuzeit: N. Bonwetsch. Christentum und Kirche Westeuropas im Mittelalter: K. Müller. Katholisches Christentum und Kirche in der Neuzeit: A. Ehrhard. Protestantisches Christentum und Kirche in- der Neuzeit: E. Troeltsch. Teil I, Abt. 4, 2: Systematische christliche Religion. 2., verbesserte Auflage. [VIII u. 279 S.] Lex.-8. 1909. Geheftet M. 6,60, in Leinwand geb. M. 8. — , in Halbfranz geb. M. 10. — Inhalt: Wesen der Religion u. der Religionswissenschaft :E.Troeltsch. ChrisÜich-katholische Dogmatik: J. Po hie. Christlich-katholische Ethik: J. Mausbach. Christlich-katholische praktische Theologie: C. Krieg. Christlich-protestantische Dogmatik: W. Herrmann. Christlich-protestan- tische Ethik :R.Seeberg. Christlich-protestantische praktische Theologie : W. Faber. Die Zukunftsaufgaben der Religion und die Religionswissen- schaft: H. J. Holtzmann. Aus den Urteilen über beide Bände: „Ich finde die Zusammenstellung von Arbeiten der Katholiken, denen es mehr um die Kirche, und von Protestanten, denen es mehr um die Religion zu tun ist, sehr in- struktiv, um die Verschiedenartigkeit der theologischen Anschauungen und Arbeitsweise kennen zu lernen . Die Arbeiten des ersten Teiles sind sämtlich, dafür bürgt schon der Name der Verfasser, ersten Ranges ; und da die Autoren und ihre Ideen mehr oder weniger bekannt sind, braucht nicht weiter darüber referiert zu werden. Am meisten Aufsehen zu machen verspricht Troeltsch, Aufriß der Geschichte des Protestantismus und seiner Bedeutung für die moderne Kultur. Ich bewundere die eminente Fülle der Gesichtspunkte, von denen aus Tr. arbeitet, und die Energie, mit der der Systematiker die geschichtlichen Vorgänge zu durchdringen versucht hat Alles in allem, der vorliegende Band legt nicht nur Zeugnis ab für die mächtige Arbeit der Theologen in unserer Zeit, sondern auch dafür, welche bedeutende Rolle für die Kultur der Gegen- wart Christentum und Religion spielen." (Zeitschrift für Kirchengeschichte.) „Die Aufsätze sind durchweg nicht allein mit voller Beherrschung des Stoffes — dafür bürgen schon die Namen der Verfasser — , sondern auch mit musterhafter Klar- heit geschrieben, wie sie gerade solche in erster Linie für gebildete Laien bestimmte Darstellungen erfordern. . . . Daß die Verfasser sich voller wissenschaftlicher Unbefangen- heit befleißigen, braucht kaum betont zu werden. Das eine steht nach dem von mir ge- wonnenen Eindruck fest, daß das Buch sehr geeignet ist, in vyeitereu Kreisen Respekt vor der theologischen Forschung unserer Tage zu erwecken und das Interesse für re- ligiöse Fragen wohltätig zu beleben." (Monatsschrift für höhere Schulen.) Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin H. Usener: Kleine Schriften. Herausgegeben von K. Fuhr, F. Koepp, W. Kroll, L. Radermacher, P. Sonnenburg, A. Wilhelm und R. Wünsch. In 4 Bänden, gr. 8. I. Band: Arbeiten zur griechischen Philosophie und Rhetorik. Gram- matische und textkritische Beiträge. Herausgeg. von K. Fuhr. [VI u. 400 S.] gr. 8. 1912. M. 12. — , geb. M. 15. — II. Band: Arbeiten zur lateinischen Sprache und Literatur. Herausgeg. -von P. Sonnenburg. [IV u. 382 S.] 1913. M. 15. — , geb. M. 18. — m. Band : Literargeschichtliches, Epigraphisches, Chronologisches. Heraus- gegeben von L. Radermacher, A. Wilhelm, F. Koepp und W. Kroll, [ca. 550 S.] M. 24. — , geb. M. 27. — IV. Band: Arbeiten zur Religionsgeschichte. Herausgegeben von Rieh. Wünsch. [VHI u. 516 S.] 1913. M. 15.—, geb. M. 18.— „Eine große Aufgabe unserer Generation muß es genannt werden, das reiche Erbe zu. siebten, das uns zugefallen ist. . . . Gerade weil es so leicht ist, mit U.s eignem Rüst- zeug in Einzelheiten über ihn hinauszukommen, sieht man mit desto größter Freude, daß das Fundament im Großen wie im Kleineu gesund und gut gebaut ist. . . .; TJ. hat stets in die Tiefe gearbeitet, wo ihn letztlich das Wesen menschlicher Begriffsbildung, d. h. eines der Grundprobleme der "Wissenschaft überhaupt, reizte. . . . Wunderbar nimmt sich neben diesem „Streben zum Ganzen" die ungeheure Solidität seiner Klein- arbeit aus, die durch große Gesichtspunkte nicht zur Flüchtigkeit verführt wurde. So liest man mit der gleichen Freude, die aber vielleicht nur der Fachmann mitempfindet, typische Philologika, Konjekturen von einer beneidenswerten Sauberkeit, um von seinen bekannten literarhistorischen Arbeiten ganz zu schweigen. . . . Kurz, durch alle Höhen und Tiefen seiner Philologie führt die Sammlung. ... So wird TJ. in seinen kleinen Schriften weiter der Lehrer bleiben, der er zu Lebzeiten seinen Schülern stets hat sein -wollen und gewesen ist." (Deutsche Literaturzeitung.) Vorträge und Aufsätze. Mit Vorwort vonDleterich. [Vu. 259 S.] gr. 8. 1907. M. 5. — , geb. M. 6. — „Wohl keiner der klassischen Philologen unserer Zeit hat seinen Blick so weit schweifen lassen und sich in das Seelen- und Geistesleben zahlreicher Kultur- und Naturvölker so vertieft wie Usener; er hält streng an philologischer Arbeit und Methode fest, verteidigt die Philologie als den Pionier der Geschichtswissenschaft, als den Stamm aller modernen Wissenschaften, aber er wird neueren Forschungsmethoden durchaus gerecht, stellt die vergleichende Volkskunde in den Dienst seiner religions- und sitten- geschichtlichen Forschung und hat dadurch dem Betrieb der klassischen Philologie einen hohen Geist eingehaucht." {Historische Vierteljahrschrift.) Sonderbare Heilige. Texte u. Untersuchungen. I. Der heilige Tychon. [Vni u. 162 S.] gr. 8. 1907. M. 5.—, geb. M. 6.— über Wesen und Ziele der Volkskunde. -- Über vergleichende Sitten- und Rechtsgeschichte, von A.Dieterich und H.Usener. [67 S.] gr. 8. 1902. Geh. M. 1.80. Der heilige TheodosiOS. Schriften des Theodoros und Kyriilos. [234 S.] 8. 1890. M. 4.- Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin A. Dieterich: Kleine Schriften. Hrsg. von r. wünscii. gr. 8. 1911. m. 12.—, geb. M. 14. — „Grenzpfähle kannte seine imponierende Gelehrsamkeit nicht. Das zeigt fast auf jeder Seite dieser stattliche, schöne Band, den Wünschs treue Freundeshand mit tiefem Verständnis zusammengestellt hat. Auch wer jede Veröffentlichung D.s mit Spannung gelesen und durchdacht hat, wird hei der Lektüre der Kleinen Schriften von neuer Be- wunderung erfüllt werden für die umfassende und energische Arbeitsleistung des allzufrüh der Wissenschaft und dem Leben entrissenen Forschers. Seine Kleinen Schriften werden, da sie nun jedembequemzugänglich gemacht sind,jedemB.eligionshistoriker eine unentbehr- liche Quelle des Wissens und Forschens sein." (Deutsche Literaturzeitung.) Mutter Erde. Em versuch über Volksreligion, gr. 8. 2. Auflage, besorgt von R. Wünsch. 1913. M. 3.60, geb. M. 4. — Dieterich wollte in dieser Untersuchung, die sich mit einem der tiefgreifendsten Probleme aller Religionsgeschichte, den Beziehungen des Menschen zur Allmutter Erde und den damit verbundenen religiösen Vorstellungen, beschäftigt, zeigen, wie sich die religiös-geschichtliche Forschungsmethode verwenden läßt, um in den tieferen Sinn reli- giöser volkstümlicher Vorstellungen einzudringen, ohne die alle höheren und höchsten Reli- gionen gar nicht oder falsch verstanden werden. rvekyia.. Beiträge zur Erklärung der neuentdeckten Petrusapokalypse. gr. 8. 2. Auflage, besorgt von R. Wünsch. 1913. geh. M. 6. — Eine Mithrasliturgie. 2. Auflage, besorgt von R. wünsch, gr. 8. 1910. M. 6. — , geb. M. 7. — „Der größte und unmittelbarste Gewinn, der auch der außerhalb der geheiligten Schranken der Mysterienkunde Stehende von dem Buche haben wird, ist die aus dem- selben gewonnene Möglichkeit, einen verständnisvollen Blick- in diese ihm sonst ver- schlossene Welt hinein zu werfen. Wir scheiden von dem hochinteressanten Buch mit dem aufrichtigsten Dank für die reiche Belehrung und vielfache Anregung, die es uns geboten hat, und empfehlen seine Lektüre allen, die sich mit religionswissenschaftlichen Studien befassen, aufs angelegentlichste." (Wochenschrift für klassische Philologie.) Sommertag. Mit 3 Abbildungen, gr. 8. 1905. M. i.— Von dem Kinderfest des Sommertages ausgehend, zeigt der Verfasser, wie das, „was einst in deutlichen, wenn man will, rohen Formen als heUige Handlung der Re- ligion des ganzen Volkes begangen ward, nun zu den Kindern, wenn man einmal so sagen darf, herabgekommen, ein liebliches Kinderfest geworden ist, das die mächtigen geheimnisvollen Zauberriten der Zeugung und Fruchtbarkeit im fröhlichen Spiel der Kleinen lieblich verschleiernd bewahrt hat". Über Wesen und Ziele der Volkskunde, zus. geb. mit h. usener, Über Vergleich. Sitten- u. Rechtsgeschichte. gr. 8. 1902. M. 1.80. Die Grabschrift des Aberkios erklärt von a. d.s. 1896. M.1.60. xVbraxaS. Studien zur Religionsgeschichte des späteren Altertums. gr. 8. 1891. M. 4.40. Pulcinella. Pompejamsche Wandbilder und römische Sat3nrspiele. Mit 3 Tafeln u. Abb. im Text. gr. 8. 1887. M. 8,—, geb. M. 10.— Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin Abhandlungen zur römischen Religion. '^^l^^^lttlT Mit 26 Abbild, und i Tafel, gr. 8. 1909. Geb. M. 6. — , ia Halbfranz geb. 7. — „Jedem, der sich irgend mit römischer Religion befaßt, muß diese Sammlung außer^ ordentlich erwünscht kommen, und jedem, der sich ernstlich in sie vertieft, wird sie eine Quelle der Erbauung und Belehrung sein. Allerdings nur dem ernsthaften und in- tensiven Leser! Denn leicht lesen sich die Abhandlungen, wie alles, was D. schreibt, nicht. Doch wird derjenige, der sich in diesen knappen, oft geradezu wortkargen Stil "hineinliest, gerade in seiner Knappheit, die sich aber an den Höhepunkten der einzelnen Erörterungen oft zu echtem, künstlerischem Pathos steigert, einen besonderen Reiz der Lektüre empfinden. Die größte Bedeutung der ganzen Sammlung liegt jedoch vielleicht in den Arbeiten, die der Erörterung der Natur des Neptuns, der Tempestates, des Sil- vanus, der römischen Eigenschaftsgötter, des Bonus Eventus und der Dei certi et incerti gewidmet sind. Ja dieser letzte, gedankenschwere Aufsatz, in dem der Kantianer D. dem tiefsten Wesen der Religion nachspürt, dürfte wohl zum Eigenartigsten und Vollendet- sten gehören, was über diese Fragen seit langem geschrieben worden ist." (Literarisches Zentralblatt für Deutschland.) Opferbräuche der Griechen. l°l%Vo^''sS:M'fltiT^^^- „Dieses Buch ist unentbehrlich für den Forscher, unentbehrlich aber auch, was ich besonders betonen möchte, für den Lehrer des Griechischen an den Gymnasien. Denn ein großer Teil der Fragen, die St. behandelt, kommt auch im Unterricht vor; ich er- innere bloß an Homer mit seinen vielen sakralen Ausdrücken, wo manchmal selbst in den neuesten Wörterbüchern und Kommentaren noch nicht die richtige Erklärung zu finden ist, die St. oft schon vor Jahren gegeben hatte. Bisher war es aus den oben an- geführten Gründen für den Lehrer nicht leicht, sich darüber zu unterrichten. Jetzt ist dies durch die vorliegende Sammlung anders geworden, die deshalb auch in keiner Gym- nasialbibliothek fehlen sollte." (Berliner Philologische Wochenschrift.) Griechische Feste von religiöser Bedeutung mit Ausschluß der attischen, ll^,':^^^^!]'^.^.-^"- '' ''°'- ^'''- „Die Untersuchung der griechischen Feste durch N. ist ein höchst verdienstliches Unternehmen auch in ihrer Beschränkung auf die nicht attischen Feste. Auch was die Anlage des Buches und die Anordnung des Stoffes betrifft, wird der Verf. auf den Bei- fall der Kundigen rechnen können. Die allgemeinen Gesichtspunkte der Religions- wissenschaft auf die griechische Festkunde angewendet und den klassischen Philologen nahe gebracht zu haben, ist das Hauptverdienst Nilssons. Er beherrscht den ein- schlägigen Stoff und die zugehörige Literatur in hervorragender Weise: er dient uns mit Parallelen aus dem Kultus der Inder, Ostjaken, Russen, Semiten u. a. und ist zu Hause in den grundlegenden Werken von Famell, Frazer, Harrison, Mannhardt, Useuer usw." (Berliner Philologische Wochenschrift.) Das Frühlingsfest der Insel Malta. S t?k//^R^?^^ot' t^ R. Wünsch. [IVu. 70S.] gr. 8. Geh. M, 2.— Der Bericht eines arabischen Kriegsgefangenen des XVI. Jahrhunderts gibt uns Kunde von einer merkwürdigen Feier der Malteser, bei der ein Bild Johannis des Täufers unter blühenden Bohnen gefunden wurde. Es wird in diesem Büchlein der Versuch gemacht, die Entstehungszeit des Festes zu ermitteln und sein Fortleben bis in die Gegenwart zu verfolgen. Dabei wird die Ablösung des Adoniskultes durch die Ver- ehrung Johannis des Täufers besprochen und ein neuer Gesichtspunkt für die Erklärung der altgriechischen Volksanschauungen von der Bohne aufgestellt. Priester und Tempel im hellenistischen Ägypten. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des Hellenismus. Von W. Otto. 2 Bände, gr. 8. I. Band. 1904. ü. Band. 1908. Geh. je M. 14. — , in Halbfranz geb. je M. 17. — Das Buch will vor allem von der Organisation der Priesterschaft, von der Lauf- bahn der einzelnen Priester, ihrer sozialen und staatsrechtlichen Stellung sowie von den inneren Zuständen der Tempel, ihrem Besitz, ihren Einnahmen und Ausgaben und ihrer Verwaltung ein anschauliches Bild entwerfen und im Anschluß hieran das Ver- hältnis von Staat und Kirche im hellenistischen Ägypten untersuchen. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin Hellenistische Wunder erzählungen. ZSo^k^t-^gerMj!" „Unter den Philologen im engeren Sinne ist keiner, der so wie Reitzenstein mit anerkennenswertem Mute die ägyptischen Quellen für die Erkenntnis des Hellenismus «rschließt. Und zu begrüßen ist es, daß er sie auch für die Fragen der Religions- geschichte fruchtbar macht. Es zeigt sich hier deutlich genug, wie tief eine Unter- suchung religiöser Texte in die Geschichte der antiken Literatur und ihrer Formen einschneidet. Wie Reitzenstein hier die literarischen Theorien der Antike wieder belebt und nach ihnen den Kunstch.arakter erhaltener Werke bestimmt, erscheint besonders beachtenswert." (Deutsche Literaturzeitung.) Das Märchen von Amor und Psyche bei Apuleius. Von R. Reitzenstein. gr. 8. 1912. Geh. M. 2.60, geb. M. 3.60. „Reitzenstein, der Religionsforscher, dessen Schriften über dieses Gebiet stets ein Ereignis für die wissenschaftliche Welt bilden, und zugleich ein Ästhetiker im wahren philologischen Sinne, war wie kein anderer geeignet, uns über das literarische und, was in diesem Falle eng damit verbunden ist, das mythologisch-religionsgeschichtliche Rätsel des Märchens von Amor und Psyche in Apulejus' Roman neue Aufklärung zu tringen." (Deutsche Literaturzeitung.) "PnimO'nHri=»C Von R. Reitzenstein. Studien zur griechisch-ägyptischen und JrUlIIlclIlUI Ca. frühchristlichen Literatur, gr. 8. 1903. Geh. M. 12.—, geb. M. 15.— „Das Werk bedeutet tatsächlich nichts Geringeres als den ersten in großem Stile angelegten und durchgeführten Versuch, die Ausgestaltung der ägyptischen Religions- formen und -Vorstellungen unter dem Einfluß des Hellenismus zu erforschen oder, wie man es auch ausdrücken kann, die ägyptischen Elemente in dem großen Sammelbecken der hellenistischen Religiosität aufzuweisen." (Theologische Literaturzeitung.) ■P^öf nPt-nrr Ae^o "Mölrf O'rvoT-K-to Wandlungen eines Novellenstoffes. Von Uer ±rUg Ueb iNCKianCDUb. O.Weinreich. gr.S. ign. Geh.M.4.-, in Leinwand geb. M. 4.80. Das Buch verfolgt die Behandlung des literarisch und religionsgeschichtlich bedeut- samen Novellenstoffes von der betrügerischen Benutzung des Glaubens, daß göttliche Wesen sterblichen Frauen nahten, seiner mannigfachen Ausgestaltung und Einkleidung (einschließl. der orientalischen Fassungen) vom Altertum bis zur Gegenwart. frPhnrt T^nnhypH nnH TnH ^°°- ^- Samter. Beiträge zur ver- V-TCUUIL, SnUl^m-Cll UliU X UU. gleichenden Volkskunde. Mit 7 Abbild. im Text und auf 3 Tafeln, gr. 8. 1910. Geh. M. 6. — , geb. M. 7.50. Das Buch, ein Beitrag zur „vergleichenden Volkskunde" im Sinne von A. Dieterich, behandelt die verschiedenartigen Bräuche und Riten, die sich bei allen Völkern primi- tiver Kulturstufen vor allem au die wichtigsten Ereignisse des Lebens, an Geburt, Hoch- zeit und Tod anknüpfen, und sucht die Bedeutung dieser Riten durch genauere Unter- suchungen und Vergleichungen im einzelnen zu ermitteln. Dabei werden neben modernen Volksbräuchen und den Bräuchen der „Naturvölker" insbesondere zahlreiche Riten der Griechen und Römer behandelt, so daß das Buch neben seinem allgemein volkskundlich interessanten Inhalt beachtenswerte Beiträge zum Verständnis der antiken Religion liefert. Die Religion der Griechen. I^S^:;:^^ä^X7st}v^ Zwei griechische Apologeten. SS.i.?o!-,'=ge1,!M.^i.- ''°'- Das Werk gibt zunächst eine kurze Geschichte der Anfänge der Apologetik bis auf Aristides, dann folgt eine Ausgabe des Aristides und der dazugehörige Kommentar, eine kurze Würdigung Justins und Tatians, .dann wieder eine Ausgabe des Athenagoras mit Kommentar; zum Schlüsse wird, noch die weitere Entwicklung der Apologetik und der literarische Kampf zwischen Christen und. Heiden bis zum 6. Jahrhundert geschildert. Neben der Erkenntnis der t inzelnen Streitmittel und Motive wurde besonders versucht, das Bild der hervorragenden Kämpfer in beiden Lagern plastisch herauszuarbeiten. Das Buch kann somit als eine Art Geschichte der altchristlichen Apologetik dienen. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin Arfft r>oi-f\C! T^he^no Untersixchungen zur FormengescHcMe religiöser Rede, gllUÖLUÖ XllCUÖ. VonEd.Norden, gr.8, 1913. Geh.M.ia.— , geb.M.13.— Der "Verfasser gibt zunächst eine Analyse der paulimschen Areopagrede, die als Typus einer apostolischen, dem Publikum entsprechend durch Anlehnung an Leitsätze der stoischen Theologie individualisierten Missionspredigt erwiesen wird, und unter- nimmt es sodann, das Problem der Altarinschrift ityrdiarip ■9'sü, neu zu lösen, indem er die Entwicklungsgeschichte dieses Begriffes vor allem in der gnostischen Literatur dar- legt und daran eine religionsgeschichtlich - lexikographische Untersuchung dieses Be- grifFes und seiner positiven Korrelate {yvGyoiq ^sovvi.a..) innerhalb der hellenischen und hellenistisch-römischen Literatur sowie der orientalischen und synkretistischen Religionen anschließt. Der zweite Teil enthält umfassende Beiträge zur StUgeschichte liturgischer Gebets- und Prädikationsformeln im klassischen und orientalischen Altertum, die für die Exegese klassischer Schriftsteller (Neudeutung der Messallaode des Horaz) wie der - neutestamentlichen und altchristlichen Schriften von größter Bedeutung sind. Als ge- sichertes Resultat dieser Untersuchungen ergibt sich der Nachweis des festen Bestandes eines Typenschatzes religiöser Rede, zu dessen Prägung Orient und Hellas in gleicher "Weise beigetragen und den die synkretistischen Religionen der Kaiserzeit, einschließ- lich des Christentums, übernommen haben. Eine Anzahl von Anhängen enthält stil- geschichtliche Betrachtungen teils zu Schriften des Neuen Testaments, teils zu profanen Autoren {Piaton, ApoUonios v. Tyana u. a.). „Das Buch bringt in reichem Maße, was uns am dringendsten notwendig war, Ausbildung und Verfeinerung der philologischen Methode religionsgeschichtlicher For- schung, die wohl am dankbarsten empfindet, wer aus eigener Erfahrung weiß, wie unsicher unsere tastenden Anfangsversuche waren und noch immer sind. Hoffentlich wird das tiefreligiöse Empfinden, das sich in dem ganzen Buche ausspricht, und die vornehme Art der Polemik, die überall das Gute anerkennt und Gegensätze nicht hervorheben, sondern manchmal eher abschwächen oder überbrücken will, mithelfen, uns dem Ziele einer gemeinsamen Arbeit der Theologen und Philologen immer näher zu führen." (R. Reitzenstein in „Neue Jahrbücher f. das klassische Altertum".) Kaiser Constantin und die christliche Kirche, Von Ed. Schwartz. Fünf Vorträge. 8. 1913. Geh. M. 3. — , geb. M. 3.60. „Bei flüchtigem Hören dieser inhaltsschweren Vorträge hat wohl niemand den Reichtum des Gebotenen mehr als ahnen können; aber auch wer S.s Untersuchungen zum Thema genau kennt, wird über diesen Reichtum erstaunt sein. Ref. jedenfalls sieht in diesen Vorträgen, auf das Ganze und auf eine Menge von Einzelbeobachtungen gesehen, einen höchst wertvollen Beitrag zur geschichtlichen Darstellung des Verhält- nisses von ausgehendem Altertum und aufgehender Kirche. Sie sind das nicht zuletzt wegen der breiten Fundamentierung, die der Verf. seinen Ausführungen über das im Titel genannte engere Thema gegeben hat. Überall greift er auf die Anfange der Entwicklung zurück und überrascht dabei gerade den Kirchenhistoriker mit einer Fälle von Einsichten und Aussichten." (Literarisches Zentralblatt. > Schriften S- K. H. des Prinzen Johann Georg, Herzogs zu Sachsen: Das Katharinenkloster am Sinai. lf!i^f^^J!%eK"m$t' Tagebuchblätter aus Nordsyrien. ^L'm^So'"' ^" '' ''"' ,fDer hohe Wert der beiden Publikationen liegt unseres Erachtens darin: nicht nur daß sie dem Archäologen und Kunsthistoriker reiche Anregungen bringen, sondern daß sie dem jeder alten Scherbe, falls sie paganer Herkunft ist, nachhastenden Abend- land eine der aUerdringlichsten Gewissenspflichten wieder einschärfen, endlich diese an Erinnerungen und Altertümern reichen Kulturstätten systematisch und wissenschaft- lich durchforschen und aufnehmen zu lassen, solange es noch Zeit ist." (Deutsche Literaturzeitung.) T^oi- Viöilirrö ^t-kTTt-i/^i-k« Seine Verehrung und Ikonographie. Mit 8 Ab- j-zer neiiige opynaon. biidungen. gr, s. 1913. m. 1.50. 8